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Nr. 317 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 163

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Mittwoch, den 8. Juli 1925

Nach dem Abbruch in Paris  .

Erklärungen der deutschen   Delegation und des französischen   Handelsministers.

Paris  , 7. Ju( WIB.) Die deutsche Wirtschafts- 1 delegation hat der französischen   Preffe folgende Erklärung übermittelt: Die deutsche Delegation bedauert, daß die feit neun Monaten geführten Verhandlungen nicht so zeitig zum Abschluß gekommen Find, daß die Ratifizierung eines Abkommens durch die Parlamente der beiden Länder vor ihren Ferien er­

möglicht werden konnte.

Wie ein am 14. Juni durch das französische   Handelsministerium veröffentlichten kommuniqué festgestellt hat, glaubt die deutsche De­legation, daß die von Frankreich   für die hauptsächlichsten deutschen  Exportartikel gemachten Konzessionen( Chemikalien, Maschi­nenartikel, kleineisenprodukte, optische Erzeug­niffe, elektrische Artikel, Lederwaren, Keramik und Spielwaren)

nicht ausreichend

find, um das Gleichgewicht herzustellen, das eine Grundlage für das Handelsabkommen hätte ergeben fönnen. Andererseits hat die französische   Wirtschaftsdelegation die von Deutschland   gemachten Bor­schläge, namentlich was Wein, Woll- und Baumwollgewebe fowie Automobile anbetrifft, für ungenügend erklärt. Es ergibt fich also daraus, daß die zwischen den beiden Delegationen entstande­nen Meinungsverschiedenheiten sich auf wirtschaftlichem Gebiete fundgetan haben.

Keinen Augenblid dagegen haben in der Diskussion politische Fragen eine Rolle gespielt

und in irgendeiner Weise die von der deutschen   Regierung einge. nommene Haltung beeinflußt. Die in den letzten Tagen hierüber gemachten Bemerkungen entbehren also jeder Grundlage.

Handelsminister Chaumet erklärte heute abend den franzö­fifchen Preffevertretern über die Unterbrechung der deutsch  - franzö­fifchen Wirtschaftsverhandlungen: Wir haben das Menschen. mögliche versucht, um rajch zu einem praktischen Ergebnis zu tommen. Der gute wille der deutschen   Unterhändler fann nicht bezweifelt werden, aber sie werden

Frankreichs   Chinapolitik.

Antibritisches aus der Kammer.

Paris  , 7. Juli( Eigener Drahtbericht.) Die französische  Kammer hat am Dienstag die Beratung der von der Regierung

gehindert durch Forderungen gewisser Industrieller und

Landwirte.

Andererseits haben wir nicht die hauptsächlichften Industrien unseres Landes opfern fönnen. So haben es eben die verschiedenartigen Inter­effen unmöglich gemacht, vor der Beendigung der Parlaments­feffion, wie man es wünschte, zu einem Abschluß zu gelangen. Unter diesen Umständen haben die deutschen   Delegierten es vorge­zogen, die Verhandlungen zu unterbrechen. Nach gemeinsamer Ueber­einkunft haben die beiden Wirtschaftsdelegationen beschlossen, ihre Arbeiten erst am 15. September wieder aufzunehmen, um während der Parlamentsferien jede Diskussion zu verhindern. Bevor sich die Delegierten trennen, werden sie noch die Prüfung einiger in der Schwebe gebliebene: Einzelfragen beenden.

Weitergang des Provisoriums.

Paris  , 7. Juli.  ( WTB.) Nach der gestrigen Unterredung zwischen Staatssekretär Dr. Trendelenburg und Handelsminister Chaumet ist folgendes gemeinschaftliche Kommuniqué ver öffentlicht worden: Die Führer der deutschen   und französischen  Wirtschaftsdelegation hatten, wie vorgesehen, eine Besprechung, um die Frage zu prüfen, wie während der Vertagung der Verhandlungen die Verbindung aufrechterhalten werden soll. Es wurde beschlossen, daß sich die beiden Delegationsführer am 15. September zur Prüfung der Lage wieder zusammenfinden und daß die am 28. Februar getroffene Abmachung erneuert wird, nach der beiderseits die Verpflichtung über­nommen wird, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich   und Deutschland   nicht durch ausschließlich oder beson ders gegen das andere Land gerichtete Maßnahmen zu stören und nötigenfalls Beschwerden wegen der Handhabung der Ein­und Ausfuhrverbote und Anträge auf Ein- und Ausfuhrbewilligun gen wohlwollend zu prüfen.

