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Vien«'ag 23. Juni;�25

Unterhaltung unö AUissen

Seilage ües vorwärts

politische Kaffeehäuser. Bilder aus der grohea französischen Revolution. Am 8. August 1788 hatte endlich noch langem Widerstreben Ludwig XVL sich bereit finden lassen, dieR e i ch s st ü n d e" ein­zuberufen. Die Not war aufs höchste gestiegen beim Volk und beim Hos. Die Verschwendungssucht des Königs und seiner Vor- fahren und ihrer Hofschranzen hatten ein Finanzelend erzeugt, das nicht mehr zu meistern war. Aus dem Volte war nichts mehr herauszupressen. Der Staatsbankerott stand vor der Tür. Da sollten die Reichsstände, die seit 1615 nicht mehr zusammenberufen worden waren, Hilfe bringen. Solche Zeiten rütteln die Massen aus und politisieren sie. Der dritte Stand das Bürgertum, be- cinflutzt von Rousseau . Voltaire und Diderot , bisher ausgeschlossen von jeder Teilnahme am Staatsleben, strebte noch iKleichberechtigung mit dem Adel und den Geistlichen, die allein die Herrschast ausübten. Das rebolutionärste, rührigste Element bildete jene Schicht der noch Paris zugewanderten, halb und ganz prale- tarisierten Intellektuellen, der beschäftigungslosen Literaten, Advo- taten, Künstler, Studenten, die sich, da sie in der Enge der Provinz- städte keine Beschäftigung fanden, noch der Hauptstadt gewandt hatten, um dort ihr Glück zu suchen. Paris , das mit seinen Vorstädten 178g bereits etwa 600 000 Einwohner zählte, geriet so schreibt Heinrich Cunow in seinem soeben herausgekommenen Buch.Politische Kaffeehäuser� immer mehr in einen bisher unbekannten politischen Trubel. Auf den Promenaden und freien Plätzen, den Zentren des Verkehrs, fanden sich Menschengruppen zusammen, um neues zu erfahren, zu schwätzen unö zu diskutieren. Die Stätte, die am meisten aufgesucht wurde, war der Garten des Polais Royal. Hier fanden vom Morgen bis in die Nacht hinein Zusammenkünfte und Volksver- iammlungen statt. Diese Menschenmengen umstanden Tische und Stühle, von denen herab jugendliche Redner, meist Angehörige des Hnteuigenzproletariots, feurige Ansprachen hielten, Zeitungen und Pamphlete vorlasen. 9 Am Garten des Palais Royal lagen mehrere Kaffeehäuser. Hatten sich die Gartenbesucher müde gestanden und geredet, gingen sie in die Kaffees und setzten dort ihre Diskussion fort. Nach der am 5. Mai 1789 vollzogenen Wiedererössnung derReichsstände" wurden die Kaffeehäuser am Palais Royal noch stärker besucht. Jeder wollte wissen, was in Versailles , wo dieReichsstände" tagten, geschehen sei. Zeitungen gab es zu jener Zeit nur wenige: auch konnten selbst manche Bessersituierten nicht genügend lesen. Unter den Kofseehäusern des Palais Royal fand das Catä de Foy am meisten Zuspruch. Es wurde zum Stammlokal der revolutio- nären Intellektuellen. Auch der Klub derFaraxes"(der Wütenden, Tollen) übersiedelte bald in das genannte Kaffee. Für gewöhnliche Kassechausbesucher war es dort nicht immer gemütlich. An den Tischen wurde eifrig diskutiert, und nicht selten endeten die Meinungsverschiedenheiten mit gegenseitiger Beschimp- sung oder gar mit Tätlichkeiten. Besonders lebhaft ging es im Garten des Polais Royal und in den an ihm gelegenen Kaffees her, als Ende August 1789 in der Nationalversammlung bei der Beratung der Verfassungsgrundrechte die Frage zur Erörterung gelangte, ob der König gegen die Be- schlüsse des Parlaments ein absolutes Veto oder nur ein �uspensivveta haben solle. Von morgens bis spät abends wurde im Cale de Foy geredet und protestiert. Eine scharfe Resolution gegen den Hof und die Royalisten jagte die andere. Man beschloß, eine Deputation an die Nationalversammlung zu entsenden. Aber die Pariser Gemeindeverwaltung, die in den Kaffees ihre Spione batte, erfuhr von diesem Vorhaben. Sie ließ die Ausgänge durch Nationalgardisten besetzen, die die Deputation nicht durchließ. Eine Deputation an die Gemeindeverwaltuyg hatte keinen Erfolg. Dieses Verhalten der Stadtverwaltung rief unter den Besuchern des Palais Royal eine noch größere Aufregung hervor. Am nächsten Abend war das S- de Foy gepfropft voll. Einige Redner schlugen vor, den Durchzug nach Versailles mit Waffengewalt zu erzwingen. anderen schien dies zu gefährlich. Schließlich wurden nochmals zwei neue Deputationen an die Stadtverwaltung gesandt, denen dort aber erklärt wurde, daß die Gemeindevertretung es ablehne, Wünsche und Forderungen des Palais Royal überhaupt in Er- wägung zu ziehen. Das allabendliche Treiben in den Kaffees, die . Aufwiegelei", das Lärmen in den anliegenden Straßen war den friedliebenden, gemäßigt-liberalen Stadtvätern schon längst zuwider. Das war nicht die Freiheit, die sie ersehnt hatten, das war Toll- beit. Wahnsinn, Ausschweifung, die zum Verderben führen mußten. Posizei und Nationalgarde wurden angewiesen, große Ansamm-

