Kr. 305 ♦ 42. Jahrgang
1. Seilage ües vorwärts
dienstag, 30. Juni 1�25
Der berliner Schuletat 1 �25. Vor kurzem beschäftigte sich die„Rote Fahne' in einem besonderen Artikel mit dem Berliner Schuletat. Wir wessen, daß es den Kommunisten bei der Behandlung solcher Themen nicht darauf ankommt, sachlich Kritik zu üben, sondern lediglich darauf, agitatorisch zu wirken, d. h. den Sozialdemokraten eins auszuwischen. Solange der Magistrat eine Linksmehrheit hatte, brauchten sie nur zu sagen:„Seht, so handelt der sozialistische Magistrat!" Jegt haben wir eine bürgerliche Mehrheit im Magistrat dank der tätigen Mit- Wirkung der Kommunisten. Trotzdem sagt die„Rote Fahne":„Ver- gleicht man die Zahlen des �Berliner Schuletats, so offenbart sich der ganze Bankerott der sozialdemokratischen Koalitionspolitit!" Seit Jahren steht das Berliner Schulwesen im Zeichen der Schulnot. Die städtischen Mittel reichten kaum aus, um den drohen- den Zersall unserer Schulen aufzuhalten, geschweige denn dazu, kost- toielige Schulreformen durchzuführen. Wenn trotzdem an viele» Schulen neues erstanden ist, so durch den Opfersinn der Elternschaft, die sich überall zu„Schulnotgemeinschasten" zusammenschloß, unter Führung gerade der Sozialdemokratie. Auch der S ch u l e t a t- 1925 steht noch deutlich unter dem Zeichen der S ch u l n o t. Es muß aber anerkannt werden, daß er gegen 1924 eine Besserung zeigt, da er eine Ledarsssteigerung von 49 Proz. aufweist. Wenn die Kommunisten beklagen, daß die Aufwendungen für die einzelnen Schul- gatwngen innerhalb der Bezirke ungleich sind, so über- sehen sie dabei, daß diese Ungleichheit zum Teil einfach eine Folge ist des verschiedenen Bcsoldungsalters der Lehrkräfte, der höheren sachlichen Auswendungen für ältere Schulhäuser und der verschiedenen Schülerzahl. Die Bedarfssteigerung gegen das Borsahr ist in den einzelnen Bezirken demnach sehr verschieden, unabhängig von dem bürgerlichen oder proletarischen Charakter der Bezirke: sie beträgt zum Beispiel in:
62 Proz. 53, 46. 41. 35.
34 Proz. 32.* 25. 19. 12
Wenn dabei bürgerliche Bezirke immer noch besser wegkommen als manche proletarischen, so liegt hier eine Schuld der B e r- gange nh eit vor, die nicht auf einmal ausgeglichen werden kann. Bei den Beratungen des Haushalts haben die Kommuni st en auch nicht den leisesten Versuch unternommen, darin irgendeine Aenderung herbeizusiihren. Wenn sie jetzt durch Zahlen beweisen wollen, wie falsch die Ver- tcilung auf die einzelnen Bezirke ist. so müßten sie auch hinzufügen, daß sie den Schulbedarf errechnen aus der Einwohnerzahl, der Magistrot aber— und wir halten sein Berfahren für berechtigter— den Schuletat ausstellt nach der Schülerzahl. Bon jeher hat die Sozialdemokratie die unbe- rechtigte Bevorzugung der höheren Schule be- kämpft: gerade durch sein energisches Eintreten für eine ver- nünftige Planwirtschaft auch an den höheren Schulen hat sich der sozialdemokratische Stadtschulrat Pauls«»— den die Kommunisten abgebaut haben!— die Feindschaft der Philologe» zugezogen. Auch »bei der Beratung dieses Etats haben unsere Genossen die gleiche Be- Handlung der höheren und Volksschulen auf ollen Gebieten, wo es möglich war. durchgesetzt, z. B. in den Zuwendungen für Schüler- Wanderungen, Wcrkstälten, Unfallversicherung sämtlicher Schüler u. ä. Wenn trotzdem Berlin für den Volksschüler nur 154 M., für den höheren Schüler dagegen 423 M. zahlt, so erklärt sich ein wesentlicher Teil dieser Mehrausgabe aus der höheren Besoldung der Lehrkräfte an den höheren Schulen und aus der geringeren Durchschnitts- frequcriz, Tatsachen, auf die wir hier nicht näher eingehen können. Die Kommunisten weisen demgegenüber auf Halle hin, dos es verstanden habe,„die Zahlen dem Wesen der Schulgattung entsprechend(?) einigermaßen in Einklang zu bringen". Halle wendet nämlich für den Volksschüler 119 M. aus, für den höheren Schüler 278 M.! Vergleicht man die Zahlen von Berlin und Holle , so ergibt sich folgender„Riesenunterschied": Es kommt in Berlin auf jede für einen Volksschüler aufgewendete Mark eine Auswendung von 2,74 M. für einen höheren Schüler, aber in Halle auf jede für einen Volts- fchüler aiifgewendetc Mark eine Aufwendung von 2,53 M. für einen höheren Schüler, d. h. es ergibt sich ein so geringer Vorteil, daß er kaum nennenswert ist. Demgegenüber interessiert es die Kommu- nisten gar nicht, daß Berlin 44 M. mehr für den Kopf des Volks- fchülers ausgibt als Halle! Unser Streben geht nicht dahin, die höheren Schulen zu be-
seitigen, sondern dahin, denhöherenSchulendenKlassen- charakter zu nehmen. Da unser Ziel, ihren Besuch u n e n t- g e l t l i ch zu machen, noch nicht zu erreichen war, beantragten wir seinerzeit die nun längst durchgeführte Schulgeld st affelung. Erst dadurch ist es Möglich geworden, daß Arbeiterkinder in größerer Zahl die höheren Schulen besuchen können. Die Anzahl der Frei- stellen an allen höheren Schulen liegt zwischen 25 und 35 Proz., davon entfallen fast 29 Proz. auf Kinder, deren Ellern ein Ein- kommen bis zu 1599 M. jährlich haben, also auf wirkliche Proletarier- kinder! Wir wissen natürlich, daß es trotzdem vielen begabten Arbeiterkindern heute noch nicht möglich ist, die höheren Schulen zu besuchen: denn die Frage des Schulgeldes ist nur eine Teilfrage. Ein Teil der Schulausgaben entfällt auf Bau, Beleuchtung, Heizung, Wasser, Reinigung, Müllabfuhr. Nach der„Roten Fahne" wären es 75 Proz. Diese Ausgaben betragen in Wirklichkeit im Schuletat 19,3 bis 13B Proz. für die Volksschulen. Rechnet man dazu die einmaligen Ausgaben für bauliche Unterhallung, so erhöht sich der Prozentsatz auf 11,8 bis 16,17 Proz. Die Reinigung der Schulen ist wieder auf dem Friedensstand angekommen und nicht 59 Proz. schlechter, wie die KPD. behauptet. Der Etat bewilligt ferner für Schulspeisung 1 299 999 M., für unentgeltliche Lernmittel 282 183 M.. für Arbeits- und Handfertigkeitsunterricht 154 897 M.. dazu im ganzen noch einmalig 1 999 999 M. für sämtliche Schulen. Auch wir sind der Meinung, daß es besser wäre, noch mehr zu tun. Gerade diese Zahlen zeigen, daß auch der Schul- etat 1925 nochimZeichenderNot steht. Doch nicht agitatorische Verdrehungen können uns aus dieser Not bringen, sondern Mit- arbeit und Mitverantwortung. Bisher haben wir da- von bei der KPD. noch nicht viel gemerkt. Lisbeth Riedger, Stadtverorkmete. das öerliner Großkraftwerk beschlossen. Der städtische Haushaltsoiisschuß hat gestern in zwei Sitzungen die Magistratsvorlage über den Bau eines Groß- kraftwerkes in Rummelsburg mit einer Leistungsfähigkell von 225 999 Kilowatt bei zirka 69 Millionen Mark Baukosten beraten und schließlich einstimmig seine Zustimmung erteilt. Als Sachoer- ständige waren vorher ein Direktor der Elektrowcrke(gewisser- maßen als Konkurrent), ein Direktor der Hamburger Elektrizitäts- werke und das Aufsichtsrotsmitglied der Berliner Elektrizitätswerke, Ernosie Dr. M a j e r c z i k vernonunen. 'Nach den Ausführungen dieser Sachverständigen, selbst nach den Aeußerungen des Direktors der Elektrowerte, mußte der letzte Zweifel über die Notwendigkeit des Neubaues, so weit er noch in dem Kopf« des Herrn v. E y n e r n und des Dr. C a s p a r i von der Deutschen Volkspartei vorhanden gewesen sein sollte, geschwunden fein. In der Tat ergab sich Uebereinstimmung darüber, daß die Berliner Elektrizitätsversorgung aufs äußerste gefährdet ist, wenn nicht mit Hochdruck sofort an den Neubau eines leistungsfähigen Wertes herangegangen wird. Dabei kann gar nicht davon die Rede sein, daß auch nach Durchführung dieses Neubaues, der anderthalb Jahre in Anspruch nehmen wird, auf den Bezug von Fernstrom verzichtet werden kann. Es blieb den offiziellen Führern der Volts- Partei, die bisher einen verzweifelten Kampf gegen dieses Magistratsobjekt inszeniert haben, gar nichts anderes übrig, als mit viel Geräusch einen in der Sache blamablen Rückzug anzutreten. Allerdings ist die Finanzierung dieses neuen Werkes, die sich über zwei Jahre erstrecken wird, ohne den Abschluß einer neuen Anleihe nicht durchzuführen. Die Stadtverordneten ver jamm- l u n g wird sich mit dieser Seite der«sache nach■ n Ferien neu beschäftigen müssen. Der Haushaltsaiisschuß hat zun hst nur einen Beschluß auf prinzipielle Zustimmung gefaßt und für, die Deckung eine neue Magistratsoorlage verlangt. Nach diesem Ergebnis der Beratungen wird die Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag im Plemim den Neubau beschließen. * Der Haushaltsausschuß Halle vorher die endgültigen Ziffern des Etatsabfchlusfes feftgetegi. Man hat sich darauf geeinigt, die Gewerbesteuer von 599 auf 425 Prozent zu senken, da man allgemein hie Berliner Steuer-. last, wenn sie auch hinter der anderer Großstädte zurückbleibt, als zu hoch empfindet. Das infolgedessen entsiehende Defizit soll dadurch gedeckt werden, daß einige Ausgaben gestrichen sind, anDrc einmalige Ausgaben auf den Anleihetat übernommen werden und so- wohl bei den Steuern, wie auch bei den Werkseinnahmen die Etats-
ausätze erhöht sind. Diese Erhöhung bedeutet selbstverständlich keine Erhöhung der Steuern und Tarife. Nur die Hundesteuer soll bekanntlich im Höchstsatz von 39 auf 49 Mk. gebracht werden. Diesem Kompromiß, dem' sich im Haushall alle Fraktionen mit Ausnahme der Wirtschaftspartei und der Kommunisten anschlössen. wird wahrscheinlich die Stadtverordnetenversammlung bei der heutigen Etatsberatung ihre Zustimmung erteilen. Damit wird dann eine ungewöhnlich langwierige und ausgiebige Beratung des städtischen Haushalts voraussichtlich im Plenum eil?. ebenso ung' wöhnlich friedliches Ende finden. Schutz den Müttern! Znstiwt für Zrauenkunde im Deutschen Krankenkassenhaus. Die Krankenkassen haben— in Erfüllung der von ihnen über- nommcnen und stets von ihnen betonten Pflicht, sich nicht au: Krankenheilung zu beschränken, sondern zur Krankheitsverhütung durch vorbeugende Maßnahmen beizutragen--- ein neues Werl von weillragender Bedeutung geschaffen. Der Hauptvorstand der Deutschen Krankenkassen hat in Charlottenburg das CecilieNhaus(Berliner Str. 137), das früher im Besitz des Roten Kreuzes