Nr. 335 42. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntägliche Wanderziele.
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Das weite Waldgebiet östlich von Erfner mit seinen zahl reichen stillen Seen wählen wir zum Ziel unserer heutigen Wanderung. Von einer der Stadtbahnstationen fahren wir mit dem Borortzug bis Erfner. Wir wenden uns nach rechts und kommen über das Lerbindungsgewässer des Flakensees( links) mit dem Dämerizfee( rechts) in den Ori Ertner. Der Friedrichstraße folgen wir bis zur Kirche, einem neuen Bau von 1897. Durch Ertner führte einst Die alte Heerstraße von Berlin nach Frankfurt . Von der Kirche wenden wir uns durch die Hübnerstraße nach links, überschreiten die Eisenbahn und kommen zur neuen Lödnißbrücke. Senseits führt alsbuld von der Brücke der Leistikow und August Trinius- Weg rechts ab. Wir folgen diesem Weg, der am Rande der Löckmzniederung zum Wupaßsee führt. Bald darauf fommen wir an den Heidereutersee, der inmitten tiefer Waldeinsamkeit liegt. Der Pfad bringt uns zur Chauffee zurück, auf der wir rechts nach Fangschleuse tommen. Fangschleuse ist ein Ortsteil der weitausgedehnten Gemeinde Werffee, zu der auch noch die Ortsteile Gottesbrück, Bergluch und Grünheide gehören. Bon der Brücke über den Kanal aus dem Werlsee wandern wir füdöstlich und alsbald links ab durch die Werlseestraße zum Südufer dieses Sees. Inmitten des Gees liegt die große Insel Lindwall, auf der vorgeschicht liche Spuren aus der Wendenzeit gefunden wurden. Die Werleeftraße führt durch die Kolonie Bergluch. Bei der Wegkreuzung im Wald wenden wir uns links auf den Weg nach Grünheide , das zwischen dem Werlsee im Westen und dem Beegsee im Osten liegt. Bon dem Friedhof südlich des Verbindungsfließes zwischen beiden Geen haben wir einen prächtigen Rundblick über den Ort und den Werisee. Auf dem Friedhof stehen zwischen den gewöhnlichen märfischen Kiefern einige Weymouthsfiefern, amerikanische Gäste im heimischen Walde. Von Grünheide wandern wir gen Süd. Auf der Großen Wallbrücke überschreiten wir die Löcknig und behalten weiterhin die gleiche Richtung bei. Bald haben wir den Bahnhof Fangschleuse erreicht. Nach etwa einer halben Sturde tommen wir an die alte Heerstraße von Berlin , die unsere Chauffee treuzt. Hier wenden wir uns links ab und find bald am Störigsee. Am Nordufer des Sees liegt das Forsthaus Störig, sonst ist weit und breit feine menschliche Siedlung anzutreffen. Die flare Flut, umrahmt von hochstämmigem Kiefernwald, lockt die Wanderer und Ausflügler zum erfrischenden Bade. Vom Südostufer des Störiksees wandern wir auf dem Königs- Gestell gen Südwest zur Niederung des Spreetals. Hier wenden wir uns rechts und kommen nun möglichst nahe der Niederung über Freienbrint, Jägerbude, Hohenbinde nach Alte Hausstelle. Auf dem gegenüberliegenden Ufer der Niederung sehen wir Steinfurth , Burig und Neu- Zittau. Bei Alte Hausstelle menden wir uns nach Norden. Der Weg führt in der Nähe der Spreeniederung weiter, zuletzt am Karuzsec vorüber nach Erfner, dem Ausgangspunft unserer Wanderung, zurüd.( Weglänge etwa 25 Kilometer.)
Mit den Fernzügen der Nordbahn fahren wir vom Stettiner Bahnhof bis Lowenberg. Um Fahrgeld zu sparen, fönnen mir bis Dranienburg den Vorortzug benußen und dort in den Fernzug umsteigen. Vom Reichsbahnhof Löwenberg führt uns die Chauffez in halbstündiger Wanderung gen Weft in das Dorf Löwenberg . Im Zeitalter der Wiederbesiedelung durch die Deutschen , etwa zu Beginn des 13. Jahrhunderts, wird Löwenberg als festes Städtchen erwähnt. Es bildete den Mittelpunkt eines be fonderen Ländchens, das etwa 4 Quadratmeilen umfaßte und 1815 unter die Kreise Ruppin , Osthavelland und Templin aufgeteilt wurde. Löwenberg fam mit dem westlichen Teil des Ländchens zum Kreis Ruppin. Das Städtchen war zum Dorf geworden, bereits in ciner Urkunde von 1624 wird es als solches erwähnt. Reste von Ball und Graben erhielten sich jedoch noch bis 1886. Die Kirche, deren erste Anlage dem 13. Jahrhundert entstammt, hat Umfassungsmauern aus nahezu vierkantig behauenen Feldsteinen. Sie ist ein muchtiger Bau mit etwa 15 Meter breitem vorgelagerten Turmhaus( Abbildung). Die Turmfenster lassen noch frühgotische Formen erkennen. 1808 brannte die Kirche vollständig aus, sie wurde 1832 erneuert. In Löwenberg befindet sich ein Schloß, das aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammt, jetzt jedoch vernachläffigt ist. Von Zowenberg fonimen wir in furzer Wanderung nach Linde. Hier ver
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Sinnenspiel.
11950
Aus einem Tagebuch. Mitgeteilt von Kurt Eisner . Ich:„ Das hat mit der Liebe gar nichts zu tun!" Mara: Unser after Streit! Nein wahrhaftig, du täuscheft mich nicht. Du liebst mich nicht mehr, wenigstens nicht so wie einft." Dann fuhr Klara halb scherzend, halb ernsthaft fort:„ Siehst du, nun tokettiere ich schon eine halbe Stunde mit dir. Ich habe meine niedlichsten Schuhe angezogen und Strümpfe von poetischster Färbung und zartestem Gewebe
"
,, Mir oder den anderen zu Ehren," wars ich nedend ein, um die Dämmerstunde banger Empfindsamkeit zu beendigen.
„ Dir zuliebe," erwiederte Klara fast feierlich. Ich weiß ja, daß du ein Fußschwärmer bist, und habe mit diesen Füßchen, für die du dich einst begeistern tonntest, seit einer halben Stunde den wildesten Lufttanz ausgeführt. Du hast nichts bemerft?"
Klaras Stimine hatte jenen Ton flagender Schelmerei angenommen, der auch mir stets das Früher" lebendig machte, und nun fam es doch über mich. Ich fniete nieder und füßte fie auf den Fuß.
Was für Mühe du dir gibst!" meinte Mara. Aufrichtig, Lieb!"
lassen wir die Chaussee und wandern südwestlich zum Derf hinaus im Süden bis zum Kremmer Luch erstreckt. Nach etwa dreiviertel in die Forst Rüthnid, ein ausgedehntes Waldgebiet, das sich nach Süden führenden Weg zum Forsthaus Birkholzgrund. Nun Stunden kommen wir an eine Wegkreuzung; hier folgen wir dem geht es wieder füdwestlich nach Beet, das am Rande des Waldes liegt. Der Name dieses Dorfes ist wahrscheinlich wendischen Ursprungs und von bez Beeg zuerst 1409 erwähnt, wo der Markgraf Jobst auf seinem Holunder abzuleiten. In Urkunden wird Feldzug gegen die Pommern hier ein Lager aufschlug und den Rat seinen Mühlen dorthin zu senden. Von Beez wandern wir südöstlich von Berlin aufforderte, ihm schleunigst, Speisebier und Brot aus auf der Ruppiner Chaussee nach Sommerfeld. Hier haben wir den Südrand der Ruppiner Hochfläche, auf der wir bisher wanderten, erreicht. Südlich davon zieht sich das Eberswalder Urstromtal hin, Das hier vom Kremmer Luch eingenommen wird. Im Osten wird die Ruppiner Hochfläche durch die Rinne des Haveltals von der Hochfläche der Uckermark und im Westen durch das Dossetal von der Hochfläche der Prignitz getrennt, während sie im Norden in die mecklenburgische Hochfläche übergeht. Wir folgen der Chaussee weiter, die als Kremuner Damm das Luch durchquert. Bald, nachdem mir Sommerfeld verlassen haben, fommen wir an die Lange Horst, ein schmaler, aber langgestreckter von Wald bestandener Dünenzug, der sich westlich durch das Luch bis zum Kremmer See hinzieht.
Auf der Langen Horst sind Spuren vom vorgeschichtlichen Menschen gefunden worden, die etwa 6 Jahrtausende alt sind, kleine Geräte aus Feuerstein , funstgerecht und sorgfältig bearbeitet und geformt. Etwa in der Mitte des Kremmer Damms, bei Kilometerstein 35,6, ſteht ein Erinnerungsfreuz an den am 24. Oftober 1412 hier im Kampf der Brandenburger gegen die Pommern und die mit ihnen verbündeten Quizows gefallenen Grafen von Hohenlohe. Der Kremmer Damm ist hier der einzige Weg, um von Kremmen ,
" Du spielst stets das Früher aus, und gerade dadurch trübst du unser Verhältnis. Die Liebe hört nicht auf, aber sie muß fich ändern, wenn sie nicht albern werden soll. Jedes Alter hat feine eigene Form und sein eigenes Recht, zu empfinden und zu genießen. Man darf nicht die Formen der früheren Zeit beibehalten wollen. Was beim Kinde reizend ist, kann beim Manne widerwärtig sein. Das Kind, das mit Wolluft ißt, erregt unser Entzücken. Wenn der Erwachsene sich so leidenschaftlich diesem Genuß hingibt, ist er gemein. Es ist lustig, wenn Knaben sich prügeln. Zwischen Männern ist es eine Roheit. Der Jüngling und der junge Mann darf sich die süßen Albernheiten der Verliebt heit gestatten, beim reifen Manne ist es unwürdig, beim Greise gar efelhaft Die zierlich- temperamentvolle Unsinnigkeit des Badfisches würde das Weib zur Närrin machen, und die Leidenschaft der Jungfrau wird bei der Matrone abscheulich, widernatürlich...! „ Aber ich bin noch keine Matrone!"
„ Gewiß nicht," dozierte ich weiter, doch auch nicht mehr in jener Jugend, da man zum erstenmal ins Land der Liebe wandert, in jeder Sekunde neue Welten schauend und auf jedem Punkte Hütten bauend wie für die Ewigkeit. Wir können unsere Unschuld nicht wiedergewinnen, und uns ziemt die ernste, pflichtdurchwirfte,| freundschaftliche Liebe der reifen Ehe. Für die Frau, die ja noch, unter den bestimmten Bedingungen ihrer geschichtlichen Entwidlung, weit mehr in ihren Gefühlen lebt als der Mann, der seine Seele der tätigen Belt weiht, mag der Uebergang schwerer sein, als für uns. Sie meint über die Veränderlichkeit der Liebe, tennt nur Leidenschaft oder Stumpfheit, nichts Drittes und Biertes, und will es nicht einsehen, daß jede Zeit ihre eigene Art Liebe hat, daß die Liebe nicht aufhört, weil sie sich notwendigerweise anders Da streifie ich leise und rasch den Strumpf von ihrem Fuß gestaltet, weil nicht jede Liebe sich für jedes Auter schickt. Auch und füßte sie auf die feine, schimmernde Haut. dir, Klara, fällt diese Einsicht schwer. Sonjt würdest du nicht von der Unmöglichkeit und Wiberfinnigkeit träumen, das Früher zu halten."
Das Rosemort bannte ihren Zweifel. Lieb! fie höris nur felten noa) von mir. Und in ihrer Stimme flang es wie bebende Hingebung, als fic flüfterte:
„ Wirklich?"
Bir schwiegen beide.
Dann aber, von der Gewohnheit der Unzärtlichkeit gepact, obwohl ich diesmai fühlte, was ich tat, hüllte ich den Fuß wieder ein, sprang auf und sagte, in der zerstörenden Unmahrhaftigkeit bes Spottes:
"
Welche Kinderei für einen alten Mann!" Klara schral zusammen, und fast bitter sagte sie:
-
In mir aber war die weiche Stimmung noch nicht ganz verschwunden. Ich strich leise über ihr blondes Haar und schmeichelte fie wieder in meinen Bann. Mich gelüftete es plötzlich, zu Dozieren. Und ich predigte:
"
,, Du magst recht haben... Ich bin sehr dumm... Berzeih! Ich fann mich in der Tat nicht an die Notwendigkeit so leicht ge möhnen... aber ich sehe es ein... Und nun hast du dir deine Lampe und Zeitung wirklich verdient."
