Philipp Scheiöemann. Zu seinem KV. GeburtStag. Genosse Philipp Schcidemann begeht heute seinen 50. Geburtstag. Ein Leben, das stets der Sozialdemokratischen Partei gehörte, ein Leben, in dem sich die großen ge- schichtlichen Kämpfe unserer Zeit spiegeln, wie kaum in einem anderen, hat einen serner Gipfelpunkte erreicht. Der Mann, dessen Reden gegen das persönliche Regiment vor dem Kriege in Deutschland und der ganzen Welt den stärksten Widerhall fanden, der Vorkämpfer der nationalen Verteidigung in demokratischem Sinn, der Verfechter des Ver- srändigungssriedens, des„Scheidemann -Frieden s", der Mann, der am 9. November 1918 die Republik ausrief und der sein Amt als Reichsministerpräsident niederlegte, weil er den Frieden von Versailles nicht unterzeichnen wollte, mußte und muß auch heute noch eine umstrittene Persönlich» keit unter den Mitlebenden sein. Bemerkenswert aber bleibt, daß gerade Genosse Scheide« mann in einem Maße wie kein anderer Sozialdemokrat den stumpfsinnigen Haß aller Nationalisten und Reak- c i o n ä r e auf sich lud. Als den Schlimmsten aller„Vater- landslosen" werden sie gerade ihn schwerlich betrachten können. Wenn sie ihn so hassen, so tun sie es. weil sie in ihm chren gefährlich st en Gegner erblicken. Sie hassen ihn so, weil er eine Gefahr für sie ist und weil sie seine großen Fähigkeiten kennen. Scheidsmann ist nicht nur ein Mann der glänzenden Rede und der mutigen Tat. Er ist auch ein echter Führer, der ge- gebene Möglichkeiten vorsichtig abwägt und ,m Bewußtsein 'einer großen Verantwortlichkeit handelt. So haben wir ihn in sturmbewegten Zeiten gesehen, nicht auf sich selbst, sondern auf das Ganze dedacht. Einem Kampf auszu» weichen, den er im Interesse der Partei für notwendig hielt, war niemal« seine Sache. Dann hat er stets eine scharfe Klinge geführt, hat aber auch verstanden, persönliche Gegner- ichaft durch die echte Liebenswürdigkeit seines Wesens zu ver- söhnen. Es ist das Schicksal des kämpfenden Politikers, zumal des Sozialdemokraten, daß er viel mehr Schlechte« über sich zu hören bekommt, als Gutes und daß er am Alltag mehr Haß als Liebe erfährt. Schrankenlose Wut seiner Feinde hat Scheidemann moralisch und physisch zu vernichten gesucht: der Kampf, der gegen ihn geführt wurde, gehört zu den be- schämendsten Kapiteln der deutschen Geschichte. Aber in den Augen gerecht denkender Menschen hat er ihm nur Ehre gebracht. Und an einem Tag wie diesem ist es auch erlaubt, der Liebe und der Verehrung Ausdruck zu geben, die ihm Ungezählte entgegenbringen. Wir freuen uns, den Freund heute von ernster Krankheit wiederhergestellt, rüstig und tampfesfreudig in unserer Mitte zu wissen. Möge er denen, die ihn hassen, noch manch« bittere Stunde bereiten, möge er noch lange Führer sein im Kampf gegen alle Mächte des Stumpfsinns und der Finsternis für eine heitere, hellere, bester« Zukunft. Das ist unser Wunsch für ihn und für die Parte! l Dichtung uaü Wahrheit. Autwort an Jürgen v. Stamm. Wir erhalben folgend« Zuschrift: In Ihrer Morgenausgabe vom Sonnabend, den 18. Juli, lese ich Vi meinem Erstaunen von den maßlos übertriebenen Angrissen des Herrn v o n St a m t n. Ja, es kam zu bedauerlichen Vorfällen. Ilm ba» beurteilen zu tSnnen, muß man aber auch alles Vorhergehend« wissen. Das Rathaus Schöneberg war von 309 Mann sogenannter Einwohnerwehr besetzt, die beim Abzug der Kopp- Desperado» von diesen elend im Stich« gelassen wurden. Nachdem van einem Ofslzler mit Taillenweite 2 Meter(vom Dörrgemüse und Croupen mit Stockfisch im vordersten Graben) ein Mann und von einem unbekannten Schützen au» dem Rathaus eine Zrau erschossen worden waren, stieg die Erregung der Schöne- berger in» unermeßlich«. Das Rathau» wurde nach Abzug der Kappisten von einigen tausend Menschen belagert, die sich geschworen hatten, keine Mau» lebend herauszulasten. Unter Assistenz der Sipo wurde wegen freien Abzug» nach Abgabe der Waffen ver- handelt. Schließlich wurde man einig und gegen 8 Uhr abends setzte sich»in L a st a u t o m i t 2 0 M a n n in Vewegung. Alle» Offiziere, nur ein Zivilist darunter. Um nun den Abzug zu sichern. hatten wir alle, die wir noch den klaren Kopf behalten hatten, eine Kette gebildet und hielten die Straße frei. Dem Auto folgte zur Bedeckung ein Lastwagen der Sipa, der aus dem Verdeck mit einem schweren Maschinengewehr bestückt war. AI » sich die Wagen in Bewegung setzten, fing die Menge derartig an zu drücken, daß ich bei der Gelegenheit um«in Haar unter da» Sipoauto gekommen wäre. Wir stemmten un» mit der Kraft der Lerzweislung gegen die Meng«, denn es galt unser Wort zu holten. Es half nichts, d I e Kette zerriß und da» Sipoauto wrrde abgeschnitten. Wir riefen noch dem Ofsizierswogen zu, sie sollten um Gotteswillon fahren, ober in der.Kolonnenstraße, unmittelbar bei dem Kolonncn-Kino, war der Wagen festgekeilt und nun nahm die Menge die Besatzung unter die Leine. Mir war es im ersten Moment unmöglich, etwa» für die Leute zu tun. Ich ging nun durch die Feurigstraß« und versuchte van oben heranzukommen, wa» mir auch gelang. Da gelang e» mir dann mit Unterstützung einiger i'eherzter Genosten, eben diesen er- wähnten Z i v i li st e n. ein nicht ganz 18 Jahr« alter Jüngling, b« i der Sicherung seine» jungen Lebens behilflich zu sein. Ich brachte ihn zuerst in ein Lokal in der Monumentenstraße. ließ ihm zu essen und zu trinken geben und sorgte dafür, daß er sich waschen und säubern konnte und brachte ihn dann noch IVj Stunden weit in sein« Wohnung, da er fürchtete, er würde auf dem Wege erkannt und umgebracht werden. Ein mir bekannter Bankbeamter erkundigt« sich nach einigen Tagen im Auguste-Diktarja- Krankenhaus« in der Rubensstraße und erhielt dort den Bescheid, daß drei der Osfiziere tot seien. Ich gehör« zwar keiner politischen Partei an, bin aber meiner Gesinnung nach auch einer von den.revolutionären Feiglingen". Nun möchte ich gern mal hören, wieviel der tapfere oöl- kische Offizier Jürgen vanRamin herausgehauen bat. der hatte aber wohlweislich der Tapferkeit besteren Teil, die Vorsicht, gewählt, aus Angst, er könnt« vielleicht erkannt werden. Der von mir unterstützte junge Mann kam mit dem Schrecken und einer kleinen blutunterlaufenen Stelle an der Stirn davon. Er lebt, erfreut sich noch der besten Gesundheit und hat hoffentlich daraus die Lehre gezogen, daß er sich ij,.� 1uf tic Arbeiter verläßt als auf seine völkischen Freunde, denn dann ist er oerlassen genug... Soweit die Zuschrift. Nach dem kläglichen Rückzug des völllschen Abgeordneten ist sie ein weiterer Beweis für die Wahrheitsliebe gewisser Helden, die es lieben. Ossiziersrock und Offiziereehre spazieren zu führen. Man sieht, wa» sich darunter verbirgt.
Schieles gelbe Schützlinge. Der Geheimbund mit Reichsmitteln unterstützt.
