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es gerade die arbeitende Jugend» die an Werktagen in Werkstatt und Bureau um des Brotes willen hart schaffen muß und nur den Sonntag zur Erholung für sich hat, fleißig zur Hand nehmen, um daraus zu schöpfen und zu lerncn.
Den spielenden Kindern. Die für die Schulkinder Berlins   eingerichteten Ferien- spiele, die alljährlich in den Sommerferien vom Jugendamt der Stadt auf den großen in den Außenbezirken gelegenen Spielplätzen veranstaltet werden, sind in diesem Jahre gut besucht. Das Ver- langen, aus den engen und dumpfen Mietskasernen sich ins Freie und Weite hi�n auszufluchten, ist durch das heiße Wetter, das bald nach Ferienanfang einsetzte, gesteigert worden. In solchen Zeiten wird es recht augenfällig, daß diese Spielgclegenheit ein Segen für die Großstadtkinder ist. Bei Beginn der Ferienspiele war der Besuch so stark, daß in der ersten Woche ein täglicher Durchschnitt von 25<X)l> Kindern festge- stellt werden konnte. Die zweite Woche brachte noch eine Steige- rung, so daß in ihr an einem Tage sogar 23 000 spielende Kinder gezählt wurden. In der dritten Woche sank die Durchschnittszahl auf 23 000, anscheinend unter dem Einfluß des Uebermaßcs von Hitze, die bei zu langer Dauer schließlich doch vom Besuch abschreckt. Die vierte Woche, in der es zu einer geringen Abkühlung kam, hatte eine erneute Steigerung der Durchschnittszahl auf 25 000. Der große Spielplatz, der bei Buch liegt, der größte von allen, hat regelmäßig die höchsten Besuchsziffern. In der zweiten Woche wurde hier mit einer täglichen Durchschnittszahl von über �000 der Gipfel erreicht. Solche Kindcrmassen täglich auf der Straßenbahn oder auf der Eisenbahn nach den Spielplätzen zu befördern, ist keine geringe Leistung. Als vor jxtzt fünfundzwanzig Jahren in der Berliner   Stadtverordnetenversammlung die damals noch kleine sozialdemokratische Fraktion auf hie Not- wendigkeit hinwies, die erholungsbedürftigen und spielfreudigen Kinder unter Benutzung der Verkehrsmittel aus der Stadt ins Freie hinauszuschaffen, galt manchem das als eine schwer lösbare Auf- gäbe. Sie ist gelöst worden, und alle Befürchtungen, daß solche Tagesverschickung eines Heeres von Kindern sich nicht werde durch- führen lassen, haben sich als unberechtigt erwiesen. Jener in der Stadtverordnetenversammlung im Jahre 1900 von unseren Genossen eingebrachte Antrag, für den sich erfreulicherweise eine Mehrheit fand, war der er sie kräftige Anstoß zu einer den Ver- Hältnissen entsprechenden Ausgestaltung der F e r i e n s p i e l e. Da im Stadtgebiet selber eine nennenswerte Vermehrung der Spielplätze nicht möglich war, wenn man nicht gc- rade ganze Häuserviertel ankaufen und niederreißen wollte, so blieb nur der Ausweg, die Kinher in Masfcntransporten hinauszuschaffen, um sie wenig st ens in den Tages stunden dem Häusermeer zu entreißen. Was bis dahin zur Pflege der Fcrienspiele geschehen war, konnte selbst den bescheidensten Änsprüchen nicht genügen. Was wir heute sehen, ist jener Anregung zu danken. Gewiß, auch nach dem er- wähnten Beschluß der Stadtverordnetenversammlung änderte sich zunächst noch nicht viel, aber der Gedanke, daß es anders werden müsie, hatte sich durchgesetzt. Die Bahn war frei für die Entwick- lung, die wir in den seitdem vergangenen fünfundzwanzig Jahren verfolgen konnten und die noch nicht abgeschlossen sein darf.
