Ändefl«n geht aus einem weiteren eigenen Drahtbericht aus Paris vom heutigen Vormittag hervor, daß die Gefahr einer Regierungs- oder gar einer Kartellkrise, wie oben er- wähnt, noch keineswegs überwunden ist, und zwar wegen der Finanzpläne Caillaux '. Die„S a n i e r u n g s m a ß- nahmen" des Finanzministers nehmen, so heißt es in dieser Drahtmeldung, von Tag zu Tag«ine merkwürdigere Gestalt an. Wie die Pariser Morgenblätter mitteilen, ist die am Donnerstag angekündigte Ausgabe wertbeständiger Bons auf Dollar oder Goldbasis lediglich dazu bestimmt, den stärke- ren Rückfluß an Nationalverteidigungsbons zu absorbieren, d. h. die Mttel zur Beschaffung um die zur Einlösung präsen- tierten Bons zu erhalten: darüber hinaus aber beabsichtigt Caillaux , um den Rückfluß der am 1. Juli zu Verfall jje- langenden etwa 2 Milliarden Schatzwechsel sicherzustellen, eine neue Erhöhung des Notenumlaufs um 4 bis 5 Milliarden. Seine Projekte sollen heute vom Ministerrat endgültig sanktioniert und heute nachmittag im Bureau der Kammer deponiert werden. Die Regierung wird dann durch Stellung der Vertrauensfrage ihre sofortige Berab- s ch i e d u n g erzwingen derart, daß die Finanzkommission sie noch heute nachmittag vorberat« und das Plenum sie in einer Nachtsitzung votieren soll. Die verlangte Durchpeit- s ch u n g dieser Vorlagen, die voraussichtlich eine o e r h ä n g- nisvolle Wirkung auf die Währung haben wer- den, wird damit begründet, daß die Börse, die in den letzten Tagen infolge der zirkulierenden Gerüchte eine ungewöhnliche Nervosität an den Tag gelegt hatte, vor vollendete Tatsachen gestellt werden müßte. Der wahre Grund scheint der zu sein. daß Caillaux hofft, durch lleberrumpelung die zu er- wartende Opposition der Linken gegen sein« Projekte zu brechen. Die Rif-Blockade. pari». 26. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Da» Abkomme » über die Blockade der marokkanischen Küste ist von der f r a» z ö- liiAtn und spanischen Regierung unterzeichnet worden und heute in Kraft treten. Im übrigen scheinen bei den französisch- spanischen Marotkoverhandlungen große Meinungsverschiedenheiten zwischen den Militörsachverständigen zu bestehen, da die Beratungen ziemlich langsam vorwärts schreiten. Man erwartet, daß General Primo de Rioera in den nächsten Tagen in Anbetracht dieser Schwierigkeiten von Tetuan noch Madrid zurückkehren wird.
Der Prozeß gegen Oberleutnant Jorüan. Die Sachverständigen über die Schnldfrage. Minden . 26. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Am Freitag morgen erfolgten die Gutachten der Sachverständigen in Sachen des Beltheimer Fährunglücks. Als erster Sachverständiger wurde zunächst Ober st Stobbe vom Reichswehrministerium ver- nommen, der in ungefähr einstündigen Ausführungen die ganz« Sachlage noch einmal durchgeht. Nach setner Anficht trägt Ober- leutnont Jordan die Berantwortung für die Ueber- fahrt. Trotzdem ist er der Ueberzeugung, daß Jordan kein« Schuld trifft. Er habe die Gefahren de» Fährübergang» in einer seinem Dienstalter entsprechenden Weise erkannt. Der zweit« Sachverständige, Oberst von Sommerfeld- Kassel, ist der Ansicht, daß den Oberleutnant Jordan t e> n e S ch u l d trifft. Er schiebt die Schuld den„obersten Behörden" und der man- gelhasten Konstruktion der fliegenden Brücke zu. Di« obersten Be- Hörden hätten die veraltete Fähre längst aus den Bestimmungen streichen müssen. Er hätte die Belastung in gleicher Weise wie Oberleutnant Jordan vorgenommen. Heute jedoch würde er nicht mehr mit 100 Leuten übersetzen, vielleicht sogar überhaupt nicht. Wenn irgend eine Schuld dem Oberleutnant Jordan treffen könnte, so bestände diese darin, daß Jordan nicht genügend Bedienungs- Mannschaften zur Stelle gehabt hätte. Aber das habe daran ge- legen, daß ein Teil seiner Truppen als Sprengtommando nach Holtrop geschickt worden wäre. Wenn sonst noch ein Umstand in Frage käme, so sei es die zu schnelle Uebersahrt. Sodann wird Regierungsbaurat Kleinschmidt- Minden vernommen.