Klara sprach das haftig, erhob sich und zündete das Licht an. Unmittelbar darauf tamen die Anderen", unsere Gäste. Die Gelegenheit, Klarheit zwifchen uns zu schaffen, war zu Ende. Ich habe die Lebensgewohnheit, fast ausschließlich mit jungen Leuten Berkehr zu pflegen. Ich bleibe so selber jung, tauche immer wieder in die Stimmungen und Strebungen der heranwachsenden Generation, bleibe in der Bannmeile der akademischen
Sonnabend, 18. Juli 1925
am Nordrande des Glien, der das Urstromtal im Süden begrenzt, nach dem Ruppiner Land zu gelangen. Wir überschreiten den Ruppiner Kanal, der den Rhin mit der Havel verbindet, und sind bald darauf in Kremmen . Bon der ehemaligen Stadtbefestigung ist nichts erhalten geblieben; Mauern und Gräben wurden schon im 17. Jahrhundert geebnet und an deren Stelle Häuser gebaut. Die beiden vorhanden gewejenen Tore wurden abgebrochen. Ein Gang stiller Behaglichkeit märkischer Kleinstädte atmen, bringt uns gum durch die Stadt, deren Straßen und Marktplatz den ruhigen Geist hof zurückkehren( Weglänge etwa 25 Kilometer.) Bahnhof, von wo aus wir mit dem Borortzug zum Stettiner Bahn
Chinesisches Café.
An einem Tisch sizen einige Inder mit den wichtigen Mienen schloffenheit. Der eine trägt einen bastseidenen Anzug, die anderen eines Tagore. Sie reden wenig und machen den Eindruck der Vereinfache, hellgraue Sakkos. Sie essen irgendeine asiatische Spezialität, die es nur in diesem Café gibt, fie effen mit merkwürdigen Stäbchen und machen dazu ein so ernstes Gesicht, als ob sie eine religiöse Handlung vollzögen. Ein deutscher Kellner bedient sie, der sicher fein Wort chinesisch, indisch oder japanisch kann, aber er trägt eine schmal umränderte Brille und wirkt gelehrtenhaft.
Der Raum sieht absolut europäisch aus, grün gestrichen und über den Türen gezackte Goldleisten. Keine Spur von ostasiatischem Stil. Der Innendeforateur hat einmal etwas von Expressionismus gehört und von einem Caligarifilm. Die Inder wirken fremd zu dieser Dekoration. Nur an der Wand, dem Ausgang gegenüber, hängen Blätter mit chinesischen Schriftzeichen, und der Borkeeper ist entschiedener Chinese mit scharfer, intelleftueller Hornbrille. Viele Tische werden mit Berlinern und anderen Deutschen bevölfert. Sie benehmen sich hier leiser und anständiger als sonst, sie stilisieren sich auf gefittete Menschen von geschliffener Kultur. Sie tun so, als ob die Asiaten für sie überhaupt nicht existierten, nur hin und wieder sehen sie sie neugierig an. In der Ecke sigen zwei Chinesen mit einem Berliner Ehepaar zusammen, man unterhält sich über irgendeinen belanglosen Gegenstand, die Chinesen entfalten dabei eine einwickelnde Liebenswürdigkeit. Am Nebentisch herrscht große Heiterfeit. Vier Siamesen, angehende Professoren oder Direktoren einer Charité in Bangfof, erzählen. Wize, aber die Herren lachen zurüdhaltender als die Europäer, ihre Luftigkeit ist leiser, gedämpfter. Auch das fleine Mädchen, das mit ihrem chinesischen Liebhaber in der Nähe der Siamesen logiert, hat jede Aufdringlichkeit verloren. Sie liest ruhig in einer Zeitung, während ihr Begleiter eingehend die Speisenfarte studiert, fie bemüht sich, in bescheidene Grazie zu machen.
Ein japanisches Ehepaar tritt ein. Er trägt einen dunkelblauen Safto, sie ist durchaus unelegant gefleidet, hat sich also schnell an Berlin gewöhnt, aber sie bewahrt eine Haltung, die ihren anonymen Anzug vergessen läßt, Vornehmheit, die nur einer alten Kultur entspringt, angeborene Eleganz, die auch hier bezwingt, fern von Japan , in einem flemen Café Charlottenburgs .
Eine Berufung im Offultistenprozeß?
