Der Jinanzausgleich. Zusammenstoß Höpker-Aschoffs und Ichliebens im Steuerausschust. Bei der Fortsetzung der Beratung des Finanzausgleichs im Steuerausschuß des Reichstags kam es am Freitag zu hesiizen Auseinandersetzungen zwischen dem preußischen Finanz- minister Höpker-Aschoff und dem Reichssinanzminisker v. Schlieben. Neben den Differenzen über die Frage der Zuschläge und die chöhe der Beteiligungen an den Reichs st euern war es die Tatsache, daß ein inoffizieller Entwurf der Reichsregierung vorlag, der den Reichsrat überhaupt noch nicht beschäftigt hat, der diese Schärfe der Debatten hervorrief. Andererseits ist es die Ent< läufchung der Länder über den Bruch der Versprechungen durch die Regierungsparteien. Im Vertrauen auf deren frühere Haltung hatten die Länder und Gemeinden gehofft, jetzt mittels des Zuschlags- rechts größere finanzielle Bewegungsfreiheit zu erhallen. Statt dessen sehen sie sich einer feindlichen Front gegenüber, die sie sowohl finanziell als auch wirtschafllich und politisch stark ein- engen will. Die Deballe wurde eröffnet mit einer Rede des Genossen Dr. Hertz. Er gab seiner Genugtuung über den Verlaus der Aus» spräche am Donnerstag Ausdruck. Alle Parteien mit Ausnahme der Bayerischen Volkspartei haben umgelernt und lehnen die Zu- schlage zur Einkommensteuer durch Länder und Gemeinden ab. Die Sozialdemokratie habe das stets getan, da Zuschläge sowohl die Steuerhoheit des Reichs, als auch die Einheit der Steuer- belastung gefährden. Es fei aber auch nicht sachlich gerechtfertigt, die Zuschläge, die man jetzt nicht machen wolle, für das Jahr 1327 zu versprechen. Eine Enquete, die die Grundlage für eine richtige Verteilung der Steuererträge schafft, ist notwendig. Die höhe des Zinanzbedarfs ist abhängig von den Aufgaben. Das Reich hat Ländern und Gemeinden neue Aufgaben überwiesen, es muß chnen dafür auch die Mittel gewähren. Es ist falsch, daß bei den Gemeinden eine finanzielle Mißwirtschaft getrieben worden ist. Wenn Gemeinden z. B. Güter erwerben, um den Wohnungsbau zu fördern, so ist das nur anerkennenswert. Das habe die Stadt Berlin getan. Ihre Finanzwirtschaft sei nur vorausschauend und weitsichtig gewesen. Berlin habe die Steuern erheblich abgebaut, die Verwaltung eingeschränkt und demzufolge jetzt die niedrigste Grund- und Gewerbesteuer sowie die niedrigsten Werkstarife. Für die höhe der Ueberweifungen im Beharrungszustande feien genaue Unterlagen erforderlich. Es ist zu prüfen, ob feste lleberweisungen nicht der prozentualen Beteiligung vorzuziehen seien. Die in dem neuen Vorschlag vorgesehene feste Relation zwischen Einkommensteuern und Realsteuern könne zu schweren Schäden bei Ländern und Ge- meinden führen. Die endgültige Stellung der Sozialdemokratie zum Finanzausgleich hänge von der Hauszinssteuer ab, deren Verwen- dung für fiskalische Zwecke eingeschränkt werden muß. Nachdem die weiteren Redner noch einmal betont hatten, daß die Einführung von Zuschlägen jetzt unmöglich sei, kam es zu der heftigen Auseinandersetzung zwischen dem preußischen Finanzminister Hopker-Aschoff und dem Reichsfinanzminister o. Schlieben. Dr. Höpker-Aschoss wandte sich scharf gegen den neuen Vorschlag der Reichsregierung, der neben der Vertagung des Zuschlagsrechts den Versuch unternehme, eine materiell und formell gleich unerträg- iiche Bevormundung von Ländern und Gemeinden einzuführen. Die Vslicht der Gemeinden, den Finanzämtern Einblick in ihr gesamtes Finanzgebaren zu gewähren, enchält die Anmaßung von Aufsicht»- befugnissen, denen sie niemals gewachsen seien. Das führe nur zu einer unnützen Vergrößerung des Apparates. Das in dem Vorschlag zum Ausdruck kommende Mißtrauen sei unbegründet. Man oer- allgemeinere Einzelerscheinungen. Die Länder hätten durchaus sparsam gewirlschafiet. Ihre erheblichen Mehrausgaben seien auf die neuen Aufgaben zurückzuführen, die das Reich auf sie abgewälzt habe. Das Reichsfinanzniinisterium habe sich auch nicht an die 2 Abmachungen im Reichsrat gehalten. Es würden jetzt in der Dunkel- kammer Entwürfe zurechlgebraut werden, die die. Länder vor eine ganz neue Situation stellen und überrumpeln. Die Verwirklichung diefer. Absichten setulchna.schwere..Erschütterungen nicht, möglich. Sehr erregt gab Reichsfinanzminister v. Schlieben seinem leb- haften Bedauern über den polemischen Ton de« preußischen Finanzministers Ausdruck. Die Länder sollten der Reichsregierung dankbar sein, daß sie dos Finanzausgleichsgesetz noch rasch verab- schieden wolle. Die Kritik an der Finanzwirlschaft des Reichs sei unberechtigt. Die Reichsrea-orung habe auch nicht die Absicht, sich Aufsichlsbesugnis über die Gemeinden beizulegen. Auch der Vor- wurf, daß das Reich den Ländern und Gemeinden ein billiges Wirt- schoflen unmöglich mache, sei unberechtigt. Soeben erst habe der preußische Landtag beschlossen, daß jeder Beamte der unteren Besol- dungsgruppen eine Erhöhung seiner Bezüge um 1(X> Reichsmark erhalten solle. Der Beschluß des preußischen Staatsrats sei unver- stöndlich, wenn er die Erhöhung der hauszinssteuer ablehne. Schlieben erklärte zum Schluß, er müsse jede Verantwortung ablehnen, wenn auf diese Art und Weise olle Versuche, einen ge- regelten Haushalt aufzustellen, vereitelt werden. 2n der weiteren Aussprache erklärte Abg. Dr. Fischer-Köln (Dem.), es sei auch ihm fraglich, ob man sich jetzt schon soweit fest- legen könne, daß 1927 unter allen Umständen das Zuschlagsrecht eintreten müsse. Staatssekretär Poplh betonte nochmals, daß eine Kontrolle der Länder und Gemeinden nicht beabsichtigt sei. Der Reichsregierung liege nichts ferner, als sich. Aufsichtsbefugnisse anzueignen. Ihr Ver- langen nach der Statistik verfolge nur das Ziel, eine endgültige Regelung des Finanzausgleichs zu ermöglichen. Ueber die Form der Statistik'könne noch gesprochen werden. Der Ausschuß vertagte sich hierauf auf Sonnabend. J
Sie feiern die Aloröer. Es ist ein eigen Ding um den Geschmack. Es ist gut, daß man mit manchen Leuten über ihn nicht stresten kann. So nicht mit Herrn Reventlow. Er benutzt den Todestag Rathenaus, um den ermordeten Gegner noch im Grabe zu beschimpfen. Er feiert die Mörder. In seinem„Reichswart" schreibt er: „Unser geistiges Auge aber lenkt sich auf das einsame Doppel- grab zu S a a l e ck und unser Gedanke gilt den beiden Deutschen , die Rathenau das Leben nahmen. Sie sind zu tragischen Persönlichkeiten geworden. Ihr herz brannte für Deutschland und das deutsche Volk. Dafür sich zum Opfer zu bringen, war ihnen selbstverständlich.� Das ist Reventlow, einer der völkischen„Erneuerer" Deutschlands . Der Mord ist ihre Waffe und die Mörder sind ihre Kumpane. Parteierfolge in Thüringen . Sozialdemokratische Bürgermeister. Weimar , ll. Juli. (Eigener Drahtbericht.) In verschiedenen Städten und Gemeinden Thüringens fanden in letzter Zeit Bürger- meisterwahlen statt. Dabei gelang es den Sozialdemokraten, ihre Kandidaten in Sonneberg , Allstedt , Eisenberg und mehreren kleineren Gemeinden durchzubringen. Ein von den bürgerlichen Stadtverordneten SonnebergS gegen die Wahl de« sozialdemokratischen LangtagSabgeordneten Knauer zum Bürger» Meister von Sonneberg erhobener Einspruch ist von der Regierung als unbegründet zurückgewiesen worden.
Der haushaltausschuß der Skadt Weimar hat auf Grund eine! sozialdemokratischen Antrage» beschlossen, die Innere Buttel« stedter Straße, in der sich das Weimarer Volkshaus befindet, vom 11. August ab Friedrich-Ebot» Straß« zu benenne«.
