Mittwoch 3. Juni 1925
tepie
Unterhaltung und Wissen
Jubilate! Jubilate!
Bon Wilhelm von Koellen.
Jahrtausenfeier am Rhein ! Kundige Leute haben errechnet, daß das Rheinland heuer 1000 Jahre zum Reiche gehört. Moch Kundigere haben herausgefunden, daß die 1000 Jahre schon Anno 1885 verstrichen waren. Damals ist es im Drang der Geschäfte übersehen worden. Man holt das Fest nun fräftig nach.
Wenn die Franzosen und etliche Ueberpazifisten im Reiche be= haupten, die ganze Jahrtausendfeier sei ein chauvinistischer Rummel, so tun sie den Rheinländern Unrecht. Am Rhein gibt es feine Völkerhezze, nur Karneval, immer und immer Karneval. Ob es Krieg ist oder Revolution, ob Kindtaufe oder Beerdigung, ob Wallfahrt oder Freigeisterei, ob Kaisergeburtstag oder Präsidentenbesuch, immer ist irgendwo der Schelmentlang der Narrenkappe, der Duft von Braten und die Blume alten rheinischen Weines zu spüren.
Franzosen , beruhigt euch: mo rheinische Bürger tafeln, wird nie gefungen:„ Siegreich woll'n wir Frankreich schlagen!" Dies Lied mächst weiter östlich, wo der Boden höchstens Spargel, nie aber Trauben trägt. Die Jahrtausendfeier ist feine europäische Gefahr, aber ein Zeugnis deutscher Kultur von Anno 1925, an der Deutsch lands Sozialisten nicht mit geschlossenen Augen vorübergehen sollten. Eie zeigt nämlich, daß wir", das heißt die befracten Spizen der Behörden, genau dort wieder anfangen, wo wir Anno 1913 in des festefrohen Wilhelm leztem Jubeljahr aufgehört haben: Festessen und Festtrinken für einige Tausend, denen es auch daheim an Wein und Fleisch nicht fehlt, und die anderen, die den ganzen Zimt mitbezahlen, lesen am anderen Tag in ihrer Zeitung, wen alles von Ministern und Bürgermeistern, von Präsidenten und Professoren, von Barlamentariern und Räten„ man bemerkte“.
Aber seien wir ehrlich: so oft und footel ist in Deutsch land selbst vordem Kriege noch nicht auf Regimentsuntoften getafelt und gezecht worden wie in diesem Jubeljahr am Rhein . 3war leiftete auch München bei der Museumsfeier an Massenabfütterung der Ehrengäste Hervorragendes, aber der kostspielige Scherz dauerte doch nur Stunden; am Rhein aber währt er Tage, Wochen, Monate, ein Jahr! Jedes Nest läßt ous feiner Chronik durch einen beslissenen Oberlehrer noch eine besondere Belagerung oder sonstige Rauferei entdecken, die nach 500 oder 600 Jahren einer großen Fresserei oder Sauferei auf Kosten des Stadtsäckels würdig ist.
-
Im edelſten Wettkampfe aber legen Röln und Düsseldorf . Seit Jahrzehnten gönnt teine der anderen die Luft und das grüne Wasser des Rheins. Jede will die rheinische Hauptstadt sein, jede will besonders glänzen. Also feiern sie, was die Mägen der Bürgermeister und Stadträte nur aushalten können, und laden landauf landab ein, was Lust verspürt, sich am Rhein einmal ordentlich voll zutun. In Köln jagen sich die Empfänge, Frühstücke, Banketts und Festmähler. Der Oberbürgermeister kommt aus dem Tischreden gar nicht mehr heraus. Zuzug von Köchen wird gesucht. Zum preußischen Städtetag wurden man sagt 900 Gäfte öffentlich und fostenlos nespeist. Wenn es 800 waren, genügt es auch. Alles hungernde Bürgermeister und ähnliche Zeitgenossen. Da selbst dieses Feſt die 23einvorräte und die Schlachthallen nicht genügend erschöpfen fonnte, kam die Stadt auf den genialen Gedanken, den ganzen Deut schen Reichstag nach Köln einzuladen, um ihn in der Stadt der Heinzelmännchen bewirten zu lassen. Endlich ein Ausblick auf eine, wenn auch leicht alkoholische Einheitsfront" und" Boltsgemeinschaft"! Dem Reichstag war es aber doch ein wenig geniert, fo mir nichts dir nichts zum Jahrtausendjubilieren nach Röln zu fahren; er[ chidt nur 28 allen Strapazen gewachsene Mitglieder hin.
Mittlerweile strengt sich auch Düsseldorf an. Es hat ja ab und zu das rheinische Barlament, den Provinziallandtag, in feinen Mauern. Der wird mitte Juni etliche Tage ftatt Parlamentieren recht fleißig potulieren, und mehr: man wird den ganzen
Schwester Libella.
Bon Claire Studer.
Eine Band von Geschüzdonner schloß das Feldlazarett ein, das nur durch einige Kilometer von der Front getrennt war. Wie graue, franke Geier duckten sich die gebrechlichen Schuppen und Scheunen vor den Kugeln, die sich manchmal in die Nähe verirrten. Wenn die Türen hastig auf und zuflogen, sah es aus, als flatterten fie por Angst mit den Flügeln.
Das Lazarett war erft vor einigen Stunden flüchtig auf geschlagen worden, denn die Armeen gingen zurüd. Der Schrecken vor einem neuen Abbruch, die ungeheure Tonleiter des Schmerzes, jagende, hilfreiche Hände und stampfende Schlacht fieberten über den Play. Alles, was fie zerfeßt, zerrissen und unbrauchbar gemacht hatte, wurde von Tragbahren, Sanitätswagen und Rarren hier ausgefpien. Der festgefrorne Schmerz der Berwundeten taute in der Sicherheit in Stöhnen und Schreie auf, die sich schauerlich an den Hütten niederschlugen.
Schwester Libella, Schwester Libella! Der Name fiel weich aus den verhärteten Mündern der Träger. Er duftete den Verwundeten nach Sommer, Bergfee und durchsichtigen Flügeln. Schwester Libella allein tonnte das Entsetzen aus den Augen entfernen, das noch von der Schlacht darin lagerte. Sie hielt ihr Herz wie eine Schale hin, um das Blut der Sterbenden aufzufangen. Es war, als flöffe aus der Schmalheit ihrer Hände ein Glanz, und die steilen Falten der Schwesternhaube standen wie Strahlen um ihr marienhaftes Geficht. Jeder Krante, über dem ihre Sternaugen cufgingen, begann zu lächeln, ein schüchternes, vergeffenes Lächeln aus der Knabenzeit. Ihre weichen Worte schmelzten die von Qual verschütteten Züge, so daß das frühere Geficht darunter zum Bor. schein tam. Durch das Fieber ftrahlte es felig auf; denn so stand einmal, damals, in einer hellen Zeit, die Mutter neben ihrer Kinderfrankheit, und sie fühlten sich wieder klein und geborgen.
Ein scharfes Kommando zerriß äßend den Platz. Schwester Libella wurde sehr blaß und ihre bläulichen Hände zitterten in Angst. Cberstabsarzt von Rinsty befahl die Verwundeten zur Operation. Gie flog zusammen mit den Hilfsschwestern in das Operations zimmer, um Instrumente, Berbände und Chloroformmasten bereit zu legen. Der Stabsarzt stand dabei und wühlte boshaft in ihrem Geficht. Sie entriß es seinem Blid und zog die Maske der Gleichgültigkeit darüber. D, sie haßte ihn, wie er rothaarig in seiner weißen Meggerschürze dastand und auf Menschenfleisch wartete! Gie neigte sich dem tleinen, blaßen Unterarzt zu, der wie seine eigene Beiche ausfah, und füfterie: Benn ich doch die Jungen
Provinziallandtag
samt Journalisten tribüne und Regierungsbanf verladen, um ihn über Köln nach Roblenz fich durchjubilieren zu lassen, und unterwegs und am Schluß wieder Festessen und Festtrinken.
Wochen geht diese Jubelseuche nun schon vor sich, Monate wird sie noch dauern. Dann wird sich der Karneval, diesmal wohl endlich auch polizeilich erlaubt, anschließen. Zuschauer sind neben hunderttausend dreiviertel verhungerten Erwerbslosen, neben etlichen Millionen halb verhungerten Arbeitern und ihren Kindern, neben den verzweifelten Opfern des Abbaues und der Inflation, neben den färglich entschädigten Ruth Fischer
巫
führt zum Kampf gegen Hermann Müller, der den ruffischen Kaviar beleidigt hat.
