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t> es das Gericht für erwiesen HSV. dah Äindermmm seinen Kameraden verraten wollte, um sich selbst zu befreien. Auf die Frage des Lorsigenden an Äindermann, ob ihm bekannt sei, daß hypnotisierte nach dem hypnotischen Zustand niemals wüßten, was mit ihnen geschehen sei. erwiderte Kindermann: Das ist mir völlig bekannt. Der Vorsitzende stellt fest, daß der Angeklagte trotz- dem behauptet, über die Vorgänge während seines angeblichen hyp- notischen Zustandes orientiert zu sein. Untersuchungsrichter R o s« n f e l d sagt, als Zeuge vernommen, aus, Kindermann habe alle vom Untersuchungsrichter gestellten Frage» stets freiwillig beantwortet: er sei niemals psy. chischem Druck ausgesetzt gewesen. Als Kindermann ein Geständnis abgelegt habe, habe er den Untersuchungsrichter lächelnd g e- fragt, ob er bisher seine Rolle gut gespielt habe. Er habe erklärt, er wolle jetzt ein Gnadengesuch bei Dzerschinski einreichen, was er hierauf auch eigenhändig getan Hab«, wobei er nochmals ein eingehendes Geständnis abgelegt Hab«. Hierauf erfolgte die zweite Vernehmung des llulersuchungsgefanaenen. Zeugen Laumann. der unter anderem aussagte, von Wolscht gehört zu haben, es bereite ihm Qualen, im Gefängnis zu sitzen, in dem Augenblick, wo der R e ch t» b l o ck in Deutschland zur Macht komme. Da er schon so manchen Kommunistensortge- blasen habe", so würde er jetzt mit noch größerer Lust gegen die Kommunisten kämpfen. Wolscht erklärte, nur aus dem Grunde im Gefängnis Baumonn gegenüber zugegeben zu haben. daß er mehrere Gifte zu terroristischen Zwecken mitgenommen habe, weil er als Terrorist erscheinen wollte, um mit seinen rechtsgerichteten Mitgefangenen ein gute« Einoer- nehmen zu schaffen. Hierauf wurden die corpor» delicti vorgelegt, nämlich ein Re- voloer, mehrere Schachteln Patronen, eine Handapotheke, welche u. a. eine Tube mit Zyankali und ein« größere Menge S u b l i- m a t und Morphium enthält, ferner«in in der Westentasche Wolschts aufgefundenes Pyramidonfläschchen ebenfalls mit Zyankali. Ein chemisches Gutachten wird verlesen. Daumann sagt aus, Wolscht habe ihm gegenüber erklärt, das Zyankali würde für einige hundert Kommunisten ausreichen, aber die Hauptsache sei gewesen, an die Hauptführer heranzukommen. Er er- klärte ebenfalls lächelnd, es würde dem Untersuchungsrichter, welcher ihm das Pyramidon wegnahm, gut bekommen, wenn er davon koste. Dieser Baumann ist offenbar in die Zelle der Verhafteten ge- steckt worden, um sie zu antikommunistischen Aeußerungen zu pro- vozieren und diese dann als Zeug« zu bekunden: alte Ochrana - und neue Tscheka -Methode. Wenn übrigens selbst der PTA. -Bericht Kindermanns Hypnose- und Druckbeschuldigungen nicht ganz ver- schweigen kann wie mag man da in der Lubjanka gearbeitet haben!__ Das neue Luftfahrtüiktat. Wir haben schon w unserer gestrigen Abendausgabe im An- schluß an den Wortlaut der neuen Regeln, die die Botschafter- konferenz für den deutschen Flugzeugbau aufstellt, in gedrängter Kürze die Ansicht der Sachkundigen über diese neuen Vorschriften zusammengefaßt und lassen nun weiter« Ausführungen aus dieser Quelle folgen: Ueber die versailler Bestimmungen hinan», die Deutschland jeden Flugzeugbau bis End«!ö22 verboten und für denselben Zeit- räum das Ueberfliegen deutschen Gebietes durch Ententeflnzzeuge von deutscher Genehmigung unabhängig machten, ist Deutschland di'"ch das Londoner Ultimatum auserlegt worden, daß die Brnschafterkonlerenz in Zukunft und zwar all« zwei Jahre die Unterscheidungsmerkmale zwischen den verbotenen mili- tärischen und erlaubten zivilen Flugzeugen feststellt. Die Botschafter- konserenz hat den ersten zweijährigen Termin verstreichen lassen, obwohl die deutsche Regierung im März 1924 ihre Wünsche für diese Neuregelung mitgeteilt hatte: diese deutsche Note blieb un­beantwortet. Die jetzige Botschafternot« bringt zwei technische Erleichterungen. wovon die erste die