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Nr. 353 42. Jahrgang
2. Seilage öes vorwärts
MUtwoch, 24. Juli 1425
Abstimmungen im Reichstag. Zl, mahnte der Steueranträge der Kompromißparteie«.
Im Reichstag   teilte gestern zunächst Vizepräsident Bell mit, daß der A e l t e st e n r a t übereingekommen sei, jeweils einige Paragraphen zur Beratung zusammenzuziehen und die Rede- zeit für die zusammengesahten Paragraphen auf 20 Minuten zu bsinelfcn. Lediglich' für die Lohnsteuerparagraphen joll die Redezeit 30 Minuten betragen. Die A b st i m m u n g c n sollen immer nach Beendigung der Beratung einer Paragraphen­gruppe stattfinden. Das Haus wendet sich der Beratung der ZZ 25 des(Einkommen- steuergefeges zu, die die Steuerträger bezeichnen und die steuerbaren Einkünfte auszählen. Abg. koenen(Komm.) sieht schon in diesen Paragraphen den Klassencharakter der ganzen Dorlage, der sich in der schonend- individuellen Behandlung der Besitzenden und dem schonungslosen Scheinatismus bei Behandlung der Lohnsteuerpflichtigen zeige. Die Kommunisten mutzten schon diesen Gesetzesteil ablehnen. Abg. Dr. Aischer-Köln(Dem.) fragt die Regierung, ob sie nicht doch eine Ermächtigung in das Gesetz hineinnehmen möchte, duicki die sie bis zum 31. Dezember 1330 die unbeschränkte Steuer- rfü t der Ausländer, die in Deutschland   irgendwie an Geschäften beteiliat sind, erweitern könnte. Staatssekretär Popitz   vom Reichsfinanzministerium wendet sich geben diese Anregung. Damit schließt die Beratung über die Paragraphengruppe 2 bis 5. Das Haus stimmt diesem Teil des Gesetzes gegen die Kommunisten zu. Zu den§§ 6 14, die die zur Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte behandeln, begründet Abg. Frau Psülf(Soz.) einen sozialdemokratischen Antrag, wo- ach die Abfindungssummen, die an die durch den Per- ' n a l a b b a u ausgeschiedenen verheirateten Beam- nnen gezahlt wurden, nicht der Besteuerung unterliegen sollen. r Staat hat nur ganz geringfügig« Absindungen gegeben, und Reichsfinanzminister hat selbst erklärt, daß sie steuerfrei bleiben '.-n. Der sozialdemokratisch« Antrag entspricht daher nur einer iaen Forderung. Nachdem ein Regiernngsvertreter erklärt hat, daß : Verordnung im Sinne des sozialdemokratischen Antrages er- m werden soll, zieht die sozialdemokratische Fraktion ihren Antrag ick. Abg. Dr. Fischer(Dem.) beantragt, im§ 14 zu sagen: Die auf 'und der Pcrsonalabbauoerordnung gezahlten Abfindungssummen üerliegen der Einkommensteuer nicht. Der Redner beantragt -eiter. daß den im Auslande tätigen Deutschen  , die ihren bohnsitz in Deutschtand behalten, die im Auslande gezahlte Steuer '>f die deutsche Einkommensteuer angerechnet wird. Der Antrag .vird abgelehnt. Die Z8 K 14 werden unverändert angenommen. Bei der gemeinsamen Beratung der§§ 15 und 16 beantragt Abg. Schaffner(Soz.), ,m§ 16 die Streichung der Absätze. wonach zu den Werbungskosten auch gehören sollen die nach 'cm Aufbringungsgesetz vom 30. August 1924 ,u entrichtenden Sohresleistungen und die auf Grund des 8 4 des Gesetzes über die N-ntenbankslbeine vom 30. August 1324 zu entrichtenden Grund- i b u l d z i n s e n. Durch diese Bestimmungen würde da» wieder znuichle gemacht werden, was durch die Aufwertung den Neiuen Gläubigern und Sparern gegeben worden sei. Sie Inflationsgeschädigten werden bald genug von derRettung� oben und sich jetzt nach einem neuen Retter umsehen. Die Bevor- ,z"gung der hier in Frage kommenden«reise könne man sich nur si erklären, daß entweder die Finanzlage des Reichs nicht so schlecht f?i, wie es bisher dargestellt wäre, oder die Regierung fühlt sich so sehr als Hüter der kapitalistischen   Interessen, daß sie aus diese Einnahmen verzichten kann. Man müsse die starke Vermutung haben, daß das letztere den Tatsachen entspräche. Die sozialdemokratischen Aenderungsanträge werden abgelehnt und die§8 15 und 16 unverändert an- genommen._.. 