Dienstag
7. Juli 1925
Unterhaltung und Wissen
Der Wahrheitsucher.
Bon Jodocus.
Ich fannte mal einen Herrn.
Der war riesig modern
Und plagte so vor Intelligenz,
Daß er eine große Erfindung machte
Und an Hand eines Manschettenknopf- Reichspatents
Die deutsche Technik zur Blüte brachte.
Ich fannte mal einen Herrn.
Wir hatten ihn gern.
Der hat an der Spize seiner Armee
Sich auf den Seftkonsum geschmissen
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Und hielt feste durch beim Heldendiner Und ging feste druff
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- hinter den Kulissen.
Ich fannte mal einen Herrn.
Es lag ihm fern,
Bor feindlichen Kanonen zu fliehen. Er hat bis zuletzt den Degen geschliffen. Dann ist er heldenhaft aus Berlin
Beim glorreichen Giege ausgefnissen.
Ich fannte mal einen Herrn, Der friegte fern
Ein Heimweh nach stillem Winkelglüd. Innerpolitische Gefahr? Bagatelle!
Man holte ihn tränender Seele zurüd. Nun sitzt uns der Held wieder auf der Belle.
Ich fannte mal einen Herrn,
Der mit Helm und Stern
Bei jedem Revancheflimbim erschien,
Mit Etappentoftüm und Heldengeschwätze. Doch leider hatten wir nichts für Ihn Als powere Renten und Tafelauffäße! Ich kenne da einen Herrn, Der mieder gern
Nach der unangenehmen Wahrheit fragt. Berflucht! Wir hatten doch unterdessen Dem Herrn so oft die Wahrheit gesagt! Nun haben wir sie leider selber vergessen!
Die Erde bebt.
Bon Mag Barthel
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sib
Die Lichter des Carlingtonhotels feuchteten in bie nahe Nacht. Die Sonne war in purpurnen und scharlachroten Bränden im Meer perfunten. Palmen miegten fich im Abenbind. Bezte Segler tamen zurüd und trieften vom Licht. An dem weißen Strand saßen noch Sommergäste, sahen in das Farbenspiel des Wassers, in die en ber grellen und fanften Silberfarben und lauschten der fernen Nigger mufit, den aufreizenden Melodien aus Urwaldbruft und tierischer Kraft. Die Sommergäste waren reiche Leute aus der Union und verbrachten hier in Santo Paolo licht- und lusterfüllte Wochen. Aber ihre Sommerhäuser und der Strand waren nicht nur zur Luft da, zur Börsenstunde faßen die großen Macher der Getreides, Del- und Kupferpreise in ihren Arbeitszimmern, hörten die drahtlosen Meldungen ab und ftanden mit den Hauptpläßen des Landes in funtentelegraphischer Berbindung.
Mit dem letzten Abendzug fam auch Morton Walter, ein befannter Macher für Petroleum aus Chicago , in die kleine Stadt. Walker besaß hier dicht am Strand, am Ende der großen Palmen allee ein Sommerhaus. Aber er tam nicht allein. Dicht auf seinen Fersen faß William Wright, der Spigel von der Eastern Dil- Compagnie. Als sich die Reporter am Bahnhof auf Mister Walker stürzten, auch Santo Paolo hielt auf eine gute Bresse, mehrte dieser lächelnb ab und verwies fie mit großartiger Handbewegung an Brigth.
Geht zu ihm, Jungens," sagte der große Waffer, Er weiß über meine Pläne besser Bescheid als ich." Die Reporter stürzten sich auf Brigth, Walfer aber beftieg lächelnd das wartende Auto und fuhr, um seine Spur zu verwischen, nach Carlington. Als Wrigth endlich die Reporter abgeschüttelt hatte, saufte er mit seinem Wagen nach dem Strand hinunter.
Mister ist nicht zu Hause, Mister ist sehr beschäftigt, Mister kommt erst mit dem Morgenzug," sagte der Sekretär Joe Green, der von Carlington längst schon unterrichtet war, und setzte dabei eine so eiskalte Miene auf, daß auch Wrigth eine Maste vor sein sowieso schon undurchdringliches Geficht legte, schon gut, old boy," fagte und dem Diener zehn Dollar in die Hand brüdte. Dann lehnte er sich verdroffen in seinen Wagen zurüd, hatte keinen Blid für das verdunkelte, leise donnernde Meer übrig und fuhr nach dem Carlington- Hotel.
Er kam gerade zur rechten Zeit, um im Raudyfalon den Schluß der Rede des Bischofs Horse anzuhören. Horse war ein gesunder und beleibter Mann in den besten Jahern, er unterschied sich durchaus nicht von einem glücklichen Geschäftsmann. Nur seine Augen leuchteten fanatisch und verrieten in der verfetteten Bruft ein löwenhaftes Herz. Vor dem Bischof saß auch der große Walker, und der Spizel freute sich, daß er ihn in der Falle hatte. Während der Bischof seine Rede beschloß, berechnete Brigth die fetten Spefen, die er haben sollte, wenn der Anschlag auf die Bohrtürme vereitelt würde. In Santa Roja waren plötzlich die Delquellen verfiegt, die Eastern Dil- Compagnie wollte sie schon aufgeben, als der gut überwachte Walter ins Petroleumgebiet reifte. Santa Rofa lag nur eine Stunde Bahnfahrt von Santo Paolo entfernt.
