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Iswolski km Weltkrieg. Eine intereffante Tokumeuteusammlnng. Als Fortsetzung der fünf lehrreichen Bände, die Deheimrat Friedrich Stieoe im Auftrage des Auswärtigen Amtes über den diplomatischen Schriftwechsel Jswolstis vor dem Kriege heraus- gegeben hat, ist kürzlich ein neuer Band erschienen: ,3swolsti im Weltkriegs. Aus den Originaldokumenten, die in der ersten Samm- lang enthalten find, hatte man die systematische Minierarbeit des russischen Diplomaten im Sinne der Einkreisung der Zentralmächte imb' der Vorbereitung des Weltkrieges genau verfolgen können. Bald nach Serajewo entsteht nun eine Lücke, weil Iswolsti den Präsidenten Poincarä auf dessen schicksalsschweren Besuch beim Zarenhof begleitet hatte. Daß gerade in diesen Tagen die Tätigkeit Jswolskis besonders verhängnisvoll gewesen sein dürfte, läßt sich mit absoluter Gewißheit annehmen, aber die dokumetarischen Spuren seines damaligen Wirkens fehlen, da er alles an Ort und Stelle besprechen konnte. Als er am 31. Juli 1S14, etwa gleichzeitig mit Poincare, wieder in Paris eintraf, waren die Würfel faktisch schon gefallen: die Kriegserklärung Oesterreich-Ungarns lag schon vor, ebenso die osten- tative Solidaritätserklärung Rußlands für Serbien und vor allem der russische Befehl zur allgemeinen Mobil- m a ch u n g. Die Telegramme und Berichte Jswolskis und der ande­ren russischen Diplomaten gelten daher von diesem Tage an nicht mehr der Vorbereitung des Krieges, sondern der Führung des Krieges. Als Beitrag zur Erforschung der Kriegsursache kommen sie infolgedessen kaum mehr in Betracht, sondern als Beitrag zur Ergänzung der Kriegsgeschichte. Jedenfalls zeigt sich immer beut- licher, daß das eigentliche Zentrum der russischen Diplomatie nicht das Auswärtige Amt in Petersburg und der Minister Sasonow war, sondern die russische Botschaft in Paris und deren Leiter Iswolsti. Es gibt keinen wichtigen Bericht der russischen Botschafter in Lon- dsn, Rom , Nisch, Bukarest und Konstantinopel , der nicht entweder über Paris nach Petersburg oder in Abschrift von Petersburg nach Paris übermittelt wurde. Jswolski war vom ersten Tage des Krieges an mit geradezu be- wundernswürdiger Klarheit und Zähigkeit bestrebt, das Werk der Einkreisung durch chinüberziehung Italiens und Rumäniens auf 1>ie Seite der Entente zu vollenden. Die Entwürfe der Verträge, die mit diesen beiden Ländern erst viel später persekt werden sollten, werden von ihm schon in den ersten Tagen des Krieges ausgear- beitet. Ebenso fehlt es nicht an Bemühungen, Bulgarien zu einem Vorgehen gegen die Zentralmächte zu bewegen. In diesem letzten Punkt sollte sich allerdings Jswolskis Rechnung als falsch er- weisen. Aber auch in der Frage der Herüberziehung Italiens und Rumäniens in das Lager der Alliierten hatte sich der russische Bot- schafter die Dinge etwas einfacher vorgestellt, als sie sich erwiesen. Die anfänglichen Erfolge der Deutschen an der Westfront wirkten zunächst in Rom und Bukarest wie ein kalter Wasserstrahl. Man kann in den Telegrammen Jswolskis aus den letzten August» und den ersten Septembertagen 1314 deutlich die wachsende Sorge um den Ausgang.seines'' Krieges herauslesen. Seine Lage war inso- fern heikel, als die Enttäuschung über die Wirkung der russischen ..Dampfwalze" in den offiziellen Pariser Kreisen immer lauter und naturgemäß gerade er Gegenstand dringlicher und vorwurfsvoller Anfragen über die Fortschritte der russischen Offensive wurde. Jswolski machte die Flucht der