8 17 behandelt dieabzugsfähigenSonderlclstungen. Äbg� Neubauer(Komm.) beantragt die Streichung der Besinn- mung, daß die Kirchensteuern al« abzugsfähige Sonderleistun- gen gelten. Abg. Staad(Soz.) begründet einen sozialdemokratischen Antrag auf Streichung des Absatz 6 im§ 17, wonach Zuwendungen an Unterstützungs-, Wohlfahrts- und Pensionskassen des Betriebes steuerfrei bleiben, wenn die dauernde Verwendung für die Zwecke der«asten ge- sichert sei. Diese Bestimmung würde eine ungeheuerliche Begünstigung der Industrie bedeuteten. Durch den stän- l iaen Hinweis auf die Unterstützungs-, Wohlfahrts- und Pensions- krsten sollen die Arbeiter abgehalten werden, sich mit der Verbesse- rung ihrer Lebenshaltung zu befassen. Mit diesen Einrichtungen werden die Arbeiter an den Betrieb gefesselt und ihrer Freizügig- »eit beraubt. Es ist kein Zufall, daß die Unternehmer auf allen Tagungen gegen die Sozialgesetzgebung Sturm laufen, dagegen ihr« Unterstützungskasten aufrecht erhalten wollen. Wenn die Regierung wirklich ein soziales Gewissen hätte, dann müßte sie dafür sorgen. daß die Sozialgesetzgebung bester ausgebaut wird, damit würde sie n-ich den mittleren und kleinen Unternehmern nützen. Bei dieser Bestimmung kommt nur das nackte Interesse des Unter- n e h m e r« zum Durchbruch. Die Regierung hat im Ausschuß erklärt, daß sie mit diesem Bdchluste nur dann einverstanden sei, wenn sie die Gewißheit babc daß damit kein Mißbrauch gelrieben werde, wir haben nicht' das vertrauen zur Regierung, daß sie diesen Mißbrauch verbülen wird, wenn Mittel zur so,ialen Fürsorge vorhanden find bann bauen Sie doch die Sozialgesetzgebung au».(Bravo  ! '' bei den Sozialdemokraten.) Unter Ablehnung der Aenderungsanträge wird§17 in der Attsschußfastung angenommen: ebenso werden unverändert an- "°Aba�Dr'° Fischer�Dem.) beantragt die Einfügung eines§ 23a. wonach bei Gewerbetreibenden, die Handelsbücker fuhren, der zu versteuernde Gewinn nach dem D u rchf chnitt der m den her Veranlagung vorangegangenen drei Wirtlchafts- jähren berechnet werden soll..» e. ,r-\ Di« Abgg. koenen(Komm.), Dr. Beusch foS, Dr. Hertz(ooz.) und Staatssekretär Popitz   wenden sich gegen den Antrag. Abg. Dr. Hertz(Soz.) bezeichnet es als einen Beweis der Ver- ontwortungslosigkeit der«Regierungsparteien, daß auch Abg. Ke». nath von der Deutschen Volkspartei   den gleichen An- trag eingebracht hat. ohne ihn freilich zu begründen, wenn so eine prinzipielle Unterscheidung zwischen Lohnsteuer, und Veranlagung«. Pflichtigen gemacht wird, dann werde auch die Sozialdemokratie für die vollständige Beseikigung der Lohnsteuer kämpfen. Abg. Reubauer(Komm.): Der Antrag Keinath sei nur gestellt moroen, damit die Deutsche   Dolkspartet bei ver nach st en Wahl nicht die Korruptionsgelder der Industrieverliert.(Unruhe und Protestruse rechts.s E s i st doch nicht zu bestreiten, daß die Lolkspartei der Industrie für einen großen Betrag das Mandat t,»»»ogeordueteu hug» verkauft hat.(Unruhe recht».)
