Wäre in Deutschland nicht eine Rechtsregierung am Ruder, sanbern eine Regierung der Linken oder auch nur eine Regierung der Mitte, so würbe Herr Hugenberg in sein« Presse die ganze Verantwortung an der heutigen Wirtschaftslage auf diese Regierung wälzen. Dann würde er die Wirtschaftspolitik in der Gegenwart verantwortlich machen für die Teuerung von heute und die kommende Rot von morgen. Aber die Partei des Herrn Hugenberg sitzt in der Regierung. Sie ist die stärkste Partei in der Rechtsregierung. Sie trägt die Verantwortung für den Kurs dieser Regierung in der allgemeinen Politik wie in der Wirtschaftspolitik. Sie trägt die Verantwortung für die Teuerung und den krisenhaften Zu- stand der Wirtschast. Diese Tatsache wird kein Ablenkungs» manöver verdunkeln— selbst wenn Herr Hugenberg in eigen« Person sich um die Verdunkelung bemüht.
Lanöwirtfchastliche Preispolitik. Ein Stück wirtschaftspolitischer Demagogie. Seit Wochen sind die politischen Parteien übereinge» kommen, daß die Ausfuhroerbote auf Getreide und Mehl aufgehoben werden müssen. Die Sozialdemokratie hat sich in ihrem programmatischen Antrag ausdrücklich für diesen Schritt, Abbau der letzten Reste der Zwangswirtschaft und zum Anschluß an den Weltmarkt ausgesprochen. Dem- gegenüber hat der Reichsernährungsminister erklärt, er werde die Ausfuhrverbote aufheben, sobald die neue Ernte an den Markt käme. Denn vorher würde nicht die Landwirtschast, sondern nur der spekulative Getreidehandel vom Anschluß an den Weltmarkt Nutzen ziehen. Inzwischen ist die neue Ernte seit mehr als einer Woche am Markt, aber die Ausfuhrverbote de- stehen noch immer. Dagegen teill eine Korrespondenz heute mit, daß sie„mit der Annahme der Zollvorlage oder bei Per» tagung des Reichstages" aufgehoben werden sollen. Also nicht nach sachlichen, sondern nach politischen Gesichts- punkten. Was sind die Motive hierfür? Sie liegen auf der Hand. Das � Reichslandwirtschaftsministerium hofft, durch das An- gebot der neuen Ernte am Inlandsmarkt die Getreidepreise zu drücken und so neue Scheinargumente für die Zollvorlage zu finden. Daß dieses Verfahren, wenn es im vollen Um« fange geglückt märe, dem spekulativen Getreidehandel- durch Oeffnung der Grenzen große Gewinne auf Kosten der Landwirtschaft in den Schoß werfen mußte, war dabei natürlich gleichgültig. Trotzdem sind bisher die Preisabschläge ziemlich gering geblieben. Sie betragen in den letzten acht Tagen immerhin 5 bis 10 Proz. Die Politik der Regierung. die zu Notverkäufen gedrängten ärmeren Landwirte zugmisten der Spekulationsgewinne des Handels und der späteren Zollgewinne der besser gestellten Landwirte zu enteignen, ist bisher also nur zu einem Teil geglückt. Trotzdem hofft man noch immer. Vielleicht kann die Kreditnot und der aus ihr sich ergebende Preisdruck auf dem Inlandsmarkt doch noch ein Zollargument in letzter Stunde abgeben. Darum bleiben die Ausfuhroerbote, bis das Schicksal der Zollvorlage entschieden ist. Das ist vielleicht das stärkste Stück wirtschaftspolitischer Demagogie, das die Regierung sich in diesem Zollkampf bisher erlaubt hat.
Zentrum unü Zollpolitik. Fordenmgen katholischer Arbeiter. - v Düffeldors. 5. August.(Mtb.) Eine B e zkr k, k o n fer e n z der katholischen Arbeitervereine Düsseldorfs richtete an die Reichstag-froktion des Zentrums eine Kundgebung. in der u. a. gesagt wild: .Die katholische Arbeiterschaft hält eine weitereBekastung de? täglichen Bedarfs durch Zölle für untragbar. Sie begrüßt den Schritt der Arbeiter-Zentrumsobgeordneten Hinsicht- lrch Aufhebung der iimsagsteueraof Lebensmittel."
Staatlicher Spielklub. Jedes Bad, das nur etwas auf sich hält, hat neben seiner selbst- verständlich prachtvollen Umgebung irgendeine Attraktion, sei e» eine Burgruine, ein mondänes Leben oder ein vorbildliches Kur- orchester. Z o p p o t, der Stolz des Freistaats Danzig , verfügt über einen staatlichen Spicltlub. Man kennt diese Einrichtung genau aus dem Sittenfilm, in de» vielleicht ein Bruno Kastner mit eingeknisfenen Kummerfalten sein Vermögen verliert oder ein Johannes Riemann mit würdigem Lcbensernst es seinerseits gewinnt: ferner schrieben anständige Zeitungen vor einigen Iahren unentwegt lokale Leitartikel über geheime Spielhöllen, in denen einige Leute nach allen Regeln senti- mentaler Hintertreppenromane um den letzten Rest ihrer Baluta- oder Kokainspekulation gebracht, schließlich auf ein Auto verladen Mrden und auf dem Polizeipräsidium landeten. Auch in Zoppot gab es einmal Zeiten, in denen man vom Spielklub mit schauernden Gönschöliten sprach. Sie find lang« dahin. Zuerst wollte man den Spielklub als unmoralische Angelegen- heit schließen, sämtliche Parteien traten dafür ein, aber ein nüchter- ner Geschäftsniann siegte über altjüngferliche Bescheidenheit, man kh Gewinnmöglichkeiten, der Staat beteiligte sich an der bisheriaen Unmoral, und die ganze Einrichtung erglänzte plötzlich in hellster Sittlichkeitsbeleuchtung. Keine Ungenauigkeiten kamen vor, jeder verlor auf völlig loyale Weise sein Geld. Aber ach, dieser staatlich sanktionierte Spielklub gleicht gar nicht dem Bild, den Film oder Eourths-Mahler-Roman davon entwarfen: Die wenigen Fracks >'nd Smokings, die hier spazieren geführt werden, gehören Kellner» oder Croupiers. Eigentlich haben diese Herren die intelligentesten "nd die besten Manieren zum größten Verdruß der anderen; die sogenannten feinen Leute tragen bescheidene Straßenanzüge, manche Gesichter sind sogar unrasiert. Aber auf den Fußboden zu spucken ist verboten. Manchmal sieht man auch ein gütiges Großkaufmