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Str. 31142. Jahrgang

beam. end

1. Beilage des Vorwärts

Wie märkische Kleinstädte aussehen:

DAHME .

Die wassersportkundigen oder auch nur wasserfreudigen Berliner Tennen den Namen Dahme recht gut; sie wissen, daß die dunkeln Bellen ihres Spree genannten Flusses sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzen: dem Waffer der Spree und dem der Dahme, die bei Köpenick fich vereinigen. Aber die Stadt Dahme, in deren Nähe sich die Quellen des gleichnamigen Flusses befinden, ist in den weitesten Kreisen unbekannt; sie wird auch nur durch Bimmel bahnen" erreicht, die von Udro und Jüterbog ausgehen. Wählt man erstere Berbindung, so wird einem ein Barteaufenthalt von 1% Stunden vorgeschrieben, die man am müßlichsten mit Kaffee­ninfen im Wartefaal ausfüllt. Dabei macht man die spaßhafte Ent­hedung, daß in Utro und Umgegend der Kaffee ohne Zucker bevor­zugt wird will man Zucker haben, so muß man ihn bestellen und für die graziös überreichten 2 Zuckerstückchen 5 Pfennig ertra zahlen. Ein Aushang macht lobenswerter Weise darauf aufmerksam ihm zur Seite hängt eine Empfehlung von Rautabat. Der Kaffee war gut den Rautabat haben wir nicht probiert.

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Geschichte und Charakter der Stadt.

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mal war es die Neugier einer ehrsamen Bürgersfrau, die das In­glück herbeiführte: Sie wollte Spec ausbraten und ließ das Fett auflodern, weil sie eine Trauung ansehen mußte".( Heimatbuch von Mar Mals.) Die in dem Gemüte der Dahmenser Jugend spukende Borstellung, daß diese Uebeltäterin in der Frau mit dem Besen fort­lebe, die auf dem mittleren Turm des Stadtwappens steht, ist eine hübsche Fabel. Jedenfalls stellen sechs Totalbrände in Jahrhunderten eine achtbare Leistung dar. Politisch war Dahme seit dem 12. Jahr­hundert zum Erzbistum Magdeburg gehörig im dreißigjährigen Kriege ging die Herrschaft an Kursachsen über, das in einer der be­

Langsam flettert das Bügle" das Plateau empor, auf dem Dahme liegt. Schöne Waldungen begleiten den Aufstieg, dann geht's fin im flotten Tempo durch gut bestelltes Aderland zur Stadt. Die Budauer Straße nimmt uns auf bald find wir in der Haupt­fraße, der Geschäftsstraße mit recht guten Läden. Die Sehens mürdigkeiten liegen abseits von ihr. Das ganz Alte, das der Tourist so gern aufsucht, in dem frohen Gefühl, daß er es zu bewohnen nicht genötigt gewesen ist, fehlt in Dahme sehen wir von der Stadtmauer ab völlig. Die Stadt hat einen Reford in Feners. brünsten aufzuweisen. Ursprünglich der Standplay einer gegen die Wenden errichteten Burg, wurde Dahme 1186 bereits mit einer Kirche ausgestattet; die flämische Kolonisation im 13. Jahrhundert brachte auch hier großen Zuzug, und Ackerbau und Handwert, sowie Handel, namentlich in Wollwaren, blühten rasch auf, bis das 15. Jahrhundert den Beginn der Not in die märkischen Städte trug. Im Jahre 1429 Eroberung der Stadt durch die Hussiten: erste Ber­störung nach dem Aufbau 1441 neue Einäscherung durch einen in der Kirche ausgebrochenen Brand. 1498 legt ein Feuer in der Schmiede wieder den Ort in Asche 1563 war es die" Bosheit ciner Magd", die vom Kloster aus die Feuerfachel über die ganze Stadt warf, und 1631 folgte die übliche Zerstörung im dreißig jährigen Kriege dann aber kam der schwerste Schlag: 1666 ging alles, bis auf Mauer und Burgschloß, in Flammen auf, und dies­

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Die Baumwollpflücker.

Roman von B. Traven .

Copyright 1925 by B. Traven, Columbus, Tamaulipas , Mexico.

,, Das weiß ich jetzt noch nicht. Ich laffe den Tag erst einnial herankommen. Ich fann ebensogut nach Norden wie nach Süden, ebenso leicht nach Ost und West gehen. Eigent lich habe ich vor, nach Guatemala , Costa Rica und Panama runterzulippeln. Vielleicht nach Columbien . Da foll aller­hand Del ausgemacht worden sein."

Top!" sagte Mr. Shine ,,, das habe ich auch gedacht, daß es Ihnen egal ist; und nach Guatemala und allen den übrigen Landschaften kommen Sie immer noch rechtzeitig genug. Da habe ich nun zu dem Manager gesagt: Well, habe ich gefagt, auf Sie habe ich gerade gewartet. Ich habe da einen Fellow, cinen Bider, einen weißen Mann, weiß im Geficht und weiß unter dem Brustlatz ebensogut, einen Burschen, der Ihnen die nerieufeltste Bohrung aus dem elendesten Dred herausholt. Man muß doch ein wenig trumpfen, Gale, wenn man was erreichen will. Also, habe ich gesagt, Mr. Berkley, ich schide Ihnen den Mann runter. Na, was sagen Sie nun, Gale, Junge,? Das habe ich doch fein gemacht. Da gehen Sie noch morgen früh runter zum Store. Der Storekeeper tennt den Weg zum Camp und kann Ihnen Bescheid sagen. Um 5 Uhr nachmittags sind Sie schon im Camp und fönnen fich gleich zum Effen hinsehen.

Das mit dem Effen war allerdings verführerisch. Wenn Sie dann nicht mit der Arbeit zurecht kommen, ist der Berlust auch nicht allzu groß. Einen Tag friegen Sie auf alle Fälle ausbezahlt und außerdem haben Sie einen Tag wieder mal menschenwürdig gegessen," segte Mr. Shine hinzu. 3u überlegen gab es da eigentlich nichts. Hier war noch für drei oder vier Tage Arbeit, harte und schlecht bezahlte Arbeit. Im Delfeld mußte man zwar auch zwölf Stunden arbeiten, weil nur zwei Schichten waren, aber man arbeitete wenigstens unter dem Rig, wo die Sonne nicht ganz so un­mittelbar auf einen losbrennen fonnte. Dazu hatte man sterilisiertes Eiswaffer, soviel man nur trinten wollte. Bor allen Dingen aber hatte man, wie schon Mr. Shine richtig gefagt hatte, ein menschenwürdiges Essen, mit Teller, Meffer, Gabel, Eloffel, Teelöffel, Tasse und Glos on einem Sch,

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Sonnabend, 4. Juli 1925

neu erbaut, 1719 das neuee Schloß errichtet und mit reichen Aus lagen versehen.

Auch Sehenswürdigkeiten.

Nach dem Gesagten ist es begreiflich, daß romantische Ver­formenheit, wie sie eng aneinander geschichtete Häuser, Mauern und Lore hervorbringen, in Dahme nicht zu Hause ist. Es ist alles meist weit, frei, fonnig, und die Stadtmauer macht nicht, wie in anderen Städten, einen fruhigen Eindruck. Wo sie noch sichtbar ist, wird sie von Anlagen umgeben, auf der linfen Seite( vom Bahnhof aus) von der Elisabeth-, auf der rechten Seite von der Bittoriapromenade. Die Hauptstraße, die breit, gewissermaßen den fehlenden Marktplatz ersehend, die Stadt durchzieht, endet am Bogelturm, einem starfen Feldsteinbau; von hier führt die Jüterboger Straße meiter, an der sich das Jahn- Denkmal befindet. In der Hauptstraße erhebt sich seit 1894 das neue Rathaus( mit Post), das ganz in dem aufdringlichen Postpalaststil der wilhelminischen Zeit errichtet ist. Borher befand fich das Rathaus in einer alten damals abgetragenen Kirche. In der Hauptstraße liegt noch die Hospitalfirche, die jetzt zum größten Teil zu einem Altenheim umgewandelt ist. Vom Rathaus rechts in die Wilhelmstraße einbiegend, gelangt man zur Schloßstraße, die uns zur Hauptkirche und zum Schloß führt. Die Kirche steht inmitten des alten Kirchhofes, auf dem sich noch einige Grabmäler befinden. Außen an der Kirche angebracht sieht man den Grabstein eines Stadtschreibers Lufas Kranach( 1725), eines Nachkommen des be Zufas fannten Malers. Die Kirche ist immen in lichten Farben recht ent­sprechend ausgemalt und macht mit der doppelten Reihe der Emporen und den Patrizierlogen einen stattlichen Eindruck.

Das Schloß mit Schulklassen.