Meine Herren," schloß der Bischof seine Rede, und ich sage dennoch: es find unfere Brüder. Dreihundert Zimmer hat Carling. ton, aber vergeßt nicht, daß dort drüben im Gefängnis dreihundert Männer in dumpfen Zellen leben. Wer wirft den ersten Stein auf fie?"
Jch," sagte Walter und redte sich auf, ich werfe den ersten Etein. Ich will genau so theoretisch über das Gefängnis reden wie unser hochperehrter Bischof. Dreihundert in Carlington und dreihundert in Ironhome, Bischof, allright, die Zahl stimmt, aber sonst nichts. Wir bauen auf, die anderen dreihundert reißen nieder. Wir stüzen die Gesellschaft, die anderen erschüttern ihre Grundlage. Bir find Bürger der Staaten, die anderen Diebe, Straßenräuber, Mädchenschänder, Tramps. Sind schon am rechten Platz, die dreihundert hier und dort, Bischof."
Die Herren im Rauchsalon lachten. Brigth, der Oberfpitel, rieb sich die Hände. Ja, das war der große Walfer . Er weiß,
„ Halt, wohin?"
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KÖNIGL
R
SCHLOSS
Beilage des Vorwärts
Ich suche die Wahrheit."- Die ist hier niemals zu Hause gewesen!"
hunderttausend Dollar stehen auf dem Spiel, aber er spricht mit dem verrückten Bischof über Gott und Teufel und denkt doch nur an die neuen Quellen und daran, wie Brigth von der Eastern Dil überlistet werden kann.
Der Bischof Horse hatte den ganzen Tag im Gefängnis verbracht. Das Elend der Gefangenen hatte ihn so erschüttert, daß er am Abend, als er die fühle Pracht im Carlington und die Nerogesichter der sicheren Bürger und Gelbleute sah, nicht schweigen fonnte. Wilde Wut überfam sein Herz. Walker fannte er von Chicago . Walter war im Kirchenrat der Sette. An ihn wandte er fich also und brachte das Gespräch auf die Gefangenen. Darauf bekam er diese Antwort. Sein tapferes Herz ergab sich nicht. „ Ich weiß nicht," sagte der Bifchof und ließ die Tieraugen funteln, ich weiß nicht, Mister Waller, wer am meisten die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft erschüttert, die dreihundert im Carlington oder im Ironhome..." Wir machen aus der Welt eine große Maschine des Geldverdienens, eine Profitfarre mit frachenden Eisentiefern und malmenden Baden, und wer sich Carlington nicht beugt, der wird ausgestoßen, eingesperrt, wenn er Dieb oder Straßenräuber für unsere Schuld geworden ist."
Bischof," antwortete Mister Hall, ein bekannter Weizenmakler mit milder Stimme, dergessen Sie, bitte, nicht, Carlington ist keine Kirche. Predigen fönnen Sie am Sonntag in der Kathedrale. Ich komme auch, Bischof. Heute lösen wir die soziale Frage nicht mehr."
Der Bischof Horse antwortete nicht. Er faß da, zerfallen und plöglich übermüdet. So war die Erde, ja. Und darum war er für den Himmel, für den großen Ausgleich, die große Klarheit des Lichtes und der Gerechtigkeit. Dann dachte er an den Gefangenen Schilling, den er heute besucht hatte, und der wegen Mordes angeflagt. Warum war er wegen Mordes angeflagt? hatte er einen Menschen getötet? Nein, Schilling führte den Streif der Delarbeiter. Ein Polizist fiel durch eine Spigelbombe. Darauf hin Ein Polizist fiel durch eine Spigelbombe. Darauf hin wurde gegen Schilling die Anflage wegen Mordes erhoben.
( Schluß folgt)
Amerikanische Wegweiser. Die Amerikaner verbinden eine großzügige Gabe der Organisation mit einer originellen Ursprüng lichkeit, und diese Mischung drückt sich besonders anschaulich in den zahllosen Wegweisern aus, die in dem weiten Land überall auf gestellt sind. David Worrall, der die Vereinigten Staaten im Kraft magen nach allen Richtungen durchkreuzte, hat diesen Wegweisern besondere Aufmerksamkeit gewidmet und plaudert recht luftig darüber:„ Jeder Staat hat in dieser Beziehung seine eigenen Ideen, aber die meisten Wegweiser und Tafeln, die man am Rande der Chauffeen findet, sind sehr wirksam abgefaßt und bleiben im Ge dächtnis haften. Auf einem abschüssigen Wege in Kolorado zeigt ein Pfeil direkt in einen Abgrund, in dem Duzende von Kraftwagen zerschmettert liegen, so tief unten, daß sie wie Spielzeug aussehen. Unter dem Pfeil steht zu lesen: Halte an oder folge diefen!" Ein häufiges Zeichen an den Wegweisern bei Eisenbahnkreuzungen ist ein Totenschädel mit zwei gefreuzten Knochen darunter, was nicht gerade einladend wirft. Beniger schauerlich sind die Warnungen an den Straßenecen fleinerer Städte: Fahr langsam und sieh
die Stadt! Fahr schnell und sieh unser Gefängnis!"" Sei kein rafender Narr!" wird an einem anderen Wegweiser dem Kraftfahrer zugerufen, und jedenfalls ist dieser Rat weniger schrecklich als die Frage, die manchmal auf den Warnungstafeln zu lesen steht: Würdest du gern deine eigenen Kinder töten?" Obwohl es taum eine Stadt oder ein Dorf in den Vereinigten Staaten gibt, die nicht in ihrem Bereich eine Verminderung der Geschwindigkeit auf höchstens 25 Kilometer in der Stunde verlangen, so wird doch nur ganz selten dem Kraftfahrer gesagt, mann er wieder schneller fahren darf. Manche tun es, und diese Höflichen fügen gewöhnlich noch die freundlichen Worte hinzu:" Dank schön, tomm wieder!" Man kann durch fast jeden Staat in Nordamerika ohne Karten reisen und doch an jedem Meilenstein feststellen, wie weit man noch von der nächsten Stadt oder Ortschaft entfernt ist, da die Streckenangaben auf den Hauptwegen im ganzen Lande überaus genau sind.
Was tosten fremdländische Tiere? Wir haben gegenwärtig eine außerordentliche Hausse in fremdländischen Tieren zu verzeichnen. Das ist vornehmlich darauf zurückzuführen, daß die Tierbestände aller europäischen Zoologischen Gärten während des Krieges und in der Nachkriegszeit erheblich vermindert wurden und daß namentlich in Deutschland der Bestand der meisten Tiergärten zum großen Teile eingegangen ist. Diese Tiergärten gehen jezt mit Eifer daran, sich Ersatz zu verschaffen, so daß eine starte Nachfrage nach fremden Tieren herrscht. Wie überall, so gilt auch auf dem Tiermarkt das Gesetz: Je stärker die Nachfrage, desto höher die Preise. Ein ein höderiges Kamel 3. B. toftet gegenwärtig 1000, ein zweihöderiges 2000 Goldmart. Nicht daß der zweite Höcker soviel mehr wert märe; die zweihöckerigen Kamele find in der Gefangenschaft viel schwerer durchzubringen, so daß das Risiko der Händler hier ein viel größeres ist. Eine einigermaßen ansehnliche Giraffe foftet etwa 20 000 m. Ein Elefantenweibchen fostet 120 000 m. Da indes die meisten Tiergärten auch heute noch mit großen Geldschwierigkeiten zu fämpfen haben, werden die Tierbestände zum großen Teil auf dem Tauschwege ergänzt. Die einzelnen Tiergärten haben untereinander ein ausgedehntes Tauschsystem eingerichtet, indem Tiere, die in dem einen Garten in mehrfacher Zahl vorhanden sind, abgegeben und gegen Tiere der anderen Gärten eingetauscht werden.
Aerztliches Zeremoniell im dreizehnten Jahrhundert. Die alten Jahrbücher der Medizin handeln nicht nur von Krankheiten und ihrer Heilung, sie sind auch bemüht, Regeln für die Lebensart aufzustellen, deren sich der Arzt bei Ausübung feines Berufes zu be fleißigen hat. Von dieser Anstandslehre für Aerzte enthält eine „ Wenn Handschrift aus dem 13. Jahrhundert ergögliche Broben. Ihr an das Krantenbett berufen merdet," heißt es dort, so seid liebenswürdig gegenüber dem Boten, der Euch holt, und sucht Euch bei ihm darüber zu orientieren, ob der Kranke, zu dem Ihr be rufen werdet, feit fürzerer oder längerer Zeit schon leidet und wie er zu dieser Kranfheit gekommen ist. Seid Ihr dann bei dem Batienten, so gebt Eurem Gesicht einen ruhigen und vertrauenermedenden Ausdrud und vermeidet in Sprache und Bewegung alles, mas als Habgier oder Hochmut ausgelegt werden könnte. Entbietet denen, die Euch grüßen, mit demütiger Stimme den Gegengruß und setzt Euch erst, wenn diese Blaz genommen haben. Dann bleibt einen Augenblick finnend sizen, um Atem zu schöpfen, und sucht in Eueren Worten den Dialekt des Landes, in dem Ihr seid, auszudrücken. Dann erft wendet Euch dem Kranken zu und fragt nach seinem Befinden."