Der üeutsthnationale Kronzeuge. Herr Tauucuzapf aus Czeruowitz„enthüllt"� Um den absterbenden Barmat-Schwindel nochmals zu beleben, ist man zu einem Verzweiflungsmittel geschritten: der Krön- zeuge der deutschnationalen Presse, Herr Hermann Tannen- zapf aus Czernowitz , mußte sich freiwillig als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß des Landtages melden,(rin Ausschuß, der nach em bißchen Gefühl für parlamentarische Würde besessen hätte— aber dieser Ausschuß hat in den letzten fünf Monaten Ge- legenhcit genug gehabt, dieses Gefühü zu verlieren—, hätte zunächst festgestellt, daß Herr Taimenzapf längere Zeit bei Barmat angestellt war, Abschriften von Privat- und Geschäftsbriefen sich besorgt hatte, um diese nachher in der Rechtspress« zu verwerten. Aus Rein- lichteitsgründen hätte es der Ausschuß von vornherein ab- lehnen müssen, sich mit diesem Herrn, der nach allgemeinem Rechts- empfinden nicht nur groben Vertrauensbruch, sondern auch Diebstahl sich hat zuschulden kommen lassen, überhaupt abzugeben. Man hätte ihm anheimstellen können, seiner bedrängten Seele, wie bisher in der ..BörsenzeituncT oder anderen antisemitischen Blättern Lust zu machen. Man zog es vor, den Herrn Tannenzapf aus Czernowitz . enthüllen' zu lassen. Was dabei herauskam, war ein in rasendem Tempo(die armen Stenographen konnten kaum folgen) vorgetragenes Gemisch von Belanglosigkeiten, Tratsch und offenkundigen Unwahrheiten. Entweder, wie sich fast jedesmal auf Befragen herausstellte, wußte er nichts aus Eigenem, sondern nur durch Hörensagen, oder mußte er auf Dorhall drei oder vier Viertel dessen, was er zunächst positiv mit erhobenem Schwursinger be- dauptet hatte, zurücknehmen. Dabei ist es nicht einmal anzu- nehmen, daß er bewußt log, denn er machte äußerlch den Eindruck cine« hochgradigen Psychopathen mit ausgesprochener Tendenz zum Größenwahn..Ich wirke für SO Millionen Menschen!' wiederholte er zweimal. An einer anderen Stelle fühlte er sich nicht mehr als Zeuge, sondern als Sachverständiger und htyt ein langatmiges Referat über finanztechnische Fragen, das die deutschnatio- nalen Vertreter aus seinen Lippen wie Honig sogen. Der Anblick des Ausschusses während dieser Vernehmung war überhaupt höchst eigenartig. Niemand nahm den Menschen ernst, aber die Rechts- parteiler, die ihn sonst nur mit Pinzetten anfassen würden, schienen ob der Enthüllungen ihres Gewährsmannes hochbeglückt. Das Resul- tat dieses Interemzzos war eine Reihe von Beweisan- trägen zweck» Feststellung der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen. Nach den deutschnationalen Anträgen müßten alle mög- lichen Angestellten der.Amexima' in Amsterdam geladen werden. Damit könnte das Satyrspiel des preußischen Barmat-Ausschusses u m einige weitere Monate verlängert werden und das ist wohl der Zweck der Uebung. Hoffentlich wird man sich zunächst darauf beschränken, die Berliner Zeugen möglichst bald zu ver- nehmen und es dürfte sich dann wohl herausstellen, daß weitere Nachforschungen über Tannenzapfs Erzählungen überflüssig sind. Die Deutschnationalen werden mit diesem Kronzeugen ebenso wenig Glück haben, wie mit den Kronzeugen Gobert und Syrig des Magde- burger Prozesses. ch Im Preußischen. Landtagsuntersuchungsausschuß für die See- bandlungsassären wurde nach Vereidigung verschiedener Zeugen der sich freiwillig meldende Kaufmann Tannenzapf» ein früherer Angestellter Barmat s, vernommen. Der Zeuge gab eine Schilderung der Verhältnisse des Barmat- Konzerns, besonders der Amexima. Er war beauftragt, die Verhältnisse in Amsterdam zu prüfen und stellte fest, daß -tord alle» drunter und drüber ging. Ende 1924 seien