Eine Antwort an Westarp. Gegen die Beschönigung des deutschnationale» Nufwertungsbetrugs. Am 5. Juni gaben wir einem Artikel von Jjerrn Paul Köhler Raum, der sich gegen die Haltung des Grafen Westarp in der Aufwertungsfrage wandte. Herr Köhler erhielt am 3. Juni eine Antwort von Traf Westarp, er bittet uns, seiner Antwort Raum zu geben. Hochverehrter Graf W c st a r p! Sie schrieben mir unterm 9. Juni. Ich bat Sie um eine per- sönliche Rücksprache, die Sie mir aber anscheinend nicht gewähren wollen, so daß ich mich veranlaßt sehe, Ihr gefl. Schreiben heute wie folgt zu beantworten: Die Sozialdemokraten, schrieben Sie, stellen dadurch, daß st« Herrn Best einen Platz im Ausschuß einräumten, lediglich eine plumpe Falle und es liegt im dringendsten Interesse jedes Sparers selbst, sich über die betrügerischen Ab s i ch t e n der Sozialdemokratie aufzuklären. Dazu meine ich. Jjerr Graf: Wer im Glashaus« sitzt, soll nicht mit Steinen schmeißen. Warum sollen die Sparer, denen die Sozialdemokratie von vornherein keiner. lei Versprechungen gemacht hat, die aber in der letzten Zeit zweifelsfreie Betätigungen zugunsten der Sparer ge- zeigt hat, dieser Partei weniger Harmlosigkeit entgegenbringen, als sie es mit der Deutschnationalen vielversprechenden Partei leider getan haben? Es ist nicht einzusehen, nachdem die Deutschnationolen in vermeintlicher Wahrung eines höheren Staatsinteresies zum Schoden der Gläubiger umgelernt haben, warum es der Sozialdemokratie als Betrug auszulegen sei, wenn sie, die überhaupt nichts versprochen hat, ihr Herz für die brutal enterbten Sparer, für dieses neugeschaffene Proletariat entdeckte und Pflicht- bewußt die Stellung heute einnimmt, die ihren Versprechungen gemäß den Deutschnationalen eigentlich in der Sparerbewegung zu- kommt. Was nun als höheres S t a a t s i n t e r e s f e für die Zer- tretung der Gläubigerinteresien zugunsten zahlungsfähiger Schuldner, zahlungsfähiger Länder und Kommunen ins Gefecht geführt wird, ist ein Axiom, d. h. etwas, was nicht erst bewiesen werden braucht. Gerade in der Aufstellung dieses Axioms zeigt sichdieganzeHof. fahrt der Aufwertungsgegner. Sie glauben nämlich. nicht beweisen zu brauchen, wo» sie eben nicht beweisen können. Run, Hochmut kam immer noch vor dem Falle und Untreue schlug noch immer seinen eigenen Herrn. Ihre Partei, Herr Graf, ist dabei, ein nach Millionen zählendes Proletariat zu schaffen. Bei den nächsten Wahlen wird diese» seine Quittung überreichen. Ich habe, um zu beobachten, sämtliche von der Sozialdemokratie einberufenen Spargläubigerversammlungen in der letzten Zeit be- sucht. Der Reichstagsabgeordnete Keil sprach keineswegs dema- gogisch und gerade seine sachlichen, mit Beweisen belegten Ausfüh- rungen waren es. die ihm die Herzen des neuen Proletariats zu- trugen. Anwesend« Ortsgruppenleiter der Sparerverbände sagten mir, daß das Versammlungspublikum nicht das üblich« sozialdemo- k ratisch eingeschworen« sei, sondern ihnen persönlich bekannte Sparer, die das letztcmal fast durchweg deutschnational gewählt hätten. Ich hatte Gelegenheit, an den Ausgängen zu beobachten, wie sich Hun- derte von Anwesenden an den Ausgängen in die aufgelegten Listen eintrugen und sich somit zur Sozialdemokratischen Partei«intrugen. Wo» wird nun erst geschehen, wenn wir die Namen der» jeuigen Lufwertungsgegner veröffentlichen werden, über deren und derer Verwandten Vermögensstand wir uns gegenwärtig Aufklärung zu beschaffen im Begriff« sind und denen wir dann die direkt« Interessiertheit an dieser erbärmliche» Aufwertung der private» Forderungen nachweisen werden?! Wie erkläre» Sie mir übrigen», Herr Graf, den Umstand, daß ich Industrieobligationen grundverschiedener Prooinenz, die ich den Obligationsschuldnern mit— 20 Proz. zum Kauf angeboten habe. zu dieser Forderung unter Zusicherung der verlangten Diskretion ver- kaufen konnte? Di« ISproz. Aufwertung— den Bluff der darüber hinausgehenden Genußscheine erwähne ich gar nicht erst— rechnet sich doch noch nicht auf 12 Proz. um. Ich erhöh« meine Forderungen heute auf 2S und 30 Proz, und werde meinen Preis bekommen. Die Deutschnotionale Volkspartei, mag sie mit ihren Beschäm- gungen bis in die kleinsten Provinzblätter flüchten, der Sparer. verband dringt gegenwärtig mit seinen Organisationen bis in die kleinsten Dörfer vor und wird dafür sorgen, daß ihr niemand mehr glaubt. Es tut mir herzlich leid um mein« einstige Liebe, aber sie trägt da» Bankert des Kompromisse« unter ihrem Herzen. Genehmigen Sie, Herr Graf, den Ausdruck meiner vollkommen- sten Hochachtung. 20. Juni. Paul Köhler. Hypothekengläubiger, und Sporerfchutzverband für das Deutsche Reich (Sparerbund). Sitz Berlin W. 66. Ortsgruppe Eharlottenburg.
Das Reichswehrunglück bei Veltheim . Begiu« des Prozesses gegen Oberleutnant Jordan. Aliaden, 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Bor dem erwei. rerten Schöffengericht begann die Verhandlung gegen den Oberleutnant Jordan vom Pionier-Bataillon 6, der am 81. März d. I. das große Manöverunglück der Reichs- wehr bei dem Uebergang über die Weser nahe Veltheim durch Fahrlässigkeit verschuldet haben soll. Die Fähr« war mit 161 Mann desetzt, während nach Ansicht der Sachverständigen im Höchstsalle 1Z5 Mann auf ihr untergebracht werden tonnten. Außer den 161 Mann wollte Jordan noch eine weiter« Kompagnie aus der Fähre übersetzen. Das scheiterte jedoch an dem Wider- st and des Kompagniesübrers I s« r m a n n. Die Vernehmung d«s Angeklagten beginnt mit der Feststellung seiner Personalien. Jordan wurde 191« Offizier und 1317 zum Oberleutnant befördert. Neben anderen Krissauszeich. nungen besitzt er das Eiserne Kreuz erster und zv>eiter Klasse. Jordan gibt dann eine Darstellung der Maßnahmen, die er zur Au». sührung de» lleberganges über die Weser getroffen hat. Der Bau der Fähre war morgens um 4 Uhr 30 Minuten beendet. Der Angeklagte überzeugt« sich, daß die Schnüre richtig be. f e st i g i waren. Um 7 Uhr war die fliegende Brücke gebrauchs- fertig. Durch die Uebersetzung eines Automobils auf ihr wurde die Tragfähigkeit geprüft. An der e r ft e n U e b e r s e tz u n g nahmen 40 Personen, auch Zivilisten teil, Ute mitzunehmen der Angeklagte ' sich für verpflichtet hielt, da durch die militärischen Maßnahmen der regelmäßige Fährbetrieb stillgelegt war. Nach seiner Auffassung war die nach den militärischen Perordnungen über den Brücken- bau hergestellt« Fähre groß genug, um 200 Mann über. zusetzen. Da er nur 170 Mann mitnahm, sei also die auf 4 Pontons ruhende Föhre nicht überlastet gewesen. Die Fähre hätte im Gegen- teil noch mehr belastet werden können, solange die Scheuer- leisten frei waren. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob die Verteilung der Leute auf der Fähre nicht ungleichmäßig war, erwiderte der Angeklagte, daß er dieses Empfinden nicht gehabt habe. Als das Fahrzeug zehn Meter vom Ufer war. kam dem Angeklagten die Gier. stellung etwas scharf vor. er habe sich daraufhin nochmals oo» der
