Abendausgabe
Nr. 30242. Jahrgang Ausgabe B Nr. 148
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
5 Pfennig
Montag
29. Juni 1925
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Ansprachen beim Amtsantritt des neuen Botschafters.
Der Reichspräsident hat heute vormittag 11,30 Uhr den| die besten Wünsche des Präsidenten und der Regierung der Verneu ernannten Botschafter der Vereinigten Staaten von einigten Staaten von Amerika für das Wohl und das Gedeihen Amerifa, Herrn Schurman, zur Entgegennahme seines Deutschlands zu übermitteln." Beglaubigungsschreibens und des Abberufungsschreibens des bisherigen außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafters der Vereinigten Staaten , Herrn Hougton, empfangen.
Botschafter Schurman hielt hierbei folgende Ansprache an den Reichspräsidenten :
„ Euere Erzellenz, Botschafter Houghton ist auf einen anderen Posten versetzt worden und außerstande, sein Abberufungsschreiben persönlich zu überreichen. Der Präsident der
Der Reichs präsident erwiderte u. a.: Für die freundlichen Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben, spreche ich Ihnen meinen aufrichtigsten Dank aus. Ich habe daraus mit großer Genugtuung entnommen, daß Ihre Hohe Regierung den Wunsch hegt, auch fernerhin die zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Amerika bestehende wechselseitige Freundschaft in weitestgehendem Maße
Mussolinis drei letzte Perlen.
( Von unserem römischen Berichterstatter.) Rom , den 29. Juni 1925.
In den Kammerſigungen vom 18. bis 20. Juni hat Mus folini feiner Diftatorenkrone die letzten drei Perlen angefügt: jetzt ist der Schmuck vollendet. Man hat das Gesetz gegen die Beamten angenommen, dann das über die im Verord= nungswege, also unter Umgehung des Parlaments zu erlafsenden Verfügungen mit Gefehestraft und schließlich- in 40 Minuten einer Nachtsizung- das Preßgefeg.
Sobald diese Gesetze auch vom Senat angenommen sein werden, tann somit die Regierung alle Beamten entlassen, ohne sie auch nur zu hören und ohne Appell instanz, einschließlich der Richter und der
ven Amerika hat mich daher beauftragt, das zu tun. Gleichzeitig zu pflegen Seien Sie versichert, Herr Botschafter, daß ich und die Universitätsprofessoren! Um diesem Schicksal zu
habe ich die Ehre, mein Beglaubigungsschreiben zu übergeben.
Es ist der Wunsch meiner Regierung, in dem vollsten Maße gegenseitige Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern zu pflegen Persönlich von herzlichen Empfindungen beseelt, die im gemeinsamen Leben und beim gemeinsamen Studium ihren Anfang nahmen und durch fortgesetzt gesellschaftliche Beziehungen genährt worden sind, wird es mir eine besondere Genugtuung sein, die Instruktionen meiner Regierung auszuführen. Ich bitte angeTegentlichst, daß die deutsche Regierung mir Vertrauen und Zusammenarbeit gewähren möchte, wie sie meinem Amtsvgrgänger in so reichem Maße und mit foglücklichem Erfolg gewährt worden sind. Alsdann werden wir zufammen das Wiedererstehen der alten Beziehungen herzlicher Freundschaft zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Volke fördern, die in der Vergangenheit in so hervorragender Weise zum Frieden und zum Wohle der Menschheit beigetragen haben.
Wiewohl sich die Welt heute im Friedenszustande befindet, genießt sie nicht die Früchte des Friedens.
Reichsregierung, eingedent der
zahlreichen Freundschaftsbeweise, die Deutsch land in den letzten schweren Jahren von Ihrem Lande empfangen hat,
von den nänzlichen Bestrebungen geleitet sind, wie Ihre Regierung, wir werden tun, was in unseren Kräften steht, um Ihnen die Er füllung der mit Ihrem verantwortungsreichen Amt verbundenen Aufgaben zu erleichtern.
