rfne Sb erlesen« Anslsirbskonknrreuz für gefährdet anzusehen ist. Während Getreidezölle auch dem untüchtigen Land- mirt erhöhte Einnahmen schaffen, kommen die Zölle auf Erzeugnisse der tierischen Veredelungswirtschost vornehmlich dem tüchtigen Land- wirt zugute. Die 4 anderen Mitglieder des Ausschusses(August Müller, Ra- bethge, Wormbold, Sagawe) haben sich diesem Gutachten nicht an- geschlossen. Sie glauben, auf eine» Schutz des Getreidebaus nicht verzichten zu können, weisen aber gleichzeitig darauf hin, daß es sich ja nur um eine Regelung für kurze Fristen handelt. Reben den eigentlichen Getrcidcschntzzöllen befürworten sie auch einen Zoll auf Mais und Futtergerste, sie schließen sich also in wesentlichen Punkten an die Vorlage der Regierung an. Mit Rücksicht auf die chandelsvertragsverhandlun- gen halten die Mitglieder des Ausschusses sämtlich V e r h a n d- l u n g s z ö l l e auch für Brotgetreide für erforderlich, um die agrari- schcn Exportländer zum Abbau ihrer Industriezölle zu veranlassen. Die Forderung nach Mindest zollen wird dagegen auch von den Befürwortern der Getreidezölle im Ausschutz nicht erhoben.
Sie Textil-Zertigmöustrie bedroht. Späte Vorstellungen der Interessenten. Das skandalöse Verhalten der Regierungsparteien, die olle Gründe gegen die unerhört hohen Textilzölle vollkommen ignorieren und ohne ein Wort der Widerlegung alle Abänderungsanträge mederstimmen, hat die gewerblichen Verbraucher von Textilerzeugnissen im Interesse der Lebensfähigkeit ihrer Industrie' aus den Plan gerufen. So war vor einigen Tagen eine Deputation aus der Seidenkonfektion im Reichstag, um den Vertretern der Parteien den Nachweis zu führen, daß die enormen Zölle auf Seidenwaren zu einem Niedergang der ganzen Produktion iiir den Export und zu einer gewaltigen Verminderung der Erzeugung für den Innenmorkt führen müssen. Solche Deputationen sind den Regierungsparteien höchst unbequem. Der Vertreter des Zentrums, Herr Dr. L a m m e r s, hat deshalb den Vorsitzenden des Zollousschusses ersucht, dafür zu sorgen, daß die Abgeordneten von dieser Plage verschont werden. Die genannte Kommission sprach auch mit dem Vertreter der Wirtschaftspartei im Zollausschuß Herrn Drewes. Dieser Herr gab den Vertretern der Konfektionsindustrie in allen ihren Darlegungen recht und geslond, aber trotzdem s ü r den Zolltarif stimmen zu müssen, um die Re- gierung zu„schützen". Das müssen sich die Wähler des Herrn Drewes merken. Sie haben ihn doch gewählt, damit er ihre schwache wirt- schoftliche Existenz vor den Gefahren der großkapitalistischen Be- reicherungswirtschaft schützen sollte. Jetzt„schützt" er die Regierung, die die Bereicherungspolitik der Großkapitalisten fördert. Herr Drewes gehört auch zu den Leuten, die den Tarif nur befristet bewilligen wollen. Aber die befristete Bewilligung wird genügen, hochwertigeIndu st riezweigeuns er erWirt- schaft zum Ab st erben zu bringen! denn wenn die Befristung überhaupt beschlossen wird, so dürfte sie doch auf Jahre hinaus be- stehe!». Wie der hohe Zoll die Fabrikation der verarbeitenden In- dustrie verteuert und ihre Konkurrenzfähigkeit aufhebt, zeigen fol- gende Angaben aus der Konfektion seidener Blusen und Kleider:
Verkousspiei. W.
13.90 25,60 27,50 74,— 88,— 37,50
ZollbelastllNg M. Proz.
