Die internationalen Gelö- unö Kapitalmärkte. Weltwirtschaftliche Umschau.
Geldflüssigkeit m dem«inen, Geldknappheit itn anderen Lande: in dieser Tatsache kommt die Zerrissenheit der Welt Wirtschaft, die Einschränkung des internationalen Kapitvloerkehrs zum Ausbruch. Das eine Land ist verarmt, an das Ausland ver- schuldet, und kämpft oft mit Valutasorgen: seine Kapital oersorHung ist viel schlechter als die eines glücklicheren Landes mit gefestigter Valuta, guter Wirtschaftskonjunktur und Forderungen an das Aus land. In dem Folgenden berichten wir über die jüngst eingetretenen Veränderungen in bezug auf die Geld- und Kapitalver- s o r g u n g der einzelnen Länder. Von ihnen hängt es ob, ob die Wirtschaft der betreffenden Länder mit Betriebskapital besser oder schlechter versorgt wird als bisher. Qb Geld zu Neu anlagen vorhanden ist? Ob Anleihen an dos A-usland ge währt werden können, bzw. ob das kreditbedürftige Land Anleihen erhalten kann? Sie bestimmen den Zinsfuß sowohl der Noten danken wie im Privatkreditoerkehr und damit dm Preis des Kre »st». Endlich wird auch die Börse durch die Kapttalversorgung beeinflußt; von ihr hängt die Erhöhung oder die Senkung der Kurswerte der Aktien, Obligationen oder Staatspapier« ab. In Ländern mit schwankender Valuta wird die 5kopitaloersorgirng vielfach durch diese Schwankungen beeinflußt. Bei steigender Richtung der Valuta bringen die ausländischen Spekulanten, in Erwar- »ung weiterer Steigerungen, ihr Kapital in das Land, wie dies ge- genwärtig«m Falle Dänemarks , Norwegens und Finn- lands eintrat, oder aber�es fetzt bei sinkender Valuta die Kapi- tat flu cht der inländischen Kapitalisten ein, wie dies kürzlich in Frankreich , Belgien und Italien der Fall war. Auf diese Weise wind die Kapitalversorgung des betreffenden Landes gebessert oder verschlechtert. Geldflüssigkeit. In die Gruppe der Länder, wo Geldslüssigkeit herrscht, gehören vor ollem die Vereinigten Staaten von Amerika . Im Frühjahr war hier eine relative Verknappung auf dem Geld- und Kreditmärkte eingetretm, was auf die Geldpolitik der in den Vereinigtm Staaten außerordentlich mächtigen Notenbank zurückzu- führen war. Auf diese Weise wollte man das ollgemeine Preis- Niveau senken und die Ueberwucherung der Börsenspekulation ein- schränken. Der Druck auf den Geldmarkt hörte aber bald auf, und seitdem herrscht wieder eine ausgesprochene Flüssigkeit auf dem Geld- und Kapitalmärkte. Für die inländische Wirtschaft brachte diese Flüssigkeit niedrige Zinssätze und erhebliche Kurssteige- rungen an der Börse. Für das Ausland bedeutet« sie das Wiedereinsetzen und die Steigerung der aus- ländischen Kredite, wenn auch die Gewährung von Aus- landsanleihen von der politischen Lage, bzw. von der Vefestigimg des Vertrauens abhängig ist. Für jeden Fall gewährte Amerika in der letzten Zeit erhebliche Kredite an europäische Staaten— an Belgien (50 Millionen Dollar), an Norwegen , Italien usw. Auch soll die Tsci)«choslowok«i zur Errichtung einer Notenbank eine Sv-Millionen-Dollar-Anleihe erhalten. Desgleichen fließen auch Privatkredite nach Europa , und zwar weniger in die Jndu- ftrie, deren Konkurrenz Amerika befürchtet, als in die Landwirt- ' fchaft und für Sssmtlich« Anleihen. Auch Deutschland erhält nach längerer Unterbrechung wieder Anleihen aus den Vereinigten Staaten . G e l d f l ü s s i g k e i t herrscht unter den europäischen Ländern noch in Holland mit außerordmtlich niedrigen Kreditzinssätzm, ferner in der Schweiz , wo dies in Verbindung mit einer Aktien- Hausse an der Börse, vermehrtm Neuanlagm innerhalb des Landes und gesunkenen Kreditzinsen erst seit einiger Zeit in Erscheinung tritt.(Allerdings nicht in dem Maß«, wie in Holland .) Unter den nordischen Staaten hat sich die Kapitalversorgung Norwegens und Firmlands infolge verbesserter Handelsbilanz und ausländischer An- leihen, die Dänemarks infolge der Valutaspekulationen von Aus-
lande rn gebessert. satz ermäßigt
In Norwegen konnte dsshalb der Dankdiskont- werden. Geldknappheit. Viel zahlreicher dagegen sind die Staaten, wo Geldknapp» h e i t herrscht. Unter dies« ist vor einiger Zeit England, der Bankier der Welt getreten. Die außerordentlich schlechte Wirtschaft- lich« Konjunktur, ungünstige Zahlungsbilanz und die sehr verlangsamt« Kapitalsakkumulation sind für die Verschlechterung der englischen Kapitaloersorgung verantwortlich.(Allerdings ist dies nur r e l a- t i o zu verstehen, im Verhältnis zu der bisherigen Kraftentsaltung Englands auf diesem Gebiete. An sich stellt England auch heute noch eine große Geldmacht dar.) Verteuerung des Kredits, dauerndes Sinken der Aktienwerte,'Verminderung der ausländischen Anlagen, der ein gesteigertes Kreditbedürsnis der inländischen Industrie ent- gegensteht, kennzeichnen die neue Situation. Durch den sehr geringen Erfolg einiger zur Zeichnung aufgelegter ausländischer Anleihen wurde diese Lage in scharf« Beleuchtung gerückt. Starke Kapital- knappheit herrscht auch in Frankreich , wo sie bereits zu Störun- gen der Wirtschaft geführt hat. Das von der Kammer angenommen« Sanierungsprogramm sieht die Erhöhung des Notenumlaufs um weitere 6 Milliarden vor, d. h. ein« neue Inflation. Ob diese Milliar- den zur Erleichterung der Geldknappheit beitragen werden, hängt von der Preisgestaltung, bzw. davon ab, ob infolge dieser Inflation sich die Preise nicht in einem größeren Maße steigern werden, als es den neuen Banknotenmengen ensspricht. In B e l g i e n hat die infolge des Frentsturzes eingesetzt« Kapitalslucht den Kapitalmarkt eingeengt. Vor Beginn de« Franksturzes waren die belgischen Aktienwerte im Sinken begriffen, was Äs ein Symptom der bis dahin vorhandenen Stabilisierungskrise anzusehen ist. In Italien , wo die Lire ebenso zurückging wie der französisch« und belgische Frank, trat der ungewöhnlich« Fall«in, daß die Aktienkurse trotz der Senkung der Währung und mit ihr gesunken sind. Dies war der Rückschlag der Sffenttenspekulation des vorigen Jahres, als die Aktien über ihren inneren Wert in die Höhe getrieben wurden. Die Kapitalversorgung Italiens ist trotz einiger ameri kanischer Anleihen infolge der Kapitalflucht und des großen Devisen bedarfs zur Deckung der Kosten für die vermehrte Getreideinsuhr sehr verschlechtert. Der Bankdiskontsatz wurde dreimal hinter einander erhöht, um ausländisches Kapital ins Land zu locken, bzw. die Kapitalflucht einzuschränken. Die verschlechterte Versorgung des russischen Kapitalmarktes hän�t mit seiner außenpolitsschen Lag« zusammen. Rußland braucht für sein Auslandsgeschäft er- hebliche ausländische Kredite, vor allem Warenkredite, die ihm in der letzten Zeit, mit Ausnahme von Italien , spärlicher als bisher gewährt wurden. Verschlechtert hat sich die Loge des Kapitalmarktes in der Tschechoslowakei , die bisher verhältnismäßig günstig war. Die beginnend« Wirsschaftskris« hat die Lage des Geld- und Kapitalmarktes nachteilig beeinflußt. Dagegen haben sich in folgen den drei Ländern, die mit einer ungeheurenKapitaltnapp- heil zu kämpfen hoben: m Oesterreich, Ungar» und Jugoslawien , die DerhStnisse einigermaßen gebessert, was u. o auch in der erheblichen Steigerung der Aktienkurse in Oesterreich und Ungarn zum Ausdruck kommt. In Oesterreich und Ungarn sollen die Reste der Völkerbundsanleihe zu Investitionszwecken freigegeben werden. An sich sind die der Wirtschaft zufließenden Summen ge- ringfügig, auch werden sie ihr erst später zugeleitet, dennoch trugen ie zu einer gewissen Befestigung des Vertrauens bei. In Iugo lawien wurde die Besserung herbeigeführt durch die energssche Her abfetzung des Kreditzinses, die durch einen Druck der Notenbank bei den Privatbanken erzwungen wurde. Di« Banken haben weiter die von der Notenbank zu 6 Prvz. erhaltenen Kredite ihrerseits mit 18 bis 24 Prvz. weitergelsitet. Diesem Zustande, der die Kreditnehmer von der Kreditaufnahme abschreckt«, wurde jetzt ein Ende bereitet. Es wäre an der Zeit, daß diese Methode auch in Oesterreich und Ungarn Anwendung fände. U. H.