Neben den ausgedehnten wirtschaftlichen Beziehungen, die Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika wechselseitig verbinden, sind unsere beiden Länder von jeher durch starke geistige Bande verbunden. Ich zweifle nicht, daß Sie, als ehemaliger Stu tent dreier deutscher Universitäten, als Gelehrter von Weltruf und als langjähriger Präsident der berühmten Cornell- Universität , die uns schon einmal in Ihrem Herrn Amtsvorgänger Andrew D. Whithe einen hervorragenden Vertreter Ihres Landes gegeben hat, gerade für die amerikanisch - deutschen kulturellen und geistigen Beziehungen voles Verständnis befizen werden. Eurer Exzellenz Hinweis auf das unbefriedete Europa und Ihre sympathische Bürdigung der neuen Schritte, die die Reichsregie. rung unternommen hat, um eine gegenseitige und aufrichtige Ber ftändigung herbeizuführen, bemeifen, daß Sie, Herr Botschafter, warmherziges Verständnis für die politischen Nöte und die ehrlichen, auf einen wirtlichen Frieden gerichteten Abfichten des deut schen Boltes befizen.
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Die Gespenster der Furcht und des Mißtrauens gehen unter den Nationen um and stehen ihrem besten Streben nach wirtschaftlicher, sozialer und moralischer Wiederherstellung entgegen. Wenngleich es die Politit Amerikas ist, an der Lösung europäischer Fragen nicht teilzunehmen und wenngleich es mir daher nicht anstehen würde, hinsichtlich des Wertes der politischen Aktion, die je gt ermogen wird, eine Für die guten Wünsche des Herrn Präsidenten und der Re Meinung zu befunden, so sei es mir doch verstattet, es als ein glückliches Omen für den Frieden und die Gesundheit der Welt zu begierung der Bereinigten Staaten von Amerika , die Sie mir gütigit grüßen, daß Deutschland eine neue Anwendung der vielen übermittelt haben, spreche ich Ihnen meinen angelegentlichsten Dank Grundsätze der Verständigung und des gegenseitigen Vertrauens Dorgeschlagen hat. Im Namen des Deutschen Reichs heiße ich Sie, Herr Botschafter, herzlich willkommen."
Mit tiefer Bewunderung für das, was Deutschland in der Vergangenheit für die Zivilisation beigetragen hat, und mit feſtem Glauben an die Fähigkeit des deutschen Voltes, seine derzeitigen Schwierigkeiten zu überwinden, habe ich die Ehre, Eurer Exzellenz
Erfahwahlen in Frankreich . Der Erzreaktionär Daudet unterlegen.- Die Linke verliert ein Kammermandat.
Paris , 29. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Nach dem Tod des royalistischen Senators de ia Haye bewarb sich der Royalistenführer Léon Daudet , Herausgeber des Wihblattes Achion Francaise", um dieses Miandat des Departements Maine- et- Loire . Damit er nicht durchdringe, stimmten die Linksparteien in der Stichwahl des Wahlkollegiums für den gemäßigten Republkaner Manceau, der mil 497 Stimmen gegen 356 für Daudef gewählt wurde. Die Royalisten haben damit einen ihrer sichersten Wahlkreise verloren. Bei der in Calvados vorgenommenen Erfahwahl für einen verflorbenen linksrepublikanischen Senator wurde Graf Harcourt, der zur Republikanischen Bereinigung, also zur Fraktion Poincaré , gehört, im ersten Wahlgang gewählt.
Im Departement Obere Alpen wurde in der Nachwahl für den zum Senator gewählten sozialistischen Republikaner Cornaud, der Kandidat der republikanischen Union mit 10 689 Stimmen gegen 9914 des Linksblocks gewählt.
Die Beamten durch die Inflation beunruhigt. Paris , 29. Juni. ( WTB.) Ministerpräsident Painlevé hat eine Abordnung von Beamten empfangen, die ihm die Beunruhigung der Beamtenkreise über gewisse in den letzten Rammerſigungen gemachte Regierungserflärungen sowie wegen des Frankensturzes zum Ausdruck brachte und drei Forderungen unterbreitete: Sofortige Auszahlung der durch das Parlament be= willigten und noch nicht ausgezahlten Teuerungszulage, Ausarbei tung und Einführung einer beweglichen Gehaltsskala, Mitarbeit der Beamten im Wirtschaftsrat.
Paris , 29. Juni. ( WTB.) Privatmeldungen aus Marokko lassen erkennen, daß Abd el Krim auf dem östlichen Teil der Front einen starten Druck ausübt. Selbst das" Journal des Debats " muß zugeben, daß es sich seit Beginn der Feindseligkeiten, also seit der ersten Maihälfte, um die schwerst en örtlichen Kämpfe handelt. Der Einbruch der Rifleute habe gegen Süden wesentlichen Ter raingewinn gebracht jedoch scheine das französische Kommando Herr der Lage geblieben zu sein. Obwohl es sich nicht darum handele, um jeden Preis die Stellung zu halten, erfordere die Aufgabe, die jetzt gestellt sei, ein ma dh fames Kommando. Die augen blickliche Krise fönne vielleicht noch einige Tage andauern, jedoch Lönne man nach den vorliegenden Berichten behaupten, daß ein Bormarsch der Rifleute gegen Fez zurzeit unwahrscheinlich sei.
aus.
Bei dem Empfang waren Reichsaußenminister Dr. Stresemann sowie Staatssekretär von Schubert zu gegen.
Die Fortsetzung der Eisenverhandlungen. Klagen der Schwerindustrie.
Paris , 29. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Das jüngst in Luremburg zwischen der deutschen und der französischen Schwer industrie getroffene privatwirtschaftliche Abkommen ist in neuen Verhandlungen durch eine seinerzeit eingesetzte Unter tommission ergänzi und ausgebaut worden. Es soll fich dabei insbesondere um die technische Durchführung der getroffenen Vereinbarungen handeln. Nach der„ Journee Industrielle" soll zwar die von Deutschland der französischen Industrie mitgeteilte 3iffer für den zugestandenen Einfuhrkontingent von 1750 000 Tonnen zutreffen, dagegen die Beteiligung der Saar und Lugemburgs an diesem Kontingent nicht ganz den bisher veröffentlichten 3iffern entsprechen.
Das gleiche Blatt veröffentlicht ein Telegramm aus Saarbrüden, in dem es heißt, daß die Saarindustrie lebhafte Klage über die Verschleppung der deutsch - französischen Verhandlungen über die Regelung der ausländischen Wirtschaftsfragen führt. Die Situation werde von Tag zu Tag im Saargebiet fritischer und noch dadurch verschärft, daß die Geschäftsstockung, unter der die gesamte Wirt schaft leidet, bisher jede Erhöhung der Löhne und Gehälter perhindert habe, die dringend einer Anpassung an die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten bedürfen.
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Angriffe auf Vandervelde. Wegen seines Vorwärts"-Interviews. Brüffel, 29. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Die Erklärungen Banderveldes für den Vorwärts" bereiten der gegnerischen Bresse viel Kummer.„ Banderveldes unangebrachte Erklärungen",„ Unerträgliche Erklärungen Banderveldes"." Bandervelde enthüllt in der deutschen sozialistischen Presse seine geheimen Gedanken", Bander peldes Politik ist die der Sozialisten aller Länder"," Bandervelde will Deutschland nicht weh tun" das sind so einige der schreienden Ueberschriften. Bingtième Siècle" appelliert an die nichtsozialistischen Minister, fich der internationalistischen Ideologie Vanderveldes zu widersehen. National Belge" wirft Bandervelde vor, trotz der Wahl Hindenburgs und der Fortschritte des deutschen Nationalismus ebenso arglos zu sein wie vor dem Krieg. Libre Belgique" bestreitet, daß die große Mehrheit des belgischen Volkes die Ansicht Banderveldes teile und sucht die Christlichdemokraten gegen die Sozialisten aufzuhezzen. Soir", Staandard" und andere Blätter geben die Berliner Havasdepesche, die Vanderveldes Aeußerungen übermittelt, ohne Kommentar wieder. Der„ Beuple" begnügt sich, die Er fiärungen Banderveldes in vollem Wortlaut wiederzugeben.
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verfallen, genügt, sich durch Kundgebungen innerhalb oder oußerhalb des Dienstes" in Widerspruch zu den allgemeinen politischen Richtlinien der Regierung" zu setzen. Weiter wird die Regierung auf Grund des Gesetzes über die auf dem Verordnungswege zu erlassenden Verfügungen so ziemlich alles cuf diesem Wege erledigen können, mit fast einziger Ausnahme der Budgetbewilligung.