Der Ehrenmann von Hermsüorf. Postbetrüger und Heiratsschwindler. Zu dem Poststandal in Hermsdorf erfahren wir noch folgende Einzelheiten. Die Angaben, daß dem völkischen Helden Knauft (nicht Knaus) noch 500 M. ausgezahlt worden sind, als die Ober- postdirektion bereits von den Verfehlungen im Postamt Hermsdorf wußte, sind dahin zu berichtigen, daß die 500 M. am Donner». tag Knauft ausgezahlt wurden, daß die Oberpostdirektion aber erst in der Zeit von 10 bis 11 Uhr von den Verfehlungen benachrichtigt wurde. Die Revisionen haben erst am Freitag nach- mittag gegen 1 Uhr stattgefunden. Knauft hatte sich das Geld im Postamt Hermsdorf auf die Weise verschafft, daß er im Oktober 1924 einen kleinen Betrag von 100 M. beim Postscheckamt auf sein Konto einzahlte. Dann ging er mit dem Ausweis zu Bartels, der ihm aber nicht den eingezahlten Betrag, sondern den geforderten gab. Das wiederholt« sich ständig. Wenn z. B. Knauft sich von Bartels 3000 M. holte, so zahlte er beim Postscheckamt 2000 M. ein. 1000 M. behielt er für sich. 3000 M. überwies er wieder seinem Konto und holte sich dann am Abend von Bartels wieder 4000 M. Das wiederholte sich bis das Defizit auf 45 630 M. angelaufen war. Von dem von Bartels erhaltenen Geld veranstaltete Knauft große Trinkereien, kam vollständig betrunken nach Hause und unternahm große Auto- fahrten.
Knauft lebte, ehe er die Post beglückte, davon, daß er ehelustigen Frauen das Glück der Ehe versprach und einen ebenso lukrativen wie skrupellosen Heiratsschwindel betrieb. Drei Frauen hat er so um erhebliche Beträge erleichtert. Als er einmal deswegen angezeigt wurde, wurde das Verfahren eingestellt auf die Auskunft der Hermsdorfer Polizei, K. sei ein Ehrenmann, ein Heiratsschwindel sei ihm nicht zuzutrauen. Jetzt hat der Ehrenmann sich obendrein als Postbetrüger entpuppt._ Der Kampf um Sie Tanztonzessioae«. Ein Urteil, aber keine Klärung. Den Ballettlehrern M ü r i ch und v. Paquet-Leon war der Vorwurf gemacht worden, daß sie, die vom Berliner   Polizeipräsidium wiederholt als Sachverständige in Tanzangelegenheiten herangezogen worden waren, ihre Befugnisse überschritten hätten, indem sie eine .Zentralprüfungskommijsion' gebüdet und den Tanz- lchrern, die sich ihren Prüfungen nicht unterziehen wollten, Strafen angedroht hätten. In dem Strafprozeß, der gestern vor dem erweiterten Schöffen- gericht Bcrlin-Mitte stattsand, bestritten die beiden Angeklagten, daß sie sich des Betruges und der Nötigung durch Anmaßung eines öffentlichen Amtes schuldig gemacht hätten. Sie seien beim Polizei- Präsidium gutachtlich tätig gewesen und auch zu einer Konferenz zugezogen worden, die sich mit der Ausdehnung der Bundesrats- Verordnung von 1917 zu befassen hatte. Damals herrschte im Tanzunterricht eine allgemeine Pfuscherei und Ausnutzung des Publikums vor. Von den Abteilungen II und III des Polizei- Präsidiums sei damals die Ausdehnung der Konzessionspflicht, die bisher nur für Ballettunternehmungen bestand, auch auf Unterricht in Gesellschaftstänzen ausgesprochen worden. Als Vorstand des Genossenschaft deutscher Tanzlehrer' hatten sie es für ihre Pflicht erachtet, in ihrem Dereinsorgan eine Verwarnung zu geben, daß Strafe drohe wegen unbefugter Ausübung des Lehramtes. Sie hätten in einem Rundschreiben aufgefordert, sich den Prüfungsoor- schriften der Genossenschaft zu unterwerfen und im Jahre 1920 50 Mark Gebühren zugunsten der Genossenschaftskasie gefordert. Oberregierungsrat G l a s e n a p p, der frühere Berliner  Theaterzensor, bestätigte, daß die Angeklagten als Sachverständige des Polizeipräsidiums Prüfungen abgenommen und sich gutachtlich betätigt hätten, ohne daß ihnen ein amtlicher Charakter beigelegt worden wäre. Oberregierungsrat