Nr. 127.
Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage ,, Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. proQuartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. DesterreichUngarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs: Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.
Vorwärts
12. Jahrg.
Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pig. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Ute Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Bore mittags geöffnet.
Eernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: ..Sozialdemokrat Berlin !'
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Die nächste Nummer des„ Vorwärts" erscheint des Pfingstfestes
Sonntag, den 2. Juni 1895.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Wenn moderne Priester, wie der Papst in Rom, sich| sind ganz im Geist der herrschenden Gesellschaft gehalten. in Wissen und Handlungen für göttlich und unfehlbar aus- Diese herrschende Gesellschaft aber ist„ christlich": also ist
geben, so ist das christliche Bescheidenheit. Wenn sie und der Geist der sie durchweht der„ Heilige Geiſt ". ihre Unterpfaffen die ganze Welt geistig beherrschen und Niemand hat besser den Geist, der im neuen deutschen wegen am Mittwoch, den 5. Juni. unterjochen wollen, es ist das christliche Demuth. Wenn Reich dominirt, begriffen und in ein kurzes Wort zusammen
Der Heilige Geift.
Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen; es grünten und blühten Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken Uebten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel; Jede Wiese sproßte von Blumen in duftenden Gründen, Festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.
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sie sich in Gold und Silber kleiden und in gefaßt, als der regierende Kaiser Wilhelm II. in seinem der ganzen Welt Schäße zu ungezählten Millionen lustigen Verslein, das er einem Hofprediger ins Album sammeln, so ist das christliche Genügsamkeit. Und schrieb: wenn die Hof- und Domprediger, die Pfaffen der reinen evangelischen Lehre, die Nachkommen des Stammes, dem ihr Jesus Christus entsprossen ist, mit Hep! hep! Juden raus!" aus dem Lande hetzen wollen, so ist das christliche In der schon zitirten Apostelgeschichte steht:„ JoNächstenliebe und genaue Befolgung des Wortes ihres hannes hat mit Wasser getauft; ihr aber sollt mit Meisters: Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst!" dem Heiligen Geist getauft werden." Und unsere Wenn es eine Sorte von Menschen giebt, die auf Bourgeoisie glaubt nun, daß ihr dies Heil Doch lassen wir den alten Heiden Goethe mit seinem nichts weiter fiunt, als Geld zusammenzuscharren, die in widerfahren sei; sie feiert Pfingsten in dem herrlichen Pfingstgesang. Das christliche" Pfingsten, das Gold und Freuden Freuden schwelgt, während ungezählte Sinn, daß an diesem Tage der Heilige Geist " über sie man heute in der Kulturwelt" feiert, ist das Fest der Aus- tausende von Mitmenschen, die für sie arbeiten, kaum zum ausgegossen wurde. Nun, die Leser haben in dem obigen gießung des Heiligen Geistes " und der Stiftung sattessen haben, ihr Leben in Hunger und Kummer, ständiger kurzen Abriß gesehen, wie die„ chriftliche Gemeinschaft" und der christlichen Kirche. Es hat nichts mehr zu Sorge umis tägliche Brot hinbringen, von morgens bis der„ Heilige Geist " heutzutage in der Praxis aussehen. schaffen mit den alten, heidnischen, vor allem germanischen abends arbeiten, ihre Gesundheit im Dienst des Unter- Doch mag die Bourgeoisie ihr Pfingsten feiern in Frühlings- und Sommerfesten. Die chriftlichen Pfaffen, nehmerthums opfern, jung an Jahren dahinsiechen oder im welchem Sinne sie will; wir feiern es ja auch in schlau wie alle Pfaffen, haben dem weltfreudigen Naturfefte Alter von Almosen leben; wenn das Unternehmerthum dem unseren. Wir feiern es als Fest des Sommers, die chriftliche Prägung aufgedrückt, und an den Ursprung weit und breit den Zuständen des Königreichs Stumm als Fest der Freude an der üppig blühenden Natur. erinnert nun nichts mehr, rein gar nichts mehr außer als Idealen nachstrebt, außer als Idealen nachstrebt, in welchem Königreich der Zudem sind wir genöthigt, die Feste zu feiern, dem lachenden Himmel, der strahlenden Sonne und den bewußte Großfapitalist, Abgeordnete und Freiherr sich nicht wie sie fallen. Selbst wenn der Arbeiter einem von dem blühenden Blumen. blos die Millionen von den Arbeitern zusammenschanzen Bourgeoisstaat dargebotenen Fest keine tiefere Bedeutung, In muffigen, grabestalten Kirchen wird heute laut läßt, sondern seine Arbeiter" auch ,, beherrschen" will, ihnen kein Symbol unterlegen kann, ist er