Lage der Fähre überzeugt und sie aufrichten lassen. Als zwei Drittel der Fahrstrecke zurückgelegt waren, sei der Ruf erschollen:„Wasser im Ponton!' Die Ereignisse spielten sich dann sehr schnell ab. Der Angeklagte siel bei dem Unglück selbst ins Wasser und gab nach seiner Rettung sofort den Befehl, das Giertau zu kappen. Die Fähre trieb 400 bis 500 Meter ob. Es wurden ihr sofort Rettungspontons nächgeschickt, von denen eins än die Fähre anlangte. In diesem Augenblick sei ein großes Gedränge auf der Fähre entstanden. Die Leute hätten sich in den Ponton gestürzt, der dann umschlug und versackte. Auf die Frage des Vorsitzenden, welche Maßnahmen der Angeklagte schon vorher getroffen hatte, erwiderte er, daß ein R e t t u n g s- b o o t nach der Beltheimer Seite eingeteilt war und am Ufer Hilfsmittel bereitgestellt waren. Einen Ponton im Schlepptau der Fähre mitzuführen habe er nach den Vorschriften nicht für unbedingt erforderlich gehalten. Auch bei anderen Uebungen, die er früher mitgemacht habe, sei das nicht üblich gewesen. Don Staatsanwaltschoftsrat Dr. Spranken befragt, ob er bei der Be- lastung der Fähre etwaige Gefahrenmomente in Rechnung gestellt habe, erwiderte Jordan, daß bei 30 Zentimeter Freibordhöhe be- sondere Gefahren nicht vorlägen. Sein Entschluß, die Fähre so stark zu belasten, sei in derselben Weise zu jeder anderen Zeit auch erfolgt und nicht dadurch herbeigeführt worden, daß die Infanterie zu spät am Uebersetzungsplatz eintraf. Für die Besetzung der Fähre mit Rettungsmannschaften seien ausschließlich erfahren« und tüchtige Leute ausgesucht worden.— Es wird dann in die Ver- nehmung der 70 geladenen Zeugen«ingetreten.
Die Erbschaftssteuer. Der unzulängliche RegierungSentwurf angenommen. Der Steuerausschuß des Reichstages setzte am Montag die Beratung der Erbschastssteueroorlage fori. Alle Versuche der Sozial- demokraten, den RegierungSentwurf zu verbessern, scheiterten an der ablehnenden Halwng der bürgerlichen Parteien. Die Entscheidung über die Höhe des Tarifs wurde auf Verlangen des Zentrums bis zur zweiten Lesung ausgesetzt, doch ist die Aussicht gering, daß das zur Erhöhung der Tarifsätze führen wird. Di« Schonung der Besitzenden trat besonders deutlich hervor bei der Frage der Besteuerung des Hausrats und bei den Bestimmungen über Stundungen. Nach der Regierungsvorlage soll der Hausrat bei der Steuerklasse 1(Ehegatten und Kinder) und bei der Steuerklasse 2(Enkel) st e u e r f r« i bleiben und bei den übrigen Klassen aber nur 5000 Mk. steuerfrei sein. Ein kommunistischer An- trag will, daß auch in den Klassen 1 und 2 die Steuerfreiheit für den Hausrat nur bis 15 000 Mk. gewährt wird. Gegen diesen Antrag wandten sich alle bürgerlichen Redner, ebenfalls die Reichsregierung. Staatssekretär Dr. Popitz weist die Besteuerung des Hausrats, auch des allergrößten bei den leistungsfähigsten Steuerpflichtigen, weit von sich, weil es nicht angehe,„daß die Steuerbehörden in den intimen Verhältnissen des Steuerpflichtigen herumschnüffeln'. Abg. Ströbel erwiderte darauf, daß das der Schiebung Tür und Tor öffne und außerdem die leistungsfähigsten Steuer- Pflichtigen ungleich besser stell« als alle übrigen. Di« Beschlußfassung wurde bis zur zweiten Lesung ausgesetzt, im übrigen die Erbschastssteueroorlage unverändert angenommen.
