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Abendausgabe

Str. 25142. Jahrgang Ausgabe B Nr. 123

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Vorwärts

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5 Pfennig

Freitag

29. Mai 1925

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-3 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Cindenstraße 3 Ferafprecher: Donhoff 2506-2507

> Berliner Volksblatt Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Krise im französischen Linksblock.

Konflikt zwischen Sozialisten und Regierung.

gegenseitig in die Hände arbeitete. Schon im Jahre 1912 hatte sich die französische Hüttenindustrie vertraglich verpflichtet, an Krupp das zur Herstellung von Brisanzgeschossen unentbehrliche Ferro - Cili cium in großen Mengen zu liefern und es Krupp damit zu ermög­lichen, fich für den Mobilmachungsfall einen beträchtlichen Borrat zu schaffen, obwohl man schon damals den Ausbruch des Konfliktes in Frankreich als unvermeidlich angesehen habe. Diese Lieferungen feien durch Bermittlung neutraler Länder selbst während des Krieges in erheblichem Umfange fortgesetzt worden. Um solchen ehrlosen Berdienern die Taschen zu füllen, hätten alfo 8 204 000 Menschen ihr Leben lassen müssen, seien 5 669 000 ver­stümmelt worden.

Parteiwesen in Japan .

Allgemeines Wahlrecht mit dem Zuchthaus daneben.- Es ist schwer, Sozialdemokrat zu sein! ( Bon unserem japanischen Korrespondenten.) you on a medumu Ojaka, Ende April..

In Japan gibt es jetzt fünf politische Parteien: Kensei- fai( 157 Sige im Parlament), Seinu- honto( 117 Size), Seiyu- tai( 100 Size), Katushin- Club( 29 Sige) und die Wirt­schaftspartei( 9 Size). Außerdem gibt es eine Gruppe von 41 Abgeordneten, die nicht als Partei gilt; innerhalb dieser Gruppe herrscht völlige Meinungs- und Abstimmungsfreiheit. Die übrigen neun Unterhausmitglieder sind, was man im parlamentarischen Sprachgebrauch als Wilde" bezeichnet. Die Gesamtzahl der Abgeordneten ist 463. Eigentümlich am poli­tischen Leben Japans ist, daß man zwischen den genannten politischen Parteien teine grundsäglichen Unter­alichiede findet. Sie alle find opportunistisch und ohne infeste Anschauungen. Früher, vor etwa 30 Jahren, gab es in Französische Waffenlieferungen an Abd el Krim! Japan auch Liberale, Fortschrittler und Konservative. Das Paris , 29. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Aus der Fortsetzung war die Zeit, in der Japan ohne Rücksicht auf den Inhalt der Kammerdebatte über Marotto ist noch zu erwähnen, daß der nur die äußerliche Form der abendländischen Kultur nachzu Redner der Kommunisten sensationelle Enthüllungen über Bafäffen versuchte. Aber solche fünstliche Unterschiede der Par­fenlieferungen französischer Firmen an Abd el teien sind mit der Zeit verschwunden, und jezt gibt es meder Krim machte, und daß es der Regierung nicht gelang, die von ihm Liberale noch Konservative mehr, sondern nur noch verschie= unter Rennung von Namen gemachten Angaben zu entfräften. Die dene opportunistische Parteien. Das moderne politische Partei­Zahl der in Marotto fämpfenden französischen Truppen bezifferte mesen mar eben dem japanischen Bolt fremd; es fümmerte der kommunistische Redner auf 150 000. sich wenig darum, wie die politischen Parteien sich entwickelten. 610 nis u Aber der heutige Wirrwarr des japanischen politischen Lebens hat auch noch einen anderen Grund: das Wahlrecht ist zu viel beschränkt, als daß die Volksmasse sich für Politik interessieren fönnte. Die Unmissenheit und Gleichgültigkeit des Volkes wurde von wenigen strebsamen Leuten ausgenutzt, und so wurden die politischen Parteien lediglich zu Organisationen von ehrgeizigen Berufspolitifern. Die heutigen Barteien Japans sind also, streng genommen, feine politischen Par­teien, sondern nur Interessengemeinschaften der Abgeordneten. Bon Ausländern wird oft gefragt, welche vative, Liberale oder Sozialisten? Ich komme bei solchen politischen Parteien jetzt in Japan an der Macht seien, Konser­Fragen jedesmal in Verlegenheit. Die Sache ist zu verwickelt, als daß man sie mit ein paar Worten erklären könnte.

