sinen- Und Vananenschalen gelb zu pflastern. So werde jeder wenigstens zum Lehrer, zum Mahner und zum Prediger der anderen und verkünde: Es ist Sünde wider den heiligen Geist der Nächsten- liebe, Kirschkerne auf den Bürgersteig zu spucken, und es ist nicht an- ständig, derartige Manipulationen vom Dach eines Omnibusses oder vom eigenen Balkon aus vorzunehmen. Daß man vom Balkon aus auch nicht gerade sintslutähnliche Zustände beim Begießen der Blumen hervorrufen soll, besagt ja cuch schon das eingangs zitierte Verbot, das jeder, den es interessiert, im§ 142 der Berliner Straßenpolizei- ver�rdnung nachlesen kann. Und man wird zugeben, daß es sich hier um ein Verbot handelt, das an sich nicht natürlich wäre, wenn nicht so viele es gedankenlos oder aus übel angebrachter Bequemlichkeit überträten._ ,Slonka von Tfthaikoff.' Ein weibliches„Genie"! Vor der Ferienkammer des Schöffengerichts in Moabit hat sich eine Hochstaplerin zu verantworten, die manchen ihrer münn- lichen„Kollegen" in den Schatten stellt. Fortgesetzte Betrügereien. die allerdings große Anforderungen an die Leichtgläubigkeit der nun einmal nicht»alle werdenden" Opfer stellt, werden E h a r- l o t t e Walter, der Tochter eines anständigen Lederarbeiters, zur Lost gelegt. Wie ein Roman jener berüchtigten Zehnpfennighefte muten die Schwindeleien dieser Angeklagten an. In P a l e r m o oder in Rußland hätte ihre Wiege gestanden. Die Angeklagte liebt Abwechslung in ihren Aufschneidereien, sie weiß. ihre eirunden" lieben das Romantische. So nennt sie sich weiter Baronin Slonka von Tschaikosf, Witwe eine» russischen Baron» gleichen Namens, der in Hamburg durch Selbstmord geendet haben soll. Vorübergehend müsse die Baronin arbeiten und sei deshalb Angestellte der- russischen Handelsdelegation. Nun ist das Netz geschlossen, die dummen Fliegen werden schon kommen. Und sie kommen, die kluge Spinne hat eine reiche Auswahl! Der erste, der sich allzu willig sangen ließ, bezahlt« sein« Leichtgläubigkeit mit einer goldenen Uhr mit Kette, einem wertvollen Lud- w i g s r i n g, einer silbernen Zigarettendose und vielen baren Geldbeträgen, insgesamt ein Schaden von 2 0 6» Mark. Die Betrügereien wurden immer umfangreicher, die Walter erfand die unglaublichsten Dinge. In Holland war.Frau Baronin" kurze Zeit als Schauspielerin tätig, bei einem Konsul hat sie dort viel Geld als Depot gelassen, und in einem großen Hotel stehe ein wertvoller Koffer mit kostbarem Schmuck, zarte» Angebinden des Herrn Konsuls. Was die raffinierte Schwindlerin aber auch ersann, stets fand sie Gutgläubige, die der.interessanten Frau" mit vollen Händen Geld borgten. Aber auch in Berlin ist die„Gnädigste" selbstverständlich nicht ohne„Apartements".— in Wohnungen pflegen sich solche Baroninnen nicht wohl zu fühlen. In der Kant- straße oerwaltet ein Baron von Forell eme Fünfzimmerwohnung für sie. In ihrem bewegten Leben lernt die Walter ein Ehepaar kennen, dem sie zunächst die alten Lügen auftischt. Eines Tages kommt sie plötzlich in die Wohnung ihrer neuen Bekannten und bittet um Aufnahme, da sie krank und.zufällig ohne Logis sei. Als Dank für die erfolgte Gastfreundschaft liefert die Angeklagte prompt weitere Fortsetzungen ihres Romans. Jetzt kommt Wien an die Reihe, wo sich noch umfangreiche Besitzungen ihres verstorbenen Mannes befänden, die durch ihre gräfliche Schwieger- mutier verwaltet würden. Das Ehepaar bezahlt für die„Neu- erscheinungen" in Summa 7 00 Mark. Wieder einmal braucht „Slonka von Tschaikosf" dringend Geld, um zu verhindern, daß die Gebeine ihres verstorbenen Kindes auf dem Tegeler Friedhof exhumiert würden!