Dinge, öie man nicht bemerkt.

Sieh dir öle Sariöwichsmäoner an, öanu wirst du wissen, was es hier für Vergnügungen gibt.

lungen im Garten zu verhindern.Alle guten Bürger" wurden aufgefordert, sich in ihren Distriktslokalen zu versammeln. Einen Erfolg hatte dies« Verordnung nicht. Bald ging man brutaler vor. Die Nationolgarde attackierte die Versammelten mit dem Bajonett und drang ihnen noch in die Kaffees. Im Caie de Foy kam es zu einem blutigen Zusammenstoß. Der Besuch dieses und der anderen Kaffees am Garten des Palais Royal ging infolge dieser Vorkommnisie zurück. Im Cake de Foy fanden sich aber bald darauf die Frauen der revolutionären Parteien zusammen, nachdem sie im Garten ihre Versammlungen abgehalten hotten. Oft ging es hier recht lustig zu. Es wurde ge- redet, deklamiert, gesungen und manchmal auch getanzt. Einige Male bielt auch die ebenso schöne wie eitle TKeroixne de Mericourt, dieAmazone der Revolution" eine Ansprache. Nachdem diese Dome zur Berühmtheit geworden, gründete sie einen politischen Salon, in dem neben dem bekannten Abbe S i e y e s auch D e s m o u- lins verkehrte. Später hat die Frau von Mericourt die Gunst der Massen ganz verloren: sie endete im Irrenhaus. Viele ehemalige Besucher des Sake de Foy haben später im

Gefängnis, im Irrenhau« oder auf der Gouillotin« geendet. Und, wie viele seiner Gäste, so hat auch das Lake de Foy selbst seltsame Wandlungen durckigemacht. Die Glanzzeit der Kaffeehäuser am Palais Royal war vorüber, an ihre Stelle traten die Tuilerien- Kaffees, weil in der Nähe der Tuilerien die Nationalversammlung untergebracht war. Aus dem Lake de Foy wurde nach und nach ein Kasfee der Reaktionäre Und schließlich das derMuscadins", der Moschusstinkcr, wie man die später aufkommende goldene Jugend von Paris (die Revolutionsgewinnler) wegen ihrer Vor- liebe für das damals übliche Moschus-Parfüm nannte. In den weiteren Kapiteln behandelt Cunow die Geschichte anderer Kaffeehäuser, immer im engen Zusammenhange mit den Parteien und bekannten Personen aus der Revolutionszeit. Alle marschieren sie auf: die Girondistsn, die Bergpartei und Iocobiner bei ihren öffentlichen und geheimen Zusammenkünften, Aufstieg und Niedergang ihrer Stammlokale und ihrer selbst.Pariser S i l h o u e t t e'n", fesselnd und interessant geschriebene Ergänzungen zur Geschichte der großen französischen Revolution. Hugo Poetzsch.