Eine Blamage ött Gefchaftsordnungsdebatte im Reichstag Abg. Slöcker(Komm.) beantragt, als ersten Punkt der morgigen Tagesordnung die außenpolitische Lage zu behandeln. Mg. Müllsr-Iranken sSsz.): Durch unsere gestrige Zustimmung zu dem Antrag, daß die aus- wärtige Politik auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung ge- stellt werden soll, haben wir ebenso wie vorher schon im Ausschuß und im Plenum des Reichstages zum Ausdruck gebracht, daß diese Aussprache bald stattfinden ioll. Wenn es noch eines Beweises für die. Notwendigkeit dieser Aussprache bedurft hätte, so ist er durch das Kommunique der Deutschen Volkspartei erbracht worden, das gestern verösfenllicht worden ist, und worin es heißt, daß die außenpoütisthe Debatte vorläufig nicht stattfinden soll. Nach meiner Erinnerung besteht noch Personalunion zwischen dem Parteivorsitzenden der Volkspartei und dem Reichsaußen- minsster. Es heißt jetzt, die Deutsche Voltspartei behalte sich vor, die außenpolitische Debatte vorzunehmen, wenn die angekündigte Antwort auf die Note Briands vorliegt. Das heißt: Erst soll diese Sache erledigt sein, hinterher darf der Reichstag etwas dazu sagen. Ich verstehe es schon, daß es schwer hält, durch 493 Abgeordnete eine Note ausarbeiten zu lassen. Aber nicht darum handelt es sich, sondern darum, daß über die Richtlinien für die Note hier im Reichstag gesprochen werden muß, bevor eine der wichtigsten Eni- scheidungen gefällt ist. Das ist umso notwendiger, als wir genau darüber unterrichtet sind, welches llnlrlgoenspiel hinter den Kulissen getrieben wird. Es wird behauptet, daß innerhalb der Regierungs- Parteien volle Einigkeit über die Ziele der Außenpolitik be- stehe. Ich erinnere aber an den Befehl, den Graf Kalckreuth in der»Deutschen Tageszeitung" ausgegeben hat, und der gleichmäßig auf Deutschnationale und Volkspartei gewirkt hat, wonach eine Klärung der außenpolitischen Angelegenheiten erst nach Er- ledigung der Wirtschaft spoli tischen Fragen erfolgen dürfe, d. h., daß die Außenpolitik zum handelsobjekt gemacht werden soll.(Sehr richtig bei den Soz.) Wir haben das dringende Bedürfnis, daß hier ausgesprochen wird, was jetzt zu tun ist. Wo sollen wir hinkommen, wenn wir Ludwigshasen, Köln , Mannheim und die anderen Orte jetzt im Stiche lassen. avr well Sie(nach rechts) Zhre Beuteinteressen in den vorder- grund stellen.(Sehr richtig bei den Soz.) Wir halten es für dringend notwendig, daß wir in würdiger Form die Aussprache über die Außenpolitik vollziehen, wir sind damit ein- verstanden, daß sie in den nächsten Tagen stattfindet, um der Sache selbst willen hoben wir aber kein Interesse, daß sie am morgigen Sonnabend vorgenommen wird.(Lebhafter Beifall bei den Soz.) Der Abg. Frick(Völkisch ) stellt den Antrag, als ersten Punkt der Tagesordnung einen Antrag seiner Fraktion zu behandeln, wonach Abgeordnete, die sich aus gewinnsüchtigen Gründen gegen das Reich vergangen haben, vor den Staatsgerichtshos gestellt werden können. Er begründet diesen Antrag mit der jetzigen Ver- nehmung des Abg. Lange-Hegermann vor dem Untersuchungs- ausschuß. Abg. vreilscheid messt als Mitglied des Untersuchungsausschusses darauf hin. daß die Vernehmung Lange-Hegermanns noch nicht beendet ist, sie soll nächste Woche beendet werden. Vorläufig stehe noch Aussage gegen Aussage. Es sei selbstverständlich, daß der Bericht de» Ausschusses erst abgewartet werden müsse. Der Reichstag - könne unmöglich ein- Urteil Mlen, bevor der Ausschuß berichtet habe. Der Präsident Löbe stellt fest, daß die Staatsanwalt bisher noch keinen Antrag gestellt habe, die Immunität des Abg. Lange- hegermann aufzuheben. Wenn ein solcher Antrag vorliege, werde er selbstverständlich sofort behandelt