— Jedes weitere Wort über derartig freche Schwindeleien würde sich in der Tat erübrigen, wenn man nur wüßte, worüber man den Kopf schütteln muß! Ueber die Betrügerin oder über die Betrogenen! Man wundert sich, wenn einfache Leute vom Lande in der Nähe der Großstadtbahnhöfe immer wieder auf die Bauernfänger hereinfallen! Die Geschädigten der Walter alias Baronin Slonka von Tschaikosf gehören durchweg den gebildeten Ständen der Großstadt an....!! Charlotte Wolter wird vom Gericht zu 1 Jahr und 9 Monaten Gefängnis ver. urteilt, zwei Monate werden auf die Untersuchungshaft angerechnet! Autobus und Feuerwehr. Der Zusammenstoß eine» Autoomnibus der Linie 10 mit der Feuerwehr, der sich am 13. Mai nachts zwischen 1 und 2 Uhr in der Königstraße bei der Kreuzung der Poststraße ereignete und bei dem der Autobus umstürzte, hatte gestern sein g e r i ch t- liches Nachspiel in Form einer Anklage gegen den Führer des Autoomnibusses, Rauten bera, der sich vor dem Schöffen- Gericht Mitte unter Vorsitz von Amtsgerichtsrat K e t t n e r wegen Körperverletzung zu verantworten hatte. Die Feuerwehr kam von der Poststraße, während der Autobus aus der Richtung der Kur- fürftenbrücke die Königstroße hinunterfuhr. Der Angeklagte bestritt jede Schuld. Er behauptete, daß es ein alter Wagen gewesen sei und daß der Motor auf dem Pflaster ein so st a r k e s G e r ö u s ch gemacht habe, daß er die Signale der Feuerwehr aus der Poftstraße nicht habe hören können und die Feuerwehr erst gesehen habe, als sie in der Höhe der Königstraße war. Im letzten Augenblick habe er links ausweichen wollen, fei dann aber gepackt worden. Die vernommenen Feuerwehrleute schieben dagegen dem Angeklagten alle Schuld zu. Nach ihren Angaben habe die Feuerwehr, wie üblich, dauernd Signale gegeben, die unbedingt gehört werden mußten. Auch eine Reihe von Augenzeugen ist der Meinung, daß die Schuld in erster Linie bei dem Angeklagten zu suchen sei. Er hat die Halte- stelle an der Kurfürstenbrücke überfahren und fuhr in so schnellem -Lempo, daß er den Wagen nicht mehr zum Halten bringen konnte: daher sei sein Bestreben gewesen, noch schnell an der Feuerwehr vor. bei zu kommen, weshalb er links ausbog. Der Autoomnibus war zwar ein älterer Wagen, soll aber kurz vorher repariert worden und in gutem Zustande gewesen sein. Es wird auch bestritten, daß ein so starkes Geräusch war, daß die Signale der Feuerwehr nicht ge- hört werden konnten, da sich an jener Stelle Asphaltpflaster befindet und die Straßen um jene Zeit ruhig waren. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten Rautenberg wegen fahrlässiger Körper- Verletzung zu 3 Monaten Gefängnis. Das Gericht hatte dem Angeklagten nicht widerlegen können, daß er die Signale der Feuer- wehr nicht gehört habe. Dies wird gewissermaßen unterstützt durch Zeugen, die im Innern des Wagens gesessen haben und die Klingel- zeichen ebenfalls nicht gehört hatten. Auch das Verhalten des An- geklagten an der Straßenkreuzung, indem er links abbog, ist nicht unsachgemäß gewesen. Dagegen war die Fahrlässigkeit in '.bin« m Verhalten bis zur P o st st r a ß e vorhanden. Wenn er bei dem dritten Gang des Motors nichts hören konnte, wie er an- gab, mußte er sich besonders vorsichtig der Straßenkreuzung nähern und die Geschwindigkeit so einrichten, daß er den Wagen sofort zum Stshsn bringen konnte, weil die Wagen von rechts die Vorfahrt hatten. Er hatte sich aber nicht darauf eingerichtet, sondern ist darauf losgefahren, weil es seine letzte Fahrt war und er nach Hause kommen wollte. Das ist seine Fahrlässigkeit. Das Ver- schulde» ist nicht allzu groß gewesen, aber immerhin war der Schaden erheblich. Durch das Urteil müßten die Chauffeure Berlins endlich zur Besinnung kommen, daß die Straßen auch für Leute da sind, die nicht Auto fahren. Da? Gericht bewilligte dem Verurteilten Bewährungsfrist. Ter Leichenfund im Grunewald aufgeklärt. Der Tote, der im Grunewald gefunden wurde, ist von feiner Mutter, ferner Schwester und seiner Braut an den Kleidungsstücken und den Sachen, die man bei ihm fand, als ein 22 Jahre alter Kaufmann Erich W'eSner aus der Mommsenstraße zu Cbar« lottenbnrg erkannt worden. WieSner trug sich schon länger mit Selbstmordgedanken, weil er an einem unheilbaren Hals« leiden krankte. Am 30. Juni machte er mit seiner Braut noch einen Ausgang. Wahrscheinlich hat»r sich bereits am nächsten Tage im Grunewald erschossen.
der �Kronprinz voa kurülstan''. Aus dem Leben eines internationalen Schwindlers. Seit Juni d. I. verkehrte in den Berliner Kreisen ein gern ge- sehener Gast, ein Ausländer von etwa 30 Iahren, der sich für einen Sohn des„Emirs von Kurdistan " ausgibt und es sich auch gern gefallen läßt, daß man ihn in Berlin „Kronprinz von Kur- diftan" nennt und als solchen behandelt und feiert. Der Mann trägt eine schöne türkische Uniform mit knallrotem Kragen und Acrmel- aufschlügen, in der er, ziemlich groß und sehnig von Gestalt, recht stattlich aussieht. Sein Haupt schmückt der rote Fez, die Achseln ganz breite golden« Achselslücke, die Brust ein großer türkischer Orden am Bande und zahlreiche andere Orden, die aufgesteckt sind. Tadellose lange rotbraune Schaftstiefel mit goldenen Sporen umschließen die schlanken Beine. Der„Kronprinz von Kurdistan " wohnte zunächst in einem vor- nehmen Hotel und zuletzt in einem Privatlogis in der Mittelstrah«. Er oerkehrt« viel In den Vorhallen der ersten Hotels. Er reiste ober nicht rein zum Vergnügen. In Berlin oersuchte er vielmehr, eine Filmexpedition nach seinem Heimatlande zustande zu bringen. Zu diesem Zwecke wandte er sich an mehrere Gesellschaften. Ein« solche Expedition nach dem interessanten Lande und unter der Pro
sowie alle im Wohnungswesen tätigen Genossen! Freitag, den 17. Juli 1925, abends 7'/, Uhr. im.Gewerkschaftshaua". Engelufer 24 Wichtige Versammlung Tagesordnung: 1. Zölle, Steuern ond wohnnngswucher. Referent: Minister o. v. Genosse Lipinsti. 2. Anträge znm Bezirkstag und Parteitag.— 3. Verschiedene«. Bezlrksmieleransschuß der Spv.
tekrion des„Kronprinzen" mußte eigentlich reizen. Aber es scheint doch, daß das Unternehmen nicht in Gang kommen will. Bestimmt weiß man nur, daß der„Kronprinz" zunächst einmal versuchte, auf die Expeditton einen Vorschuß von 10000 Mark zu be- kommen. Wie die Sache augenblicklich steht, weiß man nicht recht, die Verhandlungen scheinen stch alle zerschlagen zu haben. Vorläufig haben nun die Abteilungen I A und IV des Polizeipräsidium» Veranlassung gefunden, sich den.Kronprinzen" näher anzusehen und ihn deshalb in Gewahrsam zu nehmen. Es besteht nämlich der be- gründete Verdacht, daß er niemand anders ist als ein Schwind» l e r. mit dem sich früher schon die amerikanischen und englischen Behörden beschäftigt haben. Im Jahre 1921 trat in Washington ein vornehmer Kurde unter dem Namen.Major Domo" als Be- vollmächtigter einer Prinzessin Fatimah auf, die er begleitete. Das Paar erregte erhebliches Aufsehen und verkehrte in der vornehmsten Gesellschaft. Di« Prinzessin fiel besonder» durch einen riesigen Brillanten auf. den sie als Schmuck an einem Nasenring trug. Sie wurde für eine echte Prinzessin gehalten und mit ihrem Bevoll» mächtigten auch im Weiße» Hause vom Präsidenten Harding empfangen. Das Paar war geradezu eine Sen- fation. Bei der Abreise aber haperte es mit"der Bezahlung der Schulden. Die große Verehrung hindert« die praktischen und nüchternen Amerikaner nicht, auf Zahlung �u bestehen, und weil bares Geld nicht oder wenigstens nicht genügend vorhanden war, so mußle Faiimah ihren Riesenbrillanten opfern und zum Pfände lassen. Im März 1923 tauchte.Major Domo" als Prinz von Kur. diftan In London auf, stieg im Savoy-Hotel ab und mietete eine Zimmerflucht für 200 Mark den Tag. Geld sollte sein Sekretär mit- bringen, der in einigen Tatzen nachkommen werde. Der kam aber nicht, und so konnte der Prmz nicht bezahlen. Er sah sich genötigt, auszuziehen, siedelte nach dem Hyde-Park-Hotel über und berief sich hier auf den türkischen Botschafter, jedoch ohne Erfolg. Es gelang ihm nur, von einem Privatmann 1000Markzuborgen. So befaßte sich denn Scertland Pard mit ihm, und das Ergebnis waren 6 Monate schweren Kerkers. Die englische Polizei stellte den Mann als einen damals 23 Jahre alten Aegypter Said M o h a m e d K a k e l o fest und ermittelte, daß er während feines Londoner Aufenthalts tagsüber in East End bei Schneidern Hosen gebügelt hatte. Abends aber hatte er sich in feiner �pomphaften Uniform in der Gesellschaft und aus den Dielen der Hotels gebührend bestaunen und fetern lassen. Dieser Zwischenfall und der unrühmlich« Abgang aus Washington hinderten ihn aber, nachdem die Engländer ihn deportiert hatten, nicht, in New York den außerordentlichen Gesandten von Kurdistan zu spielen und wieder in den vornehmsten Kreisen zu verkehren und abermals reichlich Schulden zu machen. Als außerordentlicher Ge- sondier ging er dann sogar auch nach Washington zurück und traf Anstalten,.seinen Freund, den Staatssekretär Hughes" persönlich zu besuchen. Dieser hörte aber rechtzeitig von den Borbereitungen und erkundigte sich näher nach dem Manne. Da erinnerte man stch denn seines früheren„Gastspiels" und statt zum Staatssekretär wanderte der außerordentliche Gesandte aus«In paar Monat«"nach S i n g- S i n g. Don dort entlassen, wandt« sich der„Kronprinz von Kurdistan " im März 1924»ach Liverpool, wo er großartig empfangen wurde. Es dauerte aber nicht lange, da wußte man von London her, mit wem man es zu tun hatte und schob den Mann als lästigen Ausländer ab. Jetzt prüft man in Berlin , ob der.Krön- prinz von Kurdistan " jener Schwindler ist. Die Zahl der Rundfunkteilnehmer. Die Zahl der deutschen Rundfunkteilnehmer, die am 1. Juni 33i6i7 betrug, ist immer noch im Steigen begriffen, so daß man für den Herbst mit einer Teilnehmerzahl von einer Million rechnen kann. Die bei weitem meisten Teilnehmer zählt der Sendebereich Berlin mit»48 724 Hörern, dann folgt Ham« bürg mit etwa 113 000, Leipzig mit etwas über lÖOOOO, München mit rund 90000, Frankfurt a. M. mit V48t0, Breslau mit 47 000, Münster mit 27 000. Stuttgart mit 2681k und K ön i g s b erg mit nicht ganz 1k 000 Teilnehmern. Die tägliche Zunahm« betrug im Mai 600 Neuonmeldungen. Das Rundfunkprogramm. Donnerstag, den 16. Juli. Außer dem üblichen Tagesproprcm®: S— 6.30 Uhr abends: Nachmitta(f8�onzer* der Borlioer Punk- kapella. Leitung: Konzertmeister Ferdy Kauffman. 7 Uhr abends: Dr. med. B. Hirscbfeld:.Hygiene dei Halses, der Na�e und der Ohren". 3. Vortrag..Das' Ohr und seine Hygiene". 7.30 Uhr abends: Reg.-Rat Dr. Friedrich Zacher:„Speioner- und Haus- haltssohtdlinga und ihre Bekämpfung". 