Die Unruhe steigert sich. Abg. Winnefeld(D. Vp.) macht dem Redner erregte Zurufe. Bon den Kommunisten wird Winnefeld zu- gerufen:»Hall's Maul, du Dicksraß, du Renommierprolet!" Ab- geordneter Winnefeld ruft dagegen laut:Ich habe länger gearbeitet als Sie!" Im Hause bilden sich erregte Gruppen. Vizepräsident Dr. Bell schafft schließlich Ruhe durch die Androhung der schärfsten geschäftsordnungsmäßigen Maßnahmen. Die gleichlautenden Anträge Dr. Fischer(Dem.) und Seinalh (D. Vp.) werden darauf gegen die Stimmen der Dolkspartei und der Demokraten abgelehnt. Die KZ 30 und 31 werden unverändert angenommen. § 32 der Regierungsvorlage wollte die Besteuerung bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebes dann ein- treten lasten, wenn der Veräußerungsgewinn den Betrag von 5000 Goldmark übersteigt. Der Ausschuß hat die Grenze für die Steuerfreiheit bis zu 25 000 M. erhöht. Die Sozialdemo- traten beantragen die Wiederherstellung der in der Regierungs  - vorläge vorgesehenen Grenze von 5000 M. Die Kommunisten beantragen die Streichung des ganzen Paragraphen. Sie haben dazu namentliche Abstimmung beantragt, die um 7 Uhr abends stattfinden soll. Die Demokraten beantragen dagegen ein« Aenderung der Fastung in der Weise, daß der Veräußerungsgewinn besteuert werden soll,soweit" er den Betrag von 25 000 M. übersteigt. Dieser Antrag wird von den Rednern der Kommunisten und Sozialdemokraten scharf bekämpft. Abg. Schlicke(Soz.) weist darauf hin. daß auch die Regierung der Meinung ist, durch den Ausschuß- beschluß würden Schiebungen«eilgehender Art mägllch sein. wenn man die Absindungen der abgebauten Besralen znr Be­steuerung heranziehe, so sei es nur recht und billig, wenn auch diese veräußerungsgewinne der Einkommensteuer unterliegen. Der kommunistische Antrog auf Streichung des§ 32 wird ab- gelehnt. Beim 8 34 wird«in Antrag der Sozialdemokraten und Kommunisten, der durch eine andere Fastung Steuerhinte r- Ziehungen in den inländischen Zweigstellen eines ausländischen Unternehmens oerhindern will, im Hammelsprung mit 241 gegen 20 Stimmen abgelehnt. Die Kommunisten und die meisten Sozialdemokraten haben sich an der Abstimmung nicht beteiligt. 8 34 wird unoerändert angenommen. Ilm 7 Uhr wird daraus namentlich abgestimmt über de« Antrag aus Wiederherstellung der Regierungsvorlage im§ 32. d. h. auf Begrenzung de» steaersreiea Veräußerung»- gewinn? auf 5000 ZN. statt 25 000. Die Sozialdemokraten. Kommunisten and völkischen stimmen für den Antrag, die Zeu- trumsabgeordneten enlhalken sich der Abstimmung. Der Aalrag wird mit 162 gegen 153 Stimmen bei 72 Eulhal- langen abgelehnt. Der Antrag Dr. Fischer(Dem.) zum 8 32 wird gleichfalls abgelehnt. Beim§ 37. der den Begriff des SapitalvermSgens definiert, de- gründet Abg. Schneider-Berlin  (Dem.) einen Antrag, der kapital. ver mägens steuerfrei lasten will Zinsen auf Kapitalforde- rungen jeder Art bei Sparkasten, Banken und anderen Kreditanstal- ten, soweit sie bei einem Gesamteinkommen des Steuer- pilichtigen von weniger al» 8000 M. jährlich den Betrag von 300 M. nicht übersteigen. Die Kompromigoorlage kennt in diesem Falle keine Grenze für eine Steuerbefreiung. Staatssekretär Vopch wendet sich gegen den demokratischen Antrag, weil er eine einseitige Bevorzugung eines Teiles des Ein- kommen? bedeute und das Steuerprinzip oerletze. Abg. Dr. Hertz(Soz.) kann diesen Standpunkt der Regierung nicht anerkennen, weil die Regierung diesen Grundsatz bei den Leräußerungsgewinnen und Leistungsgewinnen euch durchbrochen habe. Di« Sozialdemokraten müßten in diesem Augenblick allerdings gegen den Antrag stimmen, weil bei der Lohnsteuer auch keine Ausnahmen beständen. Der demokratische Antrag wird gegen die Stimmen der Antrag- steller abgelehnt, die Bestimmungen der Vorlage