Nr. 365 42. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
lopult& md galassonet
Rheinweise
Bor dem Krieg, und auch zuweilen mohl noch heute fonnte man oft die Erfahrung machen, daß viele Reise- und Wanderlustige gar nicht wiffen, daß der Rhein , d. h. Mainz und Köln je 580 Kilometer von Berlin entfernt find, Frankfurt allein und Düsseldorf je 540 Kilometer, so daß man mit 18 bis 19 m. Fahrgeld, beschleunigter Personenzug( 4. Klasse) Berlin - Köln oder Berlin - Mainz rechnen muß. Bei vielen Wandertrupps und Jugendabteilungen läßt sich feststellen, daß die Zeit zu furz genommen ist ( manchmal nur 3 Tage) und daß weniger und interessante Orte besucht wurden. Im Folgenden sei ein Programm für eine Wochentour am Rhein aufgestellt:
Abreise Sonnabend abend ab Berlin Anhalter Bahnhof 10,09( beschleunigter Personenzug).
Sonntag
früh 10,16 Anfunft in Frankfurt am Main , Besichtigung der Stadt: Opernhaus , Schauspielhaus, Goethe- Haus , Zeil , Hauptstraße, Römerberg, Römer, Rathaus. 2,36 oder 3,50 Fahrt 4. Klasse nach Wiesbaden. ( Ankunft 3,58 oder 4,47). Besichtigung der Kuranlagen. Uebernachten in Biebrich , Mainz oder einer der fleinen Städte zwischen Biebrich und Rüdesheim oder in Ußmannshausen( Freili grath- Museum) in der Krone".
Montag
einzutreffen. Die Mofeldampfer fahren nicht täglich. Ber abends in einem der fleinen verträumten Mofelorte übernachtet, fann am Mittwoch abend 8,45 mit dem Dampfer wieder in Koblenz fein. Um Trarbach und Bernkastel zu besuchen, muß man zwei Tage opfern, aber es lohnt sich. Der Wein ist gut und billig, befonders bei den Hedenwirten.
Mittwoch
Ausflug ins Cahntal. Dampferfahrt 7,15 nach Braubach , Besuch der Martburg; durch den Wald nach Bad Ems ( 10 Kilometer), von Ems das Lahntal hinab nach Lahnstein ( 9 Kilometer); von Lahn stein Elektrische und Eisenbahn nach Koblenz . An diesem Abend Besuch des Rittersturzes( Stadtwald) 3 Kilometer von Roblenz
früh 7,00 ab Mainz ( ab Biebrich 4 Stunde später) mit holländer Dampfer nach Rüdesheim , Ankunft 8,45; Aufstieg auf den Niederwald; hinab nach Aßmannshausen ; ab Aßmannshausen 11,25; in Roblenz 2,00 mit holländer Dampfer. Fahrt Mainz - Koblenz Salon 8 M. Die Entfernung Rüdesheim - NiederwaldAhmannshaufen( Dampfer) beträgt 6 bis 7 Kilometer, so daß die Beit 8,45 bis 11,25 gerade hinreicht( ohne Aufenthalt). Wenn man den Holländer Dampfer 11,25 nicht erreicht, so fährt ein Kölner Dampfer um 2,30 und 5,40 ab Aßmannshausen, in Roblenz 5,15 und 8,25 abends. Die deutschen Dampfer sind um 30 Proz. teurer als die Holländer, was für die Fahrt Aßmannshausen- Koblenz etma 1,50 M. ausmacht. Man fann auch mit der Bahn morgens 7,08 ab Wiesbaden , 7,15 ab Biebrich nach Rüdesheim fahren, Ankunft 8,00, um den Dampfer 11,25 ab Aßmannshausen bequem zu erreichen. Wer den deutschen Dampfer benußt, ab 2,30 Aßmannshausen, tann in St. Goar die Fahrt unterbrechen, die Festung Eine der alten Rheinburgruinen. Rheinfels oder den Loreleifelsen besuchen( an St. Goar 3,35, ab 6,35); in Koblenz 8,25 abends. Besuch der Rheinanlagen und Rittersburg.
Dienstag
früh 8,00 mit Mojeldampfer nach Kochem - Bullay ( Trarbach Bernkastel ), um abends mit dem Personenzug wieder in Roblenz
17]
Sinnenspiel.
Aus einem Tagebuch. Mitgeteilt von Rurt Eisner.
Jegt, glaube ich, ist diese Schwäche überwunden und ich kann es magen, mein dürftiges Erleben wieder in diese Blätter einzuspinnen. Ich rette ihm so Duft und Farbe, die in der bloßen Er innerung schnell verwittern. Wenn ich dereinst das Buch auf blättere, werde ich doch wenigstens wissen, wie ich gelebt, mas ich erlebt...
Ich will die Brücke übers Jahr zurückschlagen. Die legten Stunden will ich noch einmal nachfühlen, festhalten. Sie stehen in jedem Zug lebendig vor mir, und fast will es mir scheinen, als ob diese Erregungen tieffier Qual mir das legte Glück gewährten, das mir auf Erden beschieden ist...
Ich tam am ersten Oftober nachmittags in H. an. Klara und die Kinder waren am Bahnhof. Mara zeigte erregte Freude, doch schien sie mir verändert, nervös. Ihre Augen schweiften bis. weilen ins Leere. Sie reichte mir die Hand mit furzem leiden. schaftlichen Drud. Wir haben es nie verstanden, wie man am Bahnhof vor den Leuten sich Zärtlichkeiten erweisen fönne. Der Bube brachte sofort, feiner Art gemäß, fröhliche Stimmung in den Empfang, indem er sich bemühte, mit seinen schwachen Bermchen meinen Koffer wegzuschleppen; und das Mädchen half ihm mit ihrer dralligen, andächtigen, saft großmütterlichen Geschäftigkeit. Dann lief der Junge auf einen ordengeschmückten Offizier zu und bat ihn:„ Du Soldat, schent mir doch das goldene Ding da!" Ich holte mir den Dreisten schleunigst zurück und fagte ihm leise: ,, Du, das ist kein Soldat, das ist was Feineres." Che ich weitere Erklärungen geben fonnte, war der Junge mit einem Ich weiß" davongesprungen und rief nun dem Offizier mit triumphierendem Stolz zu: Du Profeffor Soldat!" Der mürdige Sohn einer Universitätsstadt, in der ein Profeffor das Feinste ist! Selbst der Offizier raffie sich zu einem Lächeln auf und berührte flüchtig die langen rotblonden Locken meines Knaben...
" 1
Bemerkung: Man fann auch Montag abend in Braubach den Dampfer verlassen, Dienstag die obengenannte Tour machen und Mittwoch mit der Bahn die Mosel hinauffahren bis Bullan; mit Moseldampfer ab Bulian 3,15, in Koblenz 8,45 abends. Besuch der Rheinanlagen mit Abendkonzert.
Mittwoch, 5. August 1925
Donnerstag
Ab Roblenz 7,46 über Andernach nach Niedermending( an 9,24), zum Laacher See eine Stunde Fußmarsch, Abtei Laach, dann westlich am Gee vorbei über Bassenach das Brohltal hinab nach Brohl am Rhein 3 bis 4 Stunden Fußmarsch. Von Brohl per Bahn nach Remagen , weiter per Bahn ins Ahrtal bis Altenahr , an 6,27, 9,38 ober 11,27 abends. Wundervolle Felsenpartien. Mer 6,27 antommt, wandere bis Manschoß, Rech oder Dernau das Talhinab und übernachte in einem der Dörfer. Die ganze Tour AltenahrNeuenahr( Bad) ist 15 Kilometer. Rüstige Wanderer gehen von Abtei Laach westlich über Bell- Rieden( Gängehals 580 Meter hoch), Langenfeld- Siebenbach über die hohe 2cht"( 780 Meter hoch( nach Adenau im Ahrtal ) 25 Kilometer. Bon Adenau nach Neuen ahr 34 Kilometer, herrliche Wanderung im Ahrtal. Wer in Altenahr übernachtet, macht die Fußwanderung früh am
Freitag
nach Bad Neuenahr . Ab Neuenahr 11,16 oder 12,52 nach Remagen , Antunft 11,37 oder 1,13. Bon Remagen 4,00 mit Holländer Dampfer nach Königswinter , Ankunft 4,40, Besuch des Drachenfels ( 325 Meter hoch), prachtvolle Rundsicht. Restaurant oben, nicht billig. Eventuell Dampferfahrt Remagen direkt dis Köln, Ankunft in Köln 6,30, sonst ab Königswinter 6,16 oder 7,43, in Köln 7,41 ober 9,17. Sonst Marsch Remagen - Rolandsed( 6 Kilometer), Besuch des Rolandsbogens, Motorboot nad Honnef( Ueberfahrt), auf den Drachenfels , hinab nach Königswinter .
Sonnabend
in Köln : Bormittags Jahrtausendausstellung auf der Deuzer Seite gleich an der großen Eisenbahnbrüde, nachmittags Rundgang durch Röln. Abfahrt 5,55 abends, beschleunigter Personenzug 4. Klasse ( 18 bis 19 m.); Ankunft in Berlin Bahnhof Friedrichstraße 6,03 Sonntag früh. Eventuell Abfahrt Sonntag abend 5,55 von Köln oder von Düsseldorf 6,44, das man Sonntag nachmittag besichtigt.