Protest gegen üen Srotwucher. Kundgebungen tu Hamburg . Hamburg , 26. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die H a m- burger Sozialdemokralle hatte gemeinschaftlich mit den freien Gewerkschaften die Hamburger Arbeiterschaft zun, Donnerstag abend zu Prot« st Versammlungen gegen die Zollpolitik der Rechtsregierung gerufen. In den größten Sälen der Stadt stauten sich die Massen. Die Lersammlungen waren ein leidenschaftlicher Protest gegen die neue Belastung der breiten Massen durch die Schutzzölle. Sie bekundeten weiter eindeutig und eindrucksvoll, daß zur Führung des Kampfes gegen die Schutzzölle und für die Interessen der breiten Massen nur die deutsche Sozial- demokratie berufen ist. Die Kommunisten, die in allen Ver- sammlungen für ihre Parole Stimmung zu machen versuchten, fielen ab. In allen Versammlungen wurde eine Entschließung einstlmmtg angenommen, in der die beabsichtigten Zölle als ein Attentat auf Voltsernährung und Doltsgesund- h e i t bezeichnet werden. Verwirrung in allen �usschüsten. Geschäftsordnungsdebattcn. Die Geschäftsordnungsdebatte am Schluß der Donnerstagsstzung fand heute vormittag in fast allen Ausschüssen ihre praktische Fortsetzung. In allen Ausschüssen wurde heute früh entsprechend der Ge- schäftsordnung von der Opposition Einspruch erhoben gegen die Sitzung und verlangt, daß erst die Entscheidung des Aeltestenausschusse» abgewartet werden müsse. Der Verkehrsausschuß stellte aus Grund eine» Protestes der So- zialdemokraten sofort ferne Arbeit«in. Die Auseinandersetzungen erreichten ihre dramatische Steigerung im Steuerousschuß, dessen Zusammensetzung den Anlaß zu dem— gelinde ausgedrückt— merkwürdigen Spiel der bürgerlichen Parteien gegeben hat. Der Demokrat Atscher(Köln ) erhob Ein- prnch gegen die von dem deutschnationalen Vorsitzenden Ober- ohrea angestrebt« Erledigung der Tagesordnung. Er bezog sich auf die am Vortage im Plenum abgegebenen Erklärungen aus seiner Partei und die für olle Fraktionen notwendige Stellungnahm« zu der vom Aeltestenausschuß zu erwartenden Neuregelung der ganzen Frage. Leck er-Hessen (D.Np.) wandte sich gegen den Vorschlag, die Sitzung zu vertagen. Cr erhob den Vorwurf gegen die Oppositions- Parteien, daß sie aus beleidigtem Ehrgesühl und nicht näher zu bezeich- nenden materiellen Gründen eine Verschleppung der Aus- schußarbeit anstrebten. Mit einem gerade bei diesem volks- porteitichen Vertreter belustigend wirtenden Aufwand von sittlicher Entrüstung sprach er von unsachlicher Arbeit und unschönen Ob- struttionsgelüsten der Opposition. Genosse Hertz unterstrich die Gründe des demokratischen Redners, und wandte sich entschieden gegen die Vorhaltungen des oolkspartei- lichen Vertreters, dem er erklärte, daß er die Vorwürfe unsachlicher Arbeit auch auf sich und sein« Fraktion beziehe. Wie windig es um die„Sachlichkeit" der bürgerlichen Ausschußleute bestellt sei, beweise doch der noch nicht vergessene Antrag des deutschvolksvartellichen Abgeordneten Brüninghaus, der, um das den Regierungs. parüeien unbequem« Mehrheitsverhältnis im Steuerausschuß zu kor- rigieren, verlangt hatte, die Zabl der Mitglieder von 28 aus 32 zu erhöhen. Dieser Antrag beweise deutlich, daß es den Regierungs. Parteien nicht darauf ankomme, durch die Sachlichkeit ihrer Gründe zu wirken, sondern durch die Zahl ihrer Sitze ihren M a ch t wi l l e n gegenüber der Opvositlon zu oktroyieren. Die Regie- rungsparteien wollen einfach die Qualität durch die Quantität er- setzen. Hertz betonte, daß, wenn in die Geschäftsordnungsdebatte der Ausschüsse eine sonst ungewohnte Schärfe hineingetragen worden sei, der Vorwurf auf die Urheber dieser Debatte zurücksallen müsse. Die Opposition müsse jede Verantwortung sowohl dafür als auch für die Verschleppung der sachlichen Beratung ablehnen.
