Nr. 355 ♦ 42.?ahrganß
2. Heilage öes vorwärts
Vonnerstag, 30. Juli 1425
Sturmisihe Szenen im Reichstag. Krach zwischen Kommunisten und Zentrum. Die Schnng zweimal unterbrochen.— Abstimmungen über die Lohnsteuer.
Der Reichstag überwies gestern zunächst den R o t e t a t für 19 2S ohne Debatte dem Yau�haltsausschuß. Dann wurde die zweite Beratung des Einkommen st euergesetzes beim § 50 forlgesetzt, der den Steuertarif regelt. Abg. Dr. Örüning(Z.) degründet dazu einen Aenderungs- a n t r a g der Regierungsparteien, wonach stch das steuerfreie Existenzminimum von 1100 M. erhöhen soll 1. für die Ehefrau um.... 100 Vi. L. für da« erste Kind um.. 100„ 8. für da» zweite Kind um.. ISO 4. für das dritte Kind um.. 860„ 5. für da« vierte und jede» folgende Kind um je... 450„ im Jahre. Kinder im Alter von mchr als IS Jahren, die Einkünfte be- ziehen, werden nicht gerechnet. Der Antrag geht in der 1. Stufe von 25 Tl. über die Ausschuh. vorläge hinaus und läßt die nach dem Ausschuhbeschluß erst für das vierte Kind eintretende Erhöhung um 360 M. schon beim dritten Kind eintreten. Zum§ 52 wird der Abzug folgender Beträge vorgesehen: 1. 600 M. als steuerfreier E i n k o m m en s t e i l, wenn das Einkommen den Betrag von 10 000 M. jährlich nicht übersteigt. 2. Für die Ehefrau und jedes minderjährige Kind je 8 Proz. des über 600 M. hinausgehenden Einkommens, jedoch mindestens für die Ehefrau 100 M., für das erste Kind 100 M., für das zweite Kind 180 M., für das dritte Kind 360 M,, für das vierte und jedes folgende Kind 450 M„ und höchstens je 540 M. für die Ehefrau und jedes Kind, insgesamt nicht mehr als 8000 M. Zur Lohnsteuer wird von den Regierungsparteien beim§ 70 beantragt, daß außer dem steuerfreien Existenzminimum von 960 M. jährlich(80 M. monatlich) qom Steuerabzug bestell bleiben für die Ehefrau und iür jedes minderjährige Kind je 10 Proz. de« Arbeits- lohns, der über das Existenzminimum hinausgeht. Mindesten? sollen das sein für die Ehefrau 120 M. jährlich, für das erste Kind 120 M. jährlich, für das zweite Kind 240 M. jährlich und für da» vierte und jedes folgende Kind je 600 M. jährlich. Abg. Vogel(Soz.): Die Lohnsteuer ist das Kernstück der Steuergesetz« überhaupt. Wenn wir an das Vorspiel dazu im Ausschuß und im Plenum denken, so müssen wir den jetzigen Antrag der Regierungsparteien als den Ausfluh ihre» bösen Gewissens und als ein Ablenkungsmanöver ansehen. Im Ausschuß hat man uns nicht ein- mal Zeit zur Beratung gelassen. Lange Zeit hindurch hat die Lohn- steuer 70 bis 80 Proz. der gesamten Einkommensteuer erbracht und ebenso lange wurde ein großes Unrecht an den Lohnsteuerpflichtigen verübt. Der Antrag der Regierungsparteien beseitigt dieses Unrecht nicht. Die Regierung hatte die Erhöhung des lohn- steuerfreien Einkommens mit der Behauptung bekämpft, der Steuer- ousfall würde dadurch unerträglich werden. So hat man berechnet. daß bei einem Existenzminimum von 1200 M. im Jahre ein Aus- fall von 745 Millionen Mark entstehen würde. Der Redner weist im cin-e!nen nach, wie falsch die Behauptungen der Regierung ge- mesen sind. Die von der Regierung gebrauchten Zahlen sind ganz unkontrollierbar. Es wird ganz unberücksichtigt gelassen die Steigerung der Kosten der Lebenshaltung, die durch die Steigerung der Rominallöhn« nicht ausgeglichen wer- den. Daraus ergibt sich aber eine wesentlich stärkere Be- l a st u n g durch die prozentuale Steigerung der Lohnsteuer. Wir halten deshalb unseren Antrag auf Erhöhung des lohnsteuerfreien Einkommens von 80 auf 100 M. im Monat ausrecht. Der A n t r a g der Regierungsparteien bringt sogar noch ein« w e s e n t» licht Verschlechterung für die kinderreichen Fami- lien und das angesichts der immer unerträglicher werdenden Steigerung der Lebenshaltungskosten.(Sehr wahr! bei den Soz.) Dir Mehrbelastung ist um so größer, s- klicherreicher eine AamMe ist(stört hört! bei den Soz.) So ficht die Sozialpolikik und die BevölkeruugspolZtik der Begierunzspacteien au»! An den Beschlüsien der Regierungspartrien im Auzschuß weist der Redner nach, daß sie die bisherlgen Steuerverhaumsse noch weiter verschlechtert hätten. Das hat außerordenllich groß«.Ent- rüstung in den breiten Masten erregt und diese Entrüstung wird durch den heutigen Abänderungsantrag nicht beseitigt werden. 3 cht il! der Augenblick gekommen, wo das Derfprschen des Retchsftnanz- Ministers, daß bis 100 TN. Einkommen im Monat steuerstei gelasten werden sollen, in Erfüllung gchen muß. Mit platonischen Liebes- erklärunaen ist den Lohnsteuerpflichtigen nicht gedient.(Sehr richtig I bei den Soz.) Unser Antrag begnügt stch aber nicht mit der Er- böhunq des Existenzminimums, er v-rlangt auch die Erhöhung der Abzüge für Frau und Kinder. Vergleicht man die Belastung der Lohnempfänger bei uns mit der im Ausland, besonders in England, so ergibt sich nach den Beschlüsten des Aus- ichustes für uns ein well ungünstigere» Bild. Wir erwarten nun, daß die Regierungsparteien ihr.soziale, sterz* offenbaren und unserem Antrag zustimmen. Wir erwarten aber auch, daß das System der festen Bezüge, zu dem stch die Regierungsparteien end- lich bekannt haben, sich nicht im Lauf« der Zeit zu Ungunsten der Oohnlleuervflichtigen entwickelt. Um dagegen eine Sicherheit zu baden beantragen wir, daß der R-ichsminstter der Finanzen mit ?"stimmung des Reichsrats und eines Au-schuste» des Reichstages hie im Absatz 1 bezeichneten Beträge gemäß der Ent- wickluna der Lohn- und G-HM»°?HSlWiste neu festzusetzen bat statte die Regierung schon früher an die Stelle der prozen- Malen Abzüge die j-tzifl-n festen die w.r begrüßen und die wir +on längst gefordert haben, gesetzt, so wäre manch« störte bei der der Lohnsteuer vermieden worden. Wenn sich nicht alle Erwartungen! 8° an die festen Abzüge geknüpft werden, erfüllen -olllen s? liegt das nicht an dem System sondern an dem MangA an-ul-m M���ng und den ISe�S0 bri' dem"E?gänzu'n?santrog �der�W�gspar�en naÄ �u ftns.r-«ndaültrne Stellungnahme zur Lohnsteuer müssen noch fehlt, unsere«nvguft-ge� v, �Hän�n. welche stal- wir uns noch r-orbeyalten. wuu imu' tung die Regierungsparteien zu UN,-ren Antragen einnehmen.(Leb. haster Beifall bei den Sozialdemokraten.) �. Abg. Koeuen(Komm.) bekämpft das Lohnsteuersystem an sich, Ein« wirklich sozial- Derbesterung dieses Systems sei gar nicht möglich.,, Abg. Schneider(Dem.) bezeichnet den K o m p r o m i ß a n t r a g als den Gipfel der Kompliziertheit. der Steuerreform doch eine Vereinfachung war. Der Antrag fei auch so wenig durchdacht und so unreif, daß er eigentlich an den Ausschuß zurückverwiesen werden mutzte, wenn dazu noch Zeit wäre. Die sehlge Regelung d« Lohnsteuer sei sozial ausreizend und der kompromißantrag der Regierung-parleiea bringe dann keine Aenderong. Di« demokratische Fraktion wolle sich mit der Iunggesellensteuer abfinden, die in der zehnprozentigen Besteuerung de« Ledigen de-
steht. Bei der Ehefrau aber beantragen wir die Erhöhung des steuerfreien Betrages von 90 auf 240 M. Bei der ersten'Ab- stimmung werden wir für den sozialdemokrati- fchen Antrag stimmen. Abg. höllein(Komm.) verlangt eine wesentliche Erhöhung der Werbungskosten bei der Lohnsteuer. Staatssekretär Popih wendet sich gegen die Anträge der Oppo- sllion, deren Annahme nach seiner Ansicht einen finanziellen Ausfall von vielen hundert Millionen herbeiführen würde. Abg. Dr. Hertz(Soz.): Wenn man sich die Tätigkeit der Regierung in den letzten Mo- naten ansieht, so kann man zu keinem anderen Schluß kommen, als daß sie bei den Entscheidungen über die Lohnsteuer eine sehr un- glückliche stand gehabt hat. Trotzdem zwischen den Beschlüssen beim Ueberleitungsgesetz und den Beratungen im Ausschuß 6 Wochen Zeit waren, mußten doch jetzt wieder die Beschlüsse des Ausschusses preis- gegeben werden. Wie sich der Antrag der Regierungsparteien auf die großen und kleineren Betriebe auswirken wird, ist noch Zweifel- hast. Aber dieses System der festen Abzüge und der prozentualen Berechnungen ist für die Beteiligten so undurchdringlich, daß nur ein kleiner Teil der Lohnsteuerpflichtigen die Möglichkeit zur Nachprüfung haben wird. Damit ist aber auch das Urteil über das System dieses Antrags gefällt. Da- mit kann niemals das Vertrauen hergestellt werden, ohne da» die Lohnsteuer nicht aufrechterhalten werden kann. Gerade wer die Lohnsteuer als einen Fortschritt in der Steuergesetzgebung ansteht, der mutz es bedauern, daß die Regierung noch nicht ein System gefunden hat, das die bisherigen Schäden beseitigt. Neben der Un- Übersichtlichkeit des Systems, das durch den Antrag der Regierungs- Parteien geschaffen werden soll, bringt es gerade für solche kreise Derschlechlerungcn. die sozial besonder» schuhbedürftig find. Das trifft zu auf die mittleren Gruppen. Wie können Sie es ver- antworten, gerade den Angestellten und gewerblichen Arbeitern, die unter den augenblicklichen starken Steigerungen der Lebenshaltung»- tosten so zu leiden haben, noch größere Lasten aufzuerlegen, während sie für alle übrigen Gruppen die Steuerlasten verringern? Mein« Freunde werden nicht für diesen Antrag stimmen, sondern müssen Ihnen die Verantwortung dafür überlassen. Der Staatssekretär Popitz Hot Berech- nun gen über den Ausfall angestellt, die nicht zutreffen. Angesichts des starken Widerstande? gegen die Erhöhung des Existenz- Minimums werden wir uns vorläufig damit begnügen, die festen Ermäßigungen für Ehefrau und Kinder heraufzusetzen. Nun hat Herr Popitz berechnet, daß durch unseren Antrag ein Ausfall von 700 Millionen entstehen würde. Räch meinen Lerechuuugen würde nur ein Aussall entstehen, der unter 309 Million«» zurückbleibt. (Hört, hört! bei den Soz.) Aber was bedeuten denn überhaupt solche Ausfallsberechnungen? Beim lleberlellungsgefeh wurde un» ein Ausfall von 500 Millionen vorgerechnet, lalfächlich ist nur die HAst« des Ausfall» eingetreten.