2.40 3,50 4,30 11.72 7.20 8,30
18 20 16 21 .19 23
Artikel Leichte Crepe-de-chine-Slufe...... Langärmelige Crepe-de-chine-BIufe... Erepo-ds-cbivs-SUeid ohne Bermel ... Osps-ds-cHins-Kleid mit Perlen bestickt. Oeps-Ksorgstto-lkleidm. leichtem Federbesatz Ein rein lunstfetdeneS«leid mit Federn. Das ist gegenüber dem Zoll in der Vorkriegszeit eine S t e I- g e r u ng u in das Z w e i e i n h a l b f o ch e. Die Seidenkonfektion Deutschlands soll ihrem ausländischen Konkurrenten also mit einer Belastung von 20Proz. im Konkurrenzkampf entgegentreten. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß eine solche Zollpolitik für die oerarbeitende Industrie geradezu vernichtend sein muß. Das gleiche gilt, teilweise sogar im erhöhten Maße, für die Konfektion wollenerDamen-undKinderkleider. Es ist aber nicht zu glauben, wie politisch naiv die Verarbeiterkreise sind. Als der obenerwähnten Deputation vorgehalten wurde, daß sie sich reichlich spät rührt, erklärte sie, man hätte es nicht für möglich gehalten, daß die Regierung und die hinter ihr stehenden Par- teien so verfahren würden, wie es jetzt geschieht. In den Voroer- Handlungen habe das Kabinett immer erklärt, der Reichstag werde schon einen gerechten Interessenausgleich herbeiführen. Mit Hilfe des Reichsfags werde die Regierung manchen Zweig der Vorlage, der zu lang hervorgeschossen sei, auf das zulässige Maß zurück- schneiden. Jetzt aber zeige sich, daß feste Vereinbarungen zwischen der Regierung und der hinter ihr stehenden Parteien ge- troffen sind, die Vorlage, so wie sie ist, anzunehmen. Die Leute waren einfach sprachlos, als ihnen gesagt wurde, daß der Abgeordnete Hoff von der Deutschen Volkspartei an«inen Industriellen in Plauen geschrieben hat, die Regierung verhandle mit den Regierungsparteien um die Vorloge en bloc anzunehmen. Jetzt erst erkannte die verarbeitende Industrie die ganze G«- fahr des Hochschutzzolles, denn soviel weiß sie auch, daß die große Gefahr besteht, bei den Handelsvertragsverhandlungen auf den hohen Zöllen sitzenzubleiben. Dann ist aber die deutsche Industrie erledigt. Das Ganze nennen die Parteien der Beutel- schneiderei aber:„Nationale Wirtschaftspolitik". Hermann Krätzig . » Die Erhebungen des Deutschen Textilarbeiterverbandes über den Geschäftsgong in der deutschen Textilindustrie ergaben, daß sich der Beschäftigungsgrad gegenüber dem Monat Mai kaum verändert hat. Diese Tatsache mag vielleicht mit der viel- erörterten Beobachtung zusammenhängen, daß augenblicklich in Händlerkreisen zum Teil aus spekulativen Erwägungen größere Nach- frage nach Ware herrscht, während der tatsächliche Absatz in der Bevölkerung, besonders infolge der steigenden Nahrungsmittel- preise, mehralsje stockt. Die Erhebungen des Textilarbeiterverbandes ergeben für den Monat Juni 10 720 Arbeitslose gegenüber 10167 Arbeitslose im Monat Mai. Prozentual hat sich demnach die Arbeits- l o f i g k- i t geringfügig von 3.2 auf 3,4 Proz. gesteigert. Da- gegen hat sich die Anzahl der Kurzarbeiter verringert, und zwar von'52 719 im Monat Mai auf 52 373.
Amerikanische Droduktionsmekhoden in der Herrenkonfektion. Die englisch - amelikanische Herrenkonfektionsfirma P o liko ff, Ltd., London , wird, wie der.Konfektionär" erfährt, demnächst in Frankfurt a. M. ein Z w e i g h a u S gründen, in dem sie Herren» konfeknon nach amerikanischen Massenproduktion«. Methoden herstellen will. Die Polikoffsche Zweigfirma in Frankfurt a. M. soll im Anfang nur 200 Anzüge pro Woche her- stellen, man hofft jedoch, es im Laufe der Zeit bi« zu einer Produktion von-IO 000 Anzügen p c r W o S e bringen zu können. Da« Anfangskapital der Frankfurter Firma wird eine Million Mark betrage». Inwieweit das neu- Projekt geeignet sei» wird, der durch langjährige Praxis und QualitätSerzeugung erfolg- reich eingefübiien deutschen Herrenkonfektion eine Konkurrenz zu bedeuten, läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen.