Der Offultistenprozeß, der mit der Freisprechung des Geheimen Sanitätsrates Dr. Moll wegen Beleidigung des Ketten- und Buchsbaum- Mediums, Frau Rudloff, endete, wird möglicherweise nochmals eine Neuauflage in der Berufung erfahren. Nach der Justizreform gibt es allerdings im Privatflageverfahren bei Freisprechungen und Verurteilungen zu Geldstrafe teine Berufung. Doch steht unter allen Umständen der Weg der Revision offen, die an das Kammergericht geht. Eine Ausnahme hinsichtlich der Berufungsmöglichkeit machen die Beleidigungen durch die Bresse , bei denen die Berufung auch bei Freisprechung und bei Geldstrafe zulässig ist. Es besteht die Möglichkeit, auch im Falle Moll eine Berufung durchzusetzen, da die Beleidigungen durch eine Broschüre erfolgt sind, und sie also als ein Vergehen, begangen durch die Presse, anzusehen sind. Der Vorsitzende, Amtsgerichtsrat Bornemann, ist auch der Ansicht, daß er eine etwaige Berufung des Nebenflägers gegen die Freisprechung an die Strajkammer weiterzuleiten habe. Sollte die Straffammer sich auf einen anderen Standpunkt stellen, so müßte das Kammergericht entscheiden, ob die Berufung zulässig ist. Die vereinten Straffenate des Kammergerichts haben
Wissenschaft, und während ich hier mehr Hörer bin, suche ich meine Freunde politisch zu lehren. Studenten von allgemeinen Interessen und fittlichem Idealismus sind heute selten; trotzdem glückte es mir bisher stets, einen fleinen Kreis Gleichgesinnter um mich zu scharen. Heute tamen sie nun, wie gewöhnlich am späten Abend, zu einer zwanglosen Abschiedsplauderei bei Bier, Tee und Zigarren.
Wir waren bald im lebhaften Gespräch. Kiara verwaltete die wirtschaftlichen Angelegenheiten. Wir sind eigentlich stets recht unhöflich gegen die einzige Frau in unserem Kreise; sie fikt meist still bei uns, hört zu und beschäftigt sich mit einer feinen Stickerei. Sie strebt ernstlich, der Unterhaltung zu folgen, aber ich weiß, daß ihr unsere Themata fernliegen und daß sie sich in das Interesse gewaltsam und erfolglos zwingt. Da ist es uns allen lieb, wenn das Kind" unter uns ist, der jüngste der Gesellschaft, ein hübscher, frischer Bursche, der wohl des Kontrastes wegen unter uns Ernsthaften wohl gelitten ist. Das Rind" setzt sich dann zu meiner Frau, und sie plaudern in einer Ede vergnüglich von harmlosen Dingen. Heute war das Kind" vorhanden; und es hatte einen besonders anregenden Gesprächsstoff mitgebracht; seine Fußwanderung durch Italien , die er im Frühjahr unternommen. Infolge meiner Krankheit war unser Zirkel seit dem Fabruar nicht zufammen gekommen, und der Verkehr hatte sich auf Erkundigungen einzelner nach meinem Befinden beschränkt. Das„ Kind" brachte also das Neueste, und durch Naturbegeisterung läßt sich Klara leicht fortreißen. Sie wanderte ja unabläffig durch die schönsten Gegenden der Erde in Gedanken und mein Festgeschent ist regelmäßig eine Mappe mit landschaftlichen Aquarelldrucken, Radierungen oder Photographien. Auch eine Mappe Italien " befindet sich unter ihren Schäzen. Die holte sie heute hervor, und das Kind" bildete den Cicerone, indem sie beide gemeinsam die Blätter anschauten.
Sie hatten sich vor unseren prosaischen" Gesprächen in das stille Nebenzimmer geflüchtet, faßen nebeneinander auf dem Sofa, vor sich ein Tischchen mit der Mappe. Ich freute mich, daß Klara diesmal ausgiebig versorgt war, wir fonnten um so freier unseren Interessen frönen. So, in dieser förderlichen Trennung der Parteien entschwanden ein paar Stunden. Klara erschien nur gelegentlich bei uns und zur Erfüllung hausfraulicher Pflichten, dann verschwand sie wieder. Durch die geöffnete Tür bemerkte ich, daß auch die drinnen recht angenehm schwazzten, Klara sogar ungewöhnlich lebhaft. Sie konnte eben einmal nach Herzenslust reisen... Als unsere Gäste nach Mitternacht uns verlassen hatten, fagte Klara, während sie ein wenig Ordnung schaffte: „ Ein netter Mensch, euer Kind, der liebenswürdigste und poetischste von euch allen." ( Fortsetzung folgt.)