Heräufsetzung der Flugzeuggeschwindigkett in zweitausend Meter Höhe von 179 auf 1«0 Kilometer ist, um SL Proz. Diese Erweiterung ist von kaum wahrnehmbarer Wichtigkeit und ermöglicht einem Flugzeug lediglich, sechzig Kilometer weiter zu fliegen als bisher. Die Erhöhung der Geshwin- dl gleit für zweitausend Meter Höhe hat aber wenig� technischen Wert, wenn man nicht die Gipfelhöhe steigert diese ist aber bei viertausend Metern geblieben. Die Neuregelung bedeutet lediglich, daß die Londungsgeschwindigkeit etwas gesteigert wird: im Interesse der Schterheit aber darf gerade die Landungsgeschwindigkeft der Zivililugzeuge nicht gesteigert werden! Die zweite Erleichterung ist die Erhöhung der Ladung einschließlich der Personen von S00ausSWKilog ramm. was zusammen mit der fast gleichbleibenden Geschwindigkeit nur eine gewisse Schwerfälligkeit herbeiführt. Das Verbot aller Einsitzer mit mehr als ß9<?S-Motor- leistung bedeutet lediglich eine stark« Beeinträchtigung des deutschen Flieger s p o r t s, zumal internationale Fliegerrennen ausschließlich mit Einsitzern geflogen werden. Einsitzer unter 69 PS. sind Kinder- spielzeug. und selbst solch« mit 159 PS. sind noch nicht militärisch brauchbar. Das Derbst von Flugzeugen, die führerlos fliegen können, bewirkt, daß Deutschland auf dem vielleicht für die Zukunft technisch wichtigen Gebiet der drahtlosen Steuerung von Flug- zeugen nicht einmal Studien treiben darf. Das Verbot des Baue« von starren Luftschiffen mit über 89 999 Kubikmeter Tonnage geht weit über militärische Not­wendigkeiten hinaus. Starre Luftschiffe haben überhaupt keinen Wert mehr als Kriegsmittel, den hatten sie schon gegen Ende des Weltkrieges verloren, zumal für solche Luft- schiffe, die nicht wie die amerikanischen mit H e l i u m, sondern nur mit Gas oder Wasterftoff gefüllt werden können. Da die starren Luftschiffe nur noch wertvoll für die Völkeroerbindung, für For- schungszwecke und dergleichen sind, ist man versucht, in dem Derbst des Baue» größerer Lustschijs« lediglich die Ausschaltung unbequemer Konkurrenz zu sehen.(Der Z. R. III hat 79 990 Kubikmeter, da« geplant« Nansenschiff soll 199 909 haben.) Die neue Note legt aber auch über die bisberigen Berpflichtun- gen Deutschlands hinaus ihm neue Berpflichtungen auf. Auf Grund der Vorschriften über Listenführung und Mit- teiluna über den ganzen deutschen Flugzeugbau, die Flugzeuafübrer und-schüler usw. könnte das Garanftekomitse fast all« in Deutsch - land schon fliegenden, also von ihm ichon genehmigten Flugzeuge, nochmals überprüfen und evtl. verbieten. Ueber die Form der Listen mußte sich bisher das Garantie­komitee mit Deutschland verständigen: jetzt wird eine solche Form vorgeschrieben, daß das Garantiekomite« auch die Auftraggeber und Bezieher der Flugzeuge erfährt, was also die schlimmste Zadustriesplonage darstellen kayn. Schon jetzt kommt es vor. daß die Fabriken monatelang auf die Erlaubnis des Garantiekomitees warten müsien, einen in monatelanger Arbeit entworfenen neuen Flugzeugtyp bauen zu dürfen: dabei erweisen sich oft noch während des Baues ver- bessernde Aenderüngen als notwendig: nach der neuen Regelung könnte jede solche Aenderung zu neuer Verzögerung und sogar zum Verbot führen. Während bisher das Garantiekomitee ein Z e r- störungsrecht nur für Flugzeuge hatte, wird dieses jetzt auch aufMotoren ausgedehnt und der bisher freien deutschen Motoren- o u s f u h r soll offenbar durch den Zwang, diese vorher mitzuteilen und die Genehmigung einzuholen, ein Ende gemacht werden. Die Regel 9 mit ihrer Kautschukfassung, daß der vom Garantie- komitec festgelegteangemessene Bedarf der Zivilluftfahrt in Deutschland " durch die Zahl der Flugzeuge, Motoren, der Flugzeug- sührer und-schüler nicht überschritten werden darf, gibt die Möglich- keit, den dei'tlchen Flugzeugbau in schwerster Welse zu beschränken. Die Reichsregierung Hot, wie wir hören, zu diesen neuen Be- stimmungen noch nicht Stellung genommen.