V!e preiskämpfe lm Textilgewecbe. Im Textilgewerbe spielen sich bekanntlich sehr heftige Preis kämpfe ob. Auf der einen Seite stehen die Einzelhändler, die mit den Konsumenten auf die Preise drücken, weil sie wissen, daß sie nur zu billigen Preisen Ware abzusetzen in der Lage sind, aus der anderen Seite die Fabrikanten, die nur schwer zur Preis scnkung zu bewegen sind. In diesem Zusammenhange ist die nach folgende Resolution, die der Verein Deutscher Wirke r e i e n auf seiner letzten Mitgliederversammlung in Nürnberg ge faßt hat, von besonderem Interesse: .Der Verein Deutscher Wirkereien verpflichtet seine Mit glieder. Verlangen der Kundschaft auf Gewährung vo Preisnachlaß auf Abschlüsse zu festen Preise unter allen Umständen abzulehnen. Gesunkene Marktpreise für Rohstoffe können ebensowenig einen Grund für ein solches Verlangen abgeben, wie umgekehrt eine Erhöhung der Gestehungskosten des Fabrikanten diesen nicht berechtigt, Sliis» schlüge zu verlange». Die rückgängige Tendenz der Wollpreise hat sich zudem im Fertigerzeugnis nicht entsprechend ausgewirkt, weil die übrigen Gestehungskosten(Löhne usw.) inzwischen wieder gestiegen sind. Schließlich haben sich die Fabrikanten für fest ab geschlossene Verträge als umsichtige Fabrikanten mit Roh sl offen fest eindecken müssen, so daß die Senkung der Wollpreise in den Gestehuiigskosten überhaupt nicht zur Geltung kommt. Der Verein Deutscher Wirkereien hält sich im Interesse der deutschen Wirtschaft für verpflichtet, als obersten Grundsatz des Wirtschaftslebens das Gebot unbedingter Vertragstreue hochzu halten. Rur auf einer solchen gefestigten Grundlage ist eine Ge sundung unserer gesamten Verhältnisse überhaupt möglich." Aus Kreisen des Einzelhandels erfahren wir hierzu folgendes Wirk- und Wollwaren benötigen eine Fabrikationsdauer von zirka einem halben Jahre. Sie werden von den Einzelhandels. gefchäften bei den Wirkereien in der Regel im Februar, März be. stellt und im August, September geliefert. Der größte Teil der Wirkereien deckt sich je nach dem Auftragseingang sofort mit den für die Fabrikation der Aufträge notwendigen Wollgarnen ein Der geringste Teil der Fabrikanten spekuliert, d. h. er wartet mit der Eindeckung der Wollgarne, wenn er glaubt, diese vorteilhoster vor nehmen zu können, als wenn er sich die Wollgarne sofort beschafft, eine geraume Zeit. Nun haben diese Firmen, die sich nach diesen Grundsätzen eindeckten, in diesem Jahre das Glück gehabt, daß bei der Wollauktion in London am 5. Mai ein sehr erheblicher Preis- stürz begann. Aber für dies« Fabrikanten besteht eine andere Ge- fahr, nämlich die, ob sie in der Lage sind, die L i e f e r f r i st e n, soweit solche in den Abschlüssen festgesetzt sind, auch einzuhalten. Und wenn sie das nicht können und bei den Einzelhändlern, ihren Abnehmern, um Gewährung längerer Fristen nachsuchen werden, so haben diese die Möglichkeit, auf die Preise zu drücken. Selbst von' denjenigen Wirkereien, die sich sofort bei den Abschlüssen mit dem notwendigen Wollgarn versehen hoben, hat jedoch ein Teil Zir- kulare an die Kundschaft verschickt, daß sie bereit sind, sich nicht an die Zlbschlußpreise zu holten, sondern zu den Tagespreisen, wenn diese niedriger als die Abschlußpreise sind, liefern werden. Unter den Firmen, die ein derartiges Zirkular versandt haben, ist z. B. die Fabrikansin der Jäger- und Ribana-Wäsche, die ein gewisses Monopol für ihre Fabrikate besitzt. Aus den erwähnten Beispielen geht hervor, daß in manchen Fällen Preisabschlüsse mit Rücksicht aus die allgemeine Marktlage durchaus möglich sind und den Fabri kanten zur Aufrechterhaltung ihres Absatzes sogar dienlich erschienen. Wir unsererseits möchten dazu betonen, daß die Vertragstreue selbstverständlich das oberste Prinzip jeder geschäftlichen Betätigung sein muß und daß es notwendig ist, überall zu festen Verträgen zu kommen, deren Innehalwng auch gewährleistet ist. Die Pro. duzenten machen nun ihren Abnehmern die Vertragstreue oftmals schwer, indem sie durch zu hohe Preise und offenbar ungerecht- fertigte Gewinnquoten die Ware künstlich verteuern. Daher kann es gar nicht schaden, wenn die Einzelhändler mit ollen Mitteln auf die Preise zu drücken versuchen und weim sie feste Verträge und doch möglichst billige Preise zu erreichen bestrebt sind. Wenn es gelingt, beide Prinzipien miteinander zu oereinigen, dann ist ein sehr großer Schritt vorwärts zur Gesundung unseres Wirt- schaftslebens getan.