Da es für notwendig gehalten wurde, schon jetzt einige Punkte festzulegen, die am 15. September von den beiden Delegations­führern geprüft werden sollen, wird Staatssekretär Dr. Trendelen­burg noch einen bis zwei Tage in Paris   bleiben.

Die Selbstverwaltung Indiens  -

hat noch Zeit.

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beantragten Rafifikation der beiden am 6. Februar 1922 in Washing  - Indien   Lord Birkenhead   u. a. aus: zwischen ihm und dem Bize­ton beſchloſſenen internationalen Abkommen über China   begonnen. Das erste diefer beiden Abkommen, die von Frankreich  , China  , den Ber­einigten Staaten, England, Italien  , Belgien  , den Niederlanden und Japan   unterzeichnet sind, hat die territoriale 3ntegrität Chinas  , das zweite eine Revision des chinesischen Zolltarifs zum Gegenstand. In der Begründung der Regierungsvorlage wies Briand   u. a. darauf hin, daß zwischen den Mächten eine neue Konferenz zur Regelung der Probleme, die durch die jüngsten Ereigniffe in China   aufgeworfen worden feien, in Aussicht genommen sei. Erst wenn die Integrität und die Freiheit der Entwicklung Chinas   international anerkannt und sichergestellt sei, werde man von China   erwarten dürfen, daß es sich den Fortschritten der europäischen   Zivilisation nicht länger verschließt. Jedenfalls habe China Frankreich, das sich die Sympathien des chinesischen Bolkes zu erwerben und zu erhalten verstanden habe, nichts vor­zuwerfen.

In der Debatte warnte der sozialistische Abg. Moutet die Regierung davor, sich im Fernen Often in das Schlepptau der englischen Politik nehmen zu laffen. Der angeftrebte Abschluß des Bertrages dürfe Frankreich   unter feinen Umständen dazu verführen, England in blinder Solidarität, die politisch gefährlich sei und viel­fach den französischen   Intereffen zuwiderlaufe, überallhin zu folgen.

Vertagung der Caillaux  - Reform? Sozialisten und Umsatzsteuer.

Paris  , 7. Juli.  ( Eig. Drahtbericht.) Die sozialistische Fraktion der Kammer hat am Dienstag beschlossen, unter alien Umständen an Der von der Kammer angenommenen, vom Senat aber wieder ge­strichenen Befreiung der fleinen Handwerker, die außer ihren Familienmitgliedern nicht mehr als einen Gesellen be­schäftigen, von der Umfassteuer est au halten. Die anderen Gruppen des Linkskartells sollen zu einer gemeinsamen Besprechung aufgefordert merden, ob es angebracht ist, die von der Regierung verlangte Verabschiedung der Caillaugschen Steuergesetze noch vor den Ferien vorzunehmen. In der Fraktion neigt man zu einer Bertagung der Beratungen bis zum Herbst. Ein endgültiger Be schluß darüber soll jedoch erst nach Fühlungnahme mit den anderen Kartelparteien gefaßt werden.