6 Uhr ahands; Hnns- Bredow-Sohuje(Bildungskurse). Abteilung Technik. Dipl.-Ing. J. Arend:.Wie gewinnt man Eisen". 8.30 Uhr abends: Volkstümliches Konaart Dirigent: Georg Sz4U. 1. L. Spohr: Kontert Nr. 8(in Form einer Gesangsszene)(Maurits van den Berg, Violine). 2. Bizet : Blumenarie ans der Oper„Carmen "(Maroei Nog. Tenor). 8. Bizet: Arie der Micaela aus der Oper„Carmen "(Asta r. Oppeln- Bronikowski, Sopran). 4. Bizot: Duett Micaela und Jos4 aus der Oper„Carmen "(Asfa v. Oppeln-Broiiikowsk: und Marrel-KoS ). 6..Mozart : Seronade D-Dur(Orchester). Berliner Funkorchester Anschließend: Bekanntgabe der neuesten Tagesnaohricbten. Zeitansage. Wetterdienst, Sportnachrichten, Theater- und Füm- dienst. 10.30— 12 Uhr abends: Tanamusik.
Der Wunöeröoktor. „Hypnotische Fernkuren." Ein umfangreicher Kurpfuscher- und Betrugsprozeß begann vor dem Schöffengericht Schöneberg . Die Anklage richtete sich gegen den Tischler Oswald Siemann, der sich den Doktortitel beigelegt hatte und seine Wunderkuren für alle möglichen Krankheiten in Ankündigungen anbot. Er nannte sich Homöopath und Arzt. Seine Ausbildung bestand nur in einem einmonatigen Privatkursus bei einem Homöopathen. Da er in seinen Ankündigungen durchblicken ließ, daß er über unfehlbare Mittel gegen gewisse Erkrankungen verfüge, hatte«r ganz besonderen Zuspruch aus Frauenkreisen, die Rat und Hilfe verlangten, wenn ihnen ein bestimmter Unfall passiert war. Seine Kuren nahm er auch brieflich vor. Er empfing aber auch seine Berliner Patientinnen in seinem Sprechzimmer in Reu- kölln, das nach Art eines Frauenarztes mit einem Unterfuchungs- stuhl und mit einer elektrischen Lustbrücke ausgestattet war. Das mit Sicherheit wirkende, seil 20 Jahren glänzend bewährte Mittel „Fralienwohl" bestand in Teepuloern und einer braunen Flüssigkeit. Der Zuspruch war so stark, daß im Jahre Taujende von Leuten die Hilfe des Homöopathen in Anspruch nahmen. Wie die im Ermittlungsverfahren vernommenen über 400 Zeugen angegeben hatten, vertrauten sie auf den Doktortitel und glaubten, daß sie es mit einem Arzt zu tun hatten. Der Angeklagte bestritt, seine Patientinnen untersucht zu haben und wollte die Krankheiten nur durch.Augendiagnose' sestgestellt haben. Bei den Fern- behandlungen will er mit. Hilfe der Hypnose gewirkt haben, da es sich um ausnahmslos«ingebildete Kranke gehandelt habe. Die Dertcidi- ger beantragten, Ge'heimrat Bier als Sachverständigen zu ver- nehmen, der bekanntlich ein Aufsehen erregendes Buch über die Homöopathie geschrieben habe. Die Bernehmung des Angeklagten ließ eine gewisse Tragik in seinem Lebensschicksal zutage treten. Siemann, letzt ein bald 50 Jahre alter Mann, war in seiner Jugend gestrauchelt und hatte«ine längere Strafe erhalten. Als er diese verbüßt hatte, kam er mit ernsten Besserungsabsichten ins Leben zurück. Er bemühte sich auch, ein ordentliches Leben zu suhren und erlangte durch Fleiß und Sparsamkeit eine gute Stellung, zunächst als Zeichner für ein Architekturbureau. So hat er die Entwürfe für den Innenausbau des Landgerichtsgebäudes zu Hirschberg in Schlesien und für eine Oberrealjchu'e gemacht. Er wurde dann Mitinhaber einer Möbelfabrik, die ober infolge des Krieges in Konkurs geriet. Daraus errang er sich wieder eine gute Stellung. verlor sie aber, als er für das Amt eines Schöffen berufen wurde und seine Vorstrase dabei herauskam. Eine Erfindung auf dem Gebiete der gebogenen Möbel verhieß ihm eine glückliche Zu- kunft, aber die Geldleute zogen stch immer wieder zurück, wenn ihnen leine Vergangenheit bekannt wurde. Das brachte ihn auf den