Ausgewiesenen auch 150 000 fremde Soldaten, Ententepolitiker und Ententeagenten. Denen sollen wir beibringen, daß Deutschland unter der Laft der Reparationsschulden zusammen bricht und die Deutschen am Rhein unter der seelischen Not, die ihnen die schwarze Schmach" und die weiße Besatzung berettet, vertrauern und verfümmern.
-
-
Was ist das? Reben wir deutsch : Heuchelei und politische Dummheit und im Hinblick auf die wahrhaft große Not im Lande auch unmenschliche Roheit! Schade, daß dieser Rirmesrummel, bei dem nur noch die im besetzten Gebiet verbotenen schwarzweißroten Fahnen fehlen, ein Unternehmen schändet, das wirklich Ernst und Charakter trägt: die Jahrtausendausstellung in Köln . Alles andere aber, gute Leute, iſt elendefter, fpfeßiger, melodramatischer Kitsch und übelfte Blechmufit,
Die Kerle, die mit Fäuften und Stnüppeln im Herbst 1923 die Separatisten niederschlugen, haben Taten getan. Schwerlich wird man sie zu diesen Jubelfeiern einladen, und dazu darf man ihnen gratulieren, denn so herunterzukommen, haben sie wirklich nicht verdient.
Beilage
des Vorwärts
Gestohlene Schiffbrüchige.
Von Wilhelm Becker- Altenbruch .
Die Rettungsstationen der Deutschen Gesellschaft zur Rettu Schiffbrüchiger haben in diesem Winter ausgiebiger als sonst Ge legenheit zur Betätigung ihres fegensreichen Rettungsdienstes aus Seenot gehabt. Zumal soweit die im Nordseegebiet liegenden Stationen in Frage kommen. Denn seit Jahren nicht brauften die Weststürme mit solch kurzen Unterbrechungen und solcher Heftigkeit über die heimtückischen Küstengewässer der Nordsee dahin wie in den diesmaligen Wintermonaten. Das führt dann in den an Untiefen reichen Außengewässern der breiten Flußmündungen zu einer schnellen Aufeinanderfolge von Schiffsunfällen aller Art und läßt die wackeren Besatzungen der Rettungsstationen oft faum richtig zur Besinnung tommen. Solche Zeiten lassen dann aber auch nicht nur den Segen dieses Rettungsdienstes in seinem vollen Ausmaße erkennen, sondern fie zeigen vor allem auch in verklärendem Lichte die ganze, oft ans Uebermenschliche grenzende Hingabe, mit der diese zähen, worttargen, aber doch so umsichtigen Männer der Wasserkante ihren schweren Dienst erfüllen.
Und diese Hingabe befeelt alle gleichermaßen so einmütig, daß es dadurch zu einem rühmlichen Wetteifer kommt, der im vereinzelten Uebereifer dann eines tragikomischen Anstrichs nicht entbehrt. Um die gefährlichen Außenflußmündungen der Nordsee sind durchweg mehrere Rettungsstationen gruppiert, um so schnell und ausgiebig als mur möglich in Seenot geratenen Schiffen Hilfe bringen zu können. Da ist eine Station auf der äußersten Festlandsspize, der fich andere auf den im Stromlauf liegenden Feuerschiffen und den nächsten Inseln anschließen. Die Notsignale eines Schiffes find häufig mehreren Stationen sichtbar, und es fett mun jebe ihren Ehrgeiz darein, als erste an der Unglüdsstätte helfend eingreifen zu fönnen.
Das führte nun einmal zu einem tragikomischen Rettungswerk. Die Festlandsrettungsstation hatte einen in höchster Seenot befindlichen großen Schoner gesichtet, und es war ihrer Mannschaft gelungen, fich als erste durch Sturm und Brandung an das gestrandete Schiff heranzufämpfen. Es war ihr auch bereits geglückt, die ersten drei Leute der Besatzung ins Rettungsboot zu bringen, als die schwere an der Strandungsstelle herrschende Brandung eine weitere Aufrechterhaltung der Berbindung mit dem Schoner einstweilen zur Unmöglichkeit machte. Da die einfegende Ebbe in der Nähe der Strandungsstelle bereits eine hochragende Wattenplatte hatte freilaufen lassen, entschloß man sich, die drei Schiffbrüchigen dort einstweilen in Sicherheit zu bringen, um dann die Fortsetzung des Rettungswerts um so unbehinderter aufnehmen zu können.