Die Erhöhung öer Vier- unü Tabaksteuer. Ein Initiativantrag der RegiernngSparteien. Die Ablehnung der Regierungsvorlage über die Erhöhung der Bier- und Tabaksteuer hat zu schweren Auseinander- setzungen innerhalb der Regierungsparteien ge- führt. Wie nicht anders zu erwarten war, haben sie mit einein Kompromiß geendet, das der Regierung die offene Niederlage erspart, aber auch die Regierungsparteien zu Zugeständnissen an die Regierung gezwungen hat, die st« bisher auf das schrofste ab»
gelehnt haben. Das bezieht sich sowohl auf die Bayerisch« Volkspartei als auch auf die Deutsche voltspartei. Die erste hatte jede Erhöhung der Biersteuer als unannehmbar bezeichnet» was bei der Bedeutung, die das Bier im politischen Leben Bayern » spielt, parteipolitisch wohl verständlich ist. Die Deutsche Volkspartei hatte wiederum die Tabaksteuer als unan- nehmbar bekämpft, zum Teil aus sachlichen Gründen, zum Teil aber auch deswegen, weil die Tabakinteresjenten gerade in dieser Partei eine nicht unerhebliche finanzielle Bedeutung haben. Das Kompromiß liegt jetzt dem Reichstag vor, in Gestalt eines In i t i a t i v g e s e tz e s, das die Unterschriften der fünf Regierungs- Parteien trägt. Es unterscheidet sich von der Regierungsvortage in vier wichtigen Punkten. Erstens soll die Biersteuer- erhöhung statt 100 nur SV Proz. betragen. Zweiten- wird die beabsichtigte Erhöhung der Besteuerung von Zigarren fallen gelassen. Drittens bleibt auch der Rauchtabak von der Er- höhung befreit und viertens wird die Erhöhung der Biersteuer erst am 1. Januar 1926 in Kraft treten. Bezüglich der stärleren Besteuerung von Zigaretten hat also die Deutsch « Volkspartei ihren Widerstand aufgeben müssen. Die Bayerische Voltspartei hat ebenfalls eine Biersteuer- erhöhung um S0 Proz. gutheißen müssen, was ihr in Bayern nicht gerade großen Zulauf verschaffen wird. Daß die W i r t s ch a f t s- Partei, deren Vertreter die Ablehnung der Regierungsvorlage im Steuerausschuh veranlaßt hatte, klein beigegeben hat, war bei der Größe dieser Partei und der Größe ihrer Prinzipienfestigkeit auch zu erwarten. Trotz alledem werden noch einige Schwierigkeiten zu überwinden sein, ehe die auch jetzt noch gefährlichen Pläne der stärkeren Belastung von Bier und Tabak verwirklicht worden sind. Bisher tonnten Vorlagen, die einmal abgelehnt waren, nicht wieder auf die Tagesordnung des Plenums des Reichstages gesetzt werden. Außerdem ist es ständige Uebung des Reichstag », daß über Aus- schuhverhandlungen dem Plenum Bericht zu erstatten ist. Erst bei dieser Gelegenheit könnte also bei Beachtung der Geschäftsordnung«in neuer Beschluß zur Bier- und Tabaksteuer gefaßt werden. So lange will aber die Regierung und wollen die Parteien nicht warten. Sie haben die Absicht, ihren Jnitiatiogesetz- cntwurf möglichst bald im Plenum de» Reichstags zu beraten und scheinen dabei auch nicht davor zurückschrecken zu wollen, die Geschäftsordnung nach ihrem Mehrheitsbedürf- nis auszulegen._ Die Weknfteuer. ' Regierungsparteien gegen Reichsregierung. Wie bei der Bier- und Tabaksteuer, so bestehen auch bei der W e i n st e u« r, die am Donnerstag im Steuerousschuß des Reichstags zur Beratung stand, Meinungsverschiedenheiten zwischen der Reichsregierung und ihren Parteien. Die Regierungs- Parteien traten für eine Herabsetzung der Weinsteuer auf 10 Proz. ein, da die gegenwärtige Lage des Weinbaues eine Ermäßigung der Steuerlast erfordert. Auch die Sozialdemokratie verlangte die Herabsetzung der Weinsteuer auf 10 Proz. Die Demokraten wollten darüber hinaus auch eine Ermäßigung der Schaumwein st euer von 30 auf 15 Proz. Die Reichsregierung bezeichnete die