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Nr.321+ 42.Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Durchpeitschungsstimmung im Reichstag.

Bier- und Tabakstener Die Not der besetzten Gebiete

Freitag, 10. Juli 1925

Kleine Vorlagen Lärm wegen der kaiserlichen Uniformen.

Abg. Schlüter( Soz.):

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Diese Vorlage ist ein Beispiel von der Art, wie man bei uns Steuern und Zölle macht. Ohne jede Kennt

Im Reichstag beantragte gestern vor Eintritt in die Tages­ordnung Abg. Stoeder( Komm.), daß ein kommunistischer Antrag auf Einstellung der Strafverfahrens gegen die kom munistischen Abg. Sedert und Pfeiffer als erster Punkt be raten werde. Das Haus widerspricht dem nicht, und der Berichtnis des Tabatgewerbes werben einseitig großtapitalistische erstatter des Geschäftsordnungsausschusses, Abg. Landsberg( S03.) teilt mit, daß beide Abgeordnete sich schon seit längerer Zeit in Haft befinden. Der Ausschuß habe den Standpunkt vertreten, daß in diesem Falle das Interesse des Reichstages an der Teil­nahme der beiden verhafteten Mitglieder an seinen Sizungen größer sei als das Interesse des Staates an ihrer weiteren Inhaftierung und demgemäß mit 15 gegen 9 Stimmen be­schloffen, dem kommunistischen Antrage auf Haffentlaffung der er­wähnten Abgeordneten und Einstellung des Verfahrens flaftzugeben. Die einfache Abstimmung über diesen Ausschußbeschluß bleibt weifelhaft. Es erfolgt die Auszählung, die die Annahme des Ausschußantrages mit 176 gegen 143 Stimmen bei einer Stimmenhaltung ergibt.

Das Haus tritt dann in die Beratung des Gesezentwurfes der hinter der Regierung stehenden Barteien über die Erhöhung

der Bier und Tabatsteuer ein.

Abg. Simon- Schwaben( Soz.):

Im Steuerbufett des Reichsfinanzministeriums befindet sich auch die Borlage einer Erhöhung der Bier- und Tabatsteuer. Sie fieht nicht weniger als eine Berdoppelung der bisherigen Steuer vor und das in demselben Augenblic, in dem die Besitzsteuern abgebaut werden sollen, wo man andere Einnahmequellen unausgeschöpft läßt oder gar verschüttet. Der Steuerausschuß hat die Regierungs­vorlage abgelehnt, die Regierung zog es vor, sich eine Niederlage zu holen, anstatt die unmögliche Vorlage wieder zurückzuziehen. Nun sehen wir aber einen eigenartigen Vorgang. Der Ausschuß hat noch gar feine Möglichkeit gehabt, im Plenum die Gründe der Ab lehnung darzulegen, auch die Vorlage der Regierung ist noch nicht zurückgezogen und nun wird das Haus durch ein neues Gesez in Ge­ftalt eines Initiativantrags überrascht, den die Regierungsparteien unter gütiger Mitwirkung der Regierung im stillen Kämmerlein aus­gebrütet haben.( hört, hört!). Das Kind tam zur Welt nicht ohne Geburtsschwierigkeiten, es tam zustande unter dem Druck des Reichsfinanzministers, der unter allen Umständen aus Bier und Tabat noch höhere Erträge herausholen will. Man mußte erst mit einer Regierungstrise drohen, bis sich eine Mehrheit für den Antrag fand. Dieser Antrag verlangt bescheidener Weise eine Erhöhung von mur 50 Proz. Auch beim Tabak ist man etwas bescheidener geworden und man hat Konzessionen nach allen Seiten gemacht. Unterzeichnet ist der Antrag von 5 Barteien, zu ihnen gehört auch die Bayerische Boltspartei( hört! hört!) und die Wirtschaftspartei, die ja auch den Bayerischen Bauernbund in sich schließt. Also auch diese Parteien treten für die Berteuerung von Bier und Tabat ein. Draußen im Lande hat man allerdings einen anderen Standpunkt vertreten. Dort wetterte man, was das Zeug hielt, gegen die Berliner Regierung, die dem armen Manne Bier und Tabat verteuern wolle. Dieses zwiespältige Ver­halten bedeutet

einen neuen ffandalösen Betrug an den Wählern. Man bringt es heute fertig, mit der gleichen Ueberzeugung für die Erhöhung der Biersteuer einzutreten, mit der man im Lande gegen fie gesprochen hat. Wenn die Herrschaften so fortfahren, dann werden sie bald den deutschnationalen Aufwertungsdemagogen eben bürtig sein. Wir werden nicht verfehlen, das volksfeindliche Treiben der Parteien, die die Befigsteuern ermäßigen, die breiten Maffen aber durch erhöhte Verbrauchssteuern unerträglich belasten, gebührend an den Pranger zu stellen.

Der Redner schildert die voraussichtlichen Folgen einer Bier: steuererhöhung für Wirtschaft und Verbraucher. Es steht fest, daß eine höhere steuerliche Belastung einen Rückgang des Verbrauchs und damit der Produktion mit sich bringt. Das stellt nicht nur den er­warteten Mehreingang von Steuern in Frage, es muß auch vom Standpunkt der Wirtschaft schwere Bedenken auslösen. Auch die abgeänderte Steuer wird immer noch eine Mehrbelastung des Bieres um 8 bis 10 Pf. pro Liter bringen. Nun aber ist folgendes zu berücksichtigen: Die Weinste u er ist um die Sälfte ermäßigt worden, die Folge davon ist, daß die Steuern auf Wein und Bier in feinem Verhältnis mehr zueinander stehen, das Bier wird erheblich höher besteuert als der Wein. Ein geradezu ungeheuerlicher Standal aber ist das Verhältnis zwischen der Be­lastung von Bier, Tabat, Zucker und der von Branntwein. ( Sehr richtig! bei den Soz.) Die Steuer auf Bier hat 1924 bis 1925 mehr als die Branntweinsteuer eingebracht. Es ist ein ungeheuerlicher Zustand, daß Bier, Tabak und Zucker so viel mehr aufbringen jollen als Branntwein. Die Erhöhung der Biersteuer wird aber auch der Anlaß zu einer Steigerung der Preise für andere Dinge sein. Besonders in Bayern steht der Milchpreis in einer gewissen Relation zum Bierpreis, in dem Augenblick, wo das Bier verteuert wird, werden die Landwirte auch die Milchpreise in die Höhe setzen. Eine weitere Folge der Verteuerung des Bieres wird die Zunahme des Schnapsverbrauchs sein. Der zweifellos zu erwartende Rüd gang der Produktion bedeutet aber auch die Brotlosmachung von Laufenden von Arbeitern und Angestellten, er wird den Ruin vieler Klein- und Mittelbetriebe bringen, die heute immerhin einen wesent lichen Faktor der Wirtschaft bilden. Mit den gegenwärtigen Steuer­fäßen auf Bier und Tabak ist die Grenze des Erträglichen bereits Beer Heigswirtschaftstat hat eine ablehnende Stellung eingenommen, im Reichstag war eine starke Minderheit gegen die Steuer. In demselben Augenblick, wo die Vermögens und Erbschafts - und andere Besitzsteuern abgebaut, wo man von Inflationssteuern überhaupt nichts wissen will( Sehr richtig!), follen die Verbrauchssteuern erhöht, die breiten Massen weiter belastet

erreicht.

werden!

Gegen eine solche Steuerpolitif machen wir mit allem Nachdruc Front, wir lehnen die von der Vorlage verlangte Steuer ab, weil sie wirtschaftlich einen schweren Fehler bedeutet, weil sie unsozial über alle maßen ist.( Lebhafter Beifall bei den Soz.)

Abg. Neubauer( Komm.) findet es bezeichnend, daß die Antrag steller ihren Gesetzentwurf auf Erhöhung der Bier- und Tabaksteuern nicht einmal begründeten.

Abg. Büll( Dem.) erinnert an die programmatischen Er­flärungen des Reichskanzlers Luther bei seinem Re­gierungsantritt, daß die die Massen belastenden Steuern abgebaut werden sollten und an die kürzlich beschlossene Herabsetzung der Beinsteuer. Die Demokraten würden nicht dulden, daß die Regie­rung nach außen hin so tue, als ob sie die kleinen gegen die Großen schüße und dann derartig belastende Massensteuern einführe.( Bei­fall links.)

Abg. Horlacher( Baŋr. Bp.) erklärt: Die Bayerische Volkspartei habe zwar die gesamte Borlage nicht ablehnen wollen, weil fie eine Reihe von Vergünstigungen für Bayern enthielt, hätte aber die darin enthaltenen Tarife abgelehnt. Die neue Vorlage der Regierungs. parteien bringe volle Steuerfreiheit für die fleiren Brauereien unter 1600 Hektoliter. Was noch zu verbessern sei, müßten die Ausschuß beratungen bringen.

Interessen bevorzugt. Die Durchführung der vorgeschlagenen Zoll­und Steuerbelastung des Tabats bedeutet den Todesstoß für einen großen Teil der weniger tapitalträftigen Tabatfabrikanten, sie bedeutet die Wegnahme des letzten Stückchen Brots für Tausende von Arbeitern der Tabakinduſtrie. Die jetzt verlangte Erhöhung des Einfuhrzolles von 30 auf 80 Mart hat dieselbe Höhe, wie sie in den Jahren 1879 und 1909 vorgenommen wurde. Der Landwirtschaft wurde damit in feiner Weise geholfen, aber der Industrie und ganz besonders der Arbeiterschaft wurden schwere Wunden geschlagen, die sich in einer ungeheuren Arbeitslosigkeit zeigten, in Lohndrud und einer Berarmung der Arbeiterschaft, die seitdem niemals überwunden werden konnten. Die Nationalversammlung hatte die Besteuerung der Tabaffabritate immerhin nach sozialen Gesichts­punkten vorgenommen. Im Jahre 1923 ist die soziale Staffelung der Banderolensteuer wieder aufgehoben und eine gleichmäßige Be­lastung von 20 Proz. des Kleinverkaufspreises für Zigaretten und Rauchtabat, Feinschnitt von 40 Broz. festgesezt worden, ganz gleich, ob es sich um schlechte oder teuere Sorten handelt.( hört, hört!) Das hat zu einem Rückgang der Produktion in der Zigarrenher­stellung und zu ständig steigender Arbeitslosigkeit geführt. Auch heute noch herrscht eine große Arbeitslosigkeit. Diese Art der Besteuerung führt zu einer

vollständigen Zerstörung der Tabakindustrie. Jede neue Besteuerung verursacht einen starten Rüdgang des Kon­sums. Am schärfsten zeigt sich diese Wirkung bei den Arbeitern der Bigarrenherstellung, die 75 Broz. aller Tabafarbeiter ausmachen und wiederum am schärfsten in den Bezirken, wo die billigeren Bigarren hergestellt werden. Im Jahre 1908 waren in der Tabak­industrie 171 126 Bollarbeiter beschäftigt, im Jahre 1923 nur noch 103 405, das ist also ein Verlust von 67 721 Bollarbeitern.( Hört, hört!) Bedenkt man mun, daß 65 Proz. der Arbeiter der Zigarren­industrie in fleinen Orten, zumeist in Dörfern, wohnen und arbeiten und daß in diesen Orten ein anderer Erwerb nicht vorhanden ist, so wird man begreifen, daß diese Orte völlig zugrunde ge richtet werden. Wie stark die Belastung der Tabatindustrie durch Steuern und Zölle ist, ergibt sich daraus, daß 1924/25 allein 600 Millionen aus der Tabaksteuer eingefommen find.( Hört, hört!) Anstatt nun an einer Erholung der Labatindustrie zu arbeiten, will man jetzt durch eine Erhöhung der Tabaksteuern eine Einnahmequelle des Staates zerstören, will man die ganze Industrie vernichten, die Arbeiterschaft, die Kleinfabrikanten, viele Tausende von Bigarren­ladeninhabern um ihre Eristenz bringen. Wir lehnen diese Vorlage ab. Wird fie Gefeß, dann muß sich in Tausenden von Herzen der Angestellten und Arbeiter der Tabatindustrie und deren verwandten Berufen ein unauslöschlicher Haß festseßen, aber das wird dazu beitragen, daß es in Deutschland bald ein Ende damit hat, daß Parteien und Regierungen am Ruder sein können, die solches Ver­derben weiter Boltskreise heraufbeschwören.( Lebhafter Beifall b. d. Soz.).