war und dann durch ihn erworben wurde, zum Deutschen Krankenkassenhaus umgestaltet und darin jetzt auch ei» Deutsches Institut für Frauenkunde eingerichtet. Dieses Institut, dem eine Frauenklinik und eine Entbin- dungsanstalt angegliedert sind, wurde am Sonnabend mit einer schlichten Feier eröffnet. Unter den Gästen, die sich in dem Bortragssaal des Hauses ver- sammelten, waren neben führenden Persönlichkeiten des Kranken- kassenwesens, vor allem des Hauptverbandes Deutscher Krankenkassen und des Verbandes der Krankenkassen Groß-Berlins , auch Ver- treter von Behörden des Reiches, des Staates, der Stadt Berlin und des Bezirkes Charlottenburg, Vertreter vom Hauptausschuß für Arbeiterwohlfahrt, vom Roten Kreuz und von anderen Wohlfahrt?- organisationen. �Stadtrat A h r e n s- Berlin, der Vorsitzende des Hauptverbandes Deutscher Krankenkassen, wies in seiner Begrüßung? anspräche aus die Rachwirkungen des Krieges hin, auf die Schwächung der Volksgefundheit und die Notwendigkeit wirksamerer Gesundheitsfürsorge. Die Sodt Berlin ist jetzt dabei, wieder etwas zur Mehrung ihrer Krankenhäuser zu tun, aber auch die Krankenkassen wollen sich hieran beteiligen. Zu den eigenen Anstallen der Krankenkassen ist das ehemalige Cecilicn- haus gekommen. Der Redner äußerte seine Verwunderung darüber, daß die Berliner Aerztekörrcspondenz(das Organ der in einem Gr gensatz zu den Krankenkassen stehenden Aerzte) einen Rtangel an Krankenbellen, der ein Eingreifen der Krankenkassen erfordert. seltsamerweise nicht inehr zu sehen vermag. Das im Deutschen Krankenkassenhaus geschaffene Deutsche Institut für Frauenkundc wird den Unioersitätsprofessor Dr. W. L i e p m a n n zum Leiter haben. In seiner Rede über die Aufgaben des Instituts hob Direktor Prof. Dr. Liepmann hervor, daß die Gesundheit der Mütter zu den Grundlagen des Staates gehört, weil die Mütter ihm den Nachwuchs bringen. Frauen künde. die dem Arzt mehr als ein» nur handwerksmäßige Behandlung der Frauenleiden ermöglicht, sst eins der wichtigsten G e- biete des Gesundheitswesens. Die deutschen Kranken kassen mit 23 Millionen Versicherten(einschließlich Familienoersichc rung) haben für die frauenkundliche Forschung ein Beobachtungs- und Erfahrungsmaterial von außerordentlichem Umfang und löniien hieraus für den Kampf gegen die Frauenleiden unll besonders gegen die Kindbett st erblichkeit wirk f a m st e Waffen schmieden. Der Redner erwähnte, daß in großen Krankenanstalten, weil sie keine Spezialisten für Frauen- leiden haben, Frauenleiden nicht selten verkannt werden. Im Deutschen Krankenkassenhaus hat man dem Institut für Frauen- künde, von dem die Ausbildung der Aerzte eine kräf tige Förderung zu erwarten hat, eine Frauenkliink und eine Entbindungsanstalt beigegeben, so daß hier Theorie und Praxis einander unterstützen. Direktor Liepmann schloß mit dem Wunsch, daß dieses neue soziale Werk der Krankenkassen zum Segen der Versicherten gedeihe» möge. Universitätsprosseor Dr. K u c- zynski, der Leiter der biologifch-pathologischcn Abteilung des Instituts und der Klinik, sprach über„Moderne Pathologie". Dann machten die Teilnehmer der Eröfsnungsseier einen Rund gang durch das Institut, das mit allen erforderlichen Hilfsmitteln ausgerüstet ist. Die Anstalt hat 199 Betten. Schwerkranke und eben Entbundene werden in kleinen Zimmern mit Einzelbctten unter gebracht, aber auch von den größeren Räumen wird keiner mit mit mehr als fünf Pfleglingen belegt. Die Ausstattung der Räum--
Die Baumwollpflücker. 8s Roman von V. Trauen. Copn ight 1925 bj B. Trarni, Colombus , Tamanlipu, Meli». Uns wär es ja gleichgültig, wie Abraham seine Hühner behandelte, um solche Resultate zu erzielen. Als Sam Wo« eines Tages erklärte, bei ihm zst Hause wisse man auch aus einer Krume Erde oder aus einer Henne herauszuholen, was nur überhaupt ein Gott sonst noch herausquetschen könne, aber das hätten sie daheim doch noch nicht geschafft, da fuhr ihm der Nigger gleich übers Maul:„Ihr seid eben Esel, Ihr versteht die rationelle Geflügelzucht ebenso wenig wie hier herum die ganzen Former, die noch größere Esel sind, als Ihr seid. Aber wir in Louisiana , wir verstehen, Hühner zu behandeln. Ich habe es von meiner Großmutter gelernt. Es hat viel Prügel gesetzt, ehe ich es begriffen habe; aber jetzt kommt auch kein noch so tüchtiger Farmer gegen mich mehr auf, wenn ich in der Nähe eine Geflügelzucht betreibe und einmal zeige, wie man Hühner rentabel macht." 7. Wir aßen die Eier nur. Aber die Eier rächten sich: sie fraßen. Sie fraßen an unserm Lohn so gierig, daß niemand sein gestecktes Ziel erreichen konnte, fei es ein neues Hemd, eine neue Hose oder eine Fahrkarte nach einer Stadt mit besserer Arbeitsgelegenheit. Auch Sam Woe, dessen Londsleuten sehr zu Unrecht noch- gesagt wird, daß sie sich lieber den Finger abbeißen als Geld für etwas Ueberflüssiges auszugeben, hatte ein ganz nettes Sümmchen für Eier bei Abraham stehen. Ich glaube aber doch, daß er bei jedem Ei, das er aß, immer bedauerte, daß er nicht der Lieferant sei. So vergingen zwei weitere Wochen. Verglichen mit der erst«» Woche lebten wir jetzt in Saus und Braus. Das taten die Eier und das tat eine Nacht mit fünfstündigem Wolken- bruch, der uns so gut mit Wasser versorgte, daß wir fürstlich schwelgen konnten. Freilich bedeutete dieser Regen einen halben Tag Verlust an Arbeitslohn. Das Feld war am Morgen so lehmig und schlammig, daß uzh- t)ie Füße kaum herausziehen konnten. Erst gegen Mittag, als die Sonne die übliche Kruste gebrannt hatte, konnten wir wieder an die Arbeit geben. Am dritten Lohntag sehen wir ein, daß wer mit dem
Geld, das wir verdienten, nicht auskommen konnten. Wenn die Ernte vorüber sein wird, werden wir knapp zwei Wochen Lohn in der Hand haben. Ehe wir bis zur nächsten Stadt kommen und dort irgendeme Arbeitsgelegenheit finden würden, hätten wir genau so viel oder richtiger, so wenig übrig, als wenn mir nicht sechs Wochen, jede Woche zu sieben Tagen, in tropischer Sonnenglut von Sonnenaufgang bis beinahe Sonnenuntergang bei, trotz der Eier, allerbefcheiden- ster Nahrung hart gearbeitet hätten. Denn außer für Essen und etwas Tabak gaben wir nichts aus. Es war auch keine Gelegenheit dazu. Der nächste Saloon, wo es Bier und Schnaps gab und wo man spielen konnte, war über drei Stunden entfernt. „Daran sind die verfluchten Eier schuld, daß wir für Nichts geschuftet haben sollen!" sagte Antonio am Abendfeuer, als wir unsere Lage überdachten. „Aber wir hätten sie doch nicht kaufen brauchen", warf ich ein,„Abraham hat sie uns doch nicht aufgedrängt. Er hätte sie doch sammeln und Sonntags zum Laden bringen können." „Da hätte er aber mehr Arbeit davon gehabt", sagte Gonzalo. In dem Augenblick kam Abraham gerade von