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Str. 313+ 42. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 5. Juli 1925

reich

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HOFISCHE DENKMALER DENIMALER DER ARBEIT

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Es ist schwer, in Deutschland aus hauptstädtischem Gemand fich ein Bilde von der Kulturbeschaffenheit des ganzen Landes zu ent­werfen, wie man das sonst im allgemeinen fann, vom Mittelpunkt mit seiner Anhäufung und Zusammendrängung auf die gesamten Kreisflächen schließend. New York ist Amerika und Paris ist Frant­aber Berlin ist nicht Deutschland , sondern kulturell die Hauptstadt Preußens wie München die Kapitole Bayerns ist. Eine Reichshauptstadt mar im Werden und ist es jetzt wieder, nur ging es erst überſtürzt, man hatte ja wenig Zeit und jetzt hätte man Zeit, aber alles andere fehlt. Die werdende Reichs­hauptstadt hat vielfach die erste Stadt Breußens zurückgedrängt, ihr das Geficht genommen und beide wurden wieder aus dem Gleich­gewicht gehoben durch das Entstehen eines Weltstadtgebildes. Heute ist ein Neues geworden, wo man wirklich von Einheitlichkeit und besonderem Ausdrud sprechen tann: die Arbeitsstadt Berlin , das natürliche Gesicht einer republikanischen Hauptstadt, bekommt Fulturelles Gepräge und gestattet es, in Rückblicken die Fremdförper wahrzunehmen, die jetzt Geschichte gewordene Zeiten in das steinerne Labyrinth der Millionen gefügt. Will man rascheste Geschichte und Zeitgeist eines Boltes tennen lernen, dann sieht man sich die Dent mäler der Hauptstadt an.

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Nationaldenkmäler.

Wer den Riefenbau des römischen Königsdenkmals gesehen hat, ber mit einem Aufwand von 50 Millionen, das Fünffache der Berliner Dom- Kosten, errichtet wurde und vorher Paläste als Schutt meg. tragen ließ, der begreift das chauvinistische Italien . Wer vor dem Nationalheiligtum Frankreichs , dem Pariser Pantheon, Rodius " Denker" sah, das ergreifende Bildwerk aus Menschheitssinnen, der ahnt die innere Erneuerung dieses freiheitsbegehrenden, auf die Dauer nicht militaristisch niederzuhaltenden Bolkes. In den großen Städten, den Hauptstädten der einzelnen Länder, stehen die Denk­mäler der Nation. Paris hat ein prachtvolles Denkmal der Republik. Das fleine München , der Gernegroß mit der Gediegenheit von Wollen und Können, hat seine beiden schönsten Denkmäler dem Bolte geweiht. Hinter dem Riesenstandbild der ehernen Bavaria, in deren Kopf zwölf Personen Platz haben, steht die Ruhmeshalle für die verdienten Bayern . Der 30 Meter hohe bronzene Obelist, eine Kost­barkeit auch in materieller Hinsicht, ist den 30 000 unter Napoleon in Rußland gefallenen Bayern gewidmet. Das sind im guten Sinn Nationaldenkmäler und was merkwürdig daran ist: ein funstsinniger Fürst, der nicht an seines eigenen Hauses Berherrlichung dachte, schenkte sie dem Bolt. Wir fragen uns: wo ist das Berliner National­denkmal, wo chrt die Hauptstadt deutsches und preußisches Volk? Um die Frage zu beantworten, die rein sachlich ein: Es steht nirgends, herausfordert, muß man an den Urgrund Berliner Denkmalsgeistes herantreten, muß die Formel finden, auf die sich die Denkmalstadt Berlin mühelos bringen läßt.

Preußischer Denkmalsgeist.

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Es ist eine einfache Formel: das Haus Hohenzollern setzte, seit Macht und Boltsgelder dazu hatte, sich selbst und seiner eigenen Berherrlichung Denkmäler und hatte die Unglaublichkeit, von Nationaldenkmälern zu sprechen, wenn es wieder einmal einen der Seinen in Stein ausgehauen oder in Erz gegossen hatte. Dabei ist aber zu beachten: der Selbstverherrlichungswille traf auf das

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Die Baumwollpflücker.

Roman von B. Traven .

Copyright 1925 by B. Traven, Columbus, Tamaulipas , Mexico , 11.

Ich wanderte also am nächsten Morgen wieder rauf zu Mr. Shine und fragte ihn, ob ich in dem Unterstande, in dem ich seinerzeit gehaust hätte, ein paar Tage wohnen dürfe. ,, Natürlich, Mr. Gale," sagte der Farmer, solange Sie

mollen."