Abg. Fehr( Bp.) unterstreicht die Berbefferungen der Vorlage. Abg. Henning( Bölk.) lehnt die Vorlage ab, die das un­sozialste vom njozial en fei

Die Vorlage wird dann dem Steuerausschuß überwiesen. Der Regierungsentwurf wird vom Finanzministerium daraufhin zurückgezogen. Der Gesezentwurf über den Freundschafts-, Handels­und Konsularvertrag mit Amerifa wird dem Handelspolitischen Ausschuß überwiesen.

Es stehen dann die dritte Beratung von zwei Berträgen mit Polen , einer über die Benutzung von Baulichkeiten in Kurze brad und einer über Erleichterungen im kleinen Grenzverkehr auf der Tagesordnung.

nung abzusetzen.

Abg. Frid( Bölt.) beantragt diese Berträge von der Tagesord­Das Haus stimmt dem für den erstgenannten Bertrag zu, nimmt aber, im Interesse der deutschen Grenzbevölkerung, das Abkommen über den kleinen Grenzverkehr in allen drei Lesungen an.

heiten über die schwere Erwerbslofen- und Wohnungsnot. müßten endlich einmal Taten geschehen. Der Redner begründet einen sozialdemokratischen Antrag, der von der Regierung Mittel für die Länder und Gemeinden des besetzten Gebietes zur Be­hebung der Erwerbslosennot wünscht. Der Finanzminister solle hier einmal teine Reden halten, sondern zum Werke schreiten.( Bei­fall finfs.)

Damit schließt die allgemeine Debatte. In der Einzelberatung wendet sich Abg. Dorsch Hessen( Dnat.) gegen die Zwangseinquar tierung im befehten Gebiet. Dann wird der Haushalt des Ministe­riums für die besetzten Gebiete in 2. Lesung bewilligt.

Das Haus wendet sich der Beratung des Etats des Reichstages zu. Berichterstatter Abg. Taubadel( Soz.) empfiehlt im Ausschuß bereits genehmigte Entschließungen zur An­nahme, die u. a. verlangen: geeignete Arbeitsräume für Abgeordnete; Prüfung der Möglichkeit eines Nebengebäudes zum Reichstags= gebäude; Beschaffung von Freifahrten für die Abgeordneten für die Bostautolinien und die Dampferlinien auf dem Bodensee . Außerdem foll geprüft werden, ob für den Reichstag nicht ein Garten geschaffen In dem Etat ist neu eingefügt ein Titel in Höhe von 30 000 m., der zur Verfügung des Reichstags= präsidenten steht. Mit diesen Mitteln soll der Reichstags­präsident in die Lage versetzt werden, beim Personal des Reichs­tages Besoldungshärten auszugleichen und unvorhergesehene Aus­gaben zu decken. Die Abgeordneten sollen ferner noch Freifahr­farten für die Klein- und Lokalbahnen und mehr als bisher Zu­

werden fönne.

schüsse zur Benutzung von Schlafwagen erhalten. Der Reichstag

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will sich auch ein Automobil faufen und hat sich zu diesem Zwecke 20 000 m. bewilligt.

Ohne wesentliche Debatte wird der Etat des Reichstags in zweiter Lefung bewilligt. Abg. Diffmann( Soz.) beantragt die Zurücverweisung des Kapitels 17, das die Ent schädigungen der bei dem Wahlprüfungsgerichte vernommenen Zeugen und Sachverständigen, sowie der dem Wahl­prüfungsgericht angehörigen Mitglieder des Reichsgerichts regelt, an den Haushaltsausschuß. Die Reichsgerichtsmitglieder, die dem Wahlprüfungsausschuß angehören, haben eine Erhöhung ihrer Bezüge beantragt. Inzwischen hat das Reichsfinanzministerium diese Bezüge meit höher bemessen. Es sei notwendig, darüber eine Klarstellung herbeizuführen. Bei dieser Gelegenheit müffe aber noch auf etwas anderes aufmerksam gemacht werden. Früher seien die Wahlprüfungen im Plenum vorgenommen worden, sie hätten oft tagelange Aussprachen verursacht. Jetzt werden die Prüfungen in einem fleinen Gremium erledigt. Auf Grund der in dem Wahl­prüfungsgericht gesammelten Erfahrungen müsse man sagen, daß es notwendig sei, bei der Wahlreform auch eine Nach prüfung des Verfahrens des Wahlprüfungsgerichtes vor­zunehmen. So wie sie jetzt vorgenommen werde, habe die Prüfung keinen 3wed. Die größeren Fraktionen seien zwar mit je 2, die mittleren mit einem Mitgliede vertreten, aber es sei nicht so, daß in jedem Falle je ein Mitglied der Fraktionen anwesend ist. Es werden oft Beschlüsse in einer Sigung gefaßt, die in einer anderen Sitzung wieder umgeändert werden. Es sei notwendig, daß der Reichstag sich mit dieser Frage befaßt.