Die Mecklenburger Tscheka . Strafanträge im Kommunisteuprozess. Leipzig . 22. Juni. (Eigener Drahtbericht. Im Mecklenburger Tscheka-Prozeß beantragte der Reichkanwalt am Montag fol- gende Strafanträge: Gegen Zeutsch «! wegen Mordes die Todesstrafe, gegen den Landtagsabgeordneten Schmitt wegen Sei- Hilfe zum Hochverrat 4 Jahre Zuchthaus, gegen Warnke und gegen Winkel wegen Beihilfe zum Hochverrat je 4 Jahre Zuchthaus und 500 Mark Geldstrafe.
polizei-?aternationale. Jranzösisch-antibolschewistischer Vorschlag. Pari». 22. Juni. (MTB.) Wie.Figaro' mitteilt, hat der Leiter der französischen Sicherheitspolizei angesichts der Ausdeh- nung der bolschewistischen Propaganda auf Ersuchen des Außen- und des Innenministeriums die Schassung einer Art„Interna. tionalen Polizeigürtels' entworfen. Dieser Plan sei an- genommen worden, und all« europäischen Polizeibehörden, sowie diejenigen Chinas und Japans würden zur Durchführung dieses internationalen Polizeigürtels zusammenarbeiten. Defaitisteuderfolgung. pari». 22. Juni. (WTB.) Die polizeilichen Nachforschungen wegen des in der„Humonite" kürzlich veröffentlichten Brieses des Chefs des Zioilkabinetts, des Marschall» L y a u t e y, der nicht in die Hände des Empfängers gelangt sein soll, haben gestern zum Verhör des tommunistilchen Abg. D o ri ot geführt, der er- klärte, das Original d's Brisfes befinde sich noch in seinen Händen. Der Brief sei ihm in einem unfrankierten llmschlag, an die„Humanitc" adressiert, zugestellt worden: die Adresse sei mit Blaustift geschrieben. Bezüglich der bei einer Haussuchung in seiner Wohnung beschlagnahmten Dokumente lehnte der Abgeordnete es ob. anzugeben, von wem er sie habe. Unter diesen Dokumenten befindet sich, wie die..Humamte" mitteilt,«in von General C o l o m- b a t unterzeichnetes Telegramm, in dem empfohlen wird, die an der Arbeit befindlichen R i s l« u t« durch Flugzeuge b o m. bordieren zu lassen. Ein zweites Telegramm, unterzeichnet Ferand, schreibe vor, weder das Alter noch das Geschlecht der dem Bombardement zum Opfer gefallenen Zivilpersonen zu er- wähnen. Im übrigen hat. wie„Quotidien" mitteilt, die Polizei in Aldi und in Lyon bei kommunistischen Agitatoren Haussuchungen vorgenommen, die zur Beschlagnahme von Dokumenten geführt haben sollen. Nach einer TU.-Mcldung sollen die Abgg. D o r i o t und M a r t y(Komm.) wegen Hochverrat und Spionage verfolgt werden. Dazu müßte die Kammer sie erst ausliefern.
Parteitagsovation für üen MorÜgeneral. Sforza setzt sich zur Wehr. Rom . 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Di« Verhandlungen des am Sonntag begonnenen faschistischen Parteitages wurden am Montag bereits zu Ende geführt. Mussolini be- zeichnete in Form eines Zwischenrufes das Programm de» Fajchis- mus als Schutz der Arbeit.(!) Die Tagung war durch O v a- tionen für de Bonv und schärssten Angriffen gegen Graf Sforza gekennzeichnet. Die Tagesordnung wurde«instimmig an- genommen. Graf Sforza richtete eine Interpellation an den Senat, in der er heftige Angriffe gegen Mussolini erhebt und vom Außenminister bestimmte Erklärungen fordert. Gleichzeitig hat Sforza durch die Agencia Stefoni Mitteilungen on die Press« ver- Lfsentlicht, in denen er gegen Mussolinis Beschimpfungen p r o t e st i e r t. Eine Anklage wegen JreiheitSberaubnng. Rom . 22. Juni. (WTB.) Der Untersuchunzsvichter beschloß, den früheren Pressechef im Ministerium de» Inner» R o s s i sowie den früheren Herausgeber des„Nuovo Paes«", Carlo B a z Z i, so- wie den des Mordes an Matteotti beschuldigten Du mini vor Ge- richt zu stellen, weil sie den früheren republikanischen Abgeordneten Nazzolani. ihren politischen Gegner, mehrere Stunden der Freiheit beraubt haben sollen.