Im„Hamburger Echo" lenkt Genosse Peter Graß- mann die Aufmerksamkeit der Oeffenllichkeit auf einen Skandal hin, der im Bereich des deutschnationalen Reichs- innenministers S ch i o l e sich abspielt. Graßmann schreibt unter anderem: Seit mehr als Jahresfrist unterstützt da« Kelch». innenmiuisterium aus dem Republtkschuhfand» ein« gelbe Gcheimorganisation, die der frühere Reicheminister des Innern, Zarre», im Mai 1324 selbst in» Leben gerufen hat. Da« Ziel dieser famosen Organisation„zum Schutz« der R«pu > Mit" ist die Bildung sogenannter weißer Betriebszellen in möglichst vielen Betrieben Deutschlands . Dies« weihen Betrieb»- zellen haben hauptsächlich die Aufgabe der Bespitzelung der Arbeiter- schaft und stehen im engsten Einoernehmen mit den Werksleitungen. Dies« Betriebsspionage, die amerikanischen Borbildern nach- strebt, hat schon manchen deutschen Arbeiter um Lahn und Brot gebracht. Auf solch« Methoden sind bisher weder die Gelben noch ihre Patrone gekommen. Es blieb Herrn I a r r e z vorbehalten, das gelegentlich geübte Angebertum der Gelben organisatorisch zusammzufassen und ausgerechnet au» dem Republikschuhfonds die Mittel zur Gründung und Weiter- sührung dieser Organisaliou zu eulnehmen. Herr Iarre» hat dann auch nach seinem Ausscheiden aus dein Reicheinnenministerium seinem Kinde sein Interesse nicht entzogen: Die finanzielle Fürsorg« übernahm zwar Herr Schiele zugleich mit seinem Amt als Reichs- Innenminister: Herr Zarre» aber gab noch am 2». April d. Z.<2 Tage nach der Wahl hindenburgs und unter dem frischen Eindruck diese» schwarzweißrotcn Sieges) neue Richtlinien für die Weiterarbeit der weißen Betriebszellen. Man versteht jetzt, warum die ver- einigten schwarzweißrotcn Scharsmacher aller Richtungen Herrn Iarre» zu ihrem Reichspräsidentschaftskandidaten erkoren hatten... hatte er doch seine Eignung durch seine Tätigkeil als Schutzpatron der Gelben hinlänglich erwiesen! Die Zähigkeit, mit der viele seiner Freund« auch für den zweiten Wahl- gang an seiner Kandidalur festhielten, war ebenfalls die Folg« dieser Tätigkeit, die in Rechtskreisen offenes Geheimnis ist. Diese Geheimorganisation de» Herrn Iarre» verbirgt sich unter dem absichtlich farblosen Namen.Zentraltommission". Zu ihrem Leiter hat Herr Iarres, dessen vortrefflich« Beziehungen zu rechte- radikalen Kreisen bekannt sind(vergleiche Killinger-Iarrcs), mit sicherem Griss den rechten Mann zu fassen gewußt. Der Leiter der deutschen Betriebsspionagc ist kein anderer als Oberleutnant ftienzl, der frühere Rachrichtenafftzier der Mörderzentral« au« Schloß Vielau, die bekanntlich von Oberländern im Jahre 15)21 in Ober schlesien eingerichtet wurde. Neben Kienzl bearbeitet„den wissen- schastlichen Teil" Unioersitätsprasessor Dr. Dunk- mann, der Leiter des Soziologischen Institute» der Berliner Uni- oersität..... Diese«rznalionalistischo Leitung der neuen gelben Bewegung von Regierung? Gnaden hat nun etwas getan, wo» wirklich kein Mensch von ihr erwartet hätte: sie hat es fertig bekommen, mit gleichgestimmten Seelen des Auslande» ein« gelb« International« einzugehen. Der Sitz dieser Organisation ist Paris , was gewiß da» Herz jede» hakenkreuzlerischen Franzosensresser» höher schlagen lößt. Ihr offizieller natürlich sranzösischer Titel heißt:»Entente uiternetionale*. Während man also den deutschen Gewerkschaften, insbesondere den �..marxistsschen", die Pflege internationaler Beziehungen mit gutgespielter Entrüstung als landesverröterisch ankreidet, sind diese Patentpatriotcn nun selbst der gleichen Sünde bloß! Mit Landesorganisationen dieser gelben Internationale steht übrigens auch die
deutsche Technische Rokhilfc in Beziehung die ja ebenso wie die saubere Zentralkommission für Betriebsspionag«(wenn auch öffentlich) aus Reichsmitti�ln erhalten wird. Uebrigens beginnen sich nun auch die Technischen Nothilfen zu.internationalisieren"! Die Technische Nothilfe in Oesterreich arbeitet mit dem sogenannten Schweizer Werk. d t e n st zusammen. Dasselbe gilt von der deutschen.Teno" und Ihren„Bruderorganisationen" in Skandinavien . Zusammen- häng« solcher Art bestätigen erneut all« Besorgnisse der organisierten Arbeiterschaft, daß die Technische Rochilf« eine planmäßige Organisierung de» Streikbruchs erstrebt. Ich fasse also zusii vinen: Aus den Mitteln, die der Reichstag der jeweiligen Reichsre- gierung Im R e p u b t i t s ch v h f a n d» im Vertrauen auf ihr« Loyalität ohne Verpflichtung zur Abrechnung zur Verfügung stellt. schassen und erhalten die Herreu Zarres und Schlele die„Orgautsatlan Sicnzl". Diese Organilaltan hat in weißen Betriebszellen eine systematische Bespitzelung der deutschen Arbeiterschaft eingeleitet und sich mit andern gleichgerichteten Organisationen des Auslande« zu einer gelben Internationale zusammengeschlossen. Jedes weitere Wort zur Kennzeichnung dieser Vorgänge ist überflüssig. Nicht einmal die kaiserliche Regierung hat derartige« der deutschen Arbeiterschaft zu bieten gewagt! Zwei Fragen sind noch zu beantworten: 1. Wie verhält sich die Industrio und insbesondere ihr Reichsverband zu dieser gelben Geheimorganisat'sion? Die Antwort lautet: Der Reichsoerband der Industrie unterstützt bis weiße Zellenbildung der Zentralkommisstan mit Summen, die die Reichssubvenlian nach um ein vielfach«» über- steigen; zahlreiche Industrielle und Artieitgeberverbüade In der Provinz subventionieren die lokalen Anlerableilungen der weißen Zellenorgauisallon mit ebenfall» erheblichen Beträgen. Die Industriellen und ihr» Verbände haben also dt« Politik der Zentralarbeitsgemeinschoft restlos aufgegeben, die in ihrer Verein- baruug vom 1ö. November 1916 neben dem Achtstundentag, der Anertennung der Gewerkschaften usw. unter Ziffer 3 besagte:„die Arbeitgeber und Arbeitgcbervcrbände werden die(gelben! d. Verf.) Werkvereine(die sogenannten wirtschaftofrtedlichen Beretne) fort- an vollkommen sich selbst überlassen und sie weder mittelbar noch unmittelbar iinterstützen." 2. Und die andere Frage: Welche deutschon Organisationen arbeiten mit diesen weißen Betriebszellen in voller Kenntnis ihres arb«>tuf«>ndlichen Eharaktsrs zusammen? Niemand wird sich wundern. In der Gesellschaft dt» Herrn Kienzl und seiner weißen Betriebszellen die.Landarbeiter» o r g a n i s a t i o n" des Reichslandbundes. den Stahlhelm und natürlich die Reichsarganisatian der.nationalen' Arbeitervereine ZU sehen. Vielleicht wird aber doch mancher christlich organisiert« Kollege überrascht sein, zu erfahren, daß auch der Veulfchnakianal« Handlungsgehl lsenverband in der Person seine» Führers G ( a tz e l in allerengstem Ausammenhang mit den weißen Betriebsspitzeln steht! Wir sehen in solchen Blamagen Pia Falg«n de» Zusammengehens mit deutschnatio. n a l e n und völkischen Momenten. Die deutschen Arbeiter werden dio Augen offen- halten müssen, da ihnen die Aussicht blüht, in jedem Nichtorganisierten Vetriebskollcgen einen Angeber vermuten zu müssen. Kommunistische Betriebszellen von links, weiße Bc- triebszellen von rechts— gleichviel! Die deutschen Gewerk- schaften sind schon mit anderen Gegnern fertig geworden. Sie werden'? auch weiter schaffen!
Oer f>err Gberreichsanwalt. Wie er die Republik schützt. Im Reichstag hat am Freitag Genosse Dr. Rosenfeld die Anklage- bzw. Schutzschrift dos Oberreichsan- walt» Ebermoyer in Sachen Od. einer verdienten Kritik unterzogen. Wir können zur Tharakteristik der Art, wie Herr Ebermayer den Schutz der Republik auffaßt, noch ein weiteres Beispiel beisteuern. Bor einiger Zeit gaben wir Proben aus einer iii Broschürenform erschienenen öffentlichen Rede de» deutsch - völkischen Amtsgerichtsrats Dr. B e i n e r t in Wernigerode a. H., in der Beinert den ermordeten Erzberger als den größten Halunken bezeichnet, den je die Sonne beschienen habe, und in der ferner gesagt wurde:„Wir sehen Zucht- Häusler als Ministerpräsidenten, wir sehen be- stechliche Polizeipräsidenten und bestochene Minister." Gegen Herrn Beinert wurde Strafanzeige wegen Ver- letzung des Gesetzes zum Schutze der Republik erstattet. Der Herr Oberreichsanwalt jedoch lehnte ein Einschreiten mit folgender Begründung ab: 14 l 141/2S L e i p z i g, den 2. Mal 1925. Ihrer beim Oberstaatsanwalt In.Halberstadt