Ohne Debatte wird eine Novelle über den Verkehr mit Vieh und Fleisch dem voltswirtschaftlichen Ausschuß über­wiesen. An den Haushaltsausschuß gehen die Mitteilungen des Rechnungshofes.

Nach Erledigung einiger fleinerer Borlagen folgt die Beratung eines Gesetzentwurfes über die Ausübung des Rechtes zum Tragen einer Militäruniform, nachdem ein Bertagungsantrag um 128 Uhr abgelehnt worden war. Der Entwurf will dem Reich präsidenten das Recht geben, diese Frage zu regel Abg. Kuhnt( Soz.)

fragt, wie der Reichstag in einer Zeit, die für die Beratung der wichtigsten Probleme nicht ausreicht, es verantworten könne, fich mit dem Tragen alter taiserlicher Uniformen zu beschäftigen. Es würde nicht gerade imponierend wirken, wenn sich 60 bis 80 Jahre alte Herren, die den Kopf nicht mehr ruhig halten können, mit dem Helmbusch zeigen.( Heiterkeit.) Auch verbrecherischen Ele­menten werden dadurch neue Möglichkeiten gegeben. Die große Mehrheit des deutschen Volkes wolle vom Tragen der alten kaiser­

Nachdem noch ohne Debatte in allen drei Lesungen das Gesetz über den Beitritt Deutschlands zum Spihbergenvertrage angenommen. worden ist, wendet sich das Haus der Weiterberatung des Hauslichen Uniform nichts wissen. Aus der Vorlage spreche der Geiſt halts des Ministeriums für die besegten Ge­biete zu.

Abg. v. Ramin( Bölf.) erklärt es für eine Pflicht der Regierung, endlich einmal vor der Deffentlichkeit der ganzen Welt festzustellen, wie ritterlich" fich die große Nation" gegenüber der wehrlosen Bevölkerung der besetzten Gebiete benehme. Mit der Politik, die die Regierung heute treibe, würden die Rheinlande nie befreit werden. ( Beifall bei den Bölk.)

von Potsdam . Die Sozialdemokraten würden sich gegen alle Vor­rechte wenden und deshalb auch gegen den Unfug des Zur­ihautragen staiserlicher Uniformen.( Beifall links.) Reichswehrminister Geßler unterstreicht die rechtliche Schwierig­feit der Materie. Eine Lärmdebatte.

Albg. Dittmann( Soz.) beantragf nunmehr, nachdem auch der Minister gesprochen hat, die weitere Debatte zu vertagen. Abg. Schulh- Bromberg( Dnat.): Nach den unerhörten An­lints, großer Lärm), ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, daß wir fofort darauf antworten fönnen.

Abg. Effer( 3.) teilt mit, daß er seinen Antrag zurückgezogen habe, bei der dritten Lesung des Etats für die Kriegslaften die angegriffen des sozialdemokratischen Redners( Stürm. Unterbrechungen nommenen Entschließungen mit zu erwähnen, weil diese Ent­schließungen an anderer Stelle erwähnt seien. Seine geftrigen Be­merfungen über diese Angelegenheit, die sich gegen den Bericht erstatter Abg. Borremann( Bp.) richteten, seien daher gegenstandslos.