werden, das sei ein viel kürzerer Weg. als über den Staatsgerichtshof. Abg. Dr. Pfleger(Bayr. Vp.) bezeichnet es als unerhört, daß man hier schon in eine noch nicht abgeschlossene Untersuchung ein- greifen wolle. Frick habe die Aussagen des Staatssekretärs S ch ä tz e l s unrichtig wiedergegeben. Abg. Frick teilt unter großer Heiterkeit des Hauses mit. daß er sein Wissen aus der Zeitung geschöpft habe. Abg. Wlrth(Ztr.): Bis gestern bestand bei meinen Freunden einmütige Uebereinstimmung darüber, daß die Beratung der außen- politischen Lage im Plenum tunlichst zurückgestellt werden solle. Wir hielten es nach dem Verlaus der Aussprache im Aus- wärtigen Ausschuß für richtig, noch einige Tage damit zu warten. Aus gewissen Aussüh-rungen der Volkspartei im Ausschuh konnten wir entnehmen, daß wir mit ihr und mit der Regierung derselben Meinung seien. Im Laufe des heutigen Tages sind wir aber sehr schmerzlich enttäuschk worden(hört. hört). Es Ist ein außerordentlich wichtiger Vorgang. daß eine Partei in einem Pronunziamento an die Oefsentlichkeit tritt, um die Grundlagen der tünftgen Außenpolitik festzustellen, mit denen der Außenminister angeblich einverstanden sei. Wenn man diese Grundlinien durchsieht, so kommt man zu der Ansicht, daß der Außenminister allen Anlaß hat. diese Richtlinien hier zu ver- treten.(Sehr richtig.) Dieser Vorgang ist ein Nooum in der beut- schen Politik, und ich frage: WcristhierKoch, wer Kellner? Wer steht hinter diesen Richtlinien? Wir haben die Auffassung, daß der Reichstag nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, fest- zustellen, ob diese Richtlinien von der V o l k s p a r t e i vertreten werden, oder ob es die Richmuten der Reglernag sind.(Stürmisches Sehr richtig! Sehr richtig!) Es handelt sich hier nicht darum, ob die Außenpolitik der Regierung in eine bestimmte Bahn gelenkt werden soll, ob sie richtig, oder falsch ist, sondern ob jetzt falsche Schlüsse gezogen werden können. Dies klar zu stellen, ist eine politische Notwendigkeit. Noch eine zweite Tatsache ist festzustellen: Während hier geschwiegen wird, wird draußen um so mehr geredet und nicht etwa von nach- geordneten Personen, sondern von führenden Persönlichkeiten. So hat heute in der„Kreuz-Zeitung " Gras Westarp zuerst sachlich die Schwierigkeiten des Sicherheitspakts dargelegt. Er kommt aber danach zu einem Schluß, der geeignet ist, in uns ganz besondere Gefühle hervorzurufen, und das gerade in einem Augenblick, wo die Regierung sich damit beschäftigt, eine neue Rote zu entwerfen. Die Erregung einer solchen Stimmung ist geradezu verhängnisvoll» Dadurch muß unserer Außenpolitik ein schwer gutzumachender Schaden zugefügt werden. In dem Augenblick, wo Sie als Regierungs. parte! die Verantwortung für die neue Note der Regierung mit übernehmen sollen, inachen Sie durch den Namen Ihres Führers einen solchen ungeheuerlichen Vorstoß. Wir wollen jetzt endlich Gc- legenheit geben, nicht um die Geister noch mehr zu verwirren, sondern Klarheit zu schassen. Wenn ich bisher mit meinen Freunden gegen«ine außenpolitische Debatte war. so ersuche ich jetzt den Präsidenten, eine solche so schnell wie möglich herbeizuführen. (Lebhafter Beifall links und im Zentrum.) Abg. Scholz(D. Vp.): Wir hatten das Bestreben, die innere Geschlossenheit herzustellen.(Stürmische Unterbrechungen.) Im Interesse der Außenpolitik sei es notwendig, diese Geschlossenheit auch jetzt zu zeigen. Der Artikel des Grafen Westarp enthält doch nur das, was das ganze deutsche Volt denkt.(Stürmischer Wider- jpruch.) Der Regierung muß Zeit jür sachliche Vorbereitung der