Ich erklärte ihm warum und fragte ihn dann nach den Leuten, mit denen ich da gewohnt hatte.

,, Ach," antwortete er, der lange Nigger ist gleich den Tag nach Ihnen gegangen, ich glaube rauf nach Florida . Das geht mich nichts an. Der fleine Nigger, Abraham heißt er, scheint ein ganz geriebener Schlingel zu sein."

Wieso?" fragte ich.

Er hat mir da Hühner verkauft, gute Leghühner, wie er mir versicherte. Er hatte sie bei Indianern für einen Peso das Stück getauft, wie ich inzwischen erfahren habe. Mir hat er anderthalb Besos dafür abverlangt. Ich habe sie ihm auch bezahlt dafür, denn die Hühner waren gut genährt. Aber mit den guten Leghühnern hat er mich reingelegt, der schwarze Teufel. Mit dem Legen ist nicht viel los bei ihnen. Aber na, das Fleisch ist es ja wert."

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,, Und was ist mit dem Chink und den beiden Meri fanern?"

Die sind am Montag sehr früh hier vorbeigefommen. Ich habe sie vom Fenster aus gehen sehen. Soviel ich weiß, find sie nach Pozos gegangen. Diese Station ist nicht ganz so weit als die, von der Ihr gekommen seid. Der Weg ist auch beffer, weil wir jetzt diese Station selbst benutzen, während wir in früheren Jahren immer zu der anderen gingen. Aber Pozos liegt bequemer für uns; früher hatten wir nur feinen Weg. Seitdem aber die Delleute gekommen find, haben die einen Weg geschaffen. Ich empfehle Ihnen, wenn Sie wieder zurückgehen, auch diesen Weg, da fönnen Sie ab und zu fchon einmal ein Auto antreffen, wo Sie jumpen fönnen. Nebenbei bemerkt, warum wollen Sie denn in dem Unterstand hausen, Sie können doch in dem Hause wohnen,

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Rönnen von Künstlern, bereicherte die Hauptstadt mit Runstwerten, bis er zuletzt, hemmungslos und völlig geistlos unter dem Cäsaren Bahn des Lehtgekrönten geworden, fünstlerische Tat im Reim er­sticte. Da steht auf der Brüde ein altes Dentmal, das des Großen Kurfürsten, das man unbedenklich als Deutschlands schönstes Fürsten­in seinem Meisterwahn den Gedanken behandelte: in den vier pracht­denkmal bezeichnen fann. Aber man sehe sich an, wie Schlüter vollen Gestalten des Sockels ist es der menschliche Ausdrud in Ge sicht und Gebärde, der ergreift und hinreißt. Es ist ein Kunstwert im besten Sinne. Gehen wir über den Schloßplay, wir sehen edte Werke der Bildhauerkunft, die Roffebändiger, die Diosturen, in Mitte des Blazes wieder ein stattliches Fürstendentmal, auch von starter Künstlerhand geschaffen, aber schon angetränkelt von Berherrlichungs­willen, schon ein Berzicht auf den menschlichen Ausdrud, etwas wie byzantinische Deflamation. Ueber die Brücke das andere große Wert

Das Virchow- Denkmal.

Rauchs, das Denkmal Friedrichs des Großen, meisterhaft in der Behandlung von Pferd und Figur, den Sockel aber umtleistert mit Geschichtsanschauung. Lehrhaftes beginnt Kunst zu zerstören. Wir gehen über die Puppenbrüde" zurüd, deren weiße Marmorplastiken, Leben und Sterben eines Helden darstellend, Kunstwerte genannt werden dürfen, weil der Künstler es vorzog, mit flassischer Splitter­nadtheit zu arbeiten, statt seine tapferen Jünglinge und Männer in preußischen Kommis zu stecken. Befriedigt nähern wir uns dem

Ich lachte. ,, Nein, Mr. Shine, das Haus tenne ich zur Genüge. Ich betrete es nicht mit einer Zehenspize. Das ist die reine Moskitohölle."

,, Na, wie Sie wollen. Ich habe mit meiner Familie fünfzehn Jahre drin gewohnt. Wir sind von den Mostitos nicht merklich geplagt worden. Aber Sie können schon recht haben. Wenn so ein Haus lange nicht bewohnt wird, nicht genügend Luft reinkommt, sammelt sich schon allerhand von diesem Zeug an. Ich bin übrigens seit einem Vierteljahr nicht oben gewesen, weiß gar nicht, wie es da herum augen­blicklich aussieht. Und wahrscheinlich fomme ich im ganzen nächsten Vierteljahr auch nicht rauf. Ich habe ja da oben nichts verloren. Ab und zu lasse ich mal die Pferde und die Mules rauftreiben, weil sie da herum genügend Gras finden und ein Tränkepfuhl oben ist. Aber, wie gesagt, es ist mir gleichgültig, wo Sie Ihre Wohnung aufmachen. Mich stören gleichgültig, wo Sie Ihre Wohnung aufmachen. Mich stören Sie nicht, und Sonntags fönnen Sie schon mal runter fommen und eine Tasse Kaffee mit uns trinken und ein Stück Kuchen effen."