angenommen. Es folgt die Besprechung des 8 41 usw., der die Leistungsgewinne aufzählt. Abg. höllein(Komm.) begründet einen Antrag, der die Frei- lassung eines Betrages oon 500 M. bei der Besteuerung von Leistungsgewinnen, wie sie die Vorlage bestimmt, streichen will. Der kommunistische Antrag wird gegen die Stimmen der Sozial- demokraten und Kommunisten abgelehnt. Die Fastung der Vorlage findet Annahme. Bei Beratung der§§ 42 und 43, die die Besteuerung der V e r- äußerungsgewinne regeln, beantragt Abg. Simon-Schwa- ben(Soz.) Wiederherstellung der Regierungsvorlage, die. gegenüber der Kompromißfassung, eine breitere Basis für die Besteuerung bietet. Abg. Neubauer(Kamm.) begründet einen ähnlichen Antrag. Beide Antragsteller wünschen namentliche Abstimmung, die bis 9 Uhr ausgesetzt wird. § 49 besagt, daß auch der Verbrauch an Stelle des Em  - kommen? der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann, wenn das festgestellte Einkommen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen in einem offenbaren Mißverhältnis zu seinem Verbrauch steht. In der Re- gienmgsvorlage stand statt dieser«ann-Borschrift eine Ist-Vorschrist. Abg. kulenkampfi(D. Dp.) begründet dazu unter großem Lärm der Kommunisten einen Aenderungsonirag, wonach der Verbrauch nur als steuerbares Einkommen zugrundegelegt werden kann, soweit der Steuerpflichtige nicht nachweist, daß er den Verbrauch aus steuerfreien Einkommensteilen oder au« seinem Vermögen bestritten habe. Abg. Dr. Fischer(Dem.) stellt den gleichen Antrag. Staatssekretär Popitz   bittet um Ablehnung beider Anträge. Abg. Dietrich(Soz. wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Kulenkampff und beantragt Wiederherstellung der I st- B e st i m in u n g der Regierungsvorlage. Abg. Dr. Reubauer(Komm) bekämpft gleichfalls die Anträge Kulenkampfi und Fischer. Zur namentlichen Abstimmung gelangt ein s o z i a l d e m o- k r a t i s ch e r Antrag, der im 8 49 bei der Besteuerung nach dem Verbrauch die Regierungsvorlage insofern wiederherstellen will, als er dieKann"-Vorschrift des Kompromißbeschlusies für die Zu- grundelegung des Verbrauchs bei der Besteuerung wieder in eine .,Jst"-Vorschrift verwandeln will, wenn das festgestellte Einkommen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen in offenbarem Mißverhältnis zir seinem Derbrauch steht. Ferner wollen sie die Anwendung dieser Vorschrift, wie die Regierungsvorloge, schon bei einem Ver- brauch von 8000 Mark jährlich anwenden, während das Kompromiß sie erst bei einem Verbrauch von 15 000 Mark wünscht. Die namentliche Abstimmung ergibt mit 238 gegen 145 Slim- men die Ablehnung des sozialdemokratischen Antrages. Auch die erwähnten Anträge Kulenkampfi und Fischer werden gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Dann nimmt das Haus die rückständigen namentlichen Ab- stimmungen über die Anträge der Sozialdemokraten und Kommunisten auf Wiederherstellung der Rezierungsvor- läge bei der Besteuerung der Einkünfte aus Ver- üub«r»«g»g«schäste« vor. Gegenüber der Kompromiß-
fassung hatte die Regierungsvorlage eine breitere Basis zur Er- sastung von Beräußerungsgewinnen gelassen. Die Kommunisten wollen außerdem im Gesetz zum Ausdruck bringen, daß jeder Grund- ftücksverkauf als Spekulationsgeschäft zu bewerten sei. Die über die Anträge der Sozialdemokraten und Kommunisten gemeinsam vorgenommene nameMliche Abstimmung ergibt ihre Ablehnung mit 239 gegen 145 Stimmen bei einer Stimm- enlhallung. Unter Ablehnung aller Aenderungsanträge werden die Be- stimmungen der Kompromißvorlage aufrechterhalten. Noch 9,30 Uhr beantragt Abg. kosnen(Komm.) die Vertagung des Hauses. Mit den Stimmen der Linken und eines Teiles des Zentrums wird dieser Antrag angenommen. Das Haus oertagt sich auf Mittwoch 1 Uhr: Weiterberatung.