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Die Schloßstraße meitergehend, gelangt man zum Schloß, dem auf der rechten Seite die Domänen, ein großer Wirtschaftshof, vor­gelagert ist. Das Schloß ist neuerdings renoviert worden; es zeigt in dem von einem Turm gekrönten Mittelteil eine gut mirtende Gliederung durch zwei Säulenpaare; an dem Mittelbau schließen sich in stumpfen Winkeln die langgestreckten Flügel. Der weite Hof it mit einer der charakteristischen sächsischen Bostsäulen geschmückt. Das Schloß dient jeht, nachdem die Landwirtschaftsschule ihr eigenes Heim erhalten hat, in seinen unteren Räumen dem Museum den anderen Teilen Schulzweden: 3m ganzen sind 30 Schulklaffen vorhanden. Das Museum( Eintritt 30 Pfennig) hat allerhand Merk­würdigkeiten, Funde, Geräte, Gewänder, Bücher, Bilder, Waffen usw., so daß wohl jeder Befucher etwas ihn Interessierendes finden wird. Eigentümer des Schlosses ist seit 1873 die Stadt; sie erwarb es für 72 000 m. Geht man vom Schloß zur Vittoria promenade, so steht man bald vor dem neuen Gebäude der Landwirtschaftsschule, die sich eines guten Rufes erfreut. Sie ist ein Unternehmen der Stadt und aus fleinen Anfängen, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts her. abreichen, zur jezigen Blüte gelangt. Reiche Lehrmittel, Samm­hungen und große Verfuchsfelder fehlen nicht.

Eine humanitäre Stiftung.

Am Ende der Vittoriapromenade erheben sich zwei große lla moderne Häuser: das Viktoriaftift. Es ist dies eine von den deutschen Freimaurern gefchaffene Einrichtung, bedürftigen Witwen und Waisen der Logenbrüder einen geruhjamen Lebensabend zu sichern. Etwa 30 Zimmer mit Zubehör stehen in den beiden Häusern zur Berfügung; ein schöner Garten umgibt das Ganze und die freund. liche, auch der Individualität des einzelnen Spielraum lassende Einrichtung macht einen recht angenehmen Eindrud. Im Garten feht noch ein fleines Gebäude: die Coge", der Sammelpunkt ber einheimischen und zureisenden Logenbrüder. Eine solche Institution in einem fleinen abgelegenen Orte zu finden, hat zweifellos eimas leberraschendes.

Das Schloß als Schule. liebten Teilungen 1656 Dahme an Sachsen- Querfurt gab, deren Fürsten ( aus dem Hause Sachsen- Weißenfels ) 1746 ausstarben. Der mun wieder an Kurjachsen zurückgefallene Ort wurde 1815 preußisch. Nach dem Brande 1666 wurde die Stadt rasch wieder aufgebaut. Die Weißenfelser Herren Johann Adolf I. und II. ließen die Sonne ihrer Gnaden über den Ort scheinen. 1671 wurde die Hauptkirche

der zwar von einem Zimmermann ziemlich roh gemacht war, aber es war doch ein Tisch und eine richtige Bant. Man brauchte nicht aus der Pfanne von der Erde essen und sich beim Essen von einer wackligen Rifte, auf der man saß, herunterbücken. Man brauchte nicht mit demselben Löffel, den man aus den fettigen Bratkartoffeln zog, den Kaffee um­rühren. Das Brot, das man, war weder zu Kohle ver­rühren. Das Brot, das man, war weder zu Kohle ver­brannt, noch war es flebrig wie Kleister. Die schwarzen Bohnen, immer hart wie Kieselsteine, hörten auf, ein wichtiger Bestandteil der Mahlzeiten zu sein. Man wurde bei Tische bedient von Chinks, die man angrunzen durfte, wenn einem das Essen nicht schmeckte und die Ananaspie nicht genügend geeift war. Angrunzen, hm! ja! das tut man sofort, sobald man einen anderen armen Teufel auch nur einen Zentimeter auf der sozialen Rangleiter unter sich weiß. Man schlief nicht ohne jede Unterlage auf einer Tafel Wellblech, sondern man fchlief in gut ventilierten Baraden, in sauberen Feldbetten, auf weicher Matraße und gut geborgen unter einem schleier dünnen Moskitoneh. Man hatte jeden Tag ein Brausebad und hatte ein W. C. Daß es solche Dinge auf Erden gibt, hatte ich ganz vergessen. Romantit ist schön, sehr schön!- von ferne gesehen. Wenigstens in der Entfernung, gerechnet von einem bequemen Siz im Kino bis zur Silberwand. Auf dieser Silberwand find die Helden des Busches und des Ur waldes der Traum der Mädchen und sie erregen Ehefchei­dungsgedanken bei Frauen; in Wahrheit bohren sie sich beim Effen in der Nase herum und schmieren dies und das an thren Siz oder an die nächste erreichbare Tischplatte. Und das tann man gerade noch erzählen. Würde man einiges mehr erzählen, noch nicht einmal alles und noch nicht einmal das Schlimmste, so würde fich der bunte Schmetterling in die allermiderwärtigste Raupe zurüdverwandeln. Aber trotz alle­dem, Romantit ist auch im Delfeld, das auf den ersten Blick fo trostlos prosaisch und so nüchtern aussieht wie eine Rohlen­zeche in Herne . Man muß die Romantik nur zu sehen und