Ich richtete mich oben in meinem Unterstande wieder ein. Mein Feuer machte ich mir jetzt gleich vor dem Unterstand, Mein Feuer machte ich mir jetzt gleich vor dem Unterstand, meil dort in der Nähe des Hauses, wo sonst unser gemein schaftliches Feuer gewesen war, ja doch keine Unterhaltung schaftliches Feuer gewesen war, ja doch keine Unterhaltung gepflogen werden konnte, denn es war ja niemand da.

Ich lebte jetzt in schönster Einsamkeit. Als einzige Ge­fährten hatte ich nur Eidechsen, von denen zwei sich in drei Tagen so an mich gewöhnt hatten, daß fie all ihre angeborene Scheuheit vergaßen und mir an und auf meinen Füßen die Fliegen megfingen, die dort nach Krümelchen von meinen Mahlzeiten fuchten.

Tags über kroch ich in dem nahen Busch herum oder be­obachtete die Tiere bei ihren Handlungen oder las in den Zeitschriften, die ich vom Camp mitgebracht hatte.

In Wasser konnte ich schmelgen, so reichlich hatte ich es, weil es inzwischen einige Male gut geregnet hatte und der Tant beim Hause zu einem Drittel gefüllt war. Wir hatten ja derzeit die Auffänge in Ordnung gebracht.

Ich konnte mich sogar waschen und mir den Lurus leisten, mich fogar zweimal des Tages zu waschen. Kaffee tochte ich in Riesenmengen, teils um die Zeit zu vertreiben, teils um so viel Borrat in mich hineinzutrinken, daß ich gut wieder einmal einen Tramp von einigen Tagen durch wasserlosen Busch aushalten fonnte. Da ich im Store hatte tüchtig ein

WALNELY PF CROSSE

Schloß und dem, was als Nationaldenkmal Wilhelms des Großen" in deutsche Lande hinauspofaunt und zum größten Teil in die Spree hineingebaut wurde, und unsere heitere Miene erstaunt in grenzen­losem Erstaunen.

Das Nationaldenkmal".

Welch ein Gegensatz zu Eosander von Goethes herrlichem Schloß­portal! Dort edle Reinheit der Linie und selbst in der Bracht noch etwas wie schlichte Größe hier alles aufgelöst in nichtssagende Vielheit mit verwirrender Ueberladung. Uebelster Barof, Häufung von Fahnen und Mordwaffen, ein Arsenal für sich, die Löwen ohne Wirkung, die Hauptfigur selbst, reitende Majestät, ge­führt von einem Ballettmädchen, eindruckslos, ohne Größe, ohne jede menschliche Wirkung und damit auch der Kunst bar. Und so sind fie fast alle, die fündhaft teuren wilhelminischen Bildwerke. Dies Denkmal müßte als Abschluß der Siegesallee stehen, wenngleich hier die Siegessäule faum zu entbehren ist mit dem schandhaften Frauenzimmer in schwindelnder Höhe, dem der Volksmund nach­rühmt, daß es kein Verhältnis hat". So entwickelt sich preußischer Geist: von den Puppen der Generäle, mit denen die Gegend um das Opernhaus und der Wilhelmplak übersät sind, bis zum Brozenhaften des wilhelminischen Imperialismus, das in den drei Denkmälern des Rönigsplates allein Anflug von Künstlerischem gestattete, aber auch diesen durch Materialverschwendung und die Starrheit des imperia­listischen Ausdrucks hemmte und erstickte. Unerfreuliches, Hinweg­geschmemmtes war das, leider Stein und Erz bleiben. Höfische Kunst, wertvoll als Material für den Anschauungsunterricht, aber alles eher als Denkmäler für das Volt. Da steht die junge Majestät, als sie noch nicht stubenrein war, ein Marmorhündchen zur Seite und an anderer Stelle, am Charlottenburger Ausgang des Tiergartens, vergeuden Reifrod, Perücken und allerhand unzeitgemäß Gemordenes teures Material. Wir wenden uns ab aber wohin? Den Denk mälern der Arbeit zu, um sogleich zu entdecken, daß hier der Auf mand gering im Vergleich zum anderen, schmählich vertanen, 35 nennen ist.