Follausfchuß. Tie Verteilung des Gefrierfleisches. Im weiteren Verlauf der gestrigen ZollauSschußbe- ratung erklärte Minister Könitz   in der Frage der Verteilung de» Gefrierfleisches, daß die Regierung desbalb noch mit den Ländern in Verhandlungen eintrelen werde. Tie G e- mein den sollen aber verpflichtet werden, die Bedingungen zur Abgabe von Gefrierfleisch genau einzuhalten. Wa§ unter.Minder- b e m i t t e l t e n" zu verstehen iei. wüßten die Gemeinden selbst am besten, da sie in der Regel über die VermogeuSverhältnisse ihrer Bevölkerung genau unterrichtel seien. In der Fortsetzung der Debatte stellte Genossin Schulz-Hern«, fest, daß gegenwärtig in dem riesigen rheinisch-westfälischen Industrie- gebiet der Bedarf an Frischmilch nicht gedeckt werden kann. Dieser Mangel ist vornehmlich eine Folge der Sperre, die seit dem 15. Mai über die Einfuhr von holländischer Frischmilch verhängt wurde. Bom gleichen Tage datiert eine rapide Steigerung des Milchpreises, die geradezu sich zu einer Gefahr für die Ernährung der Säuglinge, der Mütter und der Kranken auswächst. Zum Aus- gleich müßte durch die Kommunen kondensierte Milch ge- geben werden, für die leider ein Z o l l s a tz v o n 20 M. pro Doppel- Zentner in der Regierungsvorlage vorgesehen war. Unverständlich war schon, wie der Re i ch s w i r t s ch a f t s r a t zu einer Erhöhung a u f 30 M. kommen konnte. Ungeheuerlich aber fit, daß das Kom- promiß der Z o l l p a r t e i e n s o q a r 40 M. für den Doppelzentner kondensierter Milch vorsieht. Dieses Beginnen, dem sich auch eine sogenannte christliche Partei angeschlossen hat. ist geradezu bethlehemitischerKindermord. Heute schon erhalten wir aus den Säuglingsheimen die verzweifeltsten Zuschriften, die Kinder. speisungen, die in vielen Gemeinden und Städten durchgeführt sind, geraten durch die zu erwartenden Preiserhöhungen in Gefahr. Statt einer Erweiterung der Fürsorge, die nach der Ansicht aller sozial tätigen Kreise unbedingt notwendig wäre, werden die Agrarzölle nicht nur wesentliche Einschränkungen, sondern an vielen Stellen die restlose Einstellung bringen. Die Genossin Arning wandte sich gegen die Zolle auf Talg- und Kunst spei sefett. Leider sind diese Artikel wichtige Bolksnahrungsmittel, die Erhöhung der Zölle wirkt sich bei den erwerbstätigen Schichten unmittelbar in einer an den Einkommens- Verhältnissen gemessenen unerträglichen Weise aus. Unsere Rednerin wies nach, wie der Zoll, da die beiden Materialien ja auch zur Magarineherftellung dienen, den Konzernen, die in der Hauptsache in den Händen ausländischer Kapitalisten sind, zugute komme. Bar jeden sozialen Verständnisses ist dos Beginnen der Zoll- blockparteien bei den Positionen über Fische der verschiedensten Art. Früher waren Fische, so stellte die Genossin Schifsgens fest, zollfrei, die Regierung hatte schon in ihrer Vorlage mit dem für alle Fälle passenden Gummistempel dieBegründung" geliefert. Der Zollblock geht aber noch über diese Sätze hinaus. Man sagt, die Zölle auf Fische sollen Berhandlungszö'lle sein. Wir zweifeln in dem Falle wie bei vielen anderen und fürchten vom Ausland entsprechende