Noch keine Klärung in Frankreich . Entscheidung wahrscheinlich erst Eude der Woche. Paris , 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Trotz der Spannung. mit der man in den politischen Kreisen der für Dienstag angekürcküg- ten Marokkodcbatte in der Kammer entgegensieht, ist es»och keineswegs sicher, ob die erwartete Klärung der inner- politischen Situation eintreten wird. Aus Grund der Resolution Eomperc-Morels, die nach dem von den Sozialisten veranstalteten Referendum voraussichtlich die Mehrheit erhalten wird, werden die Mitglieder der sozialistischen Fraktion ihre Halwng von den bestimmten Erklärungen Painleves abhängig machen, d. h. sie werden bei der Abstimmung über die Vertrauens- frage für das Ministerium stimmen, wenn dessen Erklärungen der sozialistischen Forderung, dem Blutvergießen in Marokko durch einen raschen Friedensschluß sobald wie möglich ein Ende zu machen, entspricht: der Regierung das Dertrauen jedoch versagen, wenn ihrem Verlangen nicht entsprochen werden sollte. Es dars in diesem Zusammenhang daraus hingewiesen werden, daß die Er- klärungen, mit denen B r i a n d am letzten Freitag die sofortige Beantworwng der kommunistischen Interpellation abgelehnt hat, den sozialistischen Wünschen nicht unbeträchtliche Konzessionen gemacht hoben und es scheint deshalb keineswegs ausgeschlossen, daß, wenn Painlevä auf diesem Wege noch einen Schritt weitergehen würde, die sozialistische Fraktion schließlich f ü r dos Ministerium stimmen wird. Die entscheidende Auseinandersetzung zwischen der Regierung und der Mehrheit dürfte dann wahrscheinlich gegen Ende dieser Woche anläßlich der Finanzdebatten erfolgen, und zwar entweder im Zusammenhang mit dem von der Regierung geforderten provi- sorischen Budgetzwölftel für Juli oder aber im Anschluß»n die jüngsten Beschlüsse der Budgetkommission der Kammer, die eine sehr scharfe Desavouierung Caillaux ' darstellen. Die Stimmung in der sozialistischen Partei. Paris , 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die gegen das Ministerium Painlevö gerichteten Kundgebungen der sozialistischeit Vereinigungen in der Provinz dauern fort. So hat neuerdings der Bezirksvorstand der Departements Bar, Gironde und Haute- G a r o n n e dem Parteivorftand mitgeteilt, daß sämtliche ihnen angeschlossene Vereine sich gegen die Fortsetzung der Unter st ützungspolitit gegenüber dem Ministerium Pein- leoö ausgesprochen haben. Diese Kundgebungen sind insofern bemerkenswert, als es sich gerade um drei Departements handelt, deren sozialistischen Führer zum rechten Flügel der Partei zählen und bisher gegen«inen schroffen Bruch mit der Regierungg eingetreten sind:: in vor(Tou- lon) ist R en a u d e l Abgeordneter, in der Gironde (Bordeaux ) M a r q u« t und in der Haute- Garonn«(Toulouse ) Vincent» A u r i« l. Denn sogar in diesen drei Bezirksverbänden die Stim- r inung gegen die Fortsetzung der Nnterstützungspolitik überwiegt, dann dürste die Gesomtpartei kaum länger Poinlevä unterstützen könne». Poris, 22. Juni. (TU.) Die Abstimmung unter den Sozialisten sst heute abend abgeschlossen worden. Das vollständig« Ergebnis ist noch nicht bekannt, da noch 40 Stimmen ausstehen. Auf den Antrag Eompcre-Morel gegen die Unterstützung des Kabinetts entfielen bisher 40, auf die Resolution R e n a u d« l für zeitweilige Unterstützung 35 und auf den Antrag A u r I o l für weitere Unterstützung 11 Stimmen. In sozialistischen Kreisen wird großer Wert auf die Feststellung gelegt, daß der Austritt aus dem Kartell nicht.mit fortgesetzter Opposition gegen das Ka- binett gleichbedeutend sei und lediglich bedeute, daß die Partei ihre Handlungsfreiheit zurücknimmt. Wie man ausdrücklich hinzufügt, ist est,« gelegentliche Unterstützung des Kabinetts nicht ausgeschlossen. In der morgigen Kammerdebatte, der man mit großer Spannung entgegensieht, wird es sich zeigen, welche Taktik die Sozialisten einzuschlagen gedenken. der öeutsch-franzö'sische tzanöelsvertrag. Vertagung der Verhandlungen. Pari». 22. Juni. (Eigener Trahtbericht.) Die für Montag nachmittag in Aussicht genommene Plenarsitzung der beiden HandelSvertragSdelegationen ist in letzter Stunde wieder abgesagt worden, da die Größe der noch immer bestehenden Differenzen die Aussicht auf eine Einigung sehr gering erscheinen lassen. Die beiden DelegationSvorsitzenden haben für den späten Abend eine neue Zuiammenkunst vereinbart. Es scheint f a st u n m ö g l i ch, vor der Vertagung deS französischen Parlaments noch zu einer Verständigung zu gelangen.
Sozialistischer Sieg in Luzern » Genf . 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Am Sonntag wurde in Luzern der sozialistische Kandidat W e i v e l mit 2400 gegeu 1600 Stimmen des konjeroatioen zum Präsidenten des Kanton- g e r i ch t s gewählt.
die Eaglänöer wunüern sich. Dar einigen Tagen besuchten eine Anzahl konservativer eng- lischer Parlamentarier nach einer Reise durch Polen auch die Freie Stadt Danzig. Der Danziger deutschnational« Senat zeigte seinen Gästen die alten und neuen Kunstdenkmäler der bo- rühmten Weichselstadt. Auch der Technischen Hochschul« wurde ein Besuch abgestattet, wobei die Engländer auf Vorschlag eines Danziger Hochfchulprofessors auch den in der Hochschule befindlichen großen Lichthof besichtigten. Hierbei passiert« den Dan- ziger Deutschnationolen nun das Mißgeschick, daß die englischen Gäste in einer Ecke große Haufen von Stahlhelmen fanden, die den reaktionären Stude'.Uenkoinpagnien gehörten. Da» Er- staunen der Engländer über diesen Fund war außerordentlich groß, da man in den Stahlhelmen eine Kriegsausrüstung sah, die nichts mit Hochschulstudiut» zu tun hat. Noch größer war die Verlegen- hcit der deutschnationalen Hochschulprofessoren, die ihre Ungeschick- lichkeit gegenüber den Gästen damit zu bemänteln suchten, daß sie ihnen erzählten, die Stahlhelme lagerten dort aus der Revolutions - zeit und ihre Ablieferung sei nur vergessen worden. Der englische Besuch bereitete den Danziger Deutschnattonale» noch eine weitere Blamage. Mit besonderem Stolz zeigten die Hoch- schulprofessoren ihren englischen Gästen ein Kriegerdenkmal für die gefallenen Studenten. Der Führer der englischen Besucher, ein englischer Werftbesitzer, gab seiner Verwunderung über die vielen deutschen Kriegerdenkmäler Ausdruck.„In England gibt e« « i n Nationaldenkmal, das Grabmal für den unbekannten Soldaten. Sonst hat man ober dort dein Andenken der gefallenen Krieger keine überfsüssigen Denkmäler gewidmt, sondern Erziehungskeim« für die Kriegerwaisen und Genesungsheim« sür die Kriegskrüppel. Iit Dsutichlond und Danzig aber sindet man dafür i» Städte» von der Größe Danzigs mindestens«in halbes Dutzend Ktieoerdenkmäler. Das läßt zum mindesten die Schlußfolgeru»! zu.',cß es mit der Finanznot bei ihnen nicht so arg bestellt sei» kam. Wir haben sür derlei Zwecke kein Geld übrig!' Beschäm' schwiegen die teutschen Professoren und Senatoren.