Oer Clown. Ron Hans hyon. Durch die neblige Rocht der Morsch klang das Rasseln und Knarren mehrerer großer Gefährte, und in dem ungewissen Licht der rötlich schimmernden Laterne, die vorn an der Wagendeichsel hing, ward der erste Wagen von Hugo Rasmussens Wanderzirkus sichtbar. Die drei Pferde gingen in einer förmlichen Dompfwolke, sie hatten tüchtig zu tun aus der zum Teil ganz ausgeweichten Landstraße. Aus diesem wie auch aus dem zweiten Wagen strahlten die kleinen Fenster gelbes Licht in die Finsternis hinaus, und nur der dritte Wagen, in dem die Knechte, Minkas Hunde und ihr kleiner Bär schliefen, der war dunkel und schwankte, von der stern- losen Nacht kaum zu unterscheiden, ratternd einher. Die Minka selbst, Hugo Rosmusiens Tochter, bewohnte mit Vater und Mutter den zweiten Wagen. Und bei ihnen als die vierte im Bunde hielt sich Babett aus, das Dienstmädchen, das aber auch jonglierte und auf dem Ärrmseil lief. In diesem Wagen hörte das Plappern und Lachen nie auf, es war, wie wenn die Poesie und die Freude des Wanderlebens sich dort greisbar ver- körperten..... Auf einmal wieherte vorn an der Spitze der Almansor hell auk, ein ganz weißer Schimmelhengst, der zwischen Trapper, einem braunen Wallad), und zwischen der grauschimmligen Zaire ging. Der Schimmelhengst stand erst im vierten Jahr und zog den große» Wagen ganz allein aus dem Morast, wenns drauf ankam: aber er bitte seine Rücken: kam ihm was in die Quere, so war er durch nichts mehr vorwärts zu bringen..... Element Rolle, der Schwiegersohn des Direktors, der den ersten Wagen mit seiner jungen Frau bewohnte, hieb dem Hengst eins über. Aber der Almansor feuerte nur hinten aus und stemmte die schlanken Vorderbeine dann erst recht gegen den Marschboden.... Element, der ein Jahr lang bei Schumann gearbeitet hotte. und die hohe Sdpile seiner Ansicht nach besser ritt als Mr. Foottit- Burghardt und ähnliche Größen, überlegte eben, ob er denn wirk. lich absteigen sollte, als hinter ihm schon die mächtige Stimme Hugo Rasmussens erscholl, und der Alte gleich darauf mit schweren Schritten herongepatscht kam. Ick schall di wull helpen, min Jung?" schrie er,da vörn» doch wat»ich in Ordnung!..... kiek doch mal to"! Aber er wartete nicht erst, bis sein Schwiegersohn vom Wagen herunterkam, sondern stand selber schon gleich vorn bei dem

Schimmel, der die Ohren spitzte und über besten blanke Haut das Licht der schwankenden Laterne lief. Na, bat's ja'ne scheune Bescherung?" rief der Alte.Da Mann is wull hier als Schlagboom angestellt?" Dabei bückte er sich und versuchte dem Menschen ins Gesicht zu sehen, der dicht vor den Pferden, mitten im Schmutz, quer über dem Weg lag. Der is duhn!" meinte der Schwiegersohn, von der anderen Seite um die Pferde herumkommend. Und gleichzeitig erscholl von hinten eine Stimme, die einen Klang hatte, als wäre sie der Nässe wegen etwas eingefettet worden. Na, Vadder. wat is denn da vörn?" Mann is krank!" sagte der alte Rasmussen,den möt wi mitnehmen, bat's Christenpflicht!" Gegen das, was der Alte sagte, gab'» keine Einwendungen. In der nächsten Minute hotten di« beiden den Bewußtlosen beim Kopf und bei den Füßen und trugen ihn in den zweiten Wogen zu Mutter Rasmussen.... is ja förmlich uffeweicht!" sagte Frau Alma Rasmusten. Na, wir wer'n schon all wedder trocken kriegen! Die Mäken können ja dann über Nacht bei euch bleiben, Clöment!".... Minka und Babett, die den späten Gast neugierig betrachteten, verließen alsbald den Wogen, und man Härte ihr Kichern und Flüstern noch draußen in der Finsternis. Dann ging Mutter Ras- muffen ohne Scheu daran, den Fremdling von seinen schmutzstar- renden, wassertriefenden Lumpen zu befreien und ihn warm zu betten. Wie sie ihm die erste Taste Tee mit einem guten Schuß Rum zwischen die Zähne goß, schlug er die Augen auf und sagte: Verbindlichsten Dank!" Und dann blickte er mit einem halbtraurigen und doch auch wieder unendlich komischen Gesicht, das ein wenig verwildert aus- sah mit dem ungepflegten Bart und den wirren Haaren, zu den beiden alten Leuten auf und flüsterte: Ich bitte tausendmal um Verzeihung, wenn ich störe." ver lange, hagere Mensch da zwischen den buntgewürfelten Betten hatte selber offenbar gar keine Ahnung, wie komisch das klang. Aber es befremdete ihn auch nicht, daß der alte Rasmussen bei seinen Worten in ein Gelächter ausbrach und gar nicht wieder aufhören wollte mit Lachen. Die Frau, die gute, dicke Holsteinerin mit dem schwerfälligen Körper und dem sorgenden Herzen, die lächelte kaum über ihn. Und wie sie ihm nun zu essen reichte, da streckte er seine welken Finger nach ihr� vollen, roten Hand und murmelte:O, Sie find zu liebenswürdig!,,,_________