Als dann auch das Rettungsboot der nächsten Inselstation nahte, mußte fich die Führung in arger Enttäuschung davon überzeugen, daß die Festlandsrettungsmannschaften bereits vor dem Abschluß des Rettungswerts standen. Diese Enttäuschung wich jedoch schnell einer unerwarteten freudigen Ueberraschung, als die Inju laner die drei Schiffbrüchigen auf der Wattenplatte entdeckten, an die sie nun schnell heranfuhren. Ehe diese Geretteten so recht wußten, was ihnen geschah, waren fie bereits in das schnell wieder nach der Insel heimwärts fahrende Rettungsboot hinübergezogen
worden.
Derweilen war es den ersten Rettungsmannschaften gelungen, auch den letzten Mann der Befagung des gestrandeten Schoners in Sicherheit zu bringen, während man das Schiff selbst, das auf einer Sandbant hoch aufgerannt war, einstweilen seinem Schicksal überlassen mußte.
Wie groß war aber das Erstaunen, als man die auf der Battenplatte ausgesetzten Schiffbrüchigen nun mit heimholen wollte und fie nicht mehr vorfand. Man suchte einstwetten vergebens nach einer Erklärung für ihr Verschwinden, denn es war nach Lage der ganzen Verhältnisse ausgeschlossen, daß sie doch noch der Flut zum Opfer gefallen waren.
Und das bestätigte sich dann auch erfreulicherweise, als der Rettungszug wieder daheim eintraf. Da lag bereits die Draht meldung der Inselrettungsstation vor, daß fie drei Mann von dem geftrandeten Schoner gerettet habe.
Jawoll, hätt fid wat von gerettet," brummte der graubärtige Bormann des Rettungsbootes grimmig vor sich hin. Gestohlen, muß dat heeten. Ganz gewöhnlicher Diebstahl, als uns Herr Wachtwärter to jeggen pleggt. Ober lot jem man, dat füht dit Seeröbervolt von de Insel jo so recht ähnlich."
draußen vor dem roten Leufel schützen könnte!" Dann trat sie mit noch verschlossenerem Geficht an den Operationstisch. Die Schreie von draußen rüttelten an der Tür. Das war stärker als ihr Stolz.wundeten unter dem rohen Wih ging in der Narkose unter. Der Sie zerbrach ihn und überströmte flehend das steinerne Gesicht des Arztes mit ihrem Blid, um ihn für die Kranten zu erweichen. Der freute sich über ihre Demütigung, und triumphierend fiel sein Auge mit dem sinnlich- ergebenen der Narkosenschwester zusammen. Schwester Libella sah ihn nicht mehr, der erste Verwundete wurde hereingetragen.
Der Operationstisch vibrierte im Zuden der Geschütze. Es war noch ein Knabe, den man hinauflegte. In wenigen Minuten war die Stugel aus seiner Schulter entfernt. Unter der Kethermaste brach unaufhörlich sein Schrei:„ Mutter hervor. Der Uebergang von ihr in den Krieg war zu plöglich über ihn gekommen.
"
Ein Wink des Stabsarztes brachte den zweiten Soldaten. Der schrie gellend aus einem unerträglichen Schmerz heraus, rollte die Augen wie verstaubte Glaskugeln hin und her und bekam eine Morphiumsprize. Brachtvoller Fall", sagte der Stabsarzt und neigte sich über den Nächsten. Schwester Libellas zuckende Nerven, die nur noch wie zerbrochene Drähte über dem seit Wochen ununterbrochen funktionierenden Operationstisch hingen, wurden von den Worten wie von einer Säge zerschnitten.