Der Bauauftrag der AEG. Eine lebhafte Kurssteigerung der .-Aktien, die in den letzten Tagen zu verzeichnen war, wird an der Börse mit dem an die AEG. erteilten Bauauftrag für daS neue städtische Großkraftwerk in Rummels- bürg begründet. Die Höbe diese? Auftrags wird auf 60 Millionen Mark beziffert. In dieser Form ist die Nachricht falsch. Di« AEG. kommt, wie wir hören, nur als Lieferantin der drei Turbo» Dynamo-Agregate von je 75000 Kilowatt Leistungsfähigkeit und der elektrischen Ausrüstung(Kabellegung usw.) des Kraftwerk« in Betracht. Die K o st c n diese« Teiles der Bauausführung können auf etwa ein Drittel, höchstens aus zwanzig Millionen Mark, ge- schätzt werden. Daneben laufen aber noch die Aufträge für die KanalauSschachtung, für die Hochbauten, für die Keffelanlagen und für die Kohlenförderung. Diese Austräge stellen zahlenmäßig den viel größeren Teil der Ausgaben dar. Aus der Presse ist bereit« bekannt geworden, daß die Direktion der Elektrizität?» werke die Absicht hat. die Ausführung der H o ch b a u t e n der Sozialen Bauhütte zu übertragen, wogegen die Unter» nehmer einen großen Protestrummel bereits inszeniert haben. Schnellbahobau zur Milderung der Arbeitslofigkeik. Im Rathaus zu Köln hat am 11. Juli eine Besprechung der Oberbürgermeister, Landräte und des Direktors des Ruhrkohlensiedlungsverbandes über die RHeinisch-Westsälische Schnellbahn stattgefunden. Hierbei ist folgende Entschließung gefaßt worden:„Die Städte Bochum , Dortmund , Duisburg , Düsseldorf , Essen, Gelsenkirchen , Gladbeck , Hamborn , Köln , Mülheim . Oberhausen , die berührten rheinischen und westfälischen Landkreise und der Ruhrsiedlnngsver- band bekunden ihren einmütigen und entschlossenen Willen, die Rheinisch-Westfälische Schnellbahn bald zur Durchführung zu bringen. Sie erblicken in der Schnell- bahn ein für die Fortentwicklung und die Wohlfahrt des Bezirkes dringend nötiges Unternehmen, das zu einer starken Belebung von Industrie, Handel und Gewerbe führen wird. Sie sind davon überzeugt, daß die Schnellbahn �u einem günstigen wirt- schaftlichen Unternehmen werden und die in ihr angelegten Kapi- toiien angemessen verzinsen wird. Die Schnellbahn wird ferner während der mehrjährigen Bauperiode den Arbeitsmarkt be- leben und Tausenden von Arbeitern und Ange- st eilten Arbeit und Verdien st bringen. Der Bau muß daher in die gegenwärtige Periode der Arbeitslosigkeit gelegt werden. Sie sind daher entschlossen, sich mit ollen Kräften für die boldige In- angriffnahme der Schnellbahn einzusetzen." Genossenschaftlicher Wiederaufbau. Von der zwar sehr lang- sonwn, ober doch spürbaren Aufwärtsentwicklung der deutschen Konsumverein« liefert ein Vergleich der Umsatzergebnissc von 45 größeren und mittleren Thüringer Konsumvereinen für das erste Vierteljahr 1924 und 1925 einen Beleg. Während nämlich die Mitglicderzahl infolge Säuberung der Listen von Konjunktur- Mitgliedern der Zwangswirtschastszeit von 195 140 auf 194 052 zurückging, stieg der Umsatz von 7 678 863 M. auf 9 957 410 M. Nur zwei Verein« wiesen einen geringen Minderumsotz auf, bei den übrigen betrug die Zunahme 2,8 Proz. bis 216,4 Proz.