Was das Preßgefet betrifft, so stellt sich jetzt heraus, was wir schon gesagt haben, daß nämlich ein Teil der Sondergefeße zur Knebelung des Landes überflüssig ist, weil ja die Regierung inbezug auf die Abänderung der Polizeibefugnisse, des Strafgesetzes und der Strafverfahrens bereits alle Bellmacht in Händen hat, so daß sie die Sondergeseze gar nicht mehr braucht. Freilich hatte am 28. Mai der Justizminister Rocco ausdrücklich erklärt, daß die für das Strafgefeß geforderten Vollmachten die Preffevergehen nicht berührten, weil über diese der Kammer ein besonderer Gesetzentmurf vorläge. Als aber die Kammer in vierzig Minuten das Preßgefeh annehmen mußte, tat Mussolini zu wissen, Daß 15 Paragraphen des Entwurfs schon in den Bereich der außerordentlichen Bolmechten fielen. Der Kominiffionsbericht des Gesetzes war zwar noch nicht fertig, so daß die ganze vorhergehende Kommiffionberatung unnötig war, da sie ja þer Kammer gar nicht vorgelegt wurde. Um 6 Uhr nachmittags fannten die faschistischen Abgeordneten noch nicht den genauen Wortlaut des Gesetzes, das fie um 11 Uhr abends schon angenommen hatten. Selbstverständlich blieb die gesamte Oppositioit. Der Nicht- Aventinianer der Nachtsizung fern, um ihr nicht den Firnis der Legalität zu verleihen. Bei dieser Gelegenheit ist übrigens zum erstenmal das neue Kammerreglement angewendet worden, das erlaubt, Entwürfe zur Diskussion zu stellen, die nicht auf der Tagesordnung stehen.
In den vierzig Minuten hat die faschistische Kammer 1. die Regierung autorisiert, fich der Vollmacht in Sachen der Strafreform zu bedienen, um Normen gegen die durch die Bresse begangenen Mißbräuche und Verbrechen zu erlassen; 2. Die acht Baragraphen des neuen Preßgefezes angenommen.
§ 1 enthält die Bestimmungen über den verantwort lichen Redakteur, der tatsächlich eine leitende Stellung in dem Blatt haben muß, weder Senator noch Abgeordneter, sein fann, bei der zu gründenden Journalistenkammer eingetragen sein muß und bei zweimaliger Berurteilung wegen Brezvergehens abgelehnt. werden kann; zuständig für die Ablehnung ist der Oberstaatsanwalt des Appellationsgerichts, Berufungsinstanzen gegen seine Ablehnung sind der Justizminister und der Staatsrat..
§ 2 jetzt fest, daß fein Blatt veröffentlicht werden fann, wenn nicht der Oberstaatsanwalt den verantwortliches Redakteur anerkannt hat.
§. 3 bestimmt, daß, gleichzeitig mit dem Antrag am Anerkennung des verantwortlichen Redakteurs, Drucker und Verleger des Blattes eine Erklärung vorlegen müssen, die Namen und Wohnort aller Besizer des Blattes enthält. Handelt es sich um eine Attien gesellschaft, find die Mitglieder des Verwaltungsrats anzugeben. Diese Anzeige ist alljährlich zu wiederholen.
§ 4.„ Die Besitzer einer Zeitung sind zivilrechtlich verantwortlich, in solidum mit dem Verleger für die Erlegung von Bußen, Schadenersatz und Prozeßkosten, die sich aus Berurteilung für Pressevergehen ergeben."
§ 5. Die Maschinen, Buchstaben und anderen typographi schen Gerätschaften der Druckerei, in der die Zeitung oder Zeitschrift gedruckt wird, stellen eine Bürgschaft im Sinne der Strafprozeßordnung dar, für die Bezahlung der als Buße, Schadenersag oder Prozeßkosten im Anschluß an eine Berurteilung wegen Prozeßvergehens geschuldeten Summe, unbeschadet etwaiger Borzugsrechte, die sich aus dem Arbeitsvertrag zwischen Verleger und Journalist ergeben. An Stelle dieser Bürgschaft fönnen die Besitzer der Zei tung oder Zeitschrift eine Kaution stellen, die von Fall zu Fall und bei Beginn jedes Jahres von dem Gerichtspräsidenten des Bezirks, in dem die Zeitung oder Zeitschrift veröffentlicht wird, unter Berücksichtigung der Natur, Bedeutung und Berbreitung der Beröffentlichung festgesetzt wird."
§ 6. Soweit nicht schwerere Strafen verwirkt sind, wird mit 3uchthaus von 6 Monaten bis zu 3 Jahren und mit Buße von 2000 bis 10 000 Cire bestraft, wer im Bewußtsein ihrer Falschheit falsche oder künstlich abgeänderte Nachrichten veröffentlicht, die den nationalen kredit im Ju- oder Aus landfchädigen können oder in der Bevölkerung Unruhe erregen oder Anlaß zur Störung der öffentlichen Ordnung geben oder der diplomatischen Aktion der Regierung und den Beziehungen mit dem Ausland abträglich sein können."
§ 7. In den Städten mit Appellationsgericht ist eine Journa listenfammer gegründet. Diese wird Listen der berufstätigen Mitglieder aufstellen, die auf den Kanzleien der Appellationsgerichte