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Die Vachtschlckorünung verlängert. Schwere Kämpfe im Reichstag. 7.".e längere Zeit hinausgeschobene zweite Lesung der Pachtschutzordnung führte am Dienstag zu heftigen Auseinandersetzungen im Reichstag. In der A b st i m m u n g ging das Plenum des Reichstages mit knapper Mehrheit über die Beschlüsse des Ausschusses hinaus. So wurde beschlossen, das sämtliche Pachtverträge nichl nur die unter 10 Hektar wieder unter die Pacht schutzordnung fallen, die jetzt bis zum 30. September 1927 verlängert wurde. Dieses den Pächtern günstige Abstimmungsergebnis ver- danken sie in erster Linie den Linken. Die sozialistischen  Parteien sowie die Demokraten stimmten geschlosien für die Pächter. Die Rechtsparteien mit ganz wenigen Aus- nahmen gegen dieselben. Das Zentrum spaltete sich. Doch stimmte die Mehrheit für die Pächter.
Der Kampf um Sie Umsatzsteuer. Heftige Auseinandersetzungen im Steuerausschuh. Trotz des allgemeinen Verlangens der Derbraucher und eines großen Teils von Industrie, Handel und Gewerbe hat die Reichs- Regierung in ihren Steueroorlagen keine Ermäßigung zcr Umsatz st euer vorgesehen. Bei den Beratungen im Steuer- äusschuß aber ist von ihr auf das Verlangen der Linken zugestanden worden, daß die Ermäßigung der Umsatzsteuer bei der ersten Lesung der Steuervorlagen behandelt werden solle. Dieses Ver- sprechen wurde nicht g eh alten. Als der Zeitpunkt für die Erörterung der Umsatzsteuer herangekommen war, faßten die Regierungsparteien den Beschluß, sie bis zum Ende der zweiten Lesung zu vertagen. Es wiederholt sich also bei der Umsatzsteuer dasselbe Schauspiel. das der Reichstag   seit dem Eintritt der Deutschnationalen in die Regierung mehrfach erlebt hat. Visher schärsste Gegner der Umsatz­steuer, sind die Deutschnationalen jetzt begeisterte Zreunde. Und wenn sie dabei die Unterstützung der Großindustrie finden, so deshalb, weil für diese die Umsatzsteuer die gegenwärtig wichtigste Quelle ihrer Ueberlegenheit über diejenigen ihrer Konkurrenten begründet, die die Umsatzsteuer zahlen, während die großen Konzerne sie nicht zu ent- richten brauchen. Die Reichsregierung aber verfolgt mit der Verschiebung der Um» satzsteuer noch«inen anderen Zweck. Sie will unter allen Umständen die Erhöhung der Verbrauchssteuern auf Bier und Tabak, Zucker und Salz durchsetzen. Für die erhöhte Besteuerung von vier und Tobak hak sie keine Mehrheit. Denn Bayerisch« Dolkzpartei und Deutsche   Dolkspartei lehnen diese Steuern ab. Das Ziel der Re- gierung ist deshalb, für diese Vorlagen Unterstützung bei den L i n k s- Parteien zu finden, die sie zu erringen hofft, indem sie die Er. Mäßigung der Umsatzsteuer abhängig macht von der Erhöhung der Bier- und Tabaksteuer. Infolgedessen kam es am Dienstag im Steuerausschuß des Reichstags zu heftigen Auseinandersetzungen. Di« Sozialdemokratie beantragte, zunächst die Umsatzsteuer zu beraten und wurde darin von den Demokraten und den Kommunisten unterstützt. Die Reichs- regiecung und die bürgerlichen Parteien widersprachen jedoch der Beratung der Umsatzsteuer. Erst müsse das Ergebnis der Erhöhung der Verbrauchsbesteuerung abgewartet werden. Bei dieser Gelegen- heit wurde auch von der Linken darüber Beschwerde geführt, daß durch die Heraufsetzung der Mitgliederzahl des Steuerausschuffes der Einfluß der Linken widerrechtlich g«. schmälert werden soll£ Das sei eine Vergewaltigung der Minderheit, die man sich unter keinen Umständen gefallen lassen werde. Der An- trag, die Umsatzstuer sofort zu beraten, wurde abgelehnt. Es wurde dann das Gesetz über die Erhöhung der Bier- und Tabaksteuer zur Beratung gestellt. Demokraten und Sozial» dem ock roten beantragen die Ablehnung dieser Steuer. erhöhung. Der deutschnationale Abgeordnete Dr. Preyer erklärte sich für die Erhöhung, auch wenn sie mit einer Erhöhung unserer Re> parationslast verbunden fei. Die Abgg. Dr. horlacher(Bayr. Vp.) und Dr. Eremer(D. Dp.) wenden sich gegen die Erhöhungen, insbesondere gegen die Erhöhung der Biersteuer. Bei dieser Sachlage stand die Ablehnung der Regierungsvorlagen in Aussicht. Die Regierung«. Parteien beantragten infolgedessen die Aussetzung der Ab- st i m m u n g, um für Kompromißoerhandlungen Zeit und Gelegen- heit zu schaffen. So wurde auch beschlossen.