Und der alte Rasmussen, der nur eben zu Atem gekommen war, sah ihn daraufhin eine Sekunde mit großen Augen an, und dann prustete er von neuem los und lachte, daß ihm die Tränen über die Wangen liefen, dabei schluchzend: Kierl is gottvoll!" -«° Ein wahrer Freudenhimmel spannte sich über Wisselhöpede. Draußen vor der Stadt, auf dem Ackger, wo im Frühling die Bostelspielc und. im Herbst die Schützenfeste abgehalten wurden, hatte Hugo Rasmussen seinen Zirkus ausgeschlagen. Es war Sonntag. Das Ehepaar Rasmussen war zur Kirche ge- gangen. Rollö stand bei seiner Frau, die auf der Treppe ihres Wogens hinter dem großen Leinenzelt saß und ein Kostüm ihres Mannes neu mit Flittern benähte. Sie war eine Blondine und hotte die weiche Gemütsart ihrer Mutter, deshalb schüttelte sie jetzt, auf des Gatten Rede, auch den Kopf und meinte mit ihrer ein wenig schleppenden Stimme:Was soll'n der arme Mensch machen? Er tut doch alles, was man ihm sagt... daß er nu gerade kein Talent zum Akrobaten hat... und zum Kunstreiter..." Na, dann soll er nicht bei'ne Truppe gehn!" räsonnierte Rollö, wir haben schon genug so'n Pack, das sichSpezialitäten" nennt und noch nich mal'ne Manege glatt fegen kann... soll er doch bleiben, was er war!" Die Frau faßte seine Hand, die ungeduldig mit der Reitpeitsche an die hohen Stiefel klopfte. Clement!... laß doch!... das hört er ja!..." Und sie bewegte ihren blonden Kops nach dem Zelt hin, hinter dessen regenoerwaschener Leinwand ab und zu das Kläffen der Hunde hörbar wurde, mit denen die schwarze Minka dort exerzierte. Ader Rollä, der einen so eisersüchtigen Charakter besaß, daß er niemand neben sich leiden mochte, schüttelte eigensinnig den sd)arflinigen Kopf, dessen starker, blankgewichster Schnurrbart mit dem kurzgehaltenen Haar an Schwärze wetteiferte. Ihr Weiber seid olle verdreht! Da braucht bloß so einer kommen, der euch'n bißchen anschmachtet, wie der da mit seiner affigen Höflichkeit... dann wißt ihr schon gar nicht mehr.«YS ihr ihm alles antun sollt!... Deine Mutter macht's genau so!" Nun lachte die junge Frau recht herzlich. Daß ihr Mann eise«. süchtig war und gar auf den armen, schüchternen Menschen, den August, das machte ihr Spaß... Sie zeigte ihre weißen Zähne zwischen den schimmernden Lippen und blickte mit ihren blauen Augen zu dem Gatten auf. den sie aus Liebe genommen hatte und der noch immer der Mann ihres Herzens war. (Fortsetzung folgt.)