Günther, der Vizepräsident des Prooinzialschulkollegiums, bestätigte, daß nachträglich die Kon- Zessionspflicht eingeführt worden fei. Es trat dann als Zeugin die Tänzerin Gudrun Hildebrandt   auf, die au» dem Tanzlehrer- verband der Angeklagten ausgeschlossen worden war und darin eine schwere Schädigung ihrer Berufstätigkeit erblickte. Deshalb hatte sie auch durch Rechtsanwatt Dr. Pindar das Verfahren in Fluß bringen lassen und diesem Versahren hatten sich dann auch zahl- reiche Inhaber von Tanzinstituteir angeschlossen. Die Angeklagten hatten eine Unzahl von Prospekten an olle Tanzlehrer und Institute im Reiche verschickt mit der Auf. sorderung, 50 Mark einzusenden, damit sie ihre Tanzschule weiter betreiben könnten. Der Prospekt war unterzeichnet: �Ze ntralprüsungskommission'. und allgemein habe man daraus auf einen amtlichen Charakter ge- schlössen. Die meisten Tanzlehrer hatten die 50 Mark aus Angst, ihren Beruf zu verlieren, eingeschickt. Staatsanwaltschaftsrat Kraus- haar kam in Uebereinstimmung mit den Rechtsanwälten Dr. Frey und Dr. Aßmann zu dem Antrage auf Freisprechung. Nach längerer Beratung erkannte Amtsgerichtsrat Liebegott ebenfalls auf Frei- f p r e ch u n g beider Angeklagten auf Kosten der Staatskasse. Das Gericht habe die Ueberzeugung gewonnen, daß die Bezeichnung .Zentralprüfungskommission' keine Amtsbezeichnung darstelle. Die Angeklagten hätten aus idealen Gründen eine Reformation auf dem Gebiete des Tanzwesens durchführen wollen. Bon einer betrüge- rischen Absicht könne keine Rede sein. Der Prozeß hat zwar ein Urteil, ober keine Klärung der Sach- lag« gebracht. Haben die freigesprochenen Angeklagten fernerhin das Recht, sich alsZentralprüfungskommission' zu betätigen, für ihre Exominatorentättgkeit Gebühren zu verlangen und"Konzessionen zu erteilen bzw. zu verweigern? Die Herren Mürich und Paquet- Leon sind Tanz- und Ballettmeister allen Stils, und es wäre un- geheuerlich und unerträglich, wenn etwa Vertreter de» modernen Kunsttanzes gezwungen würden, sich ihren Prüfungen zu unter- ziehen. Auch wäre dringend zu wünschen, daß das Polizeipräsi- dium sich neben diesen Meistern einer absterbenden Kunst solcher Sachverständigen bediente, die den neuen, heute lebendigen Tanzstil vertreten. Es sind Fälle denkbar, in denen das»Sachverständnis' jener notwendigerweise versagen muß.
BezirtsansschuH für Arbeiterwohlfahrt. Die Kinder, die im Mal in Tännich   waren, treffen flch am Freitag, vormittag» 10 Uhr, am Bahnhof Sadowa im eokal Maldschänke.
Smnenspiel. lZI Aus einem Tagebuch. Mitgeteilt von Kurt Eisner  . Ich war nach Mitternacht   zu Bett gegongen. Es war schwül und dunstig. Ich schleuderte die schwere Decke auf den Boden, zog auch das Hemd aus und lag nackt da, mit einem sonderbaren un- ruhigen Empfinden meines eigenen hüllenlosen Leibes. Durchs offene Fenster rauschten die Pappeln. Solch rauschen weckt ge- fährliche Stimmungen. Ich versuche, sie hinwegzuspotten, indem ich die Pappeln beschuldigte, sie rauschten schon nicht mehr, sondern sie verübten in der groben Unfugssprache ruhest örenden Lärm, und ich bitte sie, es einmal mit ruhe bringendem Lärm zu versuchen. Vergebens biete ich solche Spähe gegen mich auf. Au» dem nächsten Rauschen ist schon die Gestalt Mienchens er- stiegen, das Dunkel hat Gewalt über mich erlangt. Des Tages gebändigte Gesinnungen sind erloschen. Noch sträube ich mich, das Tor meiner erregten Phantasie zu öffnen. Das Mädchen mag draußen bleiben! Ich will nicht, ich will nicht! Aber mein Wider- stand ermattet, ich gebe nach, und nun verliere ich all« Herrschast Uber mich. Jetzt hemme ich nicht mehr, sondern treibe die Phan- tasie, daß sie mir immer Wilderes und Heißeres ersinnt. Das Spiel wird zur Raserei. Nur noch einmal Liebe lernen und lehren! Ich streichle Mienchen über Haar und Wangen, über den Hals und den runden Arm unter dem wetten Aermel, den ich der sanft Sträubenden langsam emporstreife. An der Bluse ist ein Knopf gelöst, dann ein zweiter... Ich küsse die Linnenstickerei, die unschuldig und rührend herausschaut, als rankte sie sich auf- keimend plötzlich aus dem dunklen Schoß an weißem Gelände empor... Nein, nein, nein. Nicht dieses. Ich will das Fest meiner Liebe nicht in einem Rausche vergeuden, es soll Jahre währen. Wir wollen sacht in langer Zeit zum Gipfel aufsteigen. Geh wieder fort, Kind, morgen früh lachst du mir über die Hecke entgegen, und wir wandern gemeinsam zum Strand, zwei ordent- liche Leute, die nur ein wenig erst an den Geheimnissen der Liebe zupfen. Du sollst nicht meine Buhle werden, sondern mein Weib unser Hochzeitstag soll nicht das Ende, sondern der Anfang unseres Bundes fein. Wie ein fester Entschluß ist es setzt. Ich werde ein ehrbarer Liebhaber sein, ich werde erst schüchtern werben, dann die selige und verlangende, versagende- Brautzeit und dann der Tag, wo ich die Braut m die Kammer führe. Ich habe Mienchen aus meiner Phantasie wieder herausgelockt. Ich glaube mm allem zu sei»
und den Schlummer zu haschen. Da ober beginnt erst das Ab- scheuliche, das unbegreifliche verbrecherische Zwiegespräch zwischen mir und dem Fremden. Ich versuche zu lachen. Wie töricht, sich ein neues Minne- werben in legitimen Stufengang vorzugaukeln, derwell ich ver- heiratet bin, sogar glücklich verheiratet! Der Fremde: Ist dir deine Leidenschast so wenig wert, daß du bei diesem Hindernis schon straucheist? Ich: Aber ich kann doch nicht zwei Frauen heiraten. Der Fremde: Und du behauptest, daß du da» süße, junge Geschöpft liebst? Ich: Ich liebe es, aber es ist hoffnungslos. Berführe» mag ich sie nicht und heiraten kann ich sie nicht. Der Fremde: Wenn nun deine Frau nicht lebte? Ich: Sie lebt, glücklicherweise. Der Fremde: So wünsche, daß sie stirbt, und sie wird sterben! Ich: Welch entsetzlicher Gedanke! Der Fremde: Du willst nicht, so muß ich für dich handeln und wünschen... Ich bin nun du... Inbrünstig flehe ich, mein Weib möchte sterben... Sie ist tot. Heute nacht ist sie gestorben. Ich bin frei... frei... Ich: Du Furchtbarer, raubst du mir nicht das ganze Glück mit diesem Wunsch. Ich liebe Klara, hörst du! Ich liebe sie... und wenn ich sie auch nicht liebte, welch ein Ungeheuer könnte solchen Wunsch auch nur denken!... Der Fremde: Ein zartes Gewissen, fürwahr, aber schweige nur. Ich bin wetter du. Sie ist tot. Ich werde sofort abreisen zu ihrem Begräbnis. Ich werde sehr ttaung lein, aber bock) ircht allzu stark. Sie wird mir wohl fehlen... aber ein neues Leben eröffnet mir chr Grab... Ich eile zurück... Mienchen, jetzt bist du mir verfallen! Als ehrlicher Mann fordere ich dich. Ich: Ein ehrlicher Mann? Du Schamloser! Der Fremde: Ich bin du, mein Lieber, du kannst nicht mehr los von mir. Du trägst die Mitschuld... Aber höre» wie diese jungen Lippen rufen, die noch nie geküßt! Kannst du es dir vor- stellen, das selige Märchen, in einem Weibe das Küssen zu er- wecken und die Liebe... Kein Hindernis mehr, vloch einmal tauchst du hinunter in das Meer saugenden, sicheren Gefühls und wanderst durch die prangenden Muschelgärte» jungfräulicher Liebe, in magischem Licht. Wiedergeboren, ein glücklicher Mensch... Wie rein sind diese Lippen, wie durstig, wie heiß!... An dein Herz schmiegte es sich drängend, als wenn feste Knospen begehren. zu Blutenkelchen sich zu öffnen. Wider dich wächst, dich umran- kend, Erwachender!... Siehst du, da wachen die allen Lerse wie- der auf... du schwärmst wieder..., du fühlst dich Dichter...