Sarmats Beziehungen. Zweite Vernehmung Julius Barmats durch Prof. Leidig. Di« Vernehmung von Julius Barmat wurde Dienstag nachmittag in dessen Wohnung durch den Vorsitzenden des preußische» Untersuchungsausschusses Dr. Leidig fortgesetzt. Anwesend sind Abg. H e i l m a n n. der frühere Polizeipräsident Richter, der frühere Abgeordnete Gustav Bauer  , Finanzrat Dr. H e l l w i g. Rechtsanwalt Dr. S ch w e r f e n z, i« ein Vertreter der sozial- demokratischen und der bürgerlichen Presse. Es sollen noch die Be< Ziehungen erörtert werden, die Julius Barmat zu politischen Person- lichkeiten gehobt-hat. Dr. Leidig geht zunächst von den Aussagen au», die Herr Tannenzapf vor dem Untersuchungsausschuß gemacht hat. Zunächst werden die Behauptungen dieses Kron> .eugen über angebliche Kontos, die in der Amsterdamer Amerima Mir mehrere politische Persönlichkeiten als Geschäftsunkosten geführt wurden, erörtert. Barmat erklärt sich bereit, die Bücher der Amster- damerAmexima* nach Berlin   kommen zu lassen, um zu beweisen, daß diese Erzählungen absolut unwahr sind. Gegenüber den Behauptungen des Tannenzapf. daß Barmat kein eigenes Vermögen in Holland   besessen habe, stellte Barmat fest, daß dieAmexima" mindestens 34 Millionen Gulden :quider Mittel im Herbst 1924 besaß. Schließlich erklärt Barmat: .Es ist geradezu aufregend, wenn ein Serl so getnela lügt." Es liegen eidesstattliche Versicherungen der Leiter er Amlleroamer Amexima vor, wonach das Gegenteil rich- - a ist Wir hatten Mittel genug, um sämtliche ausländische Unter- ehmungen zu finanzieren. Nach einer Aufstellung hat die Amster- damer Amexima Ende vorigen Jahres 6 bis 7 Millionen an diese Finanzierungen gewendet. Man wird meine Erregung be- greifen, wenn ein Mann, der bei uns beschäftigt war. letzt als Spitzel gegen uns auftritt. Tannenzapf hatte ja auch be- hauptet. er habe keine Verbindung mit dem Sttaats- Anwalt gehabt. Dos Gegenteil»st festgestellt worden. Als meine Frau versuchen wollte, ihn bei einer Begegnung im Zoologischen Garten festnehmen zu lassen, um das von ihm g e- stohlene Material beschlagnehmen zu lassen. Hot er sich so- fort mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung gesetzt. Die Herren äußmann und Caspari haben das bestätigt, er wurde auch sofort freigelassen, ohne daß man das von ihm gestohleue Material erhielt. Dr. Leidig: Wir wollen uns mehr der Erörterung der De- Ziehungen zuwenden, die Sie zu einzelnen Herren, die im öffent- lichen Leben stehen, unterholten haben. Wie haben Sie Herrn Lauer kennengelernt. Barmat: Nach meiner Erinnerung hat mich Herr Bauer im Jahre 1920, als die Angriffe in derVolkszektung" auf mich er- folgten, zu sich geladen. Er sagte mir:Was gegen Sie vorgebracht wird, geht mich nichts gn, aber da die Regierung angegriffen wird, so ist es meine Pflicht, mich darum zu kümmern." Nach dem Aus-
cheiden Bauers aus der Regierung fei er mit ihm privat zu- ammengekommen, er habe ihn gefragt, ob er nicht gelegentlich für ihn tätig sein wolle. Bauer hat auch ein Geschäft vermittell, näm- lich den Verkauf eines Postens S t a ch e l d r a h t, der in Lettland  lag, und ich habe ihm dafür eine Vermittlungsgebühr von 10 Proz. zugesagt. Bei der Abrechnung ist es darüber zu Differenzen gekommen. Dr. Leidig: Wie haben Sie den früheren Polizeipräsidenten  Richter kennengelernt? Barmat: Herrn Richter lernte ich als Parteigenossen kennen, ich wurde mit ihm später ebenso wie mit Herrn H e i l m a n n sehr befreundet, und insbesondere, als ich ahne Familie in Berlin   war, war es mir sehr angenehm, mit Richter und Heilmann oft zu- sommenkommen zu können. Mit Richter habe ich über Ge- schäfte gar nicht sprechen können, da er nach meiner Meinung von Geslyäften überhaupt nichts versteht. Wenn Herr Tannenzapf behauptet, Richter und Heilmann hätten sich stets solange in der Merkurbank aufgehalten, daß ich für andere Leute gar nicht zu sprechen gewesen wäre, so ist auch das falsch. Dr. Leidig: Wie haben Sie Herrn H e i l m a n n kennen- gelernt? Barmat: Ich lernte Herrn Heitmann durch Herrn Mathysen, den Sekretär der holländischen Sozialdemokratischen Partei kennen. Heilmann war damals Korrespondent des Rotter- damerAorwaarts", er hat pro Artikel 15 Gulden Honorar von diesem Blatte erhalten, für andere Beiträge entsprechende kleinere Summen. Einmal hat mir Heilmann einen versiegelten Brief des Vorwaarts" mit 40 Gulden gezeigt. Ich habe ihn gesragt, warum er so wenig für denVorwaarts" schreibe, er war damals aber außerordentlich stark mit seiner Korrespondenz der PPN., mit Wahl- reisen usw. beschäftigt. Bon mir hat Heilmann für diese Tätig- keit nicht einen Pfennig erhalten. Später wurden wir sehr befreundet und ich freue mich, daß diese Freundschaft auch heute noch wenigstens von meiner Seite besteht. Zahlungen hat Heilmann von mir"niemals erhalten, denn Freundschaft läßt sich nicht bezahlen. In den Aussichtsrat meiner(Hrfellschaft habe Ich' ihn auch lediglich als Freund ausgenommen, er hat bisher n i e- mals eine Entschädigung dafür erhalten. Er war öfters mein Gast, sowohl hier wie in Holland  . Ich habe dann natürlich, wie es meine Pflicht war, für ihn bezahlt, ich habe ihm auch sonst die Auslagen zurückerstattet, die er für mich hatte. Dr. Leidig fragt dann, wie da» Empfehlung»- schreiben an die Staatsbank zufwndegekommen sei. Barmat: Herr L ü d e m a n n hat bei der Staatsbank ange- rufen, ich erhielt dann von den Herren Bauer und Gradnauer, den ich kennengelernt hatte, das Empfehlungsschreiben, das mir le d i g l i ch Eingang bei dem Präsidenten verschaffen sollte. Später wurde mir gesagt, daß diese. Schreiben mich mehr geschädigt habe als es mir genäht hätte, weil es von Sozialdemokraten unterschrieben worden sei. , Dr. Leidig stellt dazu fest, daß auch andere Abgeordnete der- artige Empsehluugsschreiben onsstellen, um bei amtlichen Stellen die Tür aufzumachen. Mas dann weiter geschehe, gehe sie nichts an. Dr. Leidig fragt dann, wie es mit dem Darlehen an den Abg. Koenen gestanden habe. Im Ausschuß sei die photo- graphierte Eintragung in den Büchern darüber gezeigt worden. Barmat: Herr Koenen hat ein Darlehen von 400 Gulden von mir erhalten und davon nur etwa die Hälfte zurückgezahlt. Er war in der Angelegenheit des Transportarbeiterstreits nach Holland  gekommen, als Herr Heilmann abgereist war, bat Koenen mich um ein Darlehen. Später hat Herr Koenen mir vorge- schlagen, mich Herrn Krassin vorzustellen. Krassin hat auch auf mich gewartet, ich habe ober damals keinen Wert auf eine Verbindung mit Ruhland gelegt. Barmat bemerkt noch. durch die Konzerngründung, die ihn sehr in Anspruch genommen habe, sei er mit Heilmann, der es n i ch t g e r n s a h, daß er sich an der I n d u st r i e beteiligte, weniger oft zusammengekommen. In den Aufsichtsrat der Gesellschaften sei Hellmann oft ge- wählt worden, ohne daß er selb st etwas davon wußte. Die Vernehmung wird dann abgebrochen. Dr. Leidig wird den Bericht dem Ausschuß vorlegen und Barmat nur dann noch einmal vernehmen, wenn von den Mitgliedern des Ausschufles Fragen gestellt werden spllten._ painlevös Marokkobericht. Krach mit den Kommunisten. Paris  . 23. Juni.  (Eigener Drahtbericht). In der Kammer sprach heute nachmittag Ministerpräsident und Kriegsmimster P a i n l e v e über Marokko  . Einleitend betonte er, daß Frankreich  nach den großen und schmerzlichen Verlusten des Weltkrieges das Blut seiner Landeskinder schonen müsse. Andererseits dürfe sich die öffentliche Meinung keine übertriebene Vorstellung von der Größe und dem Umfang der kriegerischen Exeignisse in Marokko  .machen. Dann führte er aus: Beim Regierungsantritt des jetzigen Ministeriums war die Grenze nördlich des Ouergha auf einer weiten Strecke von dem Gegner überschritten, die Straße nach Fez gesperrt und die Hauptstadt selbst bedroht. Reue Verstärkungen wurden notwendig. Heute spielt sich der Kampf an den Ufern des Ouergha ab, die nur an zwei Punkten über- fchritten sind. Die Tatsache, daß der Kriegsschauplatz innerhalb des ftanzösischen Gebietes liegt, gibt dem Gegner das Gefühl des Siegers und mache ihn glauben. Frankreich   fei darauf angewiesen, um Frieden zu bitten. Hier droht eine moralische Gefahr, vör der die Regierung die Kamnier warnen muß. Unter diesen Umständen Marokko   zu räumen, hieße alle französischen   Bürger. Männer, Frauen und Kinder in Marokko   und Algier   der Nieder metzelung preis- geben. Einer Menschhettsliebe gegenüber, welche die Vaterlands- liebe auslöscht, muß man mißtrauisch sein. Auf den Einwurf, nichts sei geschehen, um mit Abd el Krim zu verhandeln, ant- wartete P a i n l e v ö: nicht eine Woche ist verstrichen, ohne daß Frankreich   über die Absicht Abd el Krims und dieser wieder über Frankreichs   Absichten unterrichtet worden ist. Mitten in den Kriegs- «reignissen hat Frankreich Abd el Krim durch einen Unterhändler wissen lassen, daß Frankreich   nichts wünscht, als in gutem Ein- oernehmen mit dem Rif   zu leben. Frankreich   hat nie daran ge- dacht, sich irgendein Gebiet der französischen   Zone anzueignen. So sind auch die Vertreter Frankreichs   aus der spanisch-französischen Konferenz in Madrid   instruiert und ihre Veröffentlichung könnt« für die Regierung nichts Nachteiliges enthalten. Di« Gefahr besteht, daß die Marokkaner die Friedensbereitschaft Frankreichs   als ein Zeichen von Schwäche auslegen. Ob der- Stab von Ausländern bei Abd el Krim  , der sich aus früheren deutschen, russischen und türkischen Offizieren zusammensetze, von der gleichen Friedensliebe bestell sei? Damit Abd el Krim die Pläne dieser Um- gebung nicht befolgt, muß er die Lehre erhalten, daß die Fort- setzung der Feindseligkeiten nur zu seinen Ungunsten ausfallen kann. Daß die Verständigungsversuche Frankreichs   noch keinen Ersolg hallen, liegt daran, daß Abd el Krim noch keine Neigung zeigt,, auf seine ehrgeizigen Pläne zu verzichten. Im Gegenteil, er hat zum Heiligen Krieg des Islams gegen Frankreich   aufgefordert und mehr als einmal verkünden lasten," daß Fez sein Ziel fei.(Das hat Abd el Krim gegenüber einem Vertreter derChikago Tribüne" nachdrücklich in Abrede gestellt. Red. d. V.). Trotzdem hat die sran- zöstfche Regierung ihre Erklärungen aufrechterhalten, daß die Fort- setzung des Krieges nur unnützes Blutvergießen bedeutet und die Zusammenarbeit Frankreichs  , Spaniens   und des Riss bei der Zioilisierung Nordwestafrikas hinausschiebe. Dann wandte sich der Minlsterpräfldenl gegen die kommunistische Propaganda, der er die wahre Schuld am Kriege in Marokko   zusprach. Aus dem Kongreß der dritten Internationale habe Sinowjew  vorausgesagt, daß infolge der Niederlage der Spanier Frankreich  