(Hört, hört! bei den Soz.) Ihre Ausfallsberechnungen sind noch niemals richtig gewesen und darauf gründe ich meinen Borwurf der Kurzstchtigkejt, den ich gegen die Regierung richte. Sie wollen wiederum eine Regelung schaffen, die nur für mehrere Wochen gilt, vollständig außer acht gelassen ist die L o h n e n t w i ck l u n g, die nach vorwärts geht, die nach einem Zentrumsantrag zu begrenzenden Einnahmen aus der Lohnsteuer auf 1200 Millionen Mark und die wieder zu erwartenden höheren Einnahmen. Die von der Regierung angeführten Argumente lassen stch nur durchführen in dem Rahmen des System», das unser An- �rag vorschlägt. E» mutz vor allem vermieden werden, daß das Existenzminimum um so höher wird, je höher das Einkommen ist. In allem Ernst erklären wir der Regierung: die Lohnsteuer läßt sich nur verteidigen, wenn ein einfache», klares System geschaffen wird mit festen Abzügen. Unser Eventualantrag bewegt sich hart an der Grenze des Erträglichen, er nimmt die weitest» gehende Rücksicht auf die Reichsfinanzen. Aber innerhalb dieser Grenzen ist er nach jeder Richtung vertretbar, es läßt sich kein fach- llcher Einwand gegen ihn erheben. Wenn Sie nicht wollen, daß bei den Lohnsteuerpflichtigen ein Gefühl der Bitterkeit zurückbleibt, so müssen Sie dem Antrag meiner Fraktion zustimmen.(Lebhafter Beifall bei den Soz.) Abg. Reubauer(Komm, weist darauf hin, daß die allge» meine Erhöhung der Löhne und Gehälter, die wegen der einsetzenden Teuerung in nächster Zeit erfolgen müsse, den Er- trag der Lohnsteuer wesentlich erhöhen werde, so daß eine ent- sprechende Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums unbedingt geboten sei. Abg. Schneider(Dem.) wendet sich gegen die Ausführungen de» Staatssekretär» Popitz und betont, es sei ganz unmöglich, die finanzielle Wirkung des plötzlich eingebrachten Kompromißantrages Scnau zu berechnen. Nach dem vorliegenden Text des Antrags abe er eine ganz uosozlale Wirkung. Staatssekretär Popitz hält die Auslegung de» Antrag» durch den Abg. Schneider für unzutreffend. Sine andere Formulierung werde später erfolgen.(Große Unruh« und Protestrufe links.) Abg. Dr. Hertz(Soz.): Es ist bezeichnend für die Steuer- politik der Regierung und der Regierungsparteien, daß fle kurzvorder Abstimmung noch nicht einmal eine klare Formulierung ihrer Anträge gefunden haben. Damit schließt die Aussprache über diesen Abschnitt. Präsident Löbe teilt mit, daß soeben von den Regierung». Parteien ein handschriftlicher Antrag eingegangen sei. der-ine andere Formulierung des Kompromißaalrages zum§ 70 vorsteht. Danach bleiben für die E h e ft a u und für j e d e s m i n d« r- jährige Kind je 10 Proz. de» Arbeitslohnes, der über das Existenzminimum hinausgeht, vom Steuerabzug frei. Es bleiben st e u e r f r e i für die Eheftau 120 M., für das erste Kind ISO M.. für das zweite Kind 240 M.. für dos dritte Kind 480 M.. für das vierte und jedes folgende Kind je 600 M. jährlich, wenn der nach Ziffer 1—5 insgesamt steuerfrei bleibende Betrag höher ist als der nach Ziffer 1 insgesamt steuerfrei bleibende Betrag. Die Abgg. Dr. Hertz(Soz.) und Reubauer(komm.) er- klären, es sei g a n, u n m ö g l i ch. den Sinn diese»«m lehkeu Augen- blick eingebrachten Antrag» im Moment zu verstehen, die«bstlm- mung müsse zurückgestellt und eine neueAussprache dar- über zugelassen werden. Aus Vorschlag des Präsidenlen Löbe wird die Abstimmung über die ßss 52„od 70 zurückgestellt, bis der neue An- traa der Regierungsparteien gedruckt vorliegt. Beim§ 50 werden die Anträge der Opposition ab- gelehnt und der Antrag der Regierungsparteien wird ange- nommen. Die§§ 51 und 53 werden nach der Ausschußoorlage an- genommen. § 54 setzt nach der Au»s chu ß v o rl a g« für die Ein- kommen st euer folgenden Tarif fest:
Bei 3000 M. Einkommen 10 Proz., für die weiteren ange- fangenen oder vollen 4000 M. Einkommen 12'/b Proz., für die weiteren 4000 M. 25 Proz., die weiteren 4000 M. 20 Proz., die weiteren 8000 M. 25 Proz., die weiteren 18 000 M. 30 Proz., die weiteren 34 000 M. 35 Proz. und für die weiteren Beträge des Ein- kommens 40 Proz. Abg. CggerstSdt(Soz.) stellt fest, daß in bei wichtigsten anderen Staaten die hohen Einkommen schärfer, die unteren Einkommen dagegen niedriger be- steuert werden als in Deutschland . Die Regierung der Rechts- Parteien geht den bequemen Weg, alles den breiten Massen aufzubürden. Der sozialdemokratische Antrag will die niedrigen Einkommen und die kinderreichen Famllien schonen, dafür aber die großen Einkommen schärfer heranziehen. Die Sozialdemokratie bewegt sich mit ihren Forderungen zum Tarif durchaus in den Grenzen des wirtschaftlich Erträglichen und Durch- führbaren. Nach weiteren Ausführungen des Abg. Weber(Komm.) wird 8 54 unter Ablehnung der Aenderungsanträgc in der Ausschußfassung angenommen. Die weiteren Paragraphen bis§ 60 werden unter Ablehnung der Aenderungsanträge der Opposition in der Ausschußfassung an- genommen. 8 61 bestimmt, daß zur Abgabe einer Steuererklärung verpslichlel sind Steuerpflichtige, deren Einkommen im Steuerabschnitt den Be- trag von 8000 M. überstiegen hat, ferner alle Steuerpflichtigen, deren Gewinn aus ihren Büchern zu ermitteln ist, und diejenigen, die dazu vom Finanzamt besonders aufgefordert werden. Abg. Reubaoer(Komm.) begründet einen Antrag auf Offen- legung der Steuerlifte. Die Regierung begünstige geradezu die Steuersabotage, die besonders von den Agrariern getrieben wird. Der Redner verweist auf das Rundschreiben eine» o st preußischen Landwirtschaftsverbandes, in dem darüber geklagt wird, daß bereits 50 Proz. der Mikglicder die Steuern bezahlt Höllen. Die übrigen Mitglieder sollten Stundung»- gesuche einreichen. Als der Redner in diesem Zusammenhang wieder- holt von Steuerdrückebergern spricht, erklärt Dizepräsident Graes: Ich nehme an, daß Sie damit kein Mit- glted des Hauses meinen. Sie sollten aber Ihre Handbewe- g u n g e n so einrichten, daß es nicht diesen Anschein erweckt.(Großes Gelächter bei den Komm., Rufe: Schreiben Sie doch in der Ee- schäftsordnung die Handbewcgungen vor). Abg. Dr. Hertz(Soz.): Dieser Antrag ist hier nicht eilig. Wir müssen diese Frage bei der Kapitalverkchrssteuer allgemein regeln, wir werden deshalb jetzt dem Antrag unsere Stimme nicht geben. Die 8§ 61— 64 werden unverändert angenommen. Der bean- tragte 8 64a wird abgelehnt. Es folgt die Beratung der§§ 69—80, die die näheren Bestimmungen über die Lohnsteuer enthalten. Abg. Frau Araiag(Soz.) begründet einen sozialdemokratischen Antrag zu 8 73. wonach Heimarbeiter, bei denen der Lohn erfahrungsgemäß hinter den in 8 70 Abs. 1 und 2 festgesetzten Löhnen zurückbleibt, vom Steuerabzug freizulassen sind. Wenn die Regierung die Berliner Heimarbeitsausstellung besucht hätte, dann würde sie nicht den Heim- arbeitern eine so große Belastung zugemutet haben. In ganz un- gerechtfertigter Weise werden den Aermsten diese Steuern abge- nommen.