Gegen Grotwucher unö AoUvorlage. Die Proteftversammlungen der Partei.

Wie stark der Wille des Proletariats ist, die augenblicklich zur Debatte stehende Zolltarifvorlage nicht Gesetz werden zu lassen, beweist der überaus stark« Besuch der Versammlung in den M u s i k e r f e st s ä l e n, in der Genosse W i s s e l l sprach. Nicht bloß daß Saal und Tribünen überfüllt waren, auf den Treppen und auf der Straße harrten Tausende, die noch Einlaß begehrten. Sehr bedauerlich ist es, daß selbst in dieser Frag«, in der die Einheit des Proletariats so notwendig ist, die kommunistischen Besucher der Versammlung teils in Zwischenrufen, zum Teil in der Diskussion sich nicht enthalten konnten, ihr besondere» Süppchen zu kochen. Zur Sache selbst führte Genosse W i s s e l l folgendes aus: Es ist begreiflich, daß die Deutfchnotionalen, die mit Hilfe der Aufwertungsdemagogie so zahlreiche Wohler für sich an die Wahl- urne gebracht haben, diese Situation ausnutzen wollen und sich damit ein« Entschädigung für die Unterstützung lier gar nicht in ihrem Sinn« liegenden auswärtigen Politik zu schaffen versuchen. Die Frage: Schutzzoll oder Freihandel ist für uns keine Prinziplenfrage. Deutschlands Industrie war in der Bor- kriegszeft in der Lage, ein Neuntel des gesamten Wellhandels an sich zu reißen. Sie entbehrte feit Kriegsende der Konkurrenz des Auslandes. Das brachte Rückständigkeit der Technik, und deswegen tut unserer Industrie die freie Konkurrenz not. Di« Gründe für die schlechte Lage unserer Wirtschaft sind vor allen Dingen die Tatsach«, daß ihr das Betriebskapital fehlt. Dies kann man aber nicht herbeischaffen, indem man eine Gruppe der Wirtschast stützt. Das bedeutet nur eine Verschiebung der Kauf- kraft, eine Minderung der Gesamlkaustrast. Gegen diese Verteuerung unserer gesamten Lebenshaltung müssen wir uns mit aller Kraft wehren. Das kann nur geschehen durch die einige Front de» gesamten Proletariats. Wir müssen uns aber nicht auf die Agitation in den Versammlungen beschränken, sondern müssen durch Aufklärung unsere Ansichten in den Betrieben von Mann zu Mann verbreiten. Die vorgeschlagen« Resolution wurde einstimmig an- gen ommmen. Im Osten war die Versammlung w den Andreas-Festfälen bereits zur fest­gesetzten Stunde überfüllt. Genosse Dr. Moses beleuchtete in seinem Referat die neu« Zollvorlage vom Standpunkt des Arzte» aus. Er bezeichnete die Einführung des Getreidezolle» als ein neues Mlentat aus die Volksgesnndheil. ein« neu« Hungerblockade, die um so schlimmere Erkrankungen nach sich ziehen müsse, weil die Reservekräfte im Volk« völlig aufgezehrt seien. Jede Preissteigerung der Lebensmittel bedeute Volkswirt- fchaftlich auch eine Minderung der Löhn«, und diese müssen völlig ungenügende Ernährung im Proletariat nach stch ziehen. Die Folgen werden sich bald bemerkbar machen in einem neuen Anstelgen der Erkrankungszisfern, insbesondere der T u b« r- k Ii l o s e. Der Redner wies auf R u b n e r hin, der in seinem Werk über die Ernährnngskunde gesagt hat, daß ungenügende Ernährung der. großen Bolksmassen dem Staat mir Unheil bringt. Ungenügende Ernährung im Volke erhöhe auch den Schnaps- verbrauch. Hunger macht brutal und läßt die Massen jedem Dema- gogen nachlaufen. Bedauerlich fei, daß die Vertreter der medizi- nifchen Wissenschast nicht schon längst, wie in anderen Ländern, ihre Stimme gegen die Reqierungsmaßnahmen erhoben haben. In der Diskussion wies der kommunistische Landtags- abgeordnete M o r r ick e auf den offenen Brief der KPD. hin und empfahl zur Abwehr der geplanten Zölle die Arbeitsverweigerung und Beschlagnahme der Ernteoorräte. Der fest 1918 berufsmäßige Arbeitslose F i ch t m a n n richtete die unverschämtesten Angriffe gegen alle Arbeiterorganisationen. In seinem Schlußwort wies Genosse Dr. Moses alle Angriffe der Gegner treffend zurück. Die vorgelegte Resolution wurde mit überwältigender Mehrhell angenommen. Sommuaisteakrach in Kliems Festsälea. Im überfüllten großen Saal von Kliems Feslsäien sprach in einer überaus stürmischen Versammlung der Reichstagsabgeordnete weis zu den Massen. Während Genosse Wels seinen etwa dreiviertel- stündigen Vortrag einigermaßen in Ruhe beendigen tonnte, kam es im Anschluß an einen kommunistischen Geschäfts- vrdnungsantrag, dem Reichstagsabgeordneten H ö l l« i n. der als Diskussionsredner angemeldet war, eine besondere Redezell von einer halben Stunde einzuräumen, zu wilden Tumult- szenen. die in schwere Prügeleien ausarteten und die Fortführung der Versammlung völlig unmöglich machten. Stuhl- beine, Gummiknüppel und Fäuste traten in Aktion: ein unsäglich schmerzlicher Anschauungsunterricht der Zersplitterung der deutschen Arbeiterfchost. Aus der Straße setzten sich die Zusammenstöße fort. Li« me'rere Reichsb mnerleute einige Kommunisten, die sich durch besondere Renitenz auszeichneten, auf die Straße beförderten, be- kamen die Kommunisten von einer Truppe Roter Frontkämpfer Unter. stützung. Die Kominunisten hieben mit Gummiknüppeln und an- deren schlagfertigen Instrumenten der proletarischen Einhett aus die Reichsbannerleute ein, von denen drei erheblich verletzt am Platze blieben. Während es im Halboerdunkelten Saal noch längere Zell zu erregten Diskussionen der anderen kam, hatten sich auf der Straße größere Menschenmengen angesammelt. Die Polizei, die bei den Zu- sammenstößen im Saal nicht eingegriffen hatte, schritt nun zur Säuberung der Straße, was ohne viel Mühe von statten ging. Wie ein Schandmal muß sich das unglaubliche Verhalten der Kommu- nisten in einem Augenblicke, wo das gesamte deutsche Proletariat gegen die Raubpläne der Agrarier in einer Front stehen müßte, jedem Arbeller einprägen, der Verantwortungsgefühl für die Sache des Volkes, die seine Sache ist, in sich fühlt. Genosse Wels führte in seiner zündenden Ansprache, die ihr« starke Wirkung auf die Anwesenden nicht verfehlte folgendes aus: Die Zollkämpfe, die jetzt in Deutschland entbrannt sind, wecken Er- innerungen an die leidenschaftlichen Zollkämpfe des Jahre» 1993. Noch fehlt, wie es damals war, der innere Konnex zwischen den Ver- tretern des Volkes in den Parlamenten und den brellen Massen der werktätigen Bevölkerung. Die Agrardemagogie rüstet fieberhaft zum Kamps. Wochen, ja nur Tage, und der Kamps mit den skrupellosen Zollmucherern wird in aller Wucht entbrannt sein. Dieser Kampf, der von uns im Interesse des gesamten deutschen Volkes geführt werden wird, muß mächtig getragen sein von einem erupfloea Ausbruch de» Volkszorn». Die Sozialdemokratische Partei wird im Interesse de« Volkes sich mit aller Macht dagegen stemmen, daß wir wirtfchaftspolitisch wieder in die unproduktiven engen kapitalistischen Kreise der Inter - esienwirtschastler geraten. Wir wollen Deutschland den Weg öffnen, aus den Wirtschaft und Technik es hinweisen. Wenn die Zollblock- Parteien die Zollvorlage bis zum 18. Juli in allen drei Lesungen durchpeitschen wollen, so wäre das eine Gewissenlosigkeit fonder- gleichen. Es wäre ein schlagender Beweis dafür, daß den H u n g er- blöcklern die fachliche Motivierung ihrer gefährlichen Pläne nichts, aber der Raubzug auf die ausgesogenen Taschen des Volkes alles gilt. Die Parole unserer Partei ist: Weg mit dem Zolltaris. Her mit dem Freihandel. der allein für die nächste Zeit in Deutschland mag- lich ist. tStürmischer Beifall.) Im Anschluß an das Referat des Ge- nassen Wels kam es dann zu den oben geschilderten tief- beschämenden Vorgängen. Im Destea. Die Splchernsäle in der Nürnberger Straße waren bis auf den letzten Platz besetzt. Nach ewieiwndeo Worten de» Genossen