Pariser Regierung nach Bor- dcnvr mit. Seine Telegramme in diesen Tagen der allgemeinen Panik beweisen, daß die französische Oberste Heeresleitung und Re- gierung die Einnahme von Paris durch die Deutschen für unvermeidlich, wenn auch nicht für entscheidend hielten. Dann kam die Marneschlacht, über deren Ausgang man sich in Bordeaux längere Zeit nicht im klaren war. Als aber der Sieg der Franzosen offenbar wurde, wurde er in seinen unmittelbaren Wir- kungen zunächst überschätzt: man glaubte ursprünglich an einen un- geheuren Gegenstoß Joffres, der die Deutschen bis an den Rhein zurückwerfen würde und erkannte nur allmählich, daß sich beide Armeen festgefahren hatten: der Bewegungskrieg war zu Ende, der Stellungskrieg begann. In einem längeren zusammenfassenden brieflichen Bericht gibt Jswolski eine Schilderung der bewegten Wochen, der sowohl politisch wie militärisch von hervorragendem geschichtlichen Interesse ist und durch seine Klarheit und Lebendigkeit heute noch fesselt, obwohl er eigentlich nur längst Bekanntes wiedergibt. Bis zum Eintritt Italiens in den Krieg, auf dem Jswolski nach der Wendung an der Marne mit verdoppeltem Eifer, aber zuweilen auch mit brutaler Ungeduld hinarbeitete, sind die Spuren der diplomatischen Tätigkeit Jswolskis noch sehr häufig. Später, im Jahre 1916, werden sie immer spärlicher, mit der russischen Revolution vom März 1917, die zugleich seine Absetzung bedeutete, hören sie gänzlich auf. Durch die Stieoeschen Veröffentlichungen gewinnt man ein abschließendes Bild von der Person Alexander Jslowskis, der sicher­lich einer der größten, aber auch unheilvollsten Diplo- m a t e n seines Zeltalters gewesen ist. Cr hat zwar den Sieg der von ihm zusammengeschmiedeten Konstellation über die Zentralmächte noch gesehen aber sein eigenes Land war dabei in Trümmer gegangen, sein Kaiserhaus abgesetzt, verbannt oder abgeschlachtet, sein Volk unter der Herrschast der verhaßten Revolutionäre. Daß er d o s noch erlebte, wäre ein« gerecht« Rache des Schicksals. China gegen England. Die Hochschulen verlangen Abbruch. Peking . 20. Juni. (Reuter.) Di« Delegierten von 48 Hoch- schulen sandten eine Abordnung zum Außenminister und zum Kriegsminister, die die Forderung erhob, daß die diplomatischen /Be- Ziehungen zu Großbritannien abgebrochen werden sollen. In K i uk i a n g haben die Streikenden einen Beschluß gefaßt, an Engländer und Japaner kein« Kohle zu verkaufen. In Fut- schau wurde ein Boykott gegen die Japaner beschlossen. Erklärung. Ich habe den in Nummer S91 des.Vorwärt«" vom 16. De- zember unter der Ueberschrift.Die anderen Lande«- Verräter" erschienenen Artikel lediglich deswegen verfabt, um gewille Angriffe gegen den damaligen Reichspräsidenten zurück- zuweisen. Eine persönliche Ehr-nkränkung de« Privatkläger« General v. Gebsattel hat mir jedoch ferngelegen, insbesondere will und kann ich nicht behaupten, daß etwa der Privatkläger persönlich als Landesverräter anzu'preche» ist. Die weitere kurze Notiz in Rummer 594 des.Vorwärts" vom 17. Dezember 1924 ist ohne mein Wissen veröffentlicht worden. Ich kann mir die fragliche Wendung»Landesverräter und noch feige" nicht zu eigen machen und bedauere daher diese Fasiung der Rotiz. Berlin , den 18. Juni 1925. Ernst Reuter . Der handeis. und Schisfahrlsverlrag zwischen Deuischlaud und Großbrilannien. der am 2. Dezember 1924 unterzeichnet wurde und einen Meistbegünstigungsvertrag darstellt, ist soeben dem Reichstag zur Ratifikation zugegangen, nachdem der Reichsrat ihm zugestimmt hat.

Die bulgarischen Eefängnisgreuel. Eine Schande Europas . Turin . 20. Zoni.(Eigener Drahtbericht.) Der Turiner Stampa " berichtet ihr nach Bulgarien entsandter Sonderberichterstatter unler Umgehung der bulgarischen Zensur auf Umwegen haarsträubende Ein- zelheileu über das wüten des weißen Terrors. Die Berhaftetcn werde« lo den Gefängnissen kurzerhand niedergeknallt und diese Morde werden nachträglich mit angeblichen Revollen begründet. In Sofia besteht eine Feme aus einem Duhend Offiziere, die sogenannte .Eskadron", die ein skandalöses ausschweifendes Leben führen: sie versetzen sich in wüsten Orgien mit stadlbekannten Dirnen niedrigster Gattung in eine Art Blutrausch, in dem sie über ihre wehrlosen Opfer herfallen. Einer dieser Offiziere wird von der öffentlichen Meinung als der Mörder des deuffchen Zoprnalisten herbst bezeichnet. der ebenfalls im Gefängnis durch Pistolenschüsse niedergestreckt wurde. Die Zahl der in den lehken Wochen auf diese weise Ermordelen wird bei vorsichtigster Schätzung auf zweihundert angegeben. Sogar ein Ministerialbeamler äußerte zum Korrespondenten, die heukige Re­gierung entehre Bulgarien in den Augen der ganzen zwilisierlen well.

Der üeutsch-französische Handelsvertrag. Montag Plenarsitzung der Delegationen.' Paris , 29. Juni. (Eigener Drahtbericht.) In den deutsch - französifchenHandelsvertragsoerhandlungener- wartet man, nachdem es in Luxemburg zu einer Einigung der Schwerlndustriellen der beiden Länder gekommen ist, für Montag die definitive Entscheidung. Die beiden Delegationen werden an diesem Tage zu einer neuen Plenarsitzung zusammentreten, um zu versuchen, das in Aussicht genommene Provisorium endgültig festzulegen. Ob das gelingen wird, darüber gehen die Auffassungen der unterrichteten Kreise stark auseinander. Tatsache, ist jedenfalls, daß bei einer großen Anzahl von Tarifpositionen die beiderseitigen Zugeständnisse noch beträchtlich voneinander ent- fernt sind und daß es großen Entgegenkommens von beiden Seiten bedarf, um die noch vorhandenen Divergenzen innerhalb weniger Tage zu überbrücken. Wenn es nicht noch in der ersten Häffte der nächsten Woche zu einer definitiven Verständigung kommen sollte, kann nicht mehr darauf gerechnet werden, daß das ftanzöstfche Parlament die Abmachungen noch vyr dem Beginn der Ferien ratifizieren wird und daß in diesem Fall die Verhandlungen der beiden Delegationen auf später vertagt werden müssen.

vor üer Entscheidung in Paris . Die Haltung der Sozialisien. Part», 29. Juni. (Eigener Drahtbericht.) In der Kammer haben die Sozialisten bis auf zwei, im Gegensatz zu ihrem Ver- halten am Dienstag, für den RegierungSantrog auf Vertagung der kommunistischen Marokko -Jnterpellation gestimmt. Die Fraktion schloß sich dem Genossen L6on Blum an, der ausgeführt hatte, solange ein entgegengesetzter Parteibeschluß nicht vorliegt, gelt» der frühere Beschluß, daß die Regierung des Linksblocks zu unter- stützen sei. �ranzösisch-spanischer Kriegserfolg. Part», 29. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die franzostsch. spanischen Truppen brachten die V e r b i n d u n g s st r a ß e Tanger- Tetuan in ihre Hand. Damit ist den Rifkabylcn eine wichtige Zufabrtsstraße abgeschnitten worden. Auf der spanisch- sran- zösischen Konferenz in Madrid sind bereits mehrere Punkte des aufgestellten Programms zur Zufriedenheit beider Teile erledigt worden. Deutscheu ist Französisch-Marokko verboten! Blogador, 29. Juni. (Havas.) Der Friedensrichter hat die Kapitäne der drei deutschen Fischerboote, von denen zwei vor etwa zwei Wochen und eines im Verlauf der letzten Woche in den französischen Küstengewässern von Marokko angehalten worden waren, zu je 1999 Frank Geldstrafe wegen Fischerei- Vergehens, sowie jedes Mitglied der Besatzung zu 299 Frank Geldstrafe und drei Monaten Gefängnis wegen Ver- gehen» gegen die A u f e n t h a lt s b e st i m m u n g e n unter Ge­währung eines Strafaufschubs verurteilt.