�versthwsnAungssucht" öer Gemeknöen« Die gemeindefeindliche Haltung der Rechtsparteien und' der Industrie ist bei den Beratungen über den Finanzausgleich im Steuerausschuß des Reichstags so stark in die Erscheinung getreten, daß die antikommunale Haltung diesen Kreise jetzt auch vom Deutschen Städtetag ganz offiziell gebrandmarkt wird. Die bei der Beratung dcp Steuerentwürfe teils angenommenen, teils in Aussicht ges stellten Anträge der Rechtsparteien verraten eine so rcak» t i o n ä r e Einstellung gegenüber jeder selbständigen Arbeit in den Gemeinden, daß der Widerstand gegen diese Tendenzen: selbst in bürgerlichen Kreisen wach wird. Dos allge- meine Schlagwort, mit dem die von der Schwerindustrie bc- herrschte Presse die öffentliche Meinung gegen die Gemeinden mobil zu machen sucht, ist die These von der angeblichen „Verschwendungssucht". Wenn irgendeine Groß- stadt für die Sicherung ihrer künftigen Wohnungspolitik Grundstücke ankauft, erhebt sich regelmäßig in der ganzen Börsen- und Jndustriepresse ein ungeheures Geschrei. Jeder Spielplatz, den eine Gemeinde im Interesse der heran- wachsenden Jugend anlegt, wird als„L u x u s" gebrand- markt. Dieselben Kreise, die jahrelang die Inflation als das einzig wahre Heil hinstellten, die Hugo Stinnes als die Krona der Schöpfung anpriesen, versuchen jetzt alle Hebel in Be- wegung zu setzen, um den Gemeinden eine selbständige Ent- Wicklung unmöglich zu machen. Das Verfahren, das dabei angewandt wird, ist ein äußerst einfaches. Man wiederholt die Behauptung von de? Verschwendungssucht der Gemeinden ununterbrochen, sorgt dafür, daß vollkommen aus dem Zusammenhang heraus- gerissene Einzelheiten in verzerrter Form durch die Spalten der Presse geschleist werden, und hat es auf diese Weise bei d-.r starken Einslußmöglichkeit der Industrie leicht, die nicht bewiesene These als unumstößliche Weisheit hinzustellen. Das Verhalten der Regierungsparteien im Reichstag zeigt, wie sehr' Deutschnationöle und Deutsche Volkspartei sich nur als Bediente„der Wirtschaft" fühlen und wie sie bereit sind, alles zu apportieren, was von ihnen verlangt wird. Jahrelang haben sie gegen die Erzbergersche Steuerreform geschrien, jahrelang haben sie die Weimarer Verfassung eines doktrinären Zentralismus bezichtigt, jetzt übertrumpfen sie Erzberger und Weimar . Jetzt überzentralisieren sie das � deutsche Steuersystem, jetzt greifen sie rücksichtslos in die Be- fugnisie der Länder ein und versuchen, von Reichs wegen eins laufende Verwaltungskontrolle über die Ge- meindewirtschaft zu etablieren. In bezeichnendem Widerspruch zu der Unverfrorenheit, mit der sich die industrielle Presse von Männern, die gänzlich außerhalb der kommunalen Verwaltung stehen, die über gar keine Kenntnisse aus diesem Gebiete verfügen, den b l ü- hendsten Unsinn über die Wirtschast in den Genwinden zusammenschreiben läßt, steht die Qualität dieser Angriffe. Es ist bezeichnend, daß in einer Stadt wie Berlin , deren Stadt- verordnewnverfommlung in ihren Reihen maßgevenbe Abge- ordnete des Reichstags und des Landtages aus allen Parteien zählt, keine einzige Rechtspartei auch nur die Möglichkeit ge- ehen hat, bei dem großen Milliardenetat dieser Riesen- gemeinde irgendwelche Abstriche zu machen. Selbst die Deutschnationalen haben sich nach einer sechs Wochen langen eingehenden Beratung gezwungen gesehen, auf die von ihnen tüher verlangte Einstellung von Mitteln für die Auswertung zu verzichten, weil