durch Abd el Krim bedroht jei und hinzugefügt, daß die Kommu- nisten sich das zunutze machen müßten. Wenn Abd el Krim, wie die Kommunisten immer betonten, den Frieden wolle, wer hatte ihn dann zum Krieg getrieben?(Abd el Krim   sagt in dem Interview: das widerrechtliche Vordringen des französifchen Militärs, das die Ernährungsgebiete besetzte, dce Warenzufuhr hinderte ufw. Red. d. V.). Die Kommunisten hätten seit Ende 1924 Abd e l Krim gegen Frankreich   aufgehetzt. Ein Beweis dafür sei die G l ü ck w u n s ch a ö r e f s e des Abg. D o r i o t an Abd el Krim  , die die Hoffnung aussprach, daß Abd el Krim nach seinem Sieg über Spanien   den Krieg gegen den Imperialismus aller Länder, Frankreich   miteinbegriffen, bis zur vollständigen Befreiung Marokkos   weiterführen werde. Seitdem Hütten die Kommunisten nicht aufgehört, Abd el Krim   durch Ler- sprechen ihrer Unterstützung gegen Frankreich   zu ermutigen und darüber hinaus versuchte die bolschewistische Propaganda, die eingeborenen Soldaten und Arbeiter zum Meutern und vor allem die Marokkaner zur Verweigerung der Truppen- und Munitions transporte aufzustacheln. Jedes Land ergreife gegen derartige Borkommnitste die schärfsten Maßnahmen. Diese mit den kommunistischen   Telegrammen, Brie- f e n und Flugschriften belegten Ausführungen riefen einen Sturm der Entrüstung hervor. Nach der Rede Painleves wurde die Sitzung auf kurze Zeit unterbrochen, um den Fraktionen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Wiederaufnahme der Sitzung begründete zunächst Abg. D o r i o t(Komm.) feine Interpellation. Gleich zu Beginn seiner Ausführungen eilt« der Abg. Oberst Picot(nat.) auf die Tribüne, um den Redner zu o h r f e i g e n. Es kam darüber zu großen Tumultfzenen: erst das Eingreifen der Kammerbeamten und die A u f h e bu n g der Sitzung durch Horriot konnte dem Tumult ein End« machen. Die Sitzung wurde um Uhr wieder aufgenommen. �Präfi- denk Herriot mißbilligte das Verhalten Picots. Nach einer kurzen Auseinandersetzung darüber bestreiten D o r i o t und Marty, daß Sinowjew   jene Worte gesprochen habe. Nach der Rede Doriots ver­tagt sich die Kammer auf 9.30 Uhr.
Die Koalition in Frankreich  . Meinungsverschiedenheiten der Sozialisten. Paris  , 23. Juni.  (Eigener Drahtbericht. Die Abstimmung der sozialistischen   Parlamentarier und Parteivorstandsmltglieder hat folgendes Ergebnis: Von 123 Antworten erhielten die Anträge Compere-Morcl auf Kündigung der Unterstützungspolitik 62. R e n a u d e l auf ihre von Konzessionen der Regierung abhängig gemochte Fortsetzung 49 und Äuriol aus nochmaligen Verständigungsversuch mit der Regierung und den übrigen Grup- pen des Kartells 12 Stimmen. 11 der befragten Mitglieder haben sich der Stimme enthalten. Es hat also keine der drei Resolutionen eine absolute Mehrheit erhalten. Die Fraktion hat beschlossen, ihre Haltung von den Erklärungen Painleves in der Kammer abhängig zu'machen. Aber auch diese haben angesichts ihrer mangelnden Klarheit der Fraktion nicht Gelegen- heit gegeben, über ihre Stellung zu entscheiden. In der Beratung während der Unterbrechung der Kammersitzung hat die Fraktion R e n a u d e l beauftragt, nochmals von der Regierung d e u   t- kichere Auskunft über ihre Pläne in Marokko   zu verlangen. Don dem Ausfall dieser Erklärungen wird die endgültige Stellung- nähme der Sozialiften abhängen. Ein großer Teil der Fraktionsmitglieder hat bereits am Diens- tag nachmittag keinen Zweifel gelassen, daß er die Erklärungen des Ministeriums nicht gutzuheißen in der Lage fei, während die Gruppe um Paul Boncour   und M o u t e t ebenso kategorisch entschlossen ist, der Maroktopolitik des Ministeriums Painlevc unter allen Umständen Folge zu leisten.