Anträge auf bau- ernd« Ermäßigung der Weinsteuer auf 10 Proz. als ganz un- annehmbar. Es könne höchstens in Frage kommen, daß aus den Erträgnissen der Weinsteuer für etwa zwei Jahr« Summen zur Milderung der Rotlage der Winzer zur Verfügung gestellt werden, etwa 25 Millionen pro Jahr. Diese Anregung verdichtete sich als- bald zu einem Antrag der Zentrumspartei . Die Sozialdemokratie bekämpfte ihn, da er unabsehbare Konsequenzen auch für andere Berufsgruppen nach sich ziehe, weil er«ine unberechtigte Ungleichheit unter den Bedürftigen schaffe und auch die Art der Derteilung großen Schwierigkeiten begegne. Trotzdem Staatssekretär Dr. Löpitz vor der Abstimmung noch einmal eindringlich betont hatte, daß die Herabsetzung der Wein- steuer aus 10 Proz. iür die Regierung untragbar sei, wurde unter Ablehnung oller anderen Anträge auf oolksparteilichen Antrag beschlossen, die welnstener für die Zeil bi» zum 30. Sep- tember 192? auf 10 Proz. zu ermäßigen. Später solle sie wieder 20 Proz. betragen. Also auch hier haben die Regierungs- Parteien die Reichsregierung im Stich gelassen.
Stranötppen. Von Victor Roack. Sellin auf Rügen , im Juni. An einhundertundsünkzig Meter unter waldbeschattetem Hoch- ufer liegt sonniger Badestrand, dicht besiedelt mit Strandkörben. Die lustig bewimpelten Umwallungen berühren einander. So leb- hast war lang« keine Vorsaison: lebt man doch erst in der zweiten Hälfte des Juni. Hinauf, herab die breite weiße Treppe wehen im frischen Winde leichte, hellbunte Gewänder. Gespräch«, Gelächter, Geigen-, Flöten- und Wellenspiel rauschen und klingen. Da» Meer glänzt gen Osten wie rieselnd?» Silber, gen Westen, vor Stubben- kammer, ist'» tintig blau, und am Strand, über gedehnten Sand- bänken, hellgrün. Puntthaft klein, wie Schmetterlinge geschlossene Flügel, ziehen der Fischerboote rostbraune Segel und über ihnen weiße Wölkchen. Ein Küstendampfer schwimmt so dicht vorüber, daß man Maschinen brummen und stampfen hört. Nicht jeder sieht das Schöne, sintemalen dazu außer dem Seh- oryan noch etwas gehört, was mancher nicht hat, wie beispielsweise der„Selige" meiner Pensions-Tischdame, einer lustigen Wittib zwischen fünfzig und siebenzig: Der besaß dafür ungeheuerliche �rcßorgane. Er verzehrte zum Frühstück ein Pfund geschabtes Fleisch, Schinken oder so was, zum Mittag eine gut ausgewachsene Ente: trank dazu drei Flaschen Rotwetn oder achtzehn Glas Bier und erleichterte sich die schweren Stunden der Verdauung danach durch etllche Jmvorten. Al» ich nach seinem Einkommen fragte:„So etwa sechzig, bi» siebzigtausend Mark im Jahr— da, heißt vorm Kriege. Er starb ja vor Kriegsausbruch! wie der Arzt meinte: an der Schlemmer- krantheit. Mehr als zwei Zentner hat er zuletzt gewogen, so stark, seist und rot war er geworden." Fröhlich— ein harmloses Gemüt—verplauderte sie, wie er seine Geschäfte telephonisch, so au» dem Klubsessel heraus erledigte. Wie hätte fei» Bauch sonst Zeit gehabt, diese Riesenmahle zu ver- winde». Ich hör« da» Krankenwägelchen des Wiener Professor» auf san- digem Waldwege nahen, mühsam geschoben von seiner klugen Frau. Nicht entfernt sa alt, wie er aussieht, ist dieser Kriegsbeschädigte. Zerschossene Wirbelsäule. Körperlich gelähmt, aber geistig sprühend lebhast. Sein Weib: Kamerad durch dick und dünn. Höchstkulwr der Eh«. Scharf prosilierte Gesichter, deren Schönheit vom Auge ausstrahlt, vornehme Intellektuelle. Rügen Etappe auf der Fahrt noch Schwede». Man fragt nach der hübschen jungen Stenotypistin, die fron» matt, lechzend nach Himmel und Wasser, lüstern auch auf den Erfolg de» neuen Badeonzugs mit kokettem Röckchen und meergrüner Kappe, am Tage der Ankunft quietschend vor Vergnügen sich in die glitzernd schäumenden Wellen warf und ohnmächtig unterging. Dann lag sie nackt, wie tot, in Neugier und Furcht von hundert Augen. Ein Arzt spritzte Kampser ins Blut. Wohl«in« Stunde long mühten wir uns, knospenzarter Brust Lebensrhythmus zurückzugeben. Tierisch wilde Laute gurgelten jäh au» gewaltsam geöffnetem Munde, schreck- lich sich wiederholend. Dt» beiden klugen Gesichter lächelten gemeinsam: Sie lebt, ist