froh, den Ruhetag zu gepredigt von der Ausgießung des Heiligen Geistes " über sagt, welche Zeitungen und Bücher sie lesen dürfen, in haben, auf kurze Stunden sich selbst und seiner Familie Sie einmüthig in langem Warten versammelten Jünger welchen Häusern sie wohnen, bei welchem Kaufutann sie leben zu können. In einem künftigen freien Volks des Herrn; wie sie von da an in feurigen Zungen aller taufen, in welcher Wirthschaft sie verkehren und wo sie staat werden sich auch Volksfeste einfinden, die aus Welt das Evangelium fündeten; wie jeder, der sich auf nicht verkehren dürfen, ihre Verheirathung von seinem Willen dem innersten Denken und Fühlen des Volkes geboren sind. den Namen Jesu Chrifti taufen ließ, vom heiligen Geist abhängig macht: dann ist das alles kein Kapitalismus, Ein Beispiel bietet schon jetzt der Arbeiter- Weltfeiertag, der erleuchtet wurde; wie die neuen Christen ihre Güter und keine Geldsacksherrschaft, sondern vernünftige, fittliche, 1. mai. Habe verkauften und einander austheilten, nachdem jeder christliche Staatseinrichtung und beruht auf dem reinen Wann und wo wir aber auch Feste feiern: immer mann noth war; wie keiner mehr Besißthum hatte, als der Gedanken der christlichen Liebe. wollen wir uns erinnern, daß der Feiertag ein Mußetag andere; wie feiner über den anderen herrschen wollte; wie Unsere Köller und Kollegen machen ihre Umsturz ist, nicht nur um den Körper zu ruhen, sich zu vergnügen sie alle in der Apostel Lehre, in der christlichen Gemein- gesetze getrieben von den heiligen Geiste". Unsere staats- und sich am Schönen zu freuen, sondern auch ein Mußetag, um schaft, einmüthig bei einander blieben und wie solches erhaltenden Parteien verlangen ihr Sozialistengeset", das Erkenntniß und Kraft zu sammeln, mit den Klassengenossen alles zu lesen ist im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte die ganze Arbeiterklasse, die Mehrzahl des Volkes, geistig vereint uns ein höheres, schöneres Kulturdasein zu erSankt Luca, der Epistel des heutigen Pfingsttages. In und wirthschaftlich fnebeln soll, aus chriftlicher Barmherzig - kämpfen. allen Kirchen wird es heute gepredigt, daß der heilige feit. Und wenn unsere Richter sozialdemokratische Geist fortwirkt und das Lebenswerk Jesu fortsett Redakteure zu vielen Monaten Gefängniß verurtheilen, in der heutigen Christenheit, daß die heutige Christenheit die in ihrer Zeitung aus bürgerlichen Blättern die Fortsetzung der Gemeinschaft der Apostel mit den etwas abgedruckt haben, was in diesen bürgerlichen Blättern Gläubigen ist.
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Die Prediger sagen es und die Frommen glauben es. Was böse Menschen sagen, daß Thron, Altar und Geldsack in dem heutigen christlichen Staat die Herrscher find, wird wohl nicht zutreffen.
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ausgesprochenermaßen straflos bleibt; wenn sie einen Drucker verurtheilen, weil er die technische Herstellung einer Beitung übernommen hat, deren einzelne Artikel vorher schon von anderen preußischen Richtern für straffrei erklärt worden waren: so droht einem zwar der gesunde aber diese Urtheile Menschenverstand stille zu stehen,
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Wollt Ihr der Qual der Gegenwart vergessen In eines Festes turzem Traumgefühl: Lernt Eures Elends ganze Tief' ermessen Und dann der Völkerzukunft goldnes Ziel! Auch Deiner Feierstunden Spiel und Sang Veredle, heilige ein ernst Betheuern, Zu lösen Euch aus Hunger und aus Drang! So, Mann der Arbeit, sollst Du Feste feiern!
seinem Hünenschwert ausholenden Gesetzeshüter in seiner Scheerereien hat. Namentlich hier in de Schloßrevierjejend. ganzen Brustbreite entgegentrat. Jesindel über Jesindel kommt zujezogen. Da soll man nu Hallunken! Gesindel! Verschwörer!" rief der Ordnungs- for Nuhe und Ordnung sorgen!" [ Nachdruck verboten.] mann in seinem dienstlichen Ingrimm. Der plötzliche" Leicht mag's freilich nich sin, det Vaterland zu bes Widerstand jedoch wirkte auf seinen Zorn wie ein falter schützen, for so'ne arme zweehundert Nachtwächter", meinte Guß, und er ließ den bereits erhobenen Arm unwillkürlich Fritze Grams. fintent.
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Eine geschichtliche Erzählung von Michel Deutsch. ,, Um des Himmels Willen, Herr Graf, sie sind da!" rief er ganz entsegt. Hören Sie das Klopfen? Hören Sie?" Man konnte in der That durch die geöffnete Zimmerflucht hindurch ein lautes Pochen an der Eingangsthür vernehmen.
Wer ist's denn? Wer?" fragte Dr. Wollstein mit bebender Stimme.
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Die Polizei! Wer denn sonst?" Sie suchen den Grafen rasch fort, meine Herren, alle mit einander!"