Morüprozeß Hausse. Der Geisteskranke als Zeuge. Bor dem Potsdamer   Schwurgericht ereignete sich der sellene Fall, daß ein Geisteskranker als Zeuge vernommen werden mußte. In der vierten Woche verhandelt dieses Gericht gegen die Raubmörder des Bierkutschers Hausse. Unter den Hunderten von Zeugen sollte als letzter der 26jährig« Lackierer Hans H e y l, früher in Luckenwalde  , vernommen werden, da er evtl. als Msttäter bzw. au einem Gold- und Silberdiebstahl in Frage kommen konnte. Heyl ist inzwischen geisteskrank geworden und wurde unter großen Schwierigkeiten aus der Jrrenanstall Godenau bei Darmstadt  nach Potsdam   transportiert und sofort in die epileptische Anstatt untergebracht. Den Kranken im Gerichtssaal zu vernehmen, konnte nicht gewagt werden, zumal ihm 30 Zeugen gegenübergestellt werden muhten. Der Psychiatiker Dr. Dannenberger von der Anstalt gab sein Gutachten über den Kranken, über seine Eides- sähigkeit und Glaubwürdigkeit ab.&5 ging dahin, daß der Zeug« psychologisch zu bewerten ist wie ein Hysteriker. Er leidet an Schwachsinn, und seine Glaubwürdigkett wird abhängen von den Ereignissen, die chm vor Gericht gegenübergestellt werden. Es könnte passieren, daß er vor dem feierlichen Anblick des Gerichts von neuem erkranken könnte. Aus Zweckmässigkeitsgründen begab sich das Schwurgericht unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. Westerkamp in mehreren Postautomobilen zur Prooinzial- anstalt für Epileptische, wo der Kranke untergebracht war. Der Haupthaussaal war zum Verhandlungsraum hergerichtet. Unter starker Polizeibewachung wurden die Angeklagten in den Saal geführt, bei der Vernehmung des Zeugen aus dem Vcrhand- lungsraum aber entfernt. Von zwei Pflegern betreut, wurde Heyl hereingeführt. Der Vorsitzende forderte ihn in freHndlichster Weise auf. an einem Tisch Plag   zu nehmen, und sofort hatte Heyl den Kontakt mit dem Gericht. Mit äußerster Vorsicht, ja. man kann sagen, mit I n t e! l ig e n z, gab er seine Antwort. Die Gegen- Überstellung verlief vollkommen negativ. Keiner der Zeugen er- kannte in Heyl den Mann wieder, der evtl. mit Hausse am letzten Tage gesehen worden war, noch als denjenigen» der bei dem Gold- wareneinbruch in Betracht kam. Der Sachverständige, über die Vereidigung des Zeugen befragt, spricht sich dafür aus, da der Kranke seelisch durch die Verhandlung nicht infiziert worden war. Rechtsanwalt T i e m a n n protestierte gegen die Vereidigung. Aber das Gericht vereidigte diesen Zeugen: es war der letzte unter den Hunderten. Mit ihm wurde die Beweisaufnahme in dem Riesenprozeß gestern abend geschlossen. Morgen beginnen die Plä- doyers, und am Sonnabend wird das Urteil gefällt.
Teure Kirschen. Der 18jährige Schloffer Georg S. hatte mit seiner Braut eine Partie nach Dabendorf gemacht. Abends auf dem Rückweg kamen sie an einer Kirschenallee vorbei und begannen unbefugterweise zu pflücken. Nachdem das Mädchen schon einige Pfund in ihrer Taiche hatte, kam der Pächter der Allee her- bei. S. sprang vom Baum, kam dabei aber so unglücklich zu Fall, daß er sich einen Bruch des rechten Unterschenkels zu- zog. Gemeinsam mit dem Pächter brachte daS Mädchen den Ver­unglückten zum Arzt. Nachdem S. ein Notverband angelegt worden war, wurde er mir einem Wageu nach der Wohnung seiner Eltern in Berlin   befördert. Linienumleiwag bei der Skraheubahn. Wegen GleiSbauarveiten an der Kreuzung Potsdamer«, Ecke Bülowsiraße werden in der Rächt vom 29. zum 30. von 12 Uhr ob folgende Linien umgeleitet: Die Linien 24, 4 0. 4 3. 6 5. 7 4. 8 3 über Lützowstraße, Lützow- platz, Maaßenstraße. Nollendorfplatz. Winterfeldtplatz, Golystraße, Akazienstraße, Hauptstrafe. Di« Linie 69 über Lützowstraße, Lützow- platz» Maaßenstraße. Die L i n i e.n 5 1, 5 7l 6 0, 6 2, 91, 19 1 über Lützowstraße, Lützowplatz, Nollendorfplatz. Feldstiaße. Nettel- beck-, Kleistsiraße. Die Linien.81. 6 4, 164 über Göben-, Hallerstraße, Winterfeldtplatz. Maaßenstraße, Nollendorfplatz. Kleist-'' straße. Oeffenfffche» volkskonzert im Schillerpark. Am kommenden Freitag, abendS 7»/, Uhr, gibt der»Meinekefche Männer- chor Berlin 1900'(Mitglied des Deutschen   Arbeiter-Sänger- bundeS) auf der Terrasie im Schillerpark ein Freilonzert. Zum Bortrage gelangen eine Reihe Bolls- und heiterer Lieder. vt Me Baader: Ein steiniger weg. Di« Selbstbiogravbie der heim- argangenen Eenolstn Ottilie Baader   ist unter diesem Titel in unlerem Parteiverlag erschienen und zum Preiie von SO Pf. in der Sortiments- Buchhandlung Q.H. S. Dietz»ach?, Lindenftraße 2, zu haben.
