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Nr. 25942. Jahrg. Ausgabe A nr. 134

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Donnerstag, den 4. Juni 1925

England und die Garantiefrage.

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Offiziöse Darstellung.

London  , 3. Juni.  ( Reuter.) In Hinsicht auf gewiffe irrige und voreilige Schlußfolgerungen bezüglich der britischen   Politik in der Sicherheitspaktfrage ist es angebracht, den gegenwärtigen Stand dieser Angelegenheit zu betrachten. Die französische   Regie­rung sandte der britischen   Regierung eine Abschrift ihrer vor= geschlagenen Antwort auf den deutschen   Sicherheitspaftvorschlag. Nachdem dieses Dokument geprüft worden war, sind mit dem vollen Einverständnis des Kabinetts Vorschläge Eng­lands an die französische   Regierung gesandt worden, die dahin gehen, die Besprechungen auf eine Frage der allgemeinen Grund sätze zu beschränken, worüber zwischen den Alliierten vollkommenes Cinverständnis herrscht. Gewisse Andeutungen in der Presse geben Beranlassung zu der Annahme, daß die französische öffentliche Mei­mung ziemlich befriedigt ist und daß die französische   Regierung fich jetzt bemüht, die britischen Vorschläge der Note einzufügen, welche alsdann dem Ministerrat und zweifellos der briti schen Regierung zur Prüfung vorgelegt wird, bevor fie an Deutschland   überreicht wird.

Es ist nicht forreft, wenn irgendwelche besonderen Aus­legungen darüber angestellt werden, was geschehen wird; die Be­

sprechungen haben noch nicht den Bunkt erreicht, wo z. B. im ein­

zeinen gesagt werden kann, was in bestimmten Fällen, wie beispiels­weise der Rheinlandfrage, vereinbart worden ist. Die Be­sprechungen find noch in der Phase rein allgemeiner Prin sprechungen sind noch in der Phase rein allgemeiner Prin zipien und

die britische   Regierung ist nur gebunden an das, was Chamberlain im Unterhaus erklärt hat, nämlich daß England den Garantiepaft bezüglich der Westgrenzen billige, wobei es mithelfen wolle, und daß Englands Verpflichtungen fich darauf beschränkten, diese Grenze zu garantieren, denn dies sei gewisser­maßen ein englisches Inlereffe im Hinblick darauf, daß spätere Kriege vermieden werden sollen,

und alle britischen Besprechungen mit Frankreich   geschehen in Aus führung dieser Erklärung Chamberlains. Natürlich wird die Zeit femmen, wo ein Dokument abgefaßt werden und wo vollkommen Llar schriftlich niedergelegt werden muß, was in gewissen Eventuali täten zu geschehen hat.

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Es wird gewiß als sehr bedeutend angesehen, daß Deutsch  landinden Völferbund eintritt, was geeignet wäre, die euro­päische Lage wesentlich zu ändern. Ebenso bedeutsam ist es, daß unzweideutig erklärt wird, daß der Sicherheitspaft feinen Teil des Versailler Vertrags beeinträchtigt, der sich auf Deutschlands   andere Grenzen bezieht. Die Note an Deutschland  wird technisch die Form einer französischen   Antwort haben, aber die Welt wird wissen, daß sie von der britischen   Regierung

Neuer belgischer Regierungsversuch.

Poullet will ein Konzentrationskabinett. Paris  , 3. Juni.  ( WTB.) Wie Havas aus Brüssel   berichtet, hat der ehemalige Kultusminister Boullet heute nachmittag den Auftrag, die Stabinettsbildung zu übernehmen, angenommen. Er wird versuchen, ein Ministerium zu bilden, das als seine erste Pflicht die Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes des Budgets betrachten und zum Programm eine Reihe demokratischer Reformen haben wird, für die eine starke Mehrheit im Parlament vorhanden ist. Boullet beabsichtigt an Bersönlichkeiten aller drei politischen Parteien zu appellieren.

China   protestiert.

Der Aufstand in Schanghai  . London  , 3. Juni.  ( TB.) Wie aus Beting berichtet wird, hat ber chinesische Außenminister dem italienischen Ge­sandten in seiner Eigenschaft als Donen der diplomatischen Bertreter der interessierten Regierungen eine Note über die Lage in Schanghai   überreicht, in der auf die Zwischenfälle hingewiesen wird, die am 30. Mai in Schanghai   sich ereignet haben. Es heißt darin unter anderem: Die getöteten oder verwundeten Stu­denten waren junge Leute aus guter Familie und gute Patrio ten. Sie seien nicht bewaffnet gewesen und man hätte sie nicht wie llebeltäter behandeln dürfen. Die Polizei habe jedoch, anstatt sie zu beruhigen, zu äußersten Maßnahmen gegriffen, die vom Standpunkt der Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu tadeln feien. Die Note protestiert ausdrücklich und erklärt, daß die chinesische Regierung sich das Recht vorbehalte, in Zukunft Forderungen zu stellen. Sie bestätigt endlich, daß die Be hörden der Konzessionszone von Schanghai für den beklagenswerter Zwischenfall verantwortlich seien und verlangt von den Mächten, daß sie ihre Konsuln in Schanghai   beauftragen, die festgenommenen Bersonen in Freiheit zu setzen und gemeinsam mit dem chine fischen Sonderkommiffar für auswärtige Angelegenheiten in Shanghai   Maßnahmen zu ergreifen, um derartige Zwischenfälle in Bufumt zu verhindern.

gefehen und genehmigt worden ist, ebenso wie von der belgischen und der italienischen, welche natürlich vollkommen unterrichtet sind. Die Dominions sind laufend telegraphisch von der britischen   Auf­fassung der Sicherheitsfrage unterrichtet worden.

Noch keine Sicherheitskonferenz.

London  , 3. Juni.  ( WTB.) Bezüglich der von verschiedenen Blättern verbreiteten Gerüchte, daß zur Beratung des Sicherheits­pattes eine Konferenz einberufen werden solle, ist Reuter zu der Erklärung ermächtigt, daß diese Meldungen unzutreffend fcien. Jedenfalls sei der augenblickliche Stand der Berhandlungen ein derartiger, daß man nicht sagen fönne, der Augenblick sei für eine Konferenz geeignet.

An zuständiger deutscher Stelle wird erklärt, daß ein offi­zieller Vorschlag zur Einberufung einer Konferenz zwischen den Alliierten und Deutschland   über die Sicherheitsfrage noch nicht gemacht worden ist, doch sei von deutscher Seite in inoffiziellen Unterhaltungen wiederholt der Wunsch nach offener Aussprache in einer deutsch- alliierten 3usammenkunft geäußert worden.

Englische Besorgniffe über Chamberlains Konzessionen.

wärtige Amt scheint nach wie vor entschlossen zu sein, trotz der London  , 3. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Das hiesige Aus alarmierenden Bariser Kommentare zum Londoner   Memorandum dessen Text nicht preiszugeben. Es ist jedoch auffallend, daß offen. bar aus offiziöfen Quellen am Mittwoch die diplomatischen Korre­spondenten verschiedener Blätter erklären, daß das Londoner   Memo­randum feinerlei neue Konzeffionen in der Offfrage enthalte und man in der in Paris   so fenfationell ausgelegten Stelle des Memo­randums lediglich gemeint habe, daß Frankreichs   Verpflichtungen gegenüber seinen Dstverbündeten im Rahmen einer Völkerbunds entscheidung unangetastet bleiben. Man nimmt in hiesigen politischen Kreisen an, daß man sich in dem Londoner   Memorandum absichtlich deshalb so vieldeutig ausgedrückt hat, um im gegen­wärtigen Borstadium jede Diskussion über die außerhalb des Battes felbst liegenden Fragen zu vermeiden, ein allgemeines Ein verständnis mit Paris   herzustellen und alles weitere auf der hierbei einzuberufenden Konferenz zu beraten. Aus dieser im Inter­effe einer Rettung des Paftes eingenommenen Taktik ergäbe sich die vage Formulierung des Memorandums. Es fann jedoch nicht übersehen werden, daß das Pariser   Echo und die Schweigsamkeit des Außenamtes in der englischen Deffentlichkeit Befürchtungen er­weckt haben, daß Chamberlain den französischen   Wünschen zu weit entgegengekommen ist und damit für Deutschland   der Sicherheitspakt als freiwilliges Uebereinkommen unmöglich gemacht sei.