heiter und guter Dinge, schüttelt ihre blonden Stirnlöckchen wie nur je und weiß von nichts, als daß sie zum Strand gegangen, um zu Baden. Wie sie in ihr Bett gelangt ist» was dazwischen sich ereignet hotte, war vergessen. „Wie gütig ist doch das Schicksal manch einem," seufzte der Kriegsverletzte bedeutungsvoll. Am Abend sah ich die Kleine auf der Reunion. Alle erfreute ihr Dasein. Der Düstere zog mit leerem Sack von bannen. Reunion. Gipfel des Vergnügens. Iozzbandkapelle. Ossi, der igeuner, geigt. Braunes Gesicht, schwarze Locken, schwärmender tick. Wie Wind mit Zweigen, spiest Rhythmus mit seinen geschmeidigen Gliedern. Di« Musiker werden betrunken von Wein und Schnaps und von der Anhimmelei. Ihr Spiel wird freier» ihr Benehmen dreister. Ihre Heiterkeit strahlt au», zieht golden« Sr«ise, wortnnen alle sich tummeln. Doch nein— nicht alle; da ist auch Publikum, dos nicht recht mitmachen kann, obschon«« möchte. Bescheidene Gäste in bescheide- ner Ecke: angejahrt« Ehepaare, Beamte und Kleingewerbler. Mittel- stand. Ergraut in eintönigem Beruf. Mauerblümchen, an denen das Glück vorübergeht. Typ derer, die den Anschluß verpaßten und eine letzte Möglichkeit krampfhaft erfassen, noch ein Stückchen Welt zu erleben. St« kennen nicht Harz , Thüringen , Riesengebirge — ein wenig von der Sächsischen Schweiz . Nicht» sonst, sonst nichts. Rügen ist Anfang und— viel-leicht— Ende. Wer denkt der Hunderttausend«, die nie anders al» von draußen durch abwehrend verhängt« Fenster auf reich gedeckte Tisch« sehen?—
Staatliche wiffenjchastspflege. Nach seiner Heimkehr von der Reise um die Welt hat Professor Fritz Haber , der berühmte Berliner Chemiker, für den Spar- ausschuß des Reichstages eine kleine Denkschrift geschrieben, um für die Beratungen über die Höhe der Ausgaben für wissenschaftliche Zwecke allen Bedenken entgegenzutreten, die eine Beschränkung dieser Ausgaben fordern, denn wir können nichts Nötigeres und Nützlicheres tun als derartige Aufwendungen verdoppeln, wie das alle Länder tun, die unter den heutigen Verhältnissen wirtschaftlich vorankommen wollen. Habers Arbeit, die er jetzt in den„Naturwissenichasten" ver» öifentlicht, betont die Notwendigkeit, un»„unsichtbare Posten" in der Bilanz unseres Wirtschaftsverkehrs mit dem Auslande zu ver- schaffen, solche nämlich, die mit der Abgabe deutscher Erfindungen und Fabrikationserfahrungen an das Ausland zusammenhängen. Wir haben eine Bevölkerung und ein Ausbildungssystem, die mehr geeignete Menschen für«rflnderlsche Leistung aus Naturwissenschaft- lich-technischem Gebiet« hervorbringen als irgendwo in der Fremde, weil wir vor den Franzosen das Ausbildungssystem voraus haben, vor den Engländern den engen Zusammenhang von Hochschulleben und industriellem Betriebe, vor den Amerikanern die Geduld und die Nachdenklichkeit, die sich in langfristige Aufgaben vertieft. Aber wir machen uns unseren großen Vorteil selber zuschanden, wenn wir zur Aufrechterhaltung unserer Leistungen nicht jene gewisse mittlere Schicht der Bevölkerung heranziehen, aus der vorzugsweise die oer- langten Begabungen hervorgehen, die heute verarmt ist und ihre Söhne nicht mehr auf, gründlichste ausbilde» lassen kann.