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Denkmäler der Arbeit.

Wo ist auch nur für einen der großen verdienstvollen Deutschen , für Männer geistiger Arbeit, ein Nationaldenkmal zustande ge tommen? Goethe, Schiller, Lessing haben hübsche Dent. malchen für Berlin genügen sie nicht. Das große österreichische Dreigestirn der Musik hat im Tiergarten eine Art Marmormederhaus erhalten, ein gebührendes Erinnerungsmal ist es nicht geworden. Dazu langten dynastische Mittel nicht. Schön sind die Humboldt­Denkmäler vor der liniversität, erschreckend häßlich die neuen Standbilder vor der alten Bibliothek( an welchem Platze man übrigens, verteilt auf die Gesimse und Brüstungen an fünfzig Figuren in allen Stellungen: schwebend, tänzelnd und starrend zu Gesicht bekommt). Darüber hinaus sind Ansätze zu schönen Ge­lehrtendenkmälern vorhanden, so das Schulze- Delitzsch- Denkmal an der Köpenicker Straße . Vergessen wollen wir nicht, auf das Luther­Denkmal hinzuweisen, dessen theatralische Unmöglichkeit wohl nie mehr übertroffen werden kann. Und wir sehen, ermüdet und fast hoffnungslos, ein Denkmal, das in Gedanken und Ausdruck volts= fümlich genannt werden darf. Es ist das Virchow- Denkmal vor der Charité. Vorbildliches Erinnerungsmal an Arbeit für das Volk: auf hohem Sockel, der von dorischen Säulen flankiert ist und das Bruftbild des Gefeierten trägt, der Kampf eines heldenhaften Be­zwingers mit der Seuche es fönnte ebenso gut den Kampf der neuen mit der alten Zeit darstellen. Und hier drängt sich uns eine

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| taufen können, Geld hatte ich jetzt reichlich, so lebte ich wirklich einen guten Tag. Sorgenfrei, weder durstig noch hungrig, ein freier Mann im freien tropischen Busch, Siesta haltend nach Belieben, herumstreifen wo und wann und solange ich wollte. Es ging mir gut. Und dieses Gefühl lebte ich auch voll bewußt.

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Der Tant, aus dem ich mein Wasser holte, war dicht an dem alten Hause. Und zu diesem Hause hatte ich jedesmal etwa 250 Schritte von meinem Unterstand aus zu gehen.

Das Wasser holte und schöpfte ich mit einer von diesen Konservenbüchsen, die 40 Liter Inhalt haben. Mit Konserven in fleinen Büchsen gibt man sich hier nicht viel ab, höchstens wenn es sich um schnell verderbliche Ware handelt.

Das Haus, das man überall, nur nicht in Zentralamerika , eine ganz elende Bretterbude nennen würde, faum gut genug, um auf einem Bauplah als Lagerschuppen zu dienen, stand auf Pfählen. Die meisten Häuser hier, besonders außerhalb der größeren Städte, werden auf Pfählen errichtet. Stünden fie auf flacher Erde, wären sie vielleicht gar noch unterkellert, so würden sie in der Regenzeit jeden Tag zweimal über­flutet. Das ist aber nicht der einzige Grund. Bei einem auf Pfählen ruhenden Haus kann der Wind von allen Seiten unter dem Fußboden hin- und herfegen und so das Innere des Hauses kühl halten. Außerdem bekommt ein Haus, das in dieser Art gebaut ist, nicht so viel unerwünschte Gäste, wie Schlangen, Eidechsen, Storpione, Spinnen, Milliarden von Ameisen, Grashoppern, Grillen und tausenden anderen unan­genehmen lleberläufern aus dem nahen Busch. Alle diese mehr oder meniger erfreulichen Bewohner des tropischen Busches flettern natürlich auch an den Pfählen hoch, fönnen aber doch nicht in solchen Mengen und so leicht ins Haus ge­langen, als wenn das Haus auf ebener Erde errichtet wäre.

Alle die Gründe, die den Menschen hier veranlassen, sein Haus in dieser Form zu erbauen, find die gleichen geblieben, die unsere Urvorväter zwangen, sich eine Behausung in den Wipfeln der Bäume zu bauen.

Ein Holzhaus, so errichtet, erbebt, erzittert und schwankt oft beim Sturm so, daß man glauben fönnte, es sei in der Tat auf einem Baume errichtet.

Die Indianer freilich haben ihre Hütten zu ebener, Erde. So zu ebener Erde war ja auch mein Unterstand, wo das Buschgetier aus- und einging, als wäre es sein gutes Recht. ( Fortjehung folgt.)