Ein fürchterlicher, grellroter Ton, der aus dem nächsten Berwundeten aufstieg, spaltete ihr Herz wie ein Blig und sie fühlte es wie einen verkohlten, schwarzen Fehen unter der Brust. Da breiteten fich Gedärme aus einem verquollenen Haufen Fleisch wie Aeste über dem Tisch aus. Während der Arzt in dem Menschenschutt herumwühlte, stieg noch einmal der runde, zerreißende Ton aus dem Gefolterten auf, rollte zur Dede hinauf und wieder herunter, überschlug fich, zerbrach und erlosch in der Agonie. Ab in die Scheune. Weiter! Operation nur zeitraubend, nüzt doch nicht mehr viel", fagte er laut während der nächsten Untersuchung. Die Worte fielen durch das gefolterte, glühende Fleisch des Kranten in sein Herz. Sein Blick richtete sich fpig auf wie ein glänzender Dolch und bohrte sich in das rohe Gesicht des Arztes. Aber der genoß sich in seiner Macht, glücklich, daß er Oberschwester Libella, die sich seit Monaten seiner Gier verweigerte, in ihren Schüßlingen traf, daß er diese heilige", wie er fie verächtlich bei fich nannte, in die Seele stechen fonnte.
Ein ähnlicher Fall folgte. Mit einem:„ Beg, weg", wurde jetzt die Diagnose gekürzt und eine schnellende Handbewegung warf den Sterbenden zu den Leichen in der Scheune, drüben, hinter den Baracken. Einem alten Landsturmmann mußte das brandige Bein abgenommen werden. Der süße Duft des Aethers und das Knirschen der Säge wühlten den Raum und die Nerven auf, die ein finfteres Fertig" zerschnitt.
Mein Gott, noch ein Bein", grinfte der Stabsarzt, heut heizen wir mal wieder mit Beinen". Das furchtbare Aufzuden des Ber Mensch in dem Unterarzt schüttelte ganz automatisch gegen seinen Borgesetzten den Kopf. Die Nartosenschwester lachte ein beifälliges, erotisches Lachen. Aber Schwester Libella weinte nach innen. Ihr ganzes Herz war in Auflehnung gegen diesen entmenschten Fleischer. Sie fühlte sich so verbraucht von diesen Monaten lautlosen Widerstandes; denn weltfremd wie sie war, war sie hilflos gegen jede Gemeinheit. Blutige Menschen wurden wie hinter Schleiern an ihr vorbeigetragen. Gefangene. Diese ruffischen Schweine stinken wie die Best", tragte die Stimme des Stabsarztes und er rührte sie geefelt an.
,, Licht, Licht, meine Augen leben doch noch, tut nur das Gitter fort, Licht!" Ein gekrümmter Menschenmund jammerte es. Blutiges Haar flebte an zerbrochener Stirn; zwei leere Höhlen voll Eiter, Schmutz und Blut lagen darunter und der Verwundete, nur schwach von den Pflegern abgewehrt, rieb mit blutfledigen Händen darin umher, um Licht zu bekommen. Sein Fieberwahn glaubte noch immer an die Binde, die ihm vor den Augen lag. Erst als ihm ein Befehl die Hände fesseln ließ, bäumte er fich gegen die Stimme, schrie: Blind? Sagen Sie es mir, nie wieder sehen, es gibt teine Sonne mehr? Schwarzes Leben, blind?" Und noch in der Narkose fragte sein zitterndes Entsezen:„ Blind?"
Schwester Libella schlugen die Zähne vor Mitleid, als ihm die Augenhöhlen und damit die letzten Spuren des Lichts ausgetrocknet wurden, die Augen, denen man die Welt gestohlen hatte.
Ein dunkler, fraufer Bole schrie nach Frau und Kindern, bettelte um Morphium, um ein Ende, um Tod. Er frümmte sich unter dem rasenden Wühlen eines Blasenschusses. Der Stabsarzt warf ein tnadendes: Jüdische Memme!" über ihn und holte sich Beifall aus den schwülen Stlavenaugen der Narkosenschwester.
,, Wieviele sind es noch?" schrie er dann blaurot hinaus.„ Seit Stunden sind die Geschütze still, und hier ist kein Ende!"
Herr Oberstabsarzt, nur noch zwei Ruffen, aber einer der
Kerle bleibt nicht auf der Bahre liegen." Mit Hilfe des Unterarztes brachte man den Mann herein. Ein hautloses Bündel, von gelben und schwarzen Blajen bedeckt. Es weinte, lachte und tanzte auf der Tragbahre. Die gräßlich verzerrten Augen riffen große Löcher in die Band.
Bu dreiviertel verbrannt," bruminte der Stabsarzt und es Klang wie: Schlechtes Wetter heute.
Rönnte gerettet werden, wenn einer ein Stüd Haut abgabe. Geben Sie Morphium und ab in die Scheune!" ( Schluß folgt.)