Die Kosten dieser Reise sind auf zirka 100 bis 120 M. 3u schäßen. Davon Fahrgeld 48 bis 50 m., mit 8 bis 10 m. täglich fann man auskommen, wobei ich Logis und Frühstück mit 4 m., Mittagessen mit Getränken mit 2 M. und Abendessen ebenso mit 2 M. rechne, so daß man noch 2 m. verfügbar hat. Wer das Reisen versteht( auch das will gelernt sein), fommt noch billiger weg, besonders Wanderer, die den Rheinhöhenweg benuzen( Wiesbaden- Beuel bei Bonn rechtsrheinisch 180 Kilometer und BingenBonn linksrheinisch 150 Kilometer) und auf den Dörfern übernachten. In allen Städtchen und Dörfern findet man heute Parteigenossen, die gern mit Rat und Tat helfen. Größere Trupps frühzeitig anmelden, damit nicht viele Reisende, oft mit Frauen und kleinen Rindern, ohne Logis bleiben.
Der Rheinische Berkehrsverband in Godesberg am Rhein hat in dem sehr gut illustrierten Heftchen„ Der Rhein " einen brauchbaren fleinen Führer durch das Rheintal nebst Fahrplänen der RheinSchiffahrt herausgegeben.
" Was soll ich anders machen als einbrechen?" Ein gewisser Binzent Sparty, Schlosser von Beruf, stand an der Spike einer Einbrecherbande, die die Geschäfte Moabits unsicher machte Die Spezialität dieser Bande war es, vom Keller aus mit Bohrern die Dede zu durchbrechen und aus den darüberliegenden
der Diebe ist betalen Ware herauszuholen. Ein Tell
früher verurteilt worden, während Spartn
erst in neuester Zeit zur gerichtlichen Berantwortung gezogen werden tonnte, da er aus dem Gefängnis ausgebrochen war und lange Zeit nicht ergriffen werden konnte. Es schmeben gegen ihn noch zahlreiche Verfahren megen verschiedener Einbrüche. Kürzlich wurde er wegen der ersten Gruppe der Einbrüche zu 1 Jahr Zuchthaus verurteilt und hatte sich soeben vor dem Echöffengericht Mitte wiederum wegen einer weiteren Gruppe von Einbrüchen zu verantworten. Es handelte sich u. a. um Einbrüche, die in zwei auf einander folgenden Nächten in der Turmstraße verübt worden sind, und zwar wurde in der einen Nacht ein Warenhaus und in der anderen das danebenliegende Geschäftshaus heimgesucht. Sparin und einer seiner Spießgesellen, der Schuhmacher Franz Antfowiat, waren geständig. Als Entschuldigung für jeine Einbrechertätigkeit führte Sparty an, daß er als junger
mir das gedacht. Du hättest nicht ohne mich fortreisen sollen. die Zeit zu reden, mie ich es mir so oft in den letzten Zeiten vorNun will ich aber auch weiter nichts tun, als dich pflegen."
Auf Klaras Gesicht war jest jener Zug völlig verschwunden. Es zeigte ganz jenen weichen findlichen Ausdrud rührender Gorge, der mich selbst in den Augenblick erbitterten Unmutes fofort zu besänftigen pflegte.
Bir plauderten von diesem und jenem. Die Kinder tamen herauf und durften auch das Mitgebrachte bewundern. Namentlich die Muscheln in zierlichen Florfädchen erregten ihre Bewunderung. Schließlich wurden fie zu Bett gebracht.
Bir saßen jetzt in der dämmernden Stube nebeneinander auf dem Sofa.
,, Du gefällt mir wirklich nicht," begann Klara ,,, du bist so ernst, selbst mit den Kindern hast du dich nicht ordentlich gefreut." ,, Es ist nichts," erwiderte ich grüblerisch. Blößlich fuhr Klara empor.
gesagt hatte.p
Es ward mir leichter, weil die Dunkelheit einen Schleier des Erdentrüdten über uns breitete.
Id) rede davon, wie ich alles verstände, was geschehen. Ich beichte meine eigenen Berirrungen.
spricht sie zitternd, und es flingt fast wie keimendes Lachen der Klara laujat empor, ihr Krampf löst sich, unter leisem Weinen Hoffnung in ihrer Stimme:
So bin ich doch nicht so ganz, ganz schlecht?" ,, Nein, schlecht bist du nicht," antworte ich und suche den llebergang zu dem, was ich eigentlich sagen wollte.
gefehlt. Schnei, leise, wie für sich selber, erzählt sie den Hergang, Sie aber, erleichtert, gewinnt den Mut, zu beichien, was sie wie sie sich in wunderlicher Stimmung befunden, ganz ähnlich wie iá; wie der Mensch das bemerkt und endlich zu benußen verstand...