Die belgische Regierungserklärung. Im Geist des Fortschritts und des Weltftiedeus. Brüssel  . 23. Juni.  (Eigener Drahtbericht.) Die Regierung»- erklärung hat durch ihre Festigkeit in der Proklamierung demo- kratisch-sozialer Tendenzen und durch realpolitische Mäßigung vor- züglichen Eindruck gemacht. Jede Zeile atmet den Geist des sozialen Fortschritte und des Weltfriedens. Die Koalttion, so heißt es darin, hat die Regierung übernommen. um den klaren Wunsch der Wähler noch stärkerer Erweiterung der sozialen Gesetzgebung fest und beharrlich durchzu- führen. Im übrigen bält iede Gruppe an ihrem Programm und ihrer Ueberzeugung fest. In der Außenpolitik erklärte sici, die Regierung im Intereste der eigenen Sicherheit sowie des Welt- frieden» für internationale Schiedsgerichtsoerträge und Rüstungseinschräntung sowie Erweiterung des Völker- bundpaktes einzutreten. Das Washingtoner Abkommen über den Achtstundentag wird die Regierung bedingungslos ratifizieren, ebenso die internationalen Abkommen über Sonn- tagsruhe, Arbeitsunfälle, Koalitionsrecht der agrarischen Arbeiter usw. Ein großer Teil der Erklärung unterstreicht die Notwendigkeit des finanziellen Gleichgewichts und der valutastabilitä«,. zur Ermöglichung kostspieliger soziale? Reformen, namentlich der Versicherungen. Die Steuern werden strenger eingetrieben, andererfeits da« steuerfreie Mindesteinkommen der Geldentwertung aemäß erhöht. Mit amerikanischen   Gläubigern wird«in billiger Ausgleich gesucht werden. Die gegenwärtige Parlamentstagung, die beinahe zu Ende ist. wird sich auf das Abfertigungsgesetz über Provinzwahlen befchränten müssen, was aber für die Sozialisten wichtig ist, weil dadurch ihre Äertretuna im Senat erheblich ver- mehrt wird. In dem Programm für die nächste Session stehen: Pächterschutzerneuerung, Mieterschutzgesetz, die Förderung des Ar- beiterwohnungsbaue», Reformen verschiedener Arbeiterschutzgesetze über. Unfall, Berus  , Krankheit, Grubeninspektion, Lebensversicherung, Mutterschastsversicherung. Altersrente von 720 Frank jährlich, die Unsallrenten werden der Geldentwertung entsprechend angepaßt und schließlich der Krisisfonds zur Unterstützung Arbeitsloser er- wettert und wirksam gehandhabt. Zur folgenden Session werden versprochen großzügige Sozialversicherung, staatliche Ausbeute neuer Kohlenlager. H e e r e s r e f o r m auf der Grundlage mehr technisch gebildeter Freiwilliger bei Verminderung der Dienstzeit und der Leistungen der Gesamtbevölkerung. Die Amnestie politisch Verurteilter wird erweitert. Schließlich pro- klamiert die Erklärung den religiösen, sprachlichen und Schul- frieden und die systematische Entwicklung der produktiven Kräste. Die Verlesung der Erklärung in der Kammer durch Poullet und im Senat durch Vandervelde   wurde sehr häusiq durch den Beifall der großen Mehrheit unterbrochen. Die Debatte brachte heute nichts Wesentliches außer einer stark oppositionellen Rede des liberalen Führers. Die Liberalen werden gegen die Re gierung stimmen, die Hallung der konservativen Katholiken Ist m- unsicher._ Neue Aufammenstöße in Kanton. Feuergefecht in der britische« Zone. Kanton. 23. Juni.  (WTB.) Nach einer Reutermeldung veran- stalleten tausend chinesische Studenten, Arbester, Bürger und Sol- daten heute nachmittag einen Umzug am Bund entlang und rings um die europäische   Niederlassung in Schameen. Als sie sich gegen- über dem Biktoriahotel in der britischen Konzessionszone befanden, entstand eine Schießerei. Englische und französisch« Marine- soldaten erwiderten das-Feuer mit Maschinengewehren. Da» Schießen dauerte 20 Minuten. Der französische   Kaufmann Pasqui- wurde getötet. Der Zollkommissar Edwards sowie ein british- Marinesoldat und zwei Zivilisten wurden verwundet.