Konkurse und wirtschastsgesunöung. Reinlgungstrise und Diskontpolitik der Reichsbauk. Seit die Währung stabilisiert ist, hat man sich wieder an hohe Konkurszahlen gewöhnt. Vorher war es ja taffächlich so, daß auch beim besten Willen niemand hätte in Konkurs gehen können. Das beweist nichts deutlicher als die Kurve der Konkurseröffnungen wäh- rend derZeitderHochinflation 1922/23. Während im Jahre 1S21 die Zahl der eröffneten Konkurse immer noch rund 3000 jähr- lich betrug, sank sie 1922 auf rund 1000 und 1923 auf 253. Im November 1923 gar, während der letzten und schärfsten Spring- flut des Notendrucks, sank sie auf ganze acht, was einer Zahl von noch nicht 100 für das ganze Jahr entsprochen hätte. Das Jahr 1924 brachte dann ein plötzliches und mächtiges Anschwellen der Konkursziffer n; sich steigernd von Monat zu Monat erreichte es im Juli, nicht zuletzt unter dem Druck der Kreditdrosselung der Reichsbant seit dem 7. April zur Abwehr der drohenden Neuinflation, die H ö ch st z i f f e r von 1125 Kon- kursen. Bis zum Jahresende sank die Ziffer wieder erheblich ab, um für das ganz« Jahr 1924 mit 6033 neu eröffneten Kontursen ab- zuschließen. Gemessen an 1923 das 24fache und an 1922 das kfache. Heber die wegen Mangels an Masse 1924 abgelehnten Kon- kursanträge, die in der Vorkriegszeit immerhin ein Viertel der Ge- samtkonkurse ausmachten und die angesichts der Uebersetzung von Industrie und Handel mit vielfach spekulativen und parasitären Neu- geündungen heute zu kennen äußerst wichtig wäre, sind im Gegen- satz zur Vorkriegsübung Zahlen leider nicht veröffentlicht. Das Jahr 1925 läßt sich, nachdem die Junistatistik bekannt- gegeben ist, für das 1. Halbjahr heute übersehen. Danach ergeben sich für das 1. Halbjahr 1925 4324 neu eröffnete Konkurse, was bei der verhältnismäßigen Stetigkeit der Monatsziffern von Januar bis Juni(Tiefst 687, Höchst 807) einer Jahres konkursziffer von etwa 8600 entspräche. Gegenüber 1924 mit 6033 also eine Steigerung von 2600 oder 43 Proz. Nach einer Statistik der Diskontogesellschaft befinden sich unter den 4324 Konkursen des 1. Halbjahres 1925 mehr als 50 Proz. Firmen, die fest 1919 gegründet worden sind, also mehr oder weniger als ausgesprochene I n f l a t i o n-- grün düngen angesehen werden dürfen;«ine Ziffer, die er- kennen läßt, daß die Reinigung des Wirtschaftslebens von parasi - tären Firmen und Unternehmungen immerhin gewisse Fortschritte macht. Da man annehmen kann, daß die Zahl der wegen Mangels an Masse abgelehnten Eröffnungsanträge und der stillen Liquida- tionen von existenzunsähigen Unternehmungen relativ hoch ist, dürfte die Zahl der seit der Währungsstabilisierung und der Verschärfung der Geschästsaufsichtsbedingungen eingegangenen Firmen eine sehr beträchtliche sei. Dennoch darf man den Blick davor nicht verschließen, daß die Zahl der Konturse heute immer noch viel niedriger ist, als sie angesichts der seit der Vorkriegszeit erfolgten Verdoppelung bis Verdreifachung der Einzelfirmen und Gesell- s ch a s t« n sein müßte. Wenn man nämlich einmal fessstelle» würde, wie viel Konkurse im Vergleich zur Friedenszeit in dem Jahrzehnt 1915— 1924 hätten erfolgen können, und wie viel tatsächlich er- folgt sind, so ergäbe sich eine erstaunlich hohe Differenz. Den Friedens- durchschnitt von 1912/13 mit 9500 tatsächlich eröffneten Konkursen auf die 10 Jahre übertragen, ergäbe unter normalen Bedingungen 95 000 Konkurse, wobei wir die wegen Mangels an Masse abge- lehnten Konkurse(etwa 25 Proz.) außer Betracht lassen wollen. Tatsächlich sind 1915—1924 eröffnet worden 21 500 Konkurse. Das ergäbe ein Minus von 73 500 Konkursen. Natürlich meinen wir keineswegs, daß diese 72 500 Konkurse auch eintreten müssen.
Wenn es auch wahr ist, daß in den bestenfalls gleichgebliebenen Ge- fchäftsumfang sich im Laufe der Jahre zwei- bis"dreimal sowie! Firmen als in der Vorkriegszeit teilten, so darf man doch nicht über- sehen, daß unter den Neugrundungen, besonders der Inflationszeit, eine große Zahl Umgründungen waren und daß später eine Unzahl von Geschäftsgründungen sang- und klanglos einfach verschwunden ist. Die allenthalben stark wirkende Konzentration hat noch ein übriges zum unauffälligen Verschwinden beigetragen. Aber eine solche Rechnung wäre doch kennzeichnend und richtunggebend für das ungefähre Ausmaß, in welchem die Reinigungskrise wirksam werden müßte. Sollte das Jahr 1925 tatsächlich eine Ziffer von 8500 Konkursen bringen, so muß man wissen, daß diese Ziffer nicht hoch, sondern sehr niedrig ist, und daß die doppelte bis dreifache Zahl für die Zeit der Ncinigungskrise wahrscheinlich viel angemessener sein würde. Daß aber die heutigen Konkursziffern noch unter dem Friedensdurchschnitt liegen, zwingt zu ernsten Ueberlegun- gen. Wenn die Konkursziffer des Jahres 1924 noch nicht 60 Proz., die von 1925 noch nicht 90 Pro», derjenigen der Vorkriegsjahre be- trägt, so bedeutet das, daß die Unzahl neuentstandener und trotz der Wirtschaftskrise fortbestehender Firmen entweder tatsächlich ihr Äus- kommen findet, was nicht anzunehmen ist, oder auf Kosten der auf Dauer existenzfähigen Unternehmungen heute noch m i t g e- schleppt wird, was wahrscheinlich ist. Das ließe darauf schließen, daß ein großer Teil des Volkseinkommens, aus dem ja im wesent- lichen sowohl die Rentabilität der Industrie als ihr Bedarf an Be- triebskapital gespeist wird, zur Erhaltung von zahlreichen auf Dauer lebens unfähigen Gesellschaften und Einzelfirnten verbraucht und der Gewinn auf Dauer lebensfähigen Unternehmungen g e- schmälert wird. Daraus würde mit einem Schlage eine der ent- scheidenden Ursachen deutlich, aus denen sich trotz zweifellos wachsen- dem Volkskonsum, wie die steigenden Aufträge und Umsätze der Fertigindustrien beweisen, die auffallende Unrentabilität in vielen Industrien und die trotz steigender Depositen in allen Bankinstituten und Sparkassen auffallende Knappheit an Be- triebskapitol erklären würde. Wenn nämlich auch die Knapp- heit an U m st c l l u n g s kapital für die mit Anlagen übersetzten Industrien infolge der Geringfügigkeit der Kapitolneubildung' er- klärlich wäre, so gäbe es absolut keine Erklärung für den Mangel an Betriebs kapital, wenn sie nicht in dem Mitschleppen und künstlichen am Leben erhalten ausscheidungsreifer Firmen zu suchen wäre. Damit entsteht die sehr ernste Frage, ob in Deutschland alles g e s ch> e h t. um den Reinigungsprozeß so zu fördern, wie es notwendig ist. Es ist klar, daß IndustrieundHandeloon sich aus so gut wie n i ch t s wn können, weil jeder Unternehmer hinauf bis in die montane Schwerindustrie Verluste aus seinem Kunden- kreise befürchten muh. Die privaten Kreditbanken tun nichts und brauchen nichts zu tun, weil ihnen bei ihrem Zins- und Provisions- Monopol sehr wohl ist. Es bleibt also nichts anderes übrig, als daß bei der den Kapital- und Geldmarkt kontrollierenden und regulieren- den Stelle, das ist die R e i ch s b a n k, Unzulänglichkeiten der Kreditpolitik vorliegen müssen, die der erforderlichen Reinigung zum Mindesten nicht förderlich sind. Und diese Unzulänglichkeit, darauf ist schon von zahlreichen Seiten hingewiesen worden, kann nur in dem zu niedrigen Diskontsatz liegen, nachdem die wirklich nachdrücklich geführte Politik der Kreditrestriktionen bisher so gut wie gar keinen k r e d i t politischen Erfolg gezeitigt hat. Die Oeffentlichkeit, insbesondere die beteiligten Kreise der Industrie und des Handels haben also ollen Grund, der Angemessenheit der heutigen Diskontpolitik der Reichsbank die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden,
vas Msmchmegeflch gegen öle koastmweeetae. Der Steuenrusschuß des Reichstages hatte sich bei Beratung de? Gesetzes zur Aendenmg der Vertehrssteuern auch mit der Um- f a tz st e u e r beschäftigt und mit einem Antrage, der von ulsseren Genossen zur Befreiung der Genossenschaften von der Doppelbesteuerung durch die Umsatzsteuer gestellt war, zu beschästigen. Der Antrag wurde trotz eingehender Begründung von allen bürgerlichen Parteien in geschlcssencr Front abgelehnt. Diese Ablehnung hat eine größere Bedeutung, als es auf den ersten Blick erscheinen möchte. Di« Regierungsvertreter hatten von vornherein darauf verzichtet, zu dem Antrag« Stellung zu nehmen, weil für sie fessstand, daß nur die beiden Linksparteien die Befreiung von diesem Steuerechte wünschten. Es sst nicht anzu- nehmen, daß nach dieser Entscheidung irgendwelche Aussicht be- steht, im Plenum des Reichstages einen anderen Beschluß zu erzielen. Was bedeutet nun der Beschluß des Steuerousschusses? Er be- deutet, daß die organisierten Verbraucher einmal beim Eingang der Ware im Zentrallager des Konsumvereins mit der Umsatzsteuer belastet werden und daß für alle Waren noch einmal Umsatz st euer zu zahlen sst bei der llebernahme derselben in der Verteilungs stelle. Unser Genosse Peine führt« dem Ausschuß vor Augen, daß in dem Augenblick, wo die Geschäftsleitimg des Konsumvereins die Ware im Auftroge und für das Geld der Mitglieder tauft, sie in den Besitz der Gesamtheit der Mitglieder über. geht. Die Verteilung in der Berteilungsstell« aber als ein Um- satz im geschäftlichen Sinne vernünftigerweise nicht in Betracht ge- zogen werden kann. Was nützt es mm den organisierten Verbrauchern, sich zum ge- meinfamen Einkauf zusammenzuschließen, wenn der dadurch erzielte wirtschaftliche Dorteil durch Doppelbesteuerung wieder ausgeglichen wird. Hinzu kommt noch, daß aus Grund der korrekten Buchführung ein Konsumverein b i» zum letzten Heller seines Umsatzes steuerpflichtig gemacht wird, während manche ohne oder mit mangelhafter Buchführung arbeitenden Kleinhandels- betriebe wohl die Umsatzsteuer vom Verbraucher im Presse der Ware einziehen, ober mangels ausreichender Kontrolle diese nicht an den Steuerfiskus abführen. So kommt es denn, daß nur wenig mehr als 60 Proz. der den Verbrauchern abgenommenen Steuerfumme in die Steuerkasse, und annähernd 40 Proz. hinterzogener Um- satzsteuern in die Taschen der Inhaber unkontrollierbarer Be- triebe fließen. Wie die Abstimmung zeigt, hasten alle bürgerlichen Parteien diesen skandalösen Zustand als zu Recht bestehend und beweisen damit, daß ihnen zur Niederhaltung der wirsschafttichen Bestrebungen der minderbemittelten Bevölkerung jedes Mittel recht sst. Di« Großindustrie hat es verstanden, durch ihre Kon- zernbildung und der Parallelschchtmrg weiterverarbeitender Be- triebe vier und mehr Phasen aus der Besteuerung herauszunehmen. Davon hat ober nicht die Verbraucherschast, sondern nur das U n- ternehmen einen Nutzen; die Verbraucherschaft muß den vollen Preis zahlen ganz gleich, ob ein Gegenstand bis zu seiner Fertigstellung durch Betrieb« wandert, die je für sich selbständig sind, oder ob er in einem Konzern nacheinander in dessen Betrieben fertiggestellt wird. Auch diese drei bis vier und mehr Phasen gehen der Steuerkass« verloren, ohne dem Verbraucher zu- gute zu kommen. Und, wie wir oben gesehen haben, nimmt man dem üJerbraucher da, wo er sein« wirsschafttichen Angelegenheiten in die eigenen Hände genommen hat, die Steuer zwei- mal ab. Man wird in den Archiven der Stouergesctzgebung aller Länder Europas vergeblich nach einem ähniichen Besspiel eines Steuerskandals suchen müssen. All« bürgerlichen Parteien— die aus Veranlassung und Geheiß der Industrie und des Handels ensschieden haben— werden es ab- lehnen, den Vorwurf, sie führten einen rücksichtslosen Klassenkampf gegen die Arbeiter, auf sich sitzen zu lassen. Was ist es mm aber, was hier vor sich geht? Es ist nicht der ge- röuschvolle, weithin sichtbare Kampf der Besitzenden gegen die Be- sitzlosen, sondern em stilles, geräuschloses Erdrosseln der wirsschaft- lichen Betätigung der Selbsthisse übenden Proletarierschichten. Neben dein Bestreben, durch Zö l l e die Lebenshaltung dieser Schichten herabzudrücken, geht einher die skandalöse Belastung durch Doppel be st euerung ihrer wirtschastlichen Un- ternehmungen. Vielleicht sehen all« diejenigen Arbeiter, V«> amten und Angestellten, die den bürgerlichen Parteien ihre Stimme gaben, allmählich ein, welches Unheil sie für sich und ihre Klassen» genossen angerichtet haben. Wir werden nicht eanöden, dafür zu sorgen, daß dies erneut« Attentat in allen Kressen der mtnderbemitlel» ten Bevölkerung bekannt wird und daß allen denen die Angen ge- öffnet werden, die in ihrem Unverstand ihre wirtschaftlichen Gegner politisch unterstützt haben._ vom öerliner /irbeitsmarkt. Auf dem Berliner Arbeitsmarkt zeigt sich gegenüber der Vorwoche ein Rückgang der Beschäftigungsmög- lichkeiten in den Hauptindustrien. Die durch den Ablauf von Tarifabschlüsfen hervorgerufene teilweise Unsicherheit des Arbeits- Marktes tritt besonders im Baugewerbe in Erscheinung. Die gute Aufnahmefähigkeit einiger Berufsgruppen wie der Landwirtschaft und teilweise der Nahrungs- und Genußmittelgewerbe vermochte nicht den Rückgang auszugleichen. Es waren 38 576 Personen bei den Arbeitsnachweisen ein- getragen, gegen 39 883 der Lorwoche. Darunter befanden sich 27 410(27 923) männliche und 11 166<11 960) weibliche Personen. Unterstützung bezogen 9435(8857) männliche und 2779(2655) rgeib- liche, insgesamt 12214(11512) Personen, davon bei Rosstands- arbeiten 2519(2530). Die Zahl der zu gemeinnützigen Pflichtarbeiten überwiesenen betrug 34 gegen 2 der Vvrwoche.
Ein Beispiel kommunaler ZndustriefSrderung. In Offenbach am Main stimmte die Stadtverordnetenversammlung einstimmig einem Vertrag zwischen der Stadt und der bekannten Firma Opel zu, wonach die Lutomobilfirma 57 000 Quadratmeter Baugelände in der Gemarkung Bürgen zur Errichtung einer Fahrradfabrik in Erbbaurecht auf 75 Jahre erwirbt. ES wird zunächst mir einer Belegschaft von 1500 Arbeitern gerechnet. ErweiternngSmöglich- leiten find vorgesehen.— Hier gibt wiederum eine forsschrinlich gesinnte Stadtvertretung ein Beispiel, wie sie die wirtschaftliche Entwicklung im Interesse ihrer arbeitenden Bevölkerung fördern kann. Sie schafft dadurch nicht nur Arbeitsgelegenheit, sondern erhöht auch die Steuerkraft der Gemeinde.
«e�ev