Ge- danken, seinen Namen zu verschleiern, und er legte sich den Doktortitel bei. Auf diesem Wege heiratete er einmal auch als Doktor, damals noch„Dr. ing.", später ober verlegte er sich aus die Kurpfuscherei und kam dann nach längerer Pause von neuem mit dem Strafgesetz in Konflikt. Die Verhandlung wird dos Schossen- gericht längere Zelt in Anspruch nehmen. Als die Sorge» kamen... Da» recht schwere Vergehen der Amtsunterschlagung wird dem erst 27jShritzen Magistratsinspektor Harry K. zur Last gelegt. Vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte muß er sich deswegen verantworten. Das Schicksal hat dem Angeklagten bös« mittzespielt, seine anerkannte Tüchtigkeit und außerordentliche Fähigkeit habe ihn zu früh an«inen Posten gestellt, dessen Versuchungen K. in bitterer Not zum Opfer gefallen ist. K. ist der Sohn hochachtbarer Leute, die ihren begabten Jungen den Besuch eines Gymnasiums ermöglichten. In dem Beamtenoeruf, dem sich der Angeklagte wid- mete, leistete er Hervorragendes und wurde früh zum Magistrats- infpektor ernannt. Eine weitgehende Selbständigkeit in der Abtei- lung für sozial« schulärztliche Fürsorge wurde ihm zuin Verhängnis. Als über K., der sein« Mutter und die stellungslose Verlobte unter- stützte, schwer« Sorgen hereinbrachen, ließ er sich verleiten, Gelderzu unterschlatzen, die er an Aerzte oder Schwestern anzuweisen hatte. Erst auf eine Anzeige von dritter Seite hin werden die Veruntreuungen entdeckt und dem Gericht übergeben, K. wird vom Dienste suspendiert. Seine Braut begeht Selbst- m o r d, der Angeklagte ist der Verzweiflung nahe. Noch einmal rafft er sich auf und erkämpft sich mit zäher Energie ein» neue Stellung, er wird Geschästssührcr einer Werst. K.s crsle Tat ist ein Gesuch an den Magistrat, seine Versehlungen zu entschuldigen und da» feste Versprechen, in monatlichen Raten von S00 Mark die unterschlagenen Gelder zurückzuerstatten. Das Gesuch bleibt ohne jede Antwort! Das Gericht glaubt dem Angeklagten feinen guten Willen und läßt Milde walten, die Strase lautet auf acht Monate Gesängnis und Aberkennung der Fähigkeit,«in öffentliches Amt zu bekleiden, auf die Dauer von drei Iahren.— Hat sich aber an verantwortlicher Stelle im Magistrat kein Mann gesunden, der frei von bureaukratischen Bedenken sich sagen mußte, daß hier ein Menschenleben vor dem Gefängnis zu retten war? Ist Bestrafung auf jeden Fall die einzig mögliche Antwort auf eine ehrliche Reue gewesen.<>.. 7 Ohne ein Wort deS Dankes! An einem der letzten Sonntage herrsckie am Grunewalds«« wieder einmal lebhafter Badebetrieb. Plötzlich erschallten laute Hilferufe, allem Anschein nach aitS dem dichten Schilf hetauS, dc>S den Ausblick auf den See verdeckle. Der Student der Lehr- und FotschungSanstalt für Gartenbau in Dahlem Karl Schneider sprang sofort in« Wasser, bahnte sich, zunächst durch den Sülamm watend, mit aller Krait einen Weg durch da« dichte Schilf lind entschwand dann den Blicken der am Ufer stehenden Menge. Einige- junge Leute eilten ihm nach, und nach wenigen Minuten kehrten sie zurück mit einer Dame, die beim Schwimmen zwischen Schlingpflanzen geraten war. sich nicht wieder zu befreien vermockle und bereit« da« Bewußtsein verloren halte. ES gelang den ver- einten Bemühungen deS Lebensretters iind anderer hilfsbereiter Menschen, die.BesinnungSlose wieder in« Leben zurückzurufen. Sie bat sich dann— ohne ihren Namen zu nenne» und ohne ein Wort de» Dante«— entfernt. Wetter(fit Berlin und Umgegend. Warm und heiter, später Gcwilter- neigung.— Jflt Ventschland. Strichweise Gewitter, überall warm.