nur zu finden wissen.-

Bei meinem Abschied von den bisherigen Arbeitskollegen war mir nichts so wichtig, als meine Eierrechnung bei Abraham auf den Cent genau zu begleichen. Er wäre mir sonst in meinen Träumen erschienen und nachgelaufen bis nach Baraguan, wenn ich ihm nur zehn Centavos fchuldig ge blieben more,

Hen

Der wendische Einschlag ist in Dahme und Umgegend besonders durch die Tracht der Landfrauen gekennzeichnet; drei Röcke übereinander und buntfarbiges Kopftuch zieren die vielfach per Rad zur Stadt Kommenden; ihre roten Gewänder leuchten in der prallen Sommersonne. Bemerkenswert ist in Dahme noch die starke gemerb­liche Beschäftigung mit Schuhmacherei und Tabakver arbeitung: Das Heimatbuch" zählt 57 Schuhmacher- und 42 Zigarrenfabritanten auf. Auch einige Gärtnereien find vor handen, trotzdem Dahme im Winter meist hohe Kältegrade ver zeichnet. Sehr zu woben ist die große Sauberkeit der Straßen, die Pflege der Anlagen, die Blumenliebe der Bewohner. Ein stilles, aber ansprechendes Städtchen!

Als ich zum Delcamp tam und mit dem Manager sprach, machte er nicht im geringsten ein erstauntes Gesicht, seinen neuen Driller so in Lumpen und Fezen zu sehen, wie fein Mensch in Europa , selbst nicht in Odessa herumlaufen könnte. Darin ist man hier gewöhnt. sajan

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Die weißen Arbeiter, alle Gringos, waren froh, daß Dick, der Driller, einen Erfagmann hatte und das Camp also nicht verlassen brauchte; den er war ein beliebter und luftiger Bursche, der im Camp war, seit der erste Pfeiler für das Rig gestellt wurde. Sie firten mich auf, der eine brachte mir ein Hemd, der andere eine Hose, jener Strümpfe, ein anderer Ar­beitshandschuhe. Ja Handschuhe, denn ein amerikanischer Arbeiter macht sich beim Arbeiten die Hände nicht mehr schmußig als unbedingt notwendig ist. Reiner von ihnen hatte irgendein Handwerk gelernt, wie das in Europa üblich ist, aber jeder fonnte ein Auto fahren, Bannen beseitigen, Dampfmaschinen reparieren oder Werkzeuge schmieden. Biel­leicht nicht ganz so sauber und geschickt wie ein englischer, deutscher oder französischer Arbeiter, aber was er machte, war brauchbar, und darauf kam es ihm und denen, die ihn dafür bezahlten, ja nur an.

Als ich meine Schicht beendigt hatte, sagte Mr. Berfly zu mir: ,, Sie fönen bleiben, Junge, vollen Drillerlohn.

Did war schneller hergestellt als wir alle gedacht hatten, und so mußte ich wieder gehen. Beim Abschied gab mir Dic zwanzig Dollar extra aus seiner Tasche, für Reisegeld und daß ich mir einen guten Tag machen follte, wie er sagte.

Als ich dann beim Manager meinen Lohn ausbezahlt betam, fagte er: Sören Sie mal, Gale, tönnen Sie nicht hier irgendwo eine Woche oder so herumhängen?" stod, Ja," erwiderte ich, das fann ich leicht. Ich gehe rauf zu Mr. Shine, da fann ich gut für eine Weile hausen. Warum?"

,, Auf einem unserer Nachbarfelder da ist ein Bursche, der möchte auf vierzehn Tage in Urlaub gehen, rauf in die States. Da fönnen Sie für die zwei Wochen als Ersagmann eintreten. Anfang nächsten Monats."

,, Mache ich," sagte ich. Sie können ja im Store eine Mitteilung für mich an Mr. Shine hinterlegen, wenn es fomeit ist."

But, abgemacht!" jagte Mr. Berfly.

( Fortfehung folgt) y