bei der Amexima in Amsterdam überhaupt keine Vermögens- »tzlsakte mehr vorhanden gewesen. Als der Zeug« zur Orgamsie- rang der Allgemeinen Handelsbank, einem Unternehmen Barmat». schreiten sollte, fand er ein m einem Bretterverschlag eingepferchtes kleines Zimmer, daran anschließend befand sich der Raum der Amexima und das Bureau Barmats. Es sei nicht einmal ein Tisch vorhanden gewesen. Lediglich habe Barmat einige Häuser besessen. die nach erfolgtem Kurssturz und darauf liegenden Lasten nur noch einen Wert von etwa 200 000 bis 300 000 Gulden repräsentierten. Der Zeuge habe au» einer von einem Angestellten Barmats. namens Krebs, aufgestellten Bilanz ersehen, daß die Barmats über ein Vermögen von mindestens Z0 Millionen allein in Deutschland versügten. Daraus habe er auf den.nicht vor- handenen' Reichtum der Barmats geschlossen.— Weiter bekundet der Zeuge, daß von der Amexima ein U n t o st en k o n t o geführt wurde, welches u. a. die von Barmat veranstalteten Hotelempfänge. darunter solche von Wels. Dr. Sradnauer. Scheidemann usw. bc- stritt.— Zur Sprache kommt ferner, daß von der Seehandlung mit Julius Barmat auf dessen Wunsch im Sommer 1924 ein Brief- Wechsel gepflogen wurde, welcher bezweckte, di� Allgemeine Handels- Kant zur Korrcspondentin der Seehandlung zu machen. Geheimrot Rüge von der Staatsbank verliest den Briefwechsel. Tatsächlich sei aber mit der Allgemeinen Handelsbank in Holland nicht gearbeitet worden. Zeuge Tannenzapf erklärt weiter u. a., von der Seehand- lung fei eine Minderheit von Aktten der Donauländijchen Wert« mit 8 Millionen beliehen worden. Abg. K u t t n e r(Soz.) fragt dazu Finanzrat Dr. Rühe von der Staatsbant, ob diese von dem Zeugen ausgestellte Behauptung zu- treffe. Dr. Rühe ist davon nichts bekannt. Abg. K u t t n e r erklärt dann, daß durch die Aussog« Tannen- zapf» soviel neue Momente in die Barmat-Angelegenheit gebracht wurden, daß er sich die Stellung einer Reihe von Beweis- antrügen vorbehalten müsse. Er stellt den Antrag auf Ladung der Direktoren S ch ä f s e r und L i ch t« n st e i n von der Merkur - dank, sowie auf nochmalige Vernehmung des Zeugen Baron v. Reib nitz darüber, was dieser davon wisse, wie sich die Au»- schifsung des Herrn R o st i n aus dem Auswärtigen Amt vollzogen habe. Außerdem wünscht der Fragesteller von der Seehandlung und der Girozentrale Auskunst darüber, ob die bezüglich der Donauländischen Werke genannte Summe von 8 Millionen Gold- mark, lediglich zur Deckung einer kleinen Aktienminderheit verwandt, tatsächlich von einer dieser Stellen gegeben wurde. Abg. Kuttner stellt ferner fest, daß entgegen der Aussage des Zeugen Tannen- zapf Zeuge Pollitz vor dem Ausschuß eine gut« Schilderung der Barmatschen Geschäftsräume gegeben hat. Der Ausschuh vertagt sodann seine Verhandlungen auf die nächste Woche._ Sozialüemokratischer Vormarsch. Gemeindewahlsieg bei Leipzig . Leipzig . IS. Juni. sEigener Drabtberichi.) In Stahmeln bxi Leipzig fanden am 14. Juni die Wahlen zum Gemeinde- Parlament statt. Für die SPD . wurden 244 Stimmen ab- gegeben, für die KPD . 97 und für die bürgerliche Mischmasch- liste 119 Stimmen. Die Sozialdemokratie erhält S Ver- treter. die KPD . 2 und die Bürgerlichen ebenfalls 2. Sowohl die Kommunisten alt auch die bürgerlichen Parteien haben je einen Sitz an die Sozialdemokratie eingebüßt, sodaß nunmehr ein« Mehrheit der SPD . zu verzeichnen ist. Zaschisteurohcit. In llntermais, Südtirol , wurde das Trog- mann-Denkmal von unbekannten Tätern zerstört. Trog- mann war einer der Freiheitskämpfer von 1809.
Eine Niederlage Schieles. Der Januar als Nationalfeiertag mit IN 3 gegen 138 Stimmen abgelehnt.