Maßnahmen. Das wird sich vornehmlich bei dem Fisch, den die arbeitende Masse in der Hauptsache konsu- miert, beim Hering, sehr bald ergeben. Nur ein kleiner Teil der in Deutschland   verbrauchten Quantitäten an Heringen   kann durch den deutschen   Fischfang geliefert werden. Der Zoll auf Salz- Heringe belastet gerade den ärmeren Teil der städtischen Be- volkerung, dem dieser Fisch leider sehr oft das teure Fleisch ersetzen muß. Die Beratung wurde hier abgebrochen. Man hofft, am Mitt- wach mit der Spezialdebatte fertig zu werden. Es wäre dann noch die zweite Lesung vorzunehmen, außerdem ist das Gesetz an sich noch zu beroten und es muß noch die Frage der Ermächti- g u n g, die in den beiden Anträgen der Kompromißparteien vor- gesehen ist, einer einwandfreien Klärung entgegengeführt werden. Erst dann kann die Beratung im Plenum beginnen.
WjrtfcholO Der Reichsbantpräsiüent warnt. In der Zentralausschußsitzung der Reichsbank am Dienetag gab Reichsbankpräsident Dr. Schacht einen Ueberblick über die gegenwärtige Finanz- und Währungslage. Er führte u. a. aus: .Die große Nachfrage nach lang- und kurzfristigen Kapitalien Hot in Deutschland   nicht nachgelassen, und die Kurve der Zinssätze, die vom Beginn des Jahres bis Ende April«ine sinkende Tendenz zeigte, beginnt wieder leicht anzu st eigen. Wenn wir den Zinsmarkt nicht völlig in Unordnung bringen wollen, kann deshalb auf das Mittel der Kreditrationierung nicht oerzichtet werden. Eine Herabsetzung des Reichsbank. distonts kommt nicht in Frage." Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen wies der Reichsbank- Präsident darauf hin, daß die in den legten Monaten einsetzende Nachfrage nach Devisen auf dem deutschen   Markte kein Ge­heimnis geblieben ist: Diese Nacksrage fit in unserer Handelsbilanz begründei, da ein erheblicher Teil der Wirtschast dem Export nicht genügende Ausmerksamkeit zuwendet. Andererseits wird die Kaufkraft des in- ländischen Marktes durch eine vielfach verkehrt gehandhabte Bewirt- schaftung öffentlicher Gelder künstlich erhöht und täuscht damit eine Konjunkturbelebung vor, die bei der steuerlichen Belastung der Wirt- schaft notwendigerweise ein rasches Ende finden muß. Im weiteren sind in letzter Zeit zahlreiche Kündigungen kurzfristiger Auslandskreditc erfolgt. Visher hat die Rcichsbank den Anforderungen nach Devisen genügen können. Die Wirtschaft muß sich aber vor Augen halten, daß die Reichsbank auch fernerhin gegebenenfalls Devisen nicht gegen Kredite, sondern nur gegen Ma rkzahlung abgeben wird. Nach den Angaben des Reichsbankpräsidenten machen die Zah- lungen für den Z i n s e n d i e n st der D a w e s- A n l e i h e, für den Recovery-Akt usw. bisher mehr als 250 Millionen Reichsmark in Deoisen aus. Trotz dieser Belastung, die noch durch die Sachlieferungen oerschärst werde, fit es der Reichsbank gelungen, izunmehr ihren Galddestandaus 1 l 0 0 M il li o n e n Reichsmark zu erhöhen. Die Erhöhung soll fortgesetzt werden, da, nach Ansicht des Reichsbankpräsidenten. trotz des Zinsen- ausfalle? die Deckung in gemünztem und ungemünztem Golde für eine Notenbank bei weitem vorzuziehen ist.