Abg. Frau Schiffgens( Soz.) fordert von der Regierung die Bereitstellung größerer Mittel zur Beseitigung der unerträglichen Wohnungsnot im be­ſetzten Gebiet. Wenn sich die Regierung nicht bald bazara, die von ihr selbst als dringend notwendig bezeichnete Beseitigung der Wohnungsnot endlich zu beginnen, so wird man sich die Frage vorlegen müssen, ob die Regierung überhaupt noch sich ihrer Ber­antwortung bewußt ist. Die große Not, in der sich weite Kreise der besetzten Gebiete befinden, wird noch vermehrt werden, wenn die Räumung der ersten Zone fortschreitet. Die Entschließung der sozialdemokratischen Frattion fordert die Bereit­stellung der notwendigen Mittel. Die Sozialdemokraten legen Wert darauf, daß diese Mittel sofort zur Verfügung stehen und daß nicht erst lange Berhandlungen mit den Gemeinden geführt werden. Hier ist wiederholt mit Empörung die Behandlung geschildert worden, die das Volk am Rhein von der fremden Bejagung zu erdulden hat. Darüber muß aber Klarheit herrschen, daß die Not der rheinischen Bevölkerung noch größer werden muß, wenn sie in ihrem Glauben an die Regierung enttäuscht wird. Herr Ramin hat der Bevölkerung der besetzten Gebiete mit seinen Ausführungen einen schlechten Dienst erwiesen; fie fehnt es ab, fich in dieser Weise vertreten zu lassen. ( Lebhafter Beifall bei den Soz.)

Abg. Dr. Ellenbed( Dnat.) wünscht, daß die politischen Ge­fangenen im besetzten Gebiet bei einer bevorstehenden Räumung nicht Dergessen werden und verlangt von der Regierung ein stärferes Ein­treten bei der Reichsbahn für die beim passipen Widerstand geschädigten Eisenbahner.

Abg. Mollath( Wirtsch Bg.) meint, daß die Reichsregierung vor allem auch die unerhörte Steuerlaft mildern müsse, wenn sie der Be völkerung der besetzten Gebiete helfen wolle.

Abg. Jacobshagen( Soz.)

betont, daß man mit schönen Worten der Not der Erwerbslosen im besetzten Gebiete nicht steuern tönne. Der Rebner schildert Einzel.

Abg. v. Graefe( Bölk.) schließt sich dieser Auffassung an und erhebt Einspruch gegen die Bertagung.

Abg. Brüningfaus( D. Vp.): Das Haus hat vorhin dem Vor­schlag des Präsidenten Löbe, dieses Gesez noch heute in erster Le­fung zu erledigen, zugestimmt. Wir können verlangen, daß mir num auch gehört werden.

Abg. Dittmann( Soz.): Wir erleben oft, daß die Vorschläge des

Präsidenten, die er im Auftrage des Aeltestenrates macht, nicht immer gehalten werden können. Wir wollten ja dieses Gesez heute nicht mehr in Angriff nehmen. Das hat die Mehrheit ab­Es sollen heute noch die Frak­tionen Sizungen halten.( Fortgesetter starter Lärm.) gelehnt.( Stürmischer Lärm.) Für den Antrag auf Bertagung stimmte die gesamte Linke und das Zentrum. Bizepräsident Dr. Bell erklärt dies für die Mehrheit. Dieje Entscheidung ruft den stürmischsten Widerspruch der Rechten hervor, die immerfort nach Gegenprobe ruft. Tpfen­der Lärm erfüllt das Haus. Die Linke will augenscheinlich die Vertagung erzwingen. Der Bizepräsident läßt die Gegenprobe vornehmen und erklärt die Abstimmung für zweifelhaft und will die Auszählung anordnen. Er kann sich jedoch unter dem Lärm fein Gehör mehr verschaffen und vertagt deshalb die Sigung auf drei Minuten.

Nach der Wiedereröffnung schlägt Vizepräsident Dr. Bell vor, nunmehr die Sitzung abzubrechen.( Lärm und stürmischer Widerspruch rechts.) Der Vizepräsident läßt abstimmen, ob die eben abgebrochene Beratung wieder aufgenommen werden soll. Die Mehrheit aus der Linken und im Zentrum lehnt dies ab, was neuen tofenden Lärm der Rechten verursacht.

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Abg. v. Graefe( Bolt.) erklärt, daß nach diesen skandalösen Vor­gängen( unter dem Lärm der Linken gehen die weiteren Worte verloren, es ist nur zu entnehmen, daß er die Fortsetzung der Be­ratung in der Sigung morgen beantragt).

Die Mehrheit stimmt diesem Antrage zu. Unter andauern. bem stärksten Lärm schließt die Sigung um 8% Uhr. Freitag Uhr: Fortsehung der eben abgebrochenen Debatte; Aufwertungsgesetze.