/lrbeiterpartei und paktfrage. Vor der Unterhausdebatte. Loadon. 29. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Da Ehamberkain entschlossen ist, den Sicherheitspakt unter keinen Umständen ohne die Zustimmung der Oppositionsparteien abzuschließen, betrachtet man die für Mittwoch erwartete Unterhausdebatte als für das Schicksal de« Paktes besonders bedeutsam. Hierüber erfährt unser Korre- spondent folgendes: Innerhalb der Arbeiterfraktion sind die Meinungen über den Pakt geteilt. Die Minderheit fft grund- sätzlich gegen den Pakt und ihr Sprecher wird das am Mittwoch zum Ausdruck bringen. Die Mehrheit wird durch Macdonald und Henderfon erklären lassen, daß sie die Aufgabe der Debatte darin erblickt, zunächst Aufklärung über verschiedene Un- tlarheiten in der französischen Rote, insbesondere der Punkte 2 und 4 zu erlangen. Sie will die Forderung vertreten, auf welche die Ar- beiterschaft nicht verzichten kann, daß sich keinerlei m I l I t ä- rische Abmachungen zwischen französischem und englischem Generafftab an den Pakt knüpfen dürfen, bzw. falls ähnliche Ab- machungen getroffen werden, diese in gleicher Weise mit Deutsch - land abzuschließen sind und die Regierung verpflichtet ist, das Parlament hiervon in Kenntnis zu fetzen. Ferner wird die Ar- beiterpartei die allgemeine Entwaffnung als wesentlichste Vor- aussetzung der im Rahmen der Gleichberechtigung zu treffenden Ab- machungen betonen. Montag wird in einer Sondersitzung des Kabinetts Chamber- lain über die Genfer Völkerbundratskonferenz berichten und die Stellung der englischen Regierung zum Sicherheitspatt festgestellt werden. Heute Arbeitslosensonntag. London . 29. Juni. (WTB.) LautDaily Herald" wird morgen die Arbeiterpartei im ganzen Lande Tau sende von Kungebungen veranstalten, um ein sofortiges Ein- greisen der Regierung in der Arbeitslosenfrage zu erreichen. Ferner werden Umzüge mit Fahnen und Musik veranstaltet.

Sowjet-Freiheit. NeueS Konzentrationslager für Nichtkommunisien. Moskau . 29. Juni. (TU.) Die politische Hauptoerwallung hat oerfügt, unverzüglich neue Gebäude für politische Gefangene in der Stadt Kem im Gouvernement Archangelsk zu bauen. In dem neuen Konzentrationslager sollen zweitausend polt- tische Gefangene untergebracht werden.

Ein Denkmal für wolodarski, den vor fünf Jahren in PeterS« bürg ermordeten führenden Bolschewik, wird heute, Sonntag, am Word tag, in Petertbnrg aus der Mordstelle enthüllt.

Wien kopiert Serlin. In grausamem Misibrauch der Untersuchungshaft. Mien, 29. Juni(Eigener Trahtbericht). Der Gesundheitliche Zustand der Burgtheater- Altenlätcrin, der Mazedonierin Mencia Cernictu, gibt zur Besorgnis Anlaßt es heißt, daß sie kaum ihren Prozeß erleben dürfte. Ein hochgradiges Lungen- und Nierenleiden hat sie befallen. Ihr Rechtsanwalt hatte ihre Ueberführung aus dem Untersuchungsgefängnis in ein Sanatorium beantragt. Das Aerzte-Konsortium, das darüber zu entscheiden hatte, lehnte den Antrag am Sonnabend wegen»vorliegenden Flucht- verdachtes" ab. Dr. Zrank als Nachfolger Nieöls. Dr. Grünberger Gesandter in Paris . Men. 29. Juni. (WTB.) Die Großdeutsche Volkspartei stimmte heute einstimmig zu. daß Vizekanzler Dr. Frank den Berliner Gesandtenposten Übernehme. Der Ministerrat wird, wie in politischen Kreisen verlautet, bereits morgen die Ernennung voll- ziehen, worauf sich Dr. Frank alsbald nach Berlin begeben wird. Das Nationalratsmandat wird Dr. Frank beibehalten. Der Bundespräsident hat den früheren Minister für auswar- tige Angelegenheiten, Dr. Alfred Grünberger . zum österreichi- schen Gesandten in Paris ernannt.

Mussolini beschimpft Sforza. Vor der Kammer. Rom , 29. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die Freitagsitzung der Kammer endete spät nachts mit einem dipolmatischen Skan- dal, wie er im italienischen Parlamentarismus wohl kaum je vor- gekommen sein wird. Die extremen Faschisten hatten schon immer durchbllcken lassen, daß nicht Mussolini , sondern hohe Beamte des Ministeriums, besonders der Senator C o n t a r i n i die Außen- Politik machen. Abg. G i u n t a, ein enger Freund Mussolinis, hatte in der vorhergehenden Sitzung einen Zwischenruf bezüglich F i u m e gemacht und Mussolinis Politik den Verlust des an Südslawien ge- kommenen Fiumaner Hafenteils von Baros indirekt vorgeworfen. Als am Freitag nacht die Kammer auseinandergehen wollte, erhob sich plötzlich Mussolini und verlangte eine Erklärung von Giunta. Dieser behauptete, keine Disziplinwidrigkeit be- gangen zu haben. Außerdem könnte sich Contarini im Senat ver- teidigen. Schon während Giuntas Erklärung hatte Mussolini durch einen Zwischenruf behauptet, daß Perto Baros durch einen G e- h e i m b r i e f des damaligen Außenministers Graf Sforza an- läßlich des Rapallo -Vertraaes(natürlich des italienisch-südslawischen, nicht etwa des deutsch -russischen) an Südslawien abgetreten sei. Unter dem. Beifall seiner Leute erklärte sich Mussolini dann von der Antwort Giuntas nicht befriedigt: die Außenpolitik mache ausschlieh- lich er. Er habe sie aus einer fast verzweifelten Lage gerettet. aber er könne nicht dulden, daß man ihm die Politik eines Lügners und Verräters zuschiebe. Baros habe nicht den Faschismus abgetreten und auch für das schändliche Verlassen V a- lonas sei der frühere Außenminister Gras Sforza veraiit- wortlich. Die maßlosen Angriffe Mussolinis auf Sforza verursachten große Bewegung, zumal auch Sforza als Ritter des Ann Uli- ziaten-Ordens und damitVetter des Königs" besondere Vorrechte und Rücksichten genießt., Das Beamlea.ZNahrcgelungsgesetz Rocco, das vor dieser Szene mit 274 gegen 42 Stimmen genehmigt wurde, hat auch bei den Faschisten stärkste Bedenken erregt. Eine bedeu- lende Zahl der Abgeordneten stimmte nur ans Disziplin dafür, o der frühere Iustizminister Ooiglio, der die Erwartung aus- prach, daß das Gesetz nicht mißbraucht werde. Die faschisti- chen Abgeordneten De N o b i l i und Benassi traten aus der Partei aus, weil sie nicht für das Gesetz stimmen wollten. Das Gesetz Rocco soll dazu dienen, nichtfaschistische, wenn auch in der Arbeit unantastbare Beamte ohne Begründung zu entlassen; es gill auch für Universitätsprofessoren! Sforzas Bruder unter nichtigem Vorwand verhaftet. Rom , 29. Juni. (Eigener Drahtbericht.) In Mossa bei Pffa wurde der ältere Bruder des Grafen Sforza verhaftet, weil er Majestätsbeleidigung durch den Besitz(I!) einiger verbotener Flugschriften begangen habe. Frellich man fand bei ihm auch Bilder Matteottis, mit denen die Grabkapelle der Sforza jüngst am Gedenktag des Mordes geschmückt war. Noch den heftigen Angriffen Mussolinis auf Sforza in der Kammer erregt die Verhaftung seines Bruders großes Aufsehen. Der ehemalige Minister ist in Frankreich : sein Brnder soll gewiß Geisel sein. Faschistische Sturmtruppen von Neapel boten sich Mussolini für eine Strafexpedition nach Afghanistan an.(Gute Reise und verdient herzlichen Empfang! Red. d..V.".) Der Papst brandmarkt die ffaschistenroheit. Rom . 29. Juni. (WTB.) Der»Osservatore Romano " berichtet' aus Pisa , daß nach einer Sitzung des katholischen Studenten- Verbandes mit Stöcken und Revolvern bewaffnete Faschisten die katholischen Studenten verprügelten und dem Sekretär des Verbandes die Aktenmappe wegnahmen. Der»Osservatore Romano " weist auf die gestrige Papstrede hin, in welcher der Papst gegenüber Pilgern aus Perugia die Gewall- tättgkeiten beklagte, unter welchen die seinem Herzen sehr nahe- stehenden Institute und Einrichtungen zu leiden haben. Solche Ge- walttätigkeiten, ettlärte der Papst, wurden längst nicht mehr vorkommen, wenn sie pflichtgemäß verhindert und bestraft worden wären. Sie seien um so bedauerlicher im gegenwärtigen Augenblick, wo die Aufmerksamkeit der Welt auf Rom und Italien gerichtet sei und wo Pilger aus ollen Ländern Rom und Italien besuchen._

Ein vergeßlicher alter General. Der alle General Keim hat jüngst seine Memoiren erscheinen assen.(Erlebtes und Erstrebtes.) Ernst Letsch' Verlag, Hannover .) Am Schluß diese» interessanten Buches(Seite 269) ist zu lesen: Da ich am Lebensende steh«, so werde ich die Fahne schwarzweißrot nicht mehr lange hochhalten können, für die und unter der ich stets gekämpft habe. In seinen Iugenderinnerungen(S. 12) erzähll er aber selbst, daß er 1866 als junger hessischer Offizier unter schwarz- rotgoldenen Fahnen gefachten hat: Um diegroßdeutsche" Richtung der Exekutionstruppen auch äußerlich in Erscheinung treten zu lassen, erhielten sie schwarz- rotgoldene Armbinden. Den älteren Offizieren, die noch 1849 gegen die Revolutionäre gekämpft hatten, deren Wahrzeichen in den gleichen Farben bestanden, wollte allerdings diese Trikolore nicht recht einleuchten. Jedenfalls war es ein eigenartiges Schauspiel, als vor dem Englischen Hose (dem bekannten Frankfurter Hotel. Red. d.»V.") die Gemahlin des Prinzen Alexander von Hessen schwarzrotgoldene Armbinden verteilen half. Farben haben ihre Schicksale, Generäle auch. Kleine Vergeh- lichkeiten sind bei so stürmischem Wechsel der Dinge und der Länge des Buches entschuldbar. Möge nun dem alten Herrn unter den schwarzrotgoldenen Farben der Republik , die freilich zu Prin- zessinnen und zu niilitärischen Eisenfressern immer schlecht gepaßt haben, ein langer gesegneter Lebensabend bejchieden sein!