seinem abendlichen Maiseinkauf zurück. Er warf den Sack auf die Erde und sagte:„Wovon ist denn die Rede? Vielleicht etwa gar von den Eiern? Ich habe sie doch ebrlich an euch abgeliefert, und frisch gelegt war jedes einzelne auch, da kann ich doch auch wohl ehrlich mein Geld verlangen, nicht wahr, Fellers? Tbnt sw?" „Von Nicht bezahlen hat niemand gesprochen, wenn Sie nicht wissen, wovon und worüber geredet worden ist, dann halten Sie lieber Ihre Gosche", sagte ich. „Nein", sagte Antonio,„die Rede ist davon, daß. wenn wir nicht den Luxus mit den Eiern einstellen, wir hier die vielen Wochen umsonst gearbeitet haben." „Luxus nennt ihr das?" rief Abraham entrüstet aus, „ja wollt ihr denn als Skelette rumiau'en, wenn die Ernte vorüber ist? Meinetwegen, ich kann meine Eier auch anders- wo verkaufen. Also, jetzt kassiere ich. Antonio, Sie haben—" Das interessierte mich nun gar nicht, wieviel jeder hatte und was jeder zu bezahlen haben mochte. Ich bezahlte meine Rechnung bei Abraham und ging dann nach meiner Be- hausung schlafen. Al? ich unterwegs war, hörte ich wie Charly und Abraham in Wortwechsel gerieten. Der große Nigger
behauptete, Abraham habe ihm drei Eier zuviel angerechnet. Abraham bestritt es und drängte auf richtige Bezahlung Nach einer Weile Hin- und Herredens, wobei wieder sehr viel von Backpfeifen gesprochen wurde, mußte Charly zugeben, daß er sich geirrt habe und daß Abraham im Recht sei. In diesen Dingen, die das Geschäft unmittelbar betrafen, also Lieferimg und Bezahlung, war Abraham unbedmgt ehrlich. Des Abends vor dem Einschlafen nahm ich mir vor, diese Woche einmal ohne Eier auszukommen. Am Morgen, als ich zum Feuer ging, hörte ich Antonio schon rufen:„Wo sind denn heute morgen die Eier, du roden- schwarzer Pank? Ich will fünf haben." Abraham zählte seine Eier, die er in den Körben gc- sammelt l)Otte, mit einem Ernst und einer Sorgfalt, als ob er sie wirklich zum ersten Male in der Hand habe und nicht schon gestern abend genau gewußt hätte, wieviel Eier die Hühner über Nacht legen würden. Er tat, als habe er de» Geschäftsauftrag Antonios nicht gehört „Ja, Mensch, Nigger, hast du denn nicht gehört, fünf Eier will ich haben oder soll ich sie mir vielleicht selber nehmen?" wütete jetzt Antonio. „Was denn", sagte Abraham ganz unschuldig,„ich will euch doch nicht meine Eier aufdrängen und euch den sauer verdienten Wochenlohn aus der Tasche rauben. Spart das Geld lieber! Ihr könnt auch ganz gut ohne Eier auskommen. Ihr seid ja die ersten Tage auch ohne Eier fertig geworden." Das war ein ganz neuer Ton, den wir von Abraham bisher nie vernommen hatten. Wir empörten uns gegen eine solche Bevornmndang unserer Lebensweise wie ein Mami. „Was fällt denn dir schwarzem Karnickel ein, mir vor zuschreiben, was ich essen und was ich nicht essen soll, ob ich mein Geld spare oder ob ich es da in die Zisterne werfe, he!" mischte sich Gonzalo jetzt ein.„Sofort gibst du mir sechs Eier oder ich schlage dir deinen Wollschädel in Scherben." „Gut", sagte Abraham resigniert,„da ihr es nicht anders haben wollt und mir sogar mit Schlägen droht, ich will euch die Eier wie bisher liefern." „Ja. was hast du dir denn gedacht?" sagte Sam Wo- ganz ruhig und schulmeisterlich,„erst verführst du uns, Eier zu essen und wenn wir dalan gewöhnt sind, willst du sie uns verweigern. Gib mir dlei Eier." J"'(Fortsetzung folgt.)