Proteststreik auch in Peking  .

Peking, 3. Juni.  ( WTB.) Als Protest gegen die Vorgänge in Schanghai   haben die Streifenden gestern nachmittag auch hier eine Riesen demonstration abgehalten. Der Wachdienst der Gesandtschaften ist in erhöhter Bereitschaft. Starke Polizeiabtei lungen riegeln die Zugänge zu dem Gesandtschaftsviertel ab. In mehreren Studentenversammlungen wurde zum Boykott der Briten   und Japaner aufgefordert.

New York  , 3. Juni.  ( Tul.) Demonftrationen und Sympathie. streits haben in Beting, Tsingtau  , Mukden und Kanton stattgefunden. Weitere amerikanische   Kriegsschiffe find nach Shanghai   unterwegs. In Schanghai   hat sich ein Hilfskorps aus 200 amerikanischen Frauen zum militärischen Schutz des Aus länderviertels gebildet.

Die Lage in Schanghai  .

Condon, 3. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Englische und ameri fanische Batrouillen befreiten am Dienstag mehrere angegriffene Europäer in den Vororten von Schanghai  . Bei den sich entwickelnden Zusammenstößen wurden einige Aufständische getötet, piele Derwundet. Banzerautos fuhren am Abend nach der Westvor stadt, wo sich die Streifenden, die Verstärkung durch Studenten er­hielten, verschanzten. Die gegen die Ausländer ge­richtete Streitbewegung nimmt ständig zu, sämtliche Ausländern gehörende Fabriken sind in Mitleidenschaft gezogen Etwa 3000 Strei­fende griffen die japanischen Eiswerte an. Die Bolizei feuerte in die Menge, eine Berson wurde getötet und fünf verlegt. Die Angriffe gegen einzelne Ausländer dauern an. Eine Anzahl Auf rührer bewarf mehrere Straßenbahnwagen mit Steinen und ver wundeten eine Anzahl von Frauen. Vier Abteilungen von bri­tischen Marinesoldaten und Matrofen sind heute hier gelandet, morgen wird eine gleich große Zahl landen.

Schanghai  , 3. Juni.  ( WTB.) Die Unruhen in der Stadt dauern an. Im Zentrum der Stadt wird noch gefämpft. Biele Chinesen kamen bei diesen Kämpfen ums Leben oder wurden verletzt. Nach den letzten Feststellungen sind 21 Arbeiter ge. tötet und 65 verwundet worden. Eine Ausländerin wurde durch einen Steinmurf getötet. Inzwischen sind Panzer ruhen befindet, gelangt. wagen in die westlichen Viertel, wo sich der Hauptherd der Un­Die Schwankenben werden von Studententrupps zum Ausharren im Kampf aufgefordert.

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Der Kampf um Marokko  .

( Bon unserem Pariser   Mitarbeiter.)

Paris  , 2. Juni. Seitdem die Spanier   in ihren Kämpfen mit den verschie­Nordafrika widersetzten, Niederlage auf Niederlage erlitten denen Eingeborenenstämmen, die sich ihrem Bordringen in hatten und sich schließlich an die Küste zurückziehen mußten, rechnete man in Frankreich   mit dem Ausbruch von Waffen­fonflikten zwischen den mehr oder minder. regulären Truppen Abd el Krims und der zum Teil aus Eingeborenen, zum Teil aus weißen Soldaten bestehenden Armee des französischen  Marschalls Lyauten.

vera seine Diktatur in Spanien   errichtet hatte, von Madrid  Versuche, die früher schon, ehe der General Primo de Ri­aus gemacht worden waren, um Frankreich   zu bestimmen, in eine militärische Aktion gemeinsam mit Spanien   zur Nieder­ringung Abd el Krims einzutreten, waren ohne Erfolg ge­blieben. Selbst unter der Herrschaft des Bloc National wagten es die Regierenden nicht, das vom Weltkrieg tief erschöpfte Frankreich   in neue Kolonialabenteuer zu stürzen. Allerdings scheint volle Aufklärung ist darüber noch nicht geschaffen­andererseits auch der Wille nicht vorhanden gewesen zu sein, sich direkt mit Abd el Krim zu verständigen, der vor drei Jah­ren eine von Poincaré brüst abgelehnte Annähe­

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rung versucht hatte.

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Schon als Herriot   am Ruder war, befürchtete man fchend gut organisierten und bewaffneten den Ausbruch von Feindseligkeiten zwischen den überra Scharen Abbel rims und den Vorposten Lyauteys. Die Sozialisten befürchteten, daß die Allherrschaft des über fiebzigjährigen Marschalls Lyauten in Ma­roffo der Berwaltung einen rein militärischen Charakter geben und dadurch gefährliche Konflikte erzeugen fönnte. Der Marschall selbst verwahrte sich allerdings stets in der energischsten Weise gegen derartige Anklagen und ließ eines Tages sogar wissen, daß er nichts dagegen habe, wenn man neben ihm einen Zivilgouverneur ernenne. Zu dieser Ernennung ist es nicht gekommen, da Herriot   gerade gestürzt murde, als er sich mit diesem Problem etwas gründlicher be­fassen wollte. Seither haben sich die Dinge in Marokko   rasch entwickelt. Der spanischen   Sorge ledig, hat Abdel Krim seine Vorstöße gegen die französischen   Truppen systema- tisch organisiert. Noch unter Herrict waren drängenden Lyautey gewisse Truppenverstärkungen zugestanden worden, die unter Painlevé dann noch eine Er­weiterung erfuhren, so daß gegenwärtig etwa 100 000 Mann farbiger und weißer Truppen unter Lyauteys Ober­befehl in Maroffo stehen dürften.

dem

Für die Soziglisten entstand mit dem Ausbruch der militärischen Operationen eine schwere Situation. Nur sehr mangelhaft informiert, wie die ganze öffentliche Meinung, über die eigentlichen Borgänge in Marokko  , über die direkten Ursachen der bewaffneten Zusammenstöße, über die nirflichen Ziele sowohl Abd el Krims als Lyauteys, jedem durch kolo­niale Vergrößerungswünsche herbeigeführten Blutvergießen in allerschärfter Form feindlich gesinnt, ließ die sozialistische Partei sofort wissen, daß sie von der Regierung die genaueste Aufklärung und die unzweideutigste Erklärung verlangen würde, daß es sich in keiner Weise um irgend eine Ber größerung der sogenannten französischen   Zone eder um eine gemeinsame militärische Aktion mit Spanien   han­

deln könne.

Die Partei ließ aber auch gleichzeitig wissen, daß sie feineswegs die Räumung Maroffos verlange, da diese nach ihrer Ansicht weder dem Standpunkt entsprechen würde, den seinerzeit Jean Jaurès   vertrat, als er feinen unvergeßlichen Kampf gegen die militärische Lösung des Ma­roffoproblems führte, noch daß sie überhaupt unter den gegenwärtigen Umständen in Frage kommen fönne, da da­durch eine Gefährdung des friedlich- zivilifatorichen Werkes entstehen könnte, das in den letzten fünfzehn Jahren nicht nur in Marokko  , sondern auch in anderen nordafrikanischen Schußländern wie Tunis   und im Departement Algerien  vollbracht wurde.

In den gemeinsamen Sigungen der Parlamenisgruppe und des sozialistischen   Parteivorstands( der CAP.) zur Be­fprechung dieser Frage haben auch die Vertreter des firfen Flügels erklärt, daß niemand die Räumung Marokkos  zu fordern gedenke. Gerade deshalb konnte sich aber dann die Parlamentsfraktion nicht einfach auf einen negativen Stand­punkt stellen und etwa der Regierung ihr Vertrauen ver­weigern, nur weil in Marokko   zwischen den Heeren Abd el Krims und Lyautens gefämpft wird. In Erwägung dieser Umstände war die Fraktion, auf Antrag Renaudels, mit den anderen Gruppen der Linksmehrheit in Verbindung getreten und hatte sich schließlich mit ihnen über den Tert einer Tagesordnung geeinigt, in der die schleunige Herstellung des Friedens als Ziel bezeichnet wurde. Allerdings erklärten die Sozialisten, daß ihre endgültige Stellungnahme von den Erklärungen des Ministerpräsidenten abhängen würde. Da diese Erklärungen aber als un genügend betrachtet wur­