London  , 7. Juli.  ( Oberhaus. WTB.) In seiner Erklärung über die Politik der Regierung in Indien   führte der Staatssekretär für fönig seien feine entscheidenden Vereinbarungen getroffen worden, ebensowenig habe auch das Kabinett eine Entscheidung getroffen. Bevor daran gedacht werden könne, sich über die Montagu- Chelms­ ford  - Verfassung schlüssig zu werden, müßten gewisse, nicht zu um gehende vorbereitende Schritte getan werden. Der stellvertretende die Beratungen auf dem laufenden gehalten worden, obgleich weder Bizekönig Lord Lytton   und die Regierung von Indien   seien über Lord Lytton   noch seine Regierung durch die Beratungen irgendwie in ihrer Verantwortlichkeit berührt würden. Bevor man irgendeine Entscheidung treffe, müsse man die Regierung von Indien   darum Man müsse auch die Ansicht der Gesetzgebenden Versammlung ein ersuchen, die Angelegenheiten zu prüfen und Ratschläge zu erteilen. holen. Die britische   Regierung dente nicht im Traume daran, Ent­scheidungen ohne die Mitwirkung jener sehr wichtigen gesehgebenden Körperschaft, die erst vor kurzer Zeit ins Leben gerufen worden sei, weiter, das Reformerperiment von 1919 sei äußerst fühn gewesen. bekanntzugeben oder auch nur zu fällen. Lord Birkenhead   erklärte Man habe es unternommen in der Atmosphäre des Nachkriegs­idealismus. Lord Birkenhead   wies darauf hin, daß in der Ein­leitung der Akte von 1919 die Grundsäge niedergelegt worden seien, nach denen zu gegebener Zeit der Versuch mit dieser oder jener sich von den in dieser Einleitung enthaltenen Verpflichtungen nicht Form einer Verfassung gemacht werden könne. Die Regierung werde durch die Tattik ungeduldiger Leute abbringen lassen.

Drohungen oder Gewalt seinen ungeeignete Mittel, um die An­gelegenheit zu beschleunigen.

Es scheine ihm nicht ausgeschlossen, daß auch sehr vor fichtige Staatsmänner eine frühere Einberufung der königlichen Kommission zur Revision der Reformen empfehlen könnten, obwohl die von der am besten organisierten Bartei Indiens   befolgte Tattit zum Gegendruck herausfordere. Der nationalistische Geist, der in den letzten Jahren Großbritannien   am meisten Schwierigkeiten ge­macht habe, erstrebe ein nationalistisches Indien  . Eine der größten Sorgen für England bestehe in den Streitigkeiten zwischen Mohammedaner und Hindus, die zum wilden Kampf führen würden, wenn sich England aus Indien   zurück 3 öge. Sollte Großbritannien   fich feiner Berantwortung in Indien   entziehen, jo würde das für Indien   selbst verhängnisvoll sein.

Minderheitenschutz im Völkerbund.

Der Minderheitenausschuß des Warichauer Völkerbundfongreffes beichloß, dafür zu wirken, daß der Völkerbund alle von den Minderheiten vorgebrachten klagen und Beschwerden und ihre Erledigung regelmäßig beröffentlichen solle.

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Landbund und Wissenschaft.

Das Schutzollprogramm ohne Begründung.

Der Reichslandbund sah sich offenbar unter dem Eindruck des starken Widerstandes der Wissenschaft, der Arbeitnehmer und meiter Kreise des Handels und der Industrie

veranlaßt, sein Schutzollprogramm durch) prominente Land­bundführer vor Pressevertretern neu zu begründen. Gelungen ist ihm das nicht. Durchweg sind nur die alten Argumente vorgebracht worden. Der Reichslandbund verwahrte sich durch den Mund seines Präsidenten Sepp ganz entschieden gegen den Vorwurf, daß die Landwirtschaft aus berufsegoistischen Intereffen oder gar aus besonderer Vorliebe für die Groß­agrarier die Schutzölle fordert. Diese Abwehr ist ein aus­fichtsloses Unterfangen. Denn die Vorliebe aller Kreise für agrarische Schutzölle nimmt ab in demselben Ber­hältnis, wie die Kenntnis der Zusammenhänge der Gesamtwirtschaft zunimmt. Es ist doch fein Zufall und keine Berbohrtheit, wenn gerade die Vertreter der Wissenschaft heute zusammen mit denen der Arbeiterschaft gegen Schußzölle sind. Der Arbeiterschaft kann man vorhalten, daß sie Konsumentenpolitik treibe ein Borwurf, dem man nach dem fatastrophalen Fiasto der Produzentenpolitik der Unternehmer in und nach der Inflation nur als Lob deuten fann. Die Wissenschaft jedoch ist vollkommen unbefangen; will man ihr Befangenheit aber andichten, so fönnte es höchsten im Sinne der Schutzzoll freundlichkeit sein. Denn die meisten der Wissenschaftler, die sich heute mutig zum Frei­handel bekennen, waren unter anderen Verhältnissen ebenso mutige Berfechter des Schußzollgedankens. Sie mußten u m- lernen; es ist manchem gewiß nicht leicht gefallen; und sie haben es doch freudig getan, weil sie eben tein Privatintereffe an der Schußzzollpolitik haben, das sie in ,, volkswirtschaftliche" Scheingründe umdichten müßten.

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Interessant war es, daß in der erwähnten Besprechung auch Dr. Georg Wilhelm   Schiele aus   Naumburg auftrat, um mit angeblich staatspolitischen Notwendigkeiten die Schutzölle zu begründen. Er trat als Verbraucher auf - denn er ist Arzt. Seine Behauptung, daß die Agrarzölle zu Verhandlungszwecken notwendig seien, ist schon deshalb irreführend, weil ja gerade die Mindest zölle auf Getreide, von denen der Reichslandbund nicht abgeht, zum Abschluß von Handelsverträgen überhaupt nicht in Betracht tomme. Der Landbund ließ übrigens durch seinen Präji­denten Graf Kalkreuth erklären, daß er das System der Mindestzölle auf Fleisch, Vich und Gemüse aus­gedehnt wissen wolle. Also Mindestzölle auf der ganzen Linie - und diese Zölle, mit denen man feine auswärtige Han delspolitik betreiben kann, werden feltsamerweise mit handels­politischen Argumenten begründet! Schiele behauptete ferner, wir brauchten einen Agrarzoll aus Gründen der Wäh rungspolitit. Derfelbe Schiele hat in den   Naumburger Briefen, Heft 3, geschrieben:

schnelles Anziehen der Getreide preise erleben. Wenn dieses Es fann sein, daß wir in den nächsten Wochen wieder ein über 200 Mark pro Tonne geht, so ist es klar, daß die Ursachen nicht auf der Warenseite, sondern auf der Geldseite liegen. Wir haben dann eine neue Inflation, welche die Wirklichkeit ver­schleiert.

seine weitere Verteuerung durch Zölle um 50 bis 75 Mark Heute ist der Getreidepreis weit über 200 Mart und foll feine Inflation sein? Ueberhaupt war Herr Schiele im Sommer 1924 ein eifriger Anhänger niedriger Preise. Schrieb er doch damals:

In einem verarmenden Volke gibt es feine Schuß 3ölle, sondern den 3wang zu einer intensiver werdenden Landwirtschaft bei niederen Agrarpreisen durch niedrigere Breisniveau feiner Produktionsbafis zu erhöhen, weder das von Industriepreise.   Deutschland kann es sich nicht leisten, das Industrie noch das von der Landwirtschaft, sondern muß danach streben, das Preisniveau so niedrig wie möglich zu nehmen, damit es gegen jeden Wettbewerb start sei. Verjuch, in blinder Nachahmung Bismarckscher Politik Schutzölle

Der

einzuführen, würde in einer äußersten. Radikalisierung

und Feindschaft zwischen Stadt und Land in Wahl­fämpfen und vielleicht nicht nur in Wahlkämpfen enden. Bis­mard felber, wenn er aus dem Grabe erstehen könnte, würde uns warnen und uns zurufen: Andere Zeiten, andere Mittel.

Man sieht, es gibt auch unter den Freunden der Groß­agrarier Leute, die zulernen. Aber diese Leute haben in der Regel Bech, indem sie nur Falsches hinzulernen. Erst ging es dem Herrn Dr. Ritter so, der seine wirtschaftspolitische Farbe im Bureau der Preußischen Hauptlandwirtschaftskam ' mer vollkommen änderte. Und jetzt muß auch der Namens­vetter des Reichsinnenministers daran glauben. Aber der   Reichslandbund derf sich nicht wundern, wenn man diese Eideshelfer nicht ernst nimmt. Die Brot­zölle sollen das steht einwandfrei fest lediglich den wirt­fchaftlichen und politischen Interessen einer fleinen Gruppe der Landwirtschaft dienen. Sie können es nur auf

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