eingereichten und von diesem an mich weitergegebenen Anzeige vom 18. April 19?? gegen den Amtsrichter Dr. Bcinert in Wernigerode wegen Vor- fehlungen gegen da» Gesetz zum Schutze der Republik eine Folge zu geben, sehe ich mich nicht In der Lage. Die in Frage stehende Rede enthält einen strafbaren Tatbestand nicht. Die von Ihnen beanstandete Stell« über den Abg. Erz- b e r g e r fällt nicht unter die Strasbestimmung de» z 7 Ziffer 2 de» genannten Gesetze», da Erzberger im Zeitpunkt seiner Tötung nicht mehr Mitglied der republikanischen Regie- rung de» Reiches war. Di« weiter von Ihnen angezogene Stelle auf Seit« 9 der be- treffenden Rede erfüllt nicht den Tatbestand de»§ 8, Ziffer 1 de» genannten Gesetzes. Denn soweit hier der Vorwurf der Bestechlich- keit gegen Minister erhoben wird, richtet er sich nicht gegen im Amte befindliche, sondern gegen gewesene Regienings- Mitglieder, die den Schutz des Gesetzes nicht genießen. Auch hier glaubt man nicht den Ankläger, sondern den Berteidiger reden zu hären. Weder zwingt 8 7. Ziffer 2 de» Republitschutzgesetzes zu der cinsäiränkenden Aue- legung, die der Herr Oberreichsanwalt dieser Bestimmung gibt, noch ergibt sich aus der Veinertschen Rede irgendwie. daß dieser Herr mit der zweiten beschimpfenden Lcußerung nur gewesene Regierungsinitglieder gemeint habe Aber für den Herrn Oberreichsanwalt sind alle möglichen Entlastungs»
einwände des Angeschuldigten von vornherein unwider- legliche Tatsachen. Uebrigens können wir mitteilen, daß der preußische I u st i z m i n i st e r im Gegensatz zum Oberreichsanwolt gegen Herrn Beinert wegen seiner Rede ein Disziplinar- verfahren eingeleitet hat. Beinert, dieser objektive Musterrichter, war vor dem sckon m e h f a ch wegen politischer und antisemitischer Auefälle in seinen Urteils- degnjndungen gerügt worden.
Jork mit öen Kerken ! Bürgerverein Zingst gegen Zingster Badeverei«. Wir veröft'entlichten vor kurzem ein Schreiben des 1. Vorsitzen- den de» Zingster Badevereins, Kurt Kerlen, in dem er die Reich»flagge in pöbelhastcr Weise beschimpfte. Die Tevöllc- rung de» Ostseebades Hot sich diese» Verhalten erfreulicherweise nicht gefallen lassen. Der Neue Bürgerverein in Zingst rief eine gut besucht« Prot» st Versammlung ein, in der der Vorsitzende des Vereins v. R« i n f« l s energisch gegen das Benehmen des Kerlen Stellung nahm. Die auch au» den Kreisen der Badegäste gut besuchte Versammlung nahm eine Entschließung an, in der es heißt: „Die Versammlung spricht ihre Entrüstung darüber aus, daß Herr Kurt Kerlen als erste» Vorstandsmitglted des Zingster Bodevereins einem schon im dritten Sommer Zingst besuchenden Badegäste gegenüber aus die höfliche briefliche Bitte hin. auch di« o e r f a s s u n'g sgemäheReich, flagge bei der Ausschmückung des Strandes in Berücksichtigung zu ziehen, eine derartig beleldi- gende Zuschrift übersandte, daß sie jeglichen?l n st a n d e s sowie der bescheiden st en Pflichterfüllung des Gaftrechts bor ist und gleichzeitig mit dem Briefschreiber auch anderen Anhängern der Republik damit einen brüsken Ausweis aus Zingst erteill. Eine große Zahl durchaus im alten Sinne national denkender Gäste stellt sich einspruchslos hinter den Beleidigten, da sie gleiches Recht für alle beansprucht und sich nicht bei zufällig politisch umgekehrt«in. gestellten Vorstandsverhältnissen des Badevereine ähnlichen Insulten ausgesetzt sehen möchte. Sie nimmt deshalb mit Genugtuung Kennt- nis davon, daß die Regierungsbehörden, da» Londrotsamt in Franzburg und das Regierungspräsidium in Stralsund , zunächst unabhängig von dieser beleidigenden Provokation de» Herrn Kurt Kerlen, den Vertrag zwischen Gemeindevertretung und Dade- oerein wegen anderweitiger Ueberschreitung der Besugnisie und Verletzung de rGe setze schon vorher„beanstandet", d. h. für null und nichtig erklärt und verlangt haben, daß die Badeverwaltung von Zingst wieder in die Hände der Gemeindevertretung voll und ganz zurück- gelegt wird." Es nimmt nicht weiter wunder, zu hören, daß d«r von Kerlen geleitet« Badeverein mit den Behörden und Gesetzen in Konflikt ge- raten ist.