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Durch den Hof!"
In die Remise!"
" Nach der Schornsteinfegergasse!"
In wilder Flucht wälzte sich ein Knäuel von Menschen daher, durch den Bruno, Hans und Schnick, sowie Herr
Müllerchen, wat is denn?" begann Frize Grams gemüthlich zu dem ihm bekannten Wächter, der ihn gleich falls erkannt hatte, wo find se denn injebrochen?" " Jujebrochen? Jar nich sind se ingebrochen, Rev'luzion machen woll'n se! Platz da!"
Er suchte an der breiten Gestalt des Bäckermeisters vorüber zu kommen, doch dieser trat ihm immer wieder in den Weg, so daß es ihm schlechterdings unmöglich war, den Fliehenden nachzusetzen.
Da, sehn Se, Herr Grams- nu find se um die Ecke! Nu bürgen Sie for die Ausreißer und müssen mit zur Wache!"
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Mit' n jrößten Vergnügen, Müllerchen aber wat is denn eenklich los? Wen wollen Se' n fangen?" Een polnischen Frafen oder Fürsten , der det fönigvon Tumidaisti vorwärts gedrängt wurden. Das Thor liche Schloß hat in die Luft sprengen wollen." nach der Schornsteinfegergasse öffnete sich, und alles stürzte Det Schloß in die Luft, sprengen? Mit Champagner hinaus gerade auf einen Polizeisergeanten und zwei korken woll? Nee, Müller, so'n graf is nich bei jewesen." Nachtwächter zu, die den hinteren Zugang zur Silbernen Er trat zur Seite, als ob er den Wächter vorüber Ente" besezt hatten. lassen wollte. Dieser ließ sich durch die Sicherheit, die In raschem Laufe jagte das Rudel der Fliehenden Grams in seine Worte legte, vollkommen irre machen und nach der Ecke der Roßstraße und spaltete sich hier in zwei zögerte weiterzueilen. Trupps, von denen der eine sich links nach der Roß- Loofen Se dreist hinterher", meinte Frize Grams Straßenbrücke wandte und der andere durch die Rittergasse et waren man lauter ehrsame Leute aus de Petristraße." nach der Petristraße zu eilte. Bei diesem letzteren befanden Der etwas asthmatisch veranlagte Nachtwächter, dem sich außer Hans, Bruno und Schnick noch Frize Grams das Laufen nie recht bekommen war, entschloß sich, die Verund der Pole. folgung aufzugeben.
" Fräßlich is et", versetzte Müller treuherzig.„ Heit war allens aus Rand und Band. Alle Dogenblicke heeßt et: Der Olle kommt! Minutoli nämlich, der Polizeipräsident. Dreißig Manu ha'm wer injespuunt, alleen bei uns us'n Friedrichsgracht. Se glooben nich, wie frech det Volk is nur for de Soldaten ha'm se noch Reschpeckt. Wat da draus noch werden soll, mecht ich wissen. Wenn schon de Nachtwächter am Tage Dienst dhun müssen, da muß et wirklich schlimm stehen."
Die Na cht wächter... am Tage? Ja, da muß et wirklich sehr schlimm stehen," bestätigte Frize Grams.
Da hat man nu so nebenbei sein Kleenes Borkostjeschäft det jeht nadierlich zu Frunde bei die schlechten Beiten," klagte das schwergegrüfte Organ der öffentlichen Sicherheit.
Sie waren an der Roßstraße angekommen und machten Miene, sich zu trennen. Frize Grams horchte nach der Brücke hinunter, nach der das Gros der Tischrunde sich gewandt hatte. Es war ihm, als ob er aus der Ferne ein wirres Durcheinander von Stimmen vernehme.
Ach was, sie werden sich schon' rausbeißen," dachte er bei sich, drückte dem Nachtwächter ein Biergroschenstück in die Hand und kehrte durch die Rittergasse nach seiner Wohnung zurück, während Müllerchen" die für einen Augenblick abgethane Amtsmiene wieder aufsetzte und nach der Revierwache eilte.
Hans Hartung, Volkmuth und Schnick waren in zwischen sammt dem Polen an das Plüddemann'sche Haus Von den Verfolgern war nur ein Nachtwächter den„ Nu find se doch schon über alle Berge", meinte er gelangt. Schnick zog den Hausschlüssel hervor und öffnete. durch die Rittergasse Fliehenden nachgeeilt. Schon war er resignirt. Er schlug den Weg nach der Roßstraße ein und Langsam schlich einer nach dem andern durch den engen ihnen auf den Fersen, als Frize Grams sich plötzlich um- ließ es ruhig geschehen, daß Frize Grams ihn begleitete. Hausflur, bald links, bald rechts an eine Ecke oder Kante wandte und dem gerade zu einem gewaltigen Hiebe mit" Se glooben jar nich, Herr Grams, wat unsereens jetzt for dieses engen Kaninchenbaues anstoßend. An der Thür, die