nach ihrem eigenen Geständnis dieser Etat ich in den Ausgaben durchaus auf das Notwendig sie beschränkte. Trotzdem ist es zweifellos richtig, daß in Deutschland von der Wirtschaft zu hohe steuerliche Leistungen für Vermal- ttmgszwecke erhoben werden. Die jetzt am Ruder befindlichen Parteien haben aber noch nicht den leisesten Versuch gemacbt, dem hier vorliegenden und auf die Dauer sehr ernsthaften Problem wirklich auf den Leib zu rücken. Die Milderung des Steuerdrucks von der Ausgabenfeite her könnte nur dann er- olgen, wenn eine grundlegende Verwaltungs- r e f o r m im Reich und in den Ländern an Haupt und Gliedern erfolgte. Der Deutsche Städtetag hat durch seinen Vorschlag einer Reichs-Städteordnung und der darin vorge» 'ehenen zwangsweisen Einführung des Einkörper- Systems zum erstenmal auf«inen Punkt hingewiesen, durch den ungezählte Millionen erspart werden können. Man kann gespannt sein, wie die Rechtsparteien im Reichstage sich diesem Vorschlag, der eine organische und nicht Willkür- liche Ersparnis bedeuten würde, gegenüber� verhalten werden. Wenn der ernsthafte Wille vorhanden wäre, da zu sparen, wo gespart werden kann, dann müßten sich die Rechts- Parteien dazu aufschwingen, die in Weimar steckengebliebene Entwicklung zum E i n h e i t s st a a t als ihre Forderung zu erheben. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Beseitigung der lächerlichen und kostspieligen Kleinstbaterei eine ungeheure Entlastung des Steuerzahlers mit sich bringen würde. Dazu fehlt es aber den Rechtsparteien vollständig an Mut. Sie bringen es nur fertig, in stümperhafter Weise eine willkürliche Beschneidung der sozialen Aufgaben der Ge- meinden vorzunehmen, wodurch gar nichts erspart, sondern nur die Verelendung der Massen gefördert wird. Sparsamkeit in Deutschland nicht dadurch zu erzielen, daß an den kulturellen Leistungen der Gemeinden herumgedoktert wird. ändern allein dadurch, daß der Behördenausbau übersichtlich und einfach gestaltet, die Vielheit der parlamentarisch regierten Länder beseitigt und eine Organisation der deutschen Ver- waltung nach sachlichen und wirtschaftlichen Ge- ffchtsvunkten durchgeführt wird. Würden die Kreise„der Wirtschaft" ihre Kritik an der Ausgabenwirtschast der öffentlichen Körperschaften nicht mit dilettantischen Redensarten bestreiten, die jeder Kenner bei all den vielen Einzelfällen mit Leichtigkeit widerlegen kann, ändern würden sie den Versuch zu einer wirklich positiven und schöpferischen Kritik machen, dann könnte aus dem an sich berechtigten Streben nach Milderung des Steuer- drucks eine durchaus erfreuliche Entwicklung sich ergeben. Solche Tendenzen sind aber bei den maßgebenden Kreisen nicht zu spüren. Die Rechtsparteien haben, seitdem sie am Ruder ind, auch nicht einen einzigen positiv zu verwertenden Vorschlag cner solchen umfassenden Reform gemacht, trotzdem sie wissen könnten, daß sie dabei Unterstützung auch in anderen Par- teien finden würden. Schon aus diesem Grunde kann man ohne Uebertreibung behaupten, daß diesem ganzen demago- gischen Gezeter gegen angebliche Verschwendungssucht der Kommunen in erster Linie Abneigung gegen die sozialen und kulturellen» e i st u n g e n zugrunde liegt und daß diese Abneigung bei„der Wirtschaft" gesteigert wird durch die Furcht vor dem starken und in Zuki-nft sicher noch stärker werdenden Einfluß der organisierten Arbeiterschaft in der Verwaltung der Großstädte und der Industriegcmeinden,