Paris , 29. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die Maroffo-| Rüstungsindustrie vor und noch während des Krieges fich bebatte in der franzöfifchen Kammer, die bis nach Mitternacht fort­gesetzt wurde, ohne zu Ende geführt zu werden, hat eine uner­wartete Wendung genommen. Der fiart nationalistische Ein­schlag, den Painlevé im Widerspruch mit den den Delegierten des Lintstartells in verschiedenen Unterredungen gemachten Erklärungen feinen Ausführungen gegeben hatte, und vor allem feine Weigerung, in Friedensverhandlungen einzutreten, bevor nicht das militärische Prestige Frankreichs durch einen entscheidenden Sieg über den Gegner wieder hergestellt sei, hat auf dem linken Flügel des Kar­tells und vor allem bei den Sozialisten stärkste Unzufrie­denheit ausgelöst. Die sozialistische Fraktion ist noch am Donners­tag abend zu einer Sihung zufammengetreten, die nach zweiffündiger Beratung mit dem mit 21 gegen 20 Stimmen gefaßten Beschluß endete, sich bei der Abstimmung über das Bertrauensvotum der Stimme zu enthalten. Schon bevor dieser Beschluß gefaßt war, hat in der Nachtfihung der Kammer Genosse Cafont im Namen der sozialistischen Fraktion scharfe& rifit an den Aus­führungen Painlevés geübt und mit großem Nachdrud die Forde­rung nach schleunigster Beendigung der militäri­fchen Operationen und nach Einleitung von Friedensverhand­fungen erhoben. Das Bekanntwerden des sozialistischen Fraktions­beschluffes hat zur Folge gehabt, daß Painlevé selbst den Antrag auf Bertagung der weiteren Aussprache stellte, mit der Begründung, daß angesichts des hohen nationalen Interesses die Abstimmung in voller Klarheit und Unzweideutigkeit erfolgen und dem Lande Gelegenheit geben müffe, zwischen denjenigen zu unterscheiden, die den nationalen Intereffen dienten, und denjenigen, die fich lediglich vom Parteigeist leiten ließen". Diese Erklärung des Ministerpräsi­denten ist nicht gerade geeignet, den Konflikt zwischen Regierung und Sozialisten beizulegen. Die fozialistische Fraktion wird am Freitag morgen zu einer neuen Sigung zusammentrefen, um end­gültige Beschlüffe zu faffen. Wenn auch Painlevé dank der Unter ftühung, die er von den Nationalisten finden wird, einer Mehrheit ficher ist, so hat doch das Abrüden der sozialistischen Fraktion von der bisherigen Mehrheit eine so starke Verschiebung der parla mentarischen Bafis des Minifteriums Painlevé zur Folge, daß mit der Möglichkeit einer krise gerechnet werden muß.

llo

Die Blutschuld der Schwerindustrie. Die Internationale des Goldes und des Eisens." Paris , 29. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Victor Margueritte veröffentlicht unter dem Titel" Die Verbrecher" den ersten Band eines großangelegten Bertes über den Weltkrieg und feine Ursachen. Während Margueritte in seinem im Jahre 1919 er schienenen Buche Am Rande des Abgrunds" die französischen Militars für die vielen Menschenleben zur Verantwortung gezogen hatte, die Frantreich infolge mangelnder Bereitschaft seiner Armee batte opfern müssen, richtet er in seinem letzten Wert sich gegen die Politiker und Diplomaten aller Länder und vor allem gegen die eigentlichen politischen Drahtzieher hinter den Kulissen, gegen die Internationale des Goldes und des Eisens". In einem einführenden Artikel gibt Bictor Margueritte in der Ere Nouvelle einige Tatsachen, die beffer als jede Buchbesprechung zeigen, welche Beachtung sein Wert verdient, das nach gewissenhaften Quellen gearbeitet ist. Er bedt die geheimen Berbindungen zwischen Essen und Creuzot auf und zeigt, wie die

Die Entwaffnungsforderungen. Angeblicher Inhalt der Abrüftungsnote an Deutschland . London , 29. Mai. ( TU) Dem diplomatischen Berichterstatter des Daily Telegraph " zufolge werden die in der Entwaff­nungsfrage an Deutschland zu stellenden Forderungen u. a. folgende Punkte einschließen:

Auflösung gewiffer Abteilungen des Reichswehrministeriums und der Stäbe der größeren Einheiten, die an die Sektionen für Mobil­machung, Nachrichtendienst, Operationen usw. des früheren General­stabs erinnern; Eirschränkung der Zahl der Stabsoffiziere ent­sprechend dem Umfang der Wehrmacht; Auflösung aller Hilfs- und Ueberbestände an Mannschaften, soweit sie noch nicht erfolgt ist; ftrenge Borsichtsmaßnahmen, durch die diese unftatthafte Bergröße rung der ordnungsmäßigen Heeresstärke in Zukunft verhindert wird; Auflösung gewiffer geheimer militärischer Organisationen; wirksames Berbot militärischer Uebungen in athletischen, studentischen und fonftigen Jugendorganisationen vorzunehmen; Verminderung der Institute, auf denen gegenwärtig Offiziere und Unteroffiziere ver­schiedenartige technische Ausbildung erhalten; Auslieferung und Zer­ftörung verschiedener Kategorien von Schriftftüden über Mobil­machung, militärische Operationen uſw.; teilweise Entmilitarisierung und Dezentralisierung der Sicherheitspolizei; Verwandlung beweg­licher Feftungsgefchüße in unbewegliche; Beseitigung einer Anzahl von Fabriken, die noch immer Waffen und Munition herstellen oder herzustellen imftande find; wirksame Beschränkung der Erzeugung von Kriegsmaterial auf die vorgesehenen Fabriken; Zerstörung oder Umbildung der schweren Maschinerien in den Krupp- Werken und den Deutschen Werken; Einstellung der Fabrikation gewiffer Ersatzteile in verschiedenen Fabriken; Zerstörung verschiedener Eisenbahnlinien und Feldbahnen, die ausschließlich militärischen Zweden dienen; schärfere Gefehesbestimmungen bzw. schärfere Anwendung der be­stehenden Bestimmungen gegen die Ein- und Ausfuhr von Kriegs­material.

Streik bei der Omnibusgesellschaft.

Funktionären die Ablehnung des Verhandlungsergebnisses brachte, wurde trotzdem mit Rücksicht auf das Ergebnis der tags zuvor unter dem Gesamtpersonal vorgenommenen Urabstimmung den Lohnerhöhungen zugestimmt. Die Streitgefahr bei der Hochbahn ist damit beseitigt.

gehen die anderen in Opposition, nicht weil sie andere poli­tische Anschauungen, sondern weil sie entgegengesetzte Inter­essen haben. In die Regierung oder in die Opposition gehen sie nur aus opportunistischen Gründen. Das gegenwärtige japanische Kabinett ist eine Koalition der Drei Parteien: Rensei- kai, Seinu- kai und Katushin- Club. Der Premier­minister Vicomte Kato ist Präsident der Kensei- kai. Da er aber ein Adliger ist, fann er nach dem japanischen Wahlgesetz feinen Siz im Unterhaus haben und ist im Herrenhause. Ein solcher Zustand, daß ein Parteiführer des Unterhauses einen Siz im Herrenhause hat, ist auch in Japan etwas Eigentümliches. Aber dieses unerfreuliche Beispiel hat die Bartei Seinu- fai vor furzem wieder nachgeahmi. Die Seinu- kai hat den General Baron Tanaka, das Oberhaupt des japanischen Militarismus, einen Mann, der bis dahin außerhalb der Parteien stand, zu ihrem Präsidenten gemacht. Auch er fann als Abliger feinen Sitz im Unterhaus haben; im Herrenhaus fizt er auch nicht. Es scheint merkwürdig, daß er trotzdem Präsident einer großen politischen Partei im Unterhause geworden ist.

Wenn eine Partei im Barlament an die Macht kommt,

Man tann wohl sagen, daß alle politischen Parteien Japans tonservativ sind, und daher kann das Paria­ment feineswegs den Willen der fortschrittlich gesinnten Bolts­massen vertreten. Es gibt nur bürgerliche Par= teien. Sigt eine Partei am Ruder, wird sie noch konserva­tiver, während die anderen Parteien, solange fie in Oppo fition bleiben, sich etwas liberaler gebärden. Wenn sie jedoch einmal auch die Regierung übernehmen, werden sie auch wieder sehr konservativ. Der Ratushin- Club wird manchmal eine liberale Partei Japans genannt; aber im Kern ist er start tonservativ. Diese Partei hat nur darum eine ver­hältnismäßig stärkere pseudo- liberale Tendenz, weil sie seit der Gründung in der Minderheit im Parlament geblieben ist. Die meisten Barlamentsmitglieder, die keiner Partei ange­hören, find alte Beamte, Vertreter der Bureaukratie, abge­fehen von wenigen Ausnahmen, die wirklich füchtige fort­