600 Stipendien müssen jährlich vergeben werden an Mensche», die nach beendetem Studium sich zu selbständigem Können weiter- bilden. Die zweite Stelle, wo die staatliche Unterstützung nötig ist, bildet die Erneuerung der wissenschaftlichen Ein- r i ch t u n g e n, die Derbesserung der Jnstrumentenbestände in den Instituten. Die Flicktättgteit der Kriegs, und Siachkriegszeit hat all« Bestände heruntergearbeitet. Wenigstens im mittleren Maße muß in Deutschland da» geschehen, was im reichsten Maße in den Per- einigten Staaten geschieht. Die Notgemeinschast der deutschen Wissenschast gibt dafür den Dorteil, daß sie die Uebersscht hat, an welcher Stelle in Deutschland , und oft nur an einer einzigen, solche Anschaffungen nötig sind. Musterhaft zeigt uns zurzeit Japan , w'e man es machen muß. Sein Erdbeben verschlingt an Kosten mehr al» die beiden Krieg« 1894 und 1004 zusammen. Trotzdem steht dos Land auf dem Standpunkte, auf dem Friedrich der Große nach dem Siebenjährigen Kriege stand: Kein Land ist zu arm, sich wenigstens an einer Stelle das zu schassen, was notwendig ist. Zum Beispiel lchelnt es den Japanern nicht zu kostspielig, für ein chemisches Forschungsinstitut zwei Destillationsapparate für reinstes Wasser zu beschaffen, von denen der eine aus reinem Gold« und der andere gar aus Platin ist. Die wenigen Millionen, um die es sich für solche Ausgaben insgesamt handett, werden eben gefunden. So wird sich auch bei uns sicher ein Weg finden, wieder Leistungen auf geistigem Gebiele zu schassen, die durch unsere heimische Industrie hindurch den Weg ins Ausland nehmen, uns dort Beteiligungen erwerben und unsichtbare Eintommenposten im internationalen Wirtschosts- verlehr._
van eine» deutschen Polarzeppelin»? Am Donnerstag fanden In Berlin DerhaMungen statt, die die Erforschung der Arktis unter Zuhilfenahme von Zeppelin-Luftschiffen zum Gegenstand hatten. Neben Dr. E ck e n e r waren auch Vertreter des Reichsoer- kehrsministeriums anwesend. Die Einbeziehung internatio- naler Wissenschaftler in die geplante Expedition wurde allgemein befürwortet und man nimmt an, daß A m u n d s e n bereits in den nächsten Tagen seine Bereitwilligkeit zur Teilnahme an ihr erklären wird. Die deutsche Regierung wird wahrscheinlich schon demnächst bei der Entente um die Genehmigung nachsuchen, einen h u n d e r I- tausend Kubikmeter großen Polarzeppelin in Friedrichshofen bauen zu dürfen. Die Kosten dieses Riesenschisfes werden auf 10— 12 Millionen Goldmark geschätzt. wo die Zigaretten bleiben. In den vereinigten Staaten Nord- amerikas kommt auf den Kopf der Bevölkerung«in Zigarettenver- brauch von 628 Stück im Jahr— ein Wellrekord. Unmittelbar hier- auf folgt Deutschland mit 599 Zigaretten pro Kopf, dann Belgien mit 543, Italien mit 284 und Frankreich mit 249, Schweden steht mit 184 Stück an letzter Stelle.
Eine Tagung für Veakmalspflea« und Heimalschutz findet vom 20. bi« 25. Sevtember in Fretburg i. B. statt. Die Teilnahme steht jedem frei. Näher« AuSkunit erteilt die KeichästSftell« i» der Kanzlei de« städtischen tingustinermuieums in streiburg i. B. El» Zustitut für Laitrecht ist an der Universität Königsberg gegründet worden. Eine Zettfchrijt soll die ArbeiiSergeinifi« de« Jvstttut« de» Zhich» Unten vorlege».