(Bravo ! bei den Soz.) Abg. Dr. Hertz(Soz.) fragt, welche Antwort die Regierung auf diese Darlegungen geben wolle. Ein Regierungsverlreler erklärt dazu, daß auf Vermutungen hin das System nicht durchbrochen werden dürfe. Abg. Dr. Hertz(Soz.): C« gibt große Notstandsgebiete, wo der Lohn der Heim- arbeiter weit unter dem Existenzminimum de« Lohnsteuergesetzes liegt. Jedes Finanzamt, jede Organisation, jede Handelskammer kann Auskunft darüber geben, in welchen Fällen keine Lohnsteuerpflicht besteht. Und in solchen Fällen, wo der Lohn 200, 300 bis 500 M. im Jahre beträgt, soll unser Antrag Abhilfe schaffen. Wir wollen die armen Leute im Vogtlande, i in E r z g e b i r g e, i n T h ü r i n g e n, die sich für wenige Groschen abquälen, von der Steuerpflicht befreien. Die Ver- Weisung auf die Rückerstattung der gezahlten Steuern beweist nur, daß von diesen armen Leuten zu Unrecht Steuern erhoben werden. (Bravo ! bei den Soz.) Abg. höllcln(Komm.) unterstützt den sozialdemokratischen Antrag. Abg. Frau TZehm(Dnat.): Die Heimarbeiter seien in der Mehr- zahl schon steuerfrei, zum Teil würden aber höher« Löhne gezahlt und diese Leute mühten Steuern zahlen, sie müß- ten stolz darauf sein, Steuern zu zahlen.(Stur- Mischer Widerspruch links.) Staatssekretär Popitz : Die Schwierigkeit einer allgemeinen Regelung der Frag« besteht bei denen, die nicht das ganze Jahr hindurch arbeiten. In der vor- liegenden Form biete der sozialdemokratische Antrag keine Handhabe zur gesetzlichen Regelung. Das Reichssinanzministerium werde in den betreffenden Gegenden eine Enquete veranstalten, um die Lohn- und Umsatzsteucrverhältnisse festzustellen. Die Besteuerung der Heimarbeiter solle dann so gestaltet werden, wie es den Verhältnissen angemessen sei. Vielleicht werde sich bis zur Z. Lesung eine zweckmäßige Lösung finden lassen. Angesichts dieser Erklärung der Regieruno und der Tatsache. daß auch die Regierungsparteien dem-Grundgedanken des sozialdemokratischen Antrags zustimmen, zog Abg. Dr. Hertz (Soz.) diesen bis zur 3. Lesung wieder zurück. Nach Ablehnung dm weiteren Aenderungsanträge werden die ZZ 68— 80 in der Ausschußfassung angenommen. Inzwischen ist der neue»ompromißanlrag zur Lohn- steuer eingegangen. Der neuere Antrag sieht durch eine genauere Fonnulierung ausdrücklich vor. daß die Mindestsätze für Ehe- sraa und Kinder gellen, wenn sie zusammen einen höheren steuerfreien Betrag ergeben, als bei dem prozentualen Abzug. Dieser Antrag findet Annahme. Der Einkommen st euerparagraph wird dann in der Fassung des Ausschusses und der Regierungsparteien unter Ableh- nung aller Anträge der Opposition angenommen. Ein sozialdemokratischer Antrag, der bei der Lohn- steuer die steuerfreien Abzüge für die Ehefrau und die Kinder gegenüber der Ausschußfassung und den Sompromißanirägen erhöhen will, wird in nzmeutlichcr Abstimmung mit 229 gegen 183 Stimmen a b g el e h n l. Annahme findet auch hier die K o m p r o m i ß f a s s u n g. die u. a. für die Eheftau und das erste Kind 120 Mark jährlich steuerfrei lassen will, für die folgenden Kinder erhöht sich dieser Freibetrog. Abg. Schreck(Soz.) wendet sich bei Besprechung des 8 bl, der die Art der Festsetzung der Kirchensteuern regelt, gegen hierzu vor- liegende Anträge der Kompromißparteien, die den Reichsfinanz- minister ermächtigen wollen, Pauschbeträge für die Kirchensteuern