Dr. Wiebrecht ergriff Genosse Stampfer das Wort. Seinen Aus- führungen sei folgendes entnommen: Di« Landwirtschaft litt im Krieg« ohne Zweifel unter großen Schwierigkeiten, doch wieviel böser landesoerrätischer Wille fand sich gleichfalls draußen auf dem Land, beson-der» bei den Großagrariern! Deutlich zeigten die Statistiken, daß die Ablieferungen bei den kleinen Bauern weit besser waren als bei den Großagrariern. Als die Höchstpreis« und die Afcliefrnmgs- Pflicht kamen, da schrien all« Beteiligten gegen jeden staatlich?» Zwang und für die frei« Wirtschaft. Stets ist es so gewesen: Tut der Slam etwas für die Armen, dann werden die reichen Leute Anarchisten, doch wen» die Reichen etwas für sich haben wollen, dann werden sie auf einmal würdige Verteidiger der hohen Staatsantorilät. Augenblicklich möchte man wieder eine Zwangswirtschaft jener Art haben, daß ein Zwang gegen die Armen ausgeübt wird, hohe Preise zu zahlen. Seit dem 19. Januar ist Deutschland Handels- politisch frei und seit jenem Tag« existiert die dringende Not» wendigkeit der Herstellung eine» Zolltarifs, weil Handelsoertragsverhandlungen geführt werden mutzten. Di« Agrarier nahmen natürlich sofort die längst ersehnt« Gelegenheit wahr, um im Trüben zu fischen. In erpresserischer Weis« erklärten sie: entweder lückenloser Schutzzoll oder lückenloser Freihandel! Wie weit die deutschnationale Erpressertaktik geht, zeigte fich in besonders deutlicher Weise in den letzten Tagen, als im Reichstag der deutsch - englisch « Handelsvertrag beraten werden sollte, aber auf Wunsch der Deutschantionalen hinter die Erledigung des Zolltarifs zurückgestellt wurde. Die Schutzzölle sollen die Preise verteuern und es ist ein falsches Spiel, wenn die Regierung einerfett» den Agrariern Hilfe verspricht und andererseits das Volk mit Phrasen wie»ausgleichende Produktionsförderung" tröstet. Produktionsförderung auf dem Wege über allgemeine Lebensmittelpreissteigerung von unabsehbaren Ausmaßen ist ein Verbrechen am Volke, und fest steht von dieser Methode nur, daß die Produktion von Särgen gefördert wird, denn die Sterbiichkeit wird dann allerdings beängstigend vermehrt werden. Es ist klar, daß die Verteuerung des Brotes dort am stärksten wirkt, wo da» Brot das Hauptnahrungsmittel darstellt, also bei den Armen und Aermsten. Da auch die Kartoffeln nach diesem Zolltarif ver- teuert werden müssen, ist das große Sterben, das durch die Reihen des Volkes gehen wird, wirklich das Einzige, das man von der Zukunft weiß, wenn die Großagrarier ihre Pläne durchsetzen. Diese Leute haben das ganze Volk gegen sich, für sich allerdings die Anhänger in agrarischen Kreisen und vielleicht eine Mehr- hett im Reichstag. Woher kommt aber die starke Reaktion im Parlament? Sie kommt daher, weil die Massen noch nicht auf- geklärt sind und sie kommt daher, weil noch Tausende und aber Tausende von Leuten, die zu uns gehören, aufnationali st Ische Phrasen hereingefallen sind.(Stürmischer Beifall.) Bor allem ist jetzt die Frage zu beantworten: Marx vad Wirlh, wohin geht Euer Weg? wo wir stehen, da weht die Fahne der Republik , und wo wir stehen, da steht der wahre volksblockl gm©im« dieses Referates wurde einstimmig eine Resolution angenommen:«in Schlußwort des Genossen Wiebrecht und ein begeistertes Hoch auf die Republik und die Sozialdemokratisch« Partei beendet« die bedeutsame Kundgebung. Norden. In den pharussäleu in der Müllerstraße sprach Gen. Erispien. Er wies nach, daß in Deutschland durch die Getreidezöll« das Brot um 23 Proz. verteuert werde. Die Gründe, die die Rechts- Parteien für die Zölle angeben: 1. Bannung der Kornkrise, 2. Deckung des inländischen Getreidebedarfs durch unsere Land- Wirtschaft, und 8. günstige Gestaltung der Handelsbilanz, wurden vom Referenten in schlagender Weise zerpflückt. Die angeführten Gründe der Rechtsparteien sind in Wahrheit nur Schetngründe. Der wahre Grund ist nur«ine weitgehende kapitaliftsche Spekula- tion. Getreidezölle sind gleichbedeutend mit hohen Getreidepreisea und diese wiederum bedeuten hohe Gülerprcise. Es ist somit die Möglichkeit gegeben, billig gekauften Besitz vorteilhaft zu veräußern. Für das arbeitende Volk aber bedeuten die Getreidezölle eine Verminderung des Reallohnes. Die natürliche Folge davon müssen neue Lohntämpfe sein. Die Getreidezöll« sind aber auch verderblich für die kleinbürgerlichen Schichten. Unsere Partei fordert Beseitigung der wirtschaftlichen und politischen Anarchie, die heute mehr denn je zwischen den Staaten der West herrscht. Der Kampf gegen die Zölle muß er- aänzt werden durch einen Kampf für einen deutschen Ein- heitsstaat und für einen Staatenbund der Erde. Während der Rede Erispiens kam es zu Störungsversuchcn durch eine Handvoll Kommunisten, an deren Spitze die kommu- nistlsch« Abgeordnete Golk«(Ruth Fischer ) stand. Noch Schluß der Versammlung versuchte sie noch zu den Derfammlungs- teilnehmern zu sprechen. Sämtliche SPD. -Mitglieder verließen aber geschlossen den Saal, so daß Ruth Fischer mit ihrem Dutzend Getreuen allem im Saale verblieb. Nach Aufforderung der Polizei räumten die wenigen Kommunisten den Saal.

Zu einem ernsten Zwischenfall kam es noch gestern abend gegen lOU Uhr in der Schulstrage zwischen Müllerstraße und Rei- nickendorfer Straße. Einige Versaininlungsteilnehmer und Reichs'- bannerleut«, die, von der Versammlung aus den Pharussälen kom- meiid, sich auf den, Nachhauseweg« befanden, wurden von Kom- munisten tätlich angegriffen. Es tam zu einer Schläge- rei, die durch das schnelle Eingreisen der Polizei beendet wurde. Die Polizei nahm einige Verhaftungen von Kommunisten vor. �Nordwest«». gm Moabiter Gesellschafkshau» referierte Genosse Künstler (M. d. R.). Als der Versammlungsleiter die Prowstkimdgehung eröffnete, machte er darauf aufmerksam, daß eine Diskussion nicht stattfinden wurde, was die amvefenden Kommunisten zu wüstem Lärm veranlaßt«. Kaum war es dem Referenten gelungen, diesen zu übertönen, als die störenden Elemente unter Absingen der Internationale" fluchtartig den Saal verließen. Der Redner führte etwa folgendes aus: Am 26. April ist Hindenburg als der»Retter des deutschen Volkes" zum Reichspräsidenten gewählt worden, heule ist die Lügenpolitik des Reichsblocks schon enthüllt. Kein deutschnationaler Abgeordneter wagt es noch, eine Vollsversarmnlrmg zu besuchen. Die Schutzzölle sollen dazu dienen, die Arbeiterschaft auszubeuten, um die Taschen der Landwirte zu füllen. Em Arbeiter müsse viel höhere Brotsteuern zahlen, noch mehr arbeiten als der Reich«, um sie überhaupt bezahlen zu können. Niedrig« Löhne, hohe Steuerobgabe und teure» Brot das seien die Meilensteine am Zukunstsweg« der deutschen Pro- letariats wenn die Agrarier Erfolg hätten. Kommunistisch« Schuld habe dazu beigetragen. Di« deutschen Arbeiter und Arbeiterinnen müßten die Agitation der SPD. unterstützen, die unwissenden Köpfe aufklären über die Zollvorlag«. Werde sie wirklich Gesetz, drohen Hunger und Elend. Geschlossen müssen wir diesen Kampf führen. Eine in diesem Sinn« verfaßt« Protestresolution wurde einstimmig angenommen. Mit einem brausenden Hoch auf die Partei schloß die gewaltige Kundgebung.