TBtttrc filr Berlin   and Umgegend. Mäßig warm, wechselnd vewälkt, keine erheblichen Riederichläg«. Jar ventschiand. Im Norden einzelue leichte Regenschauer, sonst keine wesentlichen Niedeeschläg«.
So spinnt sich das Zwiegespräch fort die ganze Nacht. Immer die gleichen wilden Gelüste brennender Bilder und kalter Ruch- losigkeiten... Selbst die Morgenstunden, die sonst den Schlaf- losen Erlösung bringen und sie für ein paar Augenblicke in er- quickende Dergessenheit betten sie retten mich nicht. Ich wache hinein in die fohle Dämmerung, und der Wahnsinn weicht auch nicht unter den Strahlen der aufgehenden Sonne. Ich will dem Spuk ein Ende machen, das Bett verlassen. Aber das Bett hall mich wie in Klammern fest, und im heißen Nest der Nacht ent- steigt wieder die unsaubere Brut ssecher. lallender Verzückungen... Schließlich raffe ich mich auf. Ich kühle mich in dem herein- flutenden Morgenwind, die Nacht gleiten endlich von mir ob. Ich bin wieder ich, und indem ich zurückkehre, fühle ich Scham und Grauen... _ bin ich durch die betauten Wiesen gegangen, habe den Müllerknechtcn bei ihren einfachen Hantierungen zugeschaut, habe Ruhe geschöpft aus dem stillen Behagen weidender Rinder und aus dem lustigen Geschwätz der Buben und Mädchen, die in die Dorfschule traben. Die Welt wird mir wieder oertraut. Das Be- wußtsein kehrt in die Sicherheit und Klarhell des Diesseits zurück und ich prüfe als ein Arzt die Verftörungen. welche das Dunkel geboren... Was lockt mich eigentlich und reizt mich? Liegt nicht alle Wirrnis und Derkehrung darin, daß die leibliche Schönheit ver- hüllt ist?(Erhall das Natürliche nicht so erst die dämonische Kraft des Geheimnisvollen, Mystischen. Die Liebe war nur einmal natürlich, frei von schürender, blendender Empfindsamkeit: Im Paradiese vor dem Sündensall. Das Feigenblall vergiftet die Phantast«. Die Freude an der bunten Füll« der Formen der Menschengestalt ist gesund und rein, aber sie verdirbt zur Gier. weil sie versagt ist. Von Kindheit an werden wir getrieben. Ge- Heimnisse zu lüften. Verstecktes zu ahnen, Heimliches zu enträtseln. Statt der Lust an der Schönhell wird uns die ekle Lüsternheit an- gequält. Wer kein Schnmtzian ist, sondern ein ehrlicher Mono- gamist aus Neigung, Erziehung und silllicher Ueberzeugung. was weiß der eigentlich von den bunten, zahllos mannigfachen Blumen, die im Garten der Schönheit oder Unschönhell gedeihen? So ringen gerade die Besten und Unschuldigsten mit Versuchungen, wie sie die allen Heiligen zu bestehen hatten. Obwohl einen Frauenarzt dies« sentimentale Neugier nach den Varietäten der Fettpolster plagt... Ich muß zynisch werden, um das Gift aus meinen Adern auszutreiben, zynisch oder auch psychologisch räsomiieren: da» erkältet. (Fortsetzung folgt.)