Das Gesamtpersonal der Berliner Omnibus- A.- G. hat in seiner| die Annahme. Obwohl eine geheime Abstimmung unter den letzten Nachtversammlung zu dem Ergebnis der Verhandlungen vor dem Schlichtungsausschuß Stellung genommen. Nach dem Bericht der Berhandlungskommission und nach einer Diskussion, die infoíge der Vorgänge während der ganzen Tarifbewegung äußerst erregt war, wurde das Verhandlungsergebnis gegen eine kleine Minderheit abgelehnt. Der Streit war damit für den Omnibusbetrieb beschlossen. Demzufolge ist der Verkehr auf allen Bei der Straßenbahn geht's langjam. Omnibuslinien feit heute früh eingeflellt; Fahrer und Schaffner sind Erst morgen Berhandlungen. nicht zum Dienst erschienen und auch die Handwerker und das Hof­Bekanntlich steht auch das Bersonal der Städtischen Straßen personal stehen im Streik. Die Versammlung wählte eine Streitbahnbetriebs- Gesellschaft in einer Lohnbewegung. Obwohl das Lohn­kommission, die die Führung des Streifs in die Hand nehmen wird. abkommen am Pfingstsonntag abläuft, ist es mit der Berwaltung der schrittliche Staatsmänner sind. Die Wirtschaftspartei ist eine

handlungen und ihrem Ergebnis nicht gerade überraschend. Bei einigermaßen gutem Willen hätte es der Direktion möglich sein müssen, dem Bersonal befriedigende Zugeständnisse zu machen. Der finanzielle Stand des Unternehmens ist jedenfalls so, daß eine für reibe Teile annehmbare Lohnerhöhung durchaus tragbar gewesen märe. Aber die ablehnende Haltung ber Direttion, bie fidh fogar dazu verstieg, jede Berhandlung mit den Organisationen abzulehnen, hat die Stimmung unter dem Personal erzeugt, die schließlich zu tem Streifbeschluß führte. Wie wir foeben erfahren, hat der Schlichter für Groß- Berlin die Gewerkschaften und die Omnibusdirektion zu Bergleichsverhandlungen geladen, die heute um 2 1hr beginnen. Für den Tarifftreit bei der Hochbahn find Berhandlungen um 3 Uhr angesetzt.

Die Hochbahn fährt weiter.

Die Funktionäre des Hochbahnpersonals maren gestern abend Dersammelt, um zu dem Schiedsspruch des vereinbarten Schlichtungs­ausschusses Stellung zu nehmen. Die Mehrzahl der Diskussions. rebner sprach für Ablehnung, die Mitglieder der christlichen Organisationen und die Bertreter dieses Berbandes waren jedoch für

man noch abwarten.

Gesellschaft noch nicht zu Verhandlungen gefommen, da diese bisher jede Aussprache mit den Organisationsver tretern ablehnte. Nach dem Ergebnis der Berhandlungen für die anderen Verkehrsbetriebe jedoch wird die Straßenbahn- Gesellschaft nicht umhin können, nun auch ihrerseits mit möglichster Beschleunides gung die Berhandlungen aufzunehmen und entsprechende Sugestand. niffe zu machen. Nach neueren Bereinbarungen zwischen den Bar. teien sollen nunmehr morgen, Sonnabend, Berhandlungen stattfinden. Es hängt also ganz von der Einsicht und dem Entgegenkommen der Direttion ab, ob die Straßenbahn während der Feiertage weiterläufi

So sehr wünschensmert es im Allgemeininteresse auch ist, daß die für den Personenverfehr bestehenden Einrichtungen im Gange bleiben, so bedauerlich ist vom gemerfschaftlichen Gesichtspunkte aus die mangelnde Geschlossenheit des Personals der Bertehrsbetriebe. Sie fann nur erreicht werden durch straffe gewerkschaftliche Organisation, Schulung, Disziplin und Solidarität. In dieser Beziehung ist vieles nachzuholen.

im vorigen Jahr ins Leben gerufene neue Partei und besteht aus Industriellen und Kaufleuten. Ob daraus eine fonfer­pativ- kapitalistische oder liberale Partei entstehen wird, muß Es ist aber jetzt die Zeit gekommen, wo dieser Wirrwarr japanischen politischen Lebens sich nicht länger aufrecht­erhalten läßt, da die Kritik der öffentlichen Meinung start genug geworden ist, um einen träftigen Drud auf das Bar­lament auszuüben, und die politischen Organisationen Japans dem Willen des Boltes entsprechend umzugestalten. So ist das neue Wahlgesek, das den Männern das allge meine Wahlrecht verleiht, im Parlament im März d. I. endlich angenommen worden. Ein feit zwei Jahrzehnten hartnädig vertretener Wunsch des Boltes ist damit in Er­füllung gegangen. Dieses Wahlgesetz wird von der nächsten Parlamentsperiode( 1928) an angemandt, und in Japan spricht man jezt sehr viel davon, daß eine neue Ar­beiterpartei, die unter dem bisherigen Wahlgesetz un­möglich war, bei der nächsten Wahl im Parlament erscheinen