Rechtsregierung. — Um die außenpolitische Aussprache. Antwortnote gelassen werden. Wir werden uns mit ihr über den Zeitpunkt der außenpolitischen Debatte in Verbindung setzen. Abg. Fehrenbach (Z.): Der Schritt der Deutschen Volkspartei war nicht geeignet, die Geschlossenheit zu fördern. Die Aussüh- rungen des Abg. Wirth waren sachlich durchaus begründet. Wir halten es nicht siir zweckmäßig, die Debatte zu verschieben, bis jpr Porzellan zerschlagen ist. Im Interesse des besetzten Gebietes muß alles vermieden werden, was die Fortsetzung der bisherigen Außen- Politik erschwert. Abg. Dittmann(Soz.): Im A e lt e st e n a u ss ch u ß hat der Abg. B r u h n von den Deutjchnationalen heute erklärt, daß auch die Deutschnationalen so schnell wie möglich eine Debatte haben wollen. Es würde mehr zur Klärung beitragen, wenn die Dcutschnationalen hier im Plenum sagen würden, wie sie zu der Sache stehen. Noch den Ausführungen des Abg. Scholz steht es fest, daß die De- balle erst stättsinden soll, wenn die Anlwortnole abgeschickt ist. Solche Schiebermethoden werden wir nicht unterstützen.(Unruhe rechts.) Abg. koch(Dem.): Was man bisher von den Regierungsparteien gehört hat, läßt nicht darauf schließen, daß die Geschlossenheit unter den Regierungsparteien besteht, die von Herrn Scholz so sehr ge- wünscht wird. Die einheitliche Linie in der Außenpolitik muß her- gestellt werden, aber sie darf von den Deutschnotionalen aus wirt- schaftspolitischen Gründen nicht gestört werden. Präs. Löbe: Auf besonderen Wunsch erhält Dr. Breitscheid das Wort.(Stürmische Heiterkeit.) Abg. Dr. Vreilscheid(Soz.): Der Wunsch, mich hier sprechen zu hören, ist von Herrn Schultz-Bromberg ausgegangen. Es freut mich, daß Sie soviel Anerkennung für mich haben. Aber selbst Ihr Wunsch würde mich nicht veranlaßt haben, das Wort zu nehmen, wenn nicht der Abg. Scholz geredet hätte. Seine Rede war mehr das Produkt der Verlegenheit als das des Selbstbewußt- feins. Er hat einiges aus dem Auswärtigen Ausschuß hier wieder- gegeben und auch auf eine Rede von mir Bezug genommen. Leider ist es mir nach der Verfassung nicht möglich, da die Aussprache im Auswärtigen Ausschuß vertraulich ist, meine Ausführungen hier wiederzugeben. Man müßte doch annehmen, daß dem ehemaligen Vorsitzenden des Auswärtigen Ausfchußes das auch noch erinnerlich ist. Nachdem aber Herr Scholz mich erwähnt hat, erkläre ich. daß ich von meinen Ausführungen im Ausschuß nichts zurückzunehmen Hab«. Ich kann nur hier im allgemeinen andeuten, daß ich im Namen meiner Partei gewisse kritische Bemerkungen an das Angebot des Hern Stresemann geknüpft habe. Die Antwort Briands hielt ich nicht für annehmbar, aber von dem Boden des Memorandums vom Februar durste nicht hinausgegangen werden. Wenn Sie diese Linie einer gemeinsamen Politik meinen, so stehen wir noch auf ihr, aber nicht aus einer Linie, gegen die die größte Regierungspartei sorlgefeht anrennt. Es muß hier festgestellt werden: Wer macht die Politik? Was ist das für eine Regierungskoalition, wo die eine Partei immer anders handelt als die andere? Was ist das für eine Politik, wenn die deutschnationale Presse fortgesetzt anders schreiben darf als ihre Partei im Reichstag spricht? Im Auswärtigen Ausschuß hat vor- gestern der Außenminister Stresemann mit nicht mißzuverstehcn- der Deutlichkeit erklärt, er verlange eine Aussprache im Reichstag, er könne nur dann Verhandlungen führen, wenn er das Vertrauen der Mehrheit besitze. Und nun will Herr Scholz erst dann die Aussprache herbeiführen, wenn die Note ab- gegangen ist. Ein nachträgliches Vertrauensvotum hat aber keinen Sinn Sie können also niemand weismachen, daß Sie nur jetzt anderer Auffassung sind, weil Sie für die Einheitlichkeit der Außen- Politik fürchten. Es sind nicht außenpolitische, sondern inner- politische Gründe, aus denen Sie die Aussprache verhindern wollen.