Der Reichstag beschloß gestern ohne Debatte die Rück- Verweisung des Gesegentwurfes über Depot» und Depo- s i t e n g e s ch ä f t e an den volkswirtschaftlichen Ausschuß. In der folgenden Fortsetzung der Spezialdebatte des Haus- haltsdesJnnern bemängelt Abg. Runkel(D. Vp.) Einzelheiten des Reichsschulgesetzes. Abg. Dr. ZNoses(Soz.): Ich habe schon gestern im Reichshaushaltsausschuß die Regie- rung und das Innenministerium über die sogenannte Tirpitz- a f f ä r e interpelliert. Ich muß diese Sache heute noch einmal zur Sprache bringen, weil die Art, wie sie von der Regierung behande't wird, geradezu zur Groteske wird. Schon bei der Beratung des Marine-Etats fragten wir an, ob über das Abhandenkommen von Akten aus dem Morinearchiv etwas bekannt sei. Der Reichs- w c h r m i n i st e r G e ß l e r erwidert«, ihm sei nichts bekannt, im übrigen solle man sich an das Innenministerium wenden, dem die Archioc unterstehen. Nun fragen wir beim Etat des Innen- Ministeriums, ob i h m über das Abhandenkommen der Akten etwas bekannt sei. Sosort erhebt sich der Minister mit verbindlichem Lächeln, die Minister lächeln ja bekanntlich immer(Heiterkeit) und jagt, durch Kabinettsbeschluß sei die Angelegenheit dem Justiz- m i n i st e r überwiesen worden. Bei der Beratung des Reichs- Haushalts des Reichsjustizministcriums werden wir nun zum dritten Male ganz bescheiden anfragen. Wie hältst du es mit den Akten? Im Ernst gesprochen: Was ist dasfüreine Art, eine Affäre zu erledigen, die in der ganzen O e f f e n t- lichkcit so großes Aufsehen erregt hat! Weshalb ist. der Kabinettsbeschluß gefaßt worden, galt es der Person oderSachc? Wäre erauchgefaßt wor- den, wenn es sich um Schutze, Lehmann(Zurufe recht«) oder sagen wir einmal um Fechenbach gehandelt hätte? In solchem Falle wäre sofort eine Unter- suchung wegen Unterschlagung eingeleitet wor. den wegen der Entwendung staatlicher Dokumente, die später veröffentlicht werden sollten. Aber wäre es nicht viel einfacher, wenn Herr Tirpitz die Tribüne des Hauses besteigen würde? Sie ist ihm ja nicht unbekannt, denn er hat ja hier große Lorbeeren geerntet. Nun hat der Präsident des Reichsarchivs die Versicherung gegeben, daß Herr o. Tirpitz mit dem Reichsarchiv nie in Berührung gekommen fei. er habe weder Akten genommen noch Abschriften gefertigt. An der Richtigkeit dieser Versicherung zweifelt niemand. Aber das Reichsarchiv besteht doch erst seit ganz kurzer Zeit. Liegt«p nicht in seinem Interesse, nach- zuforschen, ob irgendwo staatlich« Akten vorhan- den sind, die abhanden gekommen waren und zu welchem Z w e ck d o s geschehen i st? Es ist doch auch die Aufgabe des Reichsarchivs nachzuprüfen, ob widerrechtlich Abschriften genommen worden sind, auch aus der Zeit, ehe die Archive des Reich» vereinigt waren. Wenn sich Urkunden des Reichs in fremden Händen befinden, so muß das Reichsarchiv s i e beschlagnahmen lassen und sie wieder dem Reich zuführen. Mein« Fraktion ist nicht gewillt, diese Angelegenheit bis ins Unend- liche oerschleppen zu lassen. Wir werden alles daransetzen,-um Klar- heit zu schaffen, wir werden ee auch beim Etat des Reichsjustiz. Ministerium» wieder zur Sprache bringen, heute ober sehen wir mit Spannung dem Moment entgegen, wo der Reichstagspräsident verkünden wird: Der Abgeordnete von Tirpitz hat das Wort. Präsident Löbe: Zunächst hat das Wort der Abg. hörnle.