O, ich weiß, der Arzt hat dir etwas Schlimmes gesagt wegen Gang allmählich. Sie begreife es nicht, wie sie es habe tun können. deiner Gesundheit." ,, Nein, wahrlich nicht."
,, Du willst es mir nur nicht sagen, aber ich sehe es dir an." Und da glitt klara auf den Boden nieder, barg ihren Kopf in meine Hände, die auf den Knien lagen. Ich spürte, wie die Hände feucht wurden. Wir werden dich verlieren," stöhnte sie tränenerstidt, ich hab's verdient!" Dru
Ich merkte, wie sie erschauerte, als ihr das Wort entfahren. Sie stand hastig auf und setzte sich in die Sofaede, mit abgewandtem Geficht.
Wir schwiegen. Es war dunkel geworden. Endlich sogte ich leise und zögernd: Ich habe in der Tat nicht piel non meiner Badereife gehabt. Die Schuld trägt ein Brief pon dir
-
Ein Brief? Sie spricht es rein mechanisch nach. ,, Oder eigentlich zwei Briefe..."
Sie müsse von Sinnen gewesen sein, denn sie hasse den Menscheit. Als er hernach gewagt habe, wieder vor ihr zu erscheinen, habe sie ihm die Türe gewiesen. Entsetzliche Zeiten habe sie dann durchlebt: Scham und Furcht habe sie Tag und Nacht gehezt.„ Das ist die Wahrheit, schließt sie den Bericht. Was soll nun aus uns werden?" Sie war zuletzt mir näher gerückt, als fühlte sie das Bedürfnis, meine Hand zu fassen. Als sie merkt, daß ich ihr nicht entgegenfomme, zieht sie sich wieder in ihren dunklen Wintel zurüd. Was soll nun aus uns werden?" wiederholte sie.
An mir ist es jetzt, das zu sagen, was ich mir all die Zeit so sorgfam überdacht und zurechtgelegt habe. Ich spreche ihr von dem Unterschied zwischen Gedanken und Tat, und fühle, während ich fpreche, wie falt, dürr, tüfilich diese Beweisführungen find. Ich mache ihr flar, daß auf faichem Grunde feine würdige Che mehr möglich sei. Um der Reinheit unserer Liebe willen müßten wir jegt entsagen. Reine gesetzliche Scheidung, aber eine Trennung. Sie foll das Mädchen mit sich nehmen, ich würde den Knaben behalten. Es sei ja gut, daß jeder so gerade seinen Liebling um fich haben könne. Für den Unterhalt würde ich sorgen, denn ich werde fie immer als mein Weib betrachten. Klara verharrte während dieser Darlegung in atemlosem Schweigen, als ich aber das Mori auf und ab. Wie ich endige, bleibt sie vor mir stehen, das Geficht starr auf mich gerichtet, als wenn fie im Dunkeln meine Züge entziffern wollte, und dann in erschütterndem Aufruhr der Gefühle, am ganzen Körper bebend, ruft sie mir schnell entgegen:
Alora schweigt, aber ich höre, daß ihr Atem stürmisch mogt. Zwei Briefe, in denen du mir merkwürdigerweise zweimal gleiche geschrieben hast: wie unangenehm es dir gewesen, weil so viel zu tun gehabt, daß du Besuch bekommen hätteſt das Einen Augenblick ist alles still. Dann schreit Klara jah auf Trennung aussprach, erhebt fie fich und läuft stürmisch das Zimmer in wirren abgebrochenen Säßen flutet es heraus:
das
Das„ Mitgebrachte war dann das große Interesse des Heimwegs, nur die rote Mütze des foffertragenden Dienstmanns vermochte daneben die Aufmertjam: eit der Kinder zu fejjein
du
kind"
-
Wir ließen die Steinen in Garzen zurüt, und als mir nur allein im Zimmer uns gegenüberstanden, schmiegte sich Klara, wie jäh zusammenfintend, an meine Brust. Sie füßte mich angestüm. Dann nach einer Beile sagte sie, mich forschend ansehend: ,, Du siehst aber nicht gut aus."
und Ich wußte es, ich wußte es. Es läßt sich nichts vergessen. Ich wollte es wieder gut machen. Nur an deinem Glück schaffen. Tag und Nacht bis ich gebüßt. Nichts sollte mir zu schmer werden. Nun weißt du alles... es ist vergebens... es ist aus." Sie fizt, in sich gefauert, von einem Krampf gepact, unfähig, Nein, du müßtest trotz allebem wohler ausfehen. Ich habe weiter zu sprechen. Jetzt hatte ich die Gewißheit, und es war
Das wird von der Reise sein."
,, Das rätst du mir, mir follen uns trennen? Das fanmit du nur fordern, weil du mich nicht liebst, nie geliebt hast." ( Schluß folgt)