---------—.—---------------------------- Sie verkaufen die Außenpolitik um die Zollvorlage. Sie sind auch bereit, Elsaß-Lolhrlngen zu verkansen, aber für S.50 AI. (Stürmischer Beifall links, große Unruhe rechts.) Nachdem der Abg. Stoecker vornehmlich gegen die Sozialdemo- kratie polemisiert hat, verkündet Präsident Löbe: Das Wort hat Graf Westarp.(Allgemeines Aha.) Gras Westarp(Dnat.): Die unerhörten Angrifse des Abg. Breitjcheid weise ich mit Entrüstung zurück.(Zurufe links.) Der Abg. Breitscheid hat für nationales Wollen und Empfinden kein Verständnis. Ich erkläre hiermit, daß die außenpolitische Debatte noch vor der Sommerpause stattfinden soll(Zurufe links: Erst die Zollvorlage), und zwar zu einem Zeltpunkt, der den Regierungsparteien für geeignet erscheint. Nachdem die Kommunisten ihren Antrag zurückgezogen haben, stimmt das Haus dem Lorschlag des Präsidenten zu, daß er sich mit dem Reichsaußenmini st er in Berbin du n g setzt und ihn über die heutige Debatte unterrichtet. Am Schlüsse der Sonnabendfltzung wird das Haus beschließen, wann die außen- politische Debatte auf die Tagesordnung gesetzt werden soll. Der völkische Antrag wird gegen die Srimmen der Antragsteller ab- gelehnt.
Die Not üer tzeiminöuftrie. Die Sozialdemokratie verlangt ihre Unterstützung. Bei Beratung des Ergänzungsetats des Reichswirtschafts- Ministeriums im Haushaltsausschuß des Reichstags brachten die Sozialdemokraten zur Abstellung der Not der Heimarbeiter in der thüringischen Spielwaren- und fränkischen Korbwarenindustrie folgende Entschließung ein: Die Regierung zu ersuchen, schleunigst mit den Regierungen von Bayern und Thüringen darüber zu verhandeln, durch welche Maßnahmen die unlerlrägliche Notlage in der oberfränkischen korbworeninduslrie und in der thüringischen und oberstänkischen Kpieiwareninduslrie Beschäftigten durch Notstandsmaßnahmen gemildert werden kann. Insbesondere ist zu erwägen, wo Weiden- kulturen für die Korbwarenindustrie zweckmäßig anzulegen sind. Die Reichsregierung wird ersucht, möglichst bald eine Vorlage dem Reichstag zugehen zu lassen, die die notwendigsten INittel für die Zuschüsse zu Nolslandsarbeilen fordert. Abg. Frölich-Thüringen (Soz.) begründet die Entschließung mit der Darstellung der ungeheuren Not in der thüringischen Spiel- warenindustrie, von der die h e i m a r b e i t e r a u s st e l l u n g in Berlin «rschllttemde Bilder gegeben habe. Zehn Prozent aller in diesem Gebiet untersuchten Schulkinder sind tuberkulös belastet; 30 Prozent dringend speisebedürstig. Abg. Seidel(Soz.) gibt hierzu die ergänzende Begründung für die Lichtenfelser Korbwarenindustrie. Die Arbeitslosigkeit sei furchtbar. In Michelau , einem kleinen Ort, sind von 909 Korb- machern 90 Proz. arbeiislos. Die Preise für Rohstoffe(Weiden ) sind um 60 bis 100 Proz. gegen die Vorkriegszeit gestiegen. Da- gegen sind die Preis« der Fertigmaren gesunken. Der Absatz ist so gut wie gar nicht möglich, da die Auslandskundschaft fehlt. Ein Grund für die große Arbeitslosigkeit ist auch, daß durch den großen Kriegsbedarf an Geschoßkörben damals in den Beruf Tausende neu geströmt sind. Konkurrenz bielel auch das Zuchthaus Plassenberg durch seine billige Korbslechlerei. Schnellste und weiteste Notstands- mahnahmen seien notwendig:' vor allem müßten die Behörden Kredite und Aufträge aus längere Sicht geben. Abg. Dr. Moses(Soz.) berichtet über Untersuchungen, die er im Auftrage des Deutschen Glasarbeiterverbandcs in den betreffenden Gebieten gemacht habe. Die Not spotte jeder Beschreibung, der Gc- sundheitszustand der Kinder sei geradezu erschütternd. Schnellste Hilfe müsse erfolgen. Die Entschließung der Sozialdemokraten wird mit großer Mehrheit augenommeu,