(Stür- mische Heiterkeit.) Abg. Hörnl«(Komm.) begründet einen Antrag seiner Partei. die Entlassungen von Lehrern au » politischen Gründen rückgängig zu machen und die entlassenen Lehrer zu entschädiaen. Nach wettersn Ausführungen der?1bg. Frau Dr. Matz(D. vp.) verweist Reithsinnenminister Schiele in Beantwortung der Anfrag« des Abg. Dr. Moses über die Angelegenheit Tirpitz auf sein« Erklärungen im Ausschuß. Das Kabinett habe sich eingehend mit der Angelegenheit beschäftigt. Die Interpellationen können jeden Tag im Plenum und zwar bei der einzigen zuständigen Stelle, beim Justizministerium, deant- wartet werden. Der Minister geht dann auf die Wünsche und An- regungen der Parteien zu den Kutturfragen ein. Ich richte an Sie die Bitte, in der Jugend die Achtung vor dem Gesetz und vor der Autorität des Staates, kurz, das Staatsbewußtsein zu pflegen. Es ist zu begrüßen, daß der Ausschuß die Mittel für Turn- und Sportzwecke erhöht hat. Die Unter st ützung der führen. den Organisationen und der großen spo- tlichen Wettkämps« soll zukünftig in verstärktem Maße erfolgen. Besonders schwierig sind die Verhältnisse in der Frage der Lehrerbildung. Es ist wirklich nicht leicht, diese Frage einheitlich zu regeln, nachdem ein Teil der Länder mit der Regelung schon vorangegangen ist. Ausgabe des Ministeriums muß es jetzt fein, unter Verwertung der in den Ländern bereits gemachten Erfahrungen aus eine Einheitlich- keit im Reich« hinzuwirken, auf der Grundlage, wie sie die Reichs- Verfassung vorsieht. Die Freiheit in der Erziehung ist durch Artikel 140 Absätz 2 der Reichsoerfassuno gewährleistet. In Ausführung dieses Artikels wird Ihnen ein Gef-tzentwurf zugehen, der als Refe- renten-Entwurf fertiggestellt ist. Da« Kabinett wird in den aller- nächsten Tagen sich in erster Lesung damit beschästigen. Der En«- wurf wird, der Verfassungsvorschrist entsprechend, dem Willen der Erziehungsberechtigten die von der Verfassung zugesagte B e- kenntnis-, Weltanschauungs- und b e�-e nntnisfreie (weltliche) Schule sicherstellen. Mit den verstärkten Haushalts- Mitteln wird es möglich sein, die schwere wirtschaftliche Rot.kge, in der sich heute weite Kreis« unseres akademischen R ach w u ch- fes befinden, wesentlich zu mildern. Nicht unerwähnt bleiben sollen die Förderung der von der Notgemeinschaft verfolgten Zwecke sowie die Etätsmittel für den Erweiterungsbau des Gormanischen Museums und der Reichsbeitrag für die Deutsche Bücherei. Alles, was wir tun zur Förderung des Staatswillens und des Staatsganzen, alles, was wir auf kutturellcm Gebiete ersehnen, wäre nichts, wenn wir es nicht dem großen Zentrum der vaterländischen Ziele zuführten. Häufig ist davon gesprochen worden, daß man der Massenidee, der nivellierenden Idee entgegenzutreten habe und daß der Gedanke der Staatsidee und der Persönlichkeitsidee dem gegenüber zu treten habe. Ich glaube, daß man Unrecht tut, wenn man die Massenverbindung in Körperschaften, Gc werk- schaften und wirtschaftlichen Organisationen als etwas ansprechen wollte, das man als Massenidee zu bekämpfen habe. Wenn man davon spricht, daß die Korporationen, die sich namentlich seit dem Kriegsbeginn hervorgeichoben haben, dem Staate feindlich gegenüberstehen, so hat der Staat seine Schuldigkeit zu tun und zu beweisen, daß diese Korporationen ihn nicht über- flügeln in ihren Bestrebungen aus dem Gebiete des Dölterlebens und der Entwicklung. Ich bin der Letzte, der sich den Gewerkschaf- ten, dem großen Gedanken der Selbstverwaltung und der wirt- schastlichen Organisation entgegenstellen würde, aber ich möchte aus- sprechen, daß das Verantwortungsgefühl des einen Staatsbürgers aus der einen Seite auch seinen Niederschlag in den Fragen der Organisationen findet. Abg. Dr. Schreiber(Ztr.) setzt sich besonders für die deutsche Wissenschast ein. Abg. Dr. heutz(Dem.) wünscht, daß dieFragcderLehrer- b i l d u n g rasch zur Entscheidung gebracht werde, ehe die Länder im einzelnen ihr? besonderen Wege in dieser Angelegenheit gingen. Abg. Frau Lang-Rrumann(Bayer. Vp.) erNSrt. in der Frage eines Rationalfeiertage» könne man sich aus einen Termin jetzt nicht festlegen. Die, Bauernschaft habe keinesfalls die Absicht, in der Ernte, im August, einen Feiertag zu begehen.
In der Verfassung sei auch nicht die Rede von einer Berechtigung des Reiches, Feiertage einzuführen. Im Etat seien eine Reihe von Summen eingesetzt, für Aufgaben, die in die Kompetenz der Länder fallen. Es müsse dafür gesorgt werden, daß die Kompetenzlinie Reich-Länder nicht verwischt werde.(Beifall rechts.) Abg. Künstler(Soz.) verlangt, einem B i s m a r ck f i l m, der das Verhältnis zu Oesterreich zu untergraben geeignet sei, die Ge- nehmigung zu versagen. Ohne Debatte überweist das Haus an den Rechtsausschuß ein« Gesetzesvorlage über die Erweiterung der Befugnisse des Reichspräsidenten und einen Antrag der Sazialdeir»» traten auf Darlegung des A u s f ü h r u n g s g e s e tz e s zu Art. der Reichsverfassung. Der Ausschußanlrag aus Einführung des IS. Zanuar als Ra- tionalseiertag wird im Hammelsprung mit 193 gegen 1ZS Stimmen abgelehnt. Gegen de« Antrag stimmten Kommunisien. Sozialdemokraten. Demokraten. Zentrum und Baizcrische Volkspartei. Als die Saaltüren geöffnet werden, erfchjul als erster ans der Seite der Jasager der Reichsministc» Schiele. Abg. vitlmann(Soz.) macht unter dem Lärm der Rechten darauf aufmerksam, daß der deutschnationalc Geschäfts- Führer Dr. Philipp die Geschäfte des Hauses behindert habe, indem er das Abstimmungsresultat zunächst angezweifett habe, und behält sich vor, die Angelegenheit im Aeltestenrat vorzubringen. Präsident Lobe schließt sich diesem Vorschlag an. Weitere Anträge auf Festsetzung eines Nationalfeiertags und auf Schutz der Feiertage werden dem Rechtsausschuß überwiesen. Angenommen wird ein interfraktioneller Antrag, im Etat «inen neuen Titel einzuführen, der für kulturelle, i n s b e s o n- der« kirchliche Zwecke eine Million Mark einsetzt. Das Haus bewilligte den Rest des Etats des Innern in zweiter Lesung, mit Ausnahme der Kapitel Reichskommissar für die öffent- lichc Ordnung. Polizei und Technische Nothilfe, lieber diese letzteren Kapitel eröffnet Abg. Schmidt-Köpenick(Soz.) die Debatte. Der Titel.Technische N o t h i l f e' werde von der Sozialdemokratie abgelehnt. Der Charakter der Technischen Nothilfe werde schon dadurch gekennzeichnet, daß sie sich m i t d e m.Stahl- Helm' verbinde, in ihren Versammlungen werde auch nichts anderes als national! ftifchc Politik gemacht. Sämtliche Gewerkschaften haben sich am 5. April in einer Eingabe an die Re- gierung gewandt, worin sie die Alsschassung der Technischen Rothilse verlangen. Von früheren Regierungen sst gesagt worden, daß die Technisch« Nothilfe keine dauernde Einrichtung sein solle. E« besteht kein Grund dasür. sie noch bestehen zu lassen. Aber Sie(gegen rechts) wollen die Technische Nothilfe erhalten, um die notwendigen Lohn- kämpfe der Arbeiter mit ihrer Hilfe zu unterbinden. Der Staat ist nicht dazu da, um die Arbeiter in ihrem Existenzkampse zu hindern. Im Ausschuß hat der Reichsinnenminister heute erklärt, es sei nicht möglich, die Ausgaben für die Technisch« Nothilfe herab- zusetzen. Zur Begründung greift man immer wieder nach Ausreden. um diese Einrichtung zu erhalten. Die Richtlinien für die Technische Nothilfe werden im Lande nicht innegehalten. Hier sind andere Faktoren für sie maßgebend. Auf Antrag der Arbeit- geberverbände wird die Technische Not Hilfe sofort « i n g« s e tz t. Der Redner verweist aus ein Beispiel in O st- preußen.wobet einem Kampfe der Landarbeiter um eine geringe Erhöhung ihrer niedrigen Löhne die Kühe der Landarbeiter aus die Straße getrieben wurden(Hört, hört!), man verweigert« ihnen die weiden, e» wurden sogar Brunnen gesperrt, an denen die Frauen der Landarbeiter Wasser holen wollten, wo blieb hier die Technische RothUf«? Die Gewerkschaften stehen aus dem Standpunkt, daß die Technische Nothilfe überflüssig ist. Noch der Gesundung der Arbester- bewegung können die Gewerkschaften selbst dasür sorgen, daß die lebensnotwendigen Arbesten bei Lohnkämpfen geleistet werden. All« Arbeiterorganisationen haben sich dazu bereit erklärt. Dieser'Titel muß daher gestrichen werden. Wenn Sparsamkeit geübt Verden fall. dann ist sie hier zu allererst am Platz«.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Nach 7 Uhr abends vertagt sich das Haus aus Mittwoch Z'.i Uhr. (Hinausschiebung der Bermögenssteuer-Porauszohlung: sozialdemo- tratische Interpellation über das Konkordat.)
die �mneftievorlage. Gin vollkommen unzulänglicher Entwurf. Di« im Laufe der vorigen Woche fertiggestellte Amnestie- vorlag« liegt gegenwärtig dem Reichskabinett zur Beratung vor. Die besonderen Verhandlungen mit den Parteien sind abgeschlossen. Infolg« Differenzen zwischen Reich und Ländern konnte der Am- nestieerlaß bei dem Amtsantritt Hindenburgs nicht w Kraft treten. Auch jetzt ist mit großen Differenzen sowohl im Reichsrat wie vor ollem im Reichstag zu rechnen: denn die Amnestieoorlage ist ab- solut unbefriedigend. Es handelt sich nur um eine Reichs- amnestie, d. h. um Amnestierung von Verbrechen oder Vergehen, die von einem Gericht des Reichs(Staatsgerichtshof. Reichsgericht) verhandelt wurden. Es werden ferner nur Strafen bis zu einem Jahr amnestiert; Zuchthausstrafen sind von der Amnestie ausgeschlossen. Das Dattim für die Befristung der Amnestie — sie reicht nur bis zum 1. Oktober 1923— ist völlig willkürlich gewählt. Diese Grenze berührt um so merkwürdiger, al» doch ge- rode in die Zeit nach dem 1. Oktober die schlimmsten Tage der In- flationszeit und damit eine ganze Reihe von Inflattonsvergehen fallen. Die praktische Wirkung der Vorlage wird darin bestehen. daß die Käppi st en, die rechtsradikalen Uebeltäter und die Angehörigen der Organisation Consul begnadigt werden: von den Kommunisten wird nur ein kleiner Teil etwas von der Amnestie haben. In Bayern bleibt natürlich wie immer alles beim alten.
völkisches!
Die drei völkischen Gruppen des Reichstage» haben sich, nach- dem sie sich längere Zeit geschlagen hatten, neuerdings wieder ver- tragen. lieber das Einigungsprogramm war bisher nichts bekannt geworden. Jetzt wird klar erkennbar, daß bei der Versöhnung der Ludendorsf, Gracfe und Straßer der Antisemitemus geopfert wurde, der also selbst den Völkischen zu dumm geworden ist. Zum Haushall des Reichsministeriums des Innern hatten die großen bürgerlichen Parteien den Antrag gestellt, den christlichen Kirchen und den Syna- zogen für kulturelle Zwecke 1 Million 200 000 Mark zu bewilligen. Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten angenommen mit den Stimmen der Deutschnationolen. des Zentrums, der Volkspartei. der Demokraten, der Bayerischen Dolkspartei und der Wirtschaftspartei und— der Völkischen! Heul! Heul! Sie haben Wotan verleugnet und sind zu Iehova in ver- dächtige Beziehungen getreten! Die Hakenkreuzler sind zur Juden- schutztruppe geworden! Die Geister der jüdischen Vorfahren vieler völkischen Führer sind versöhnt, ober der alte Rabbi Akiba ist verdutzt, denn daß eines Tages Graes«. Henning, Ludendorss und Genossen sich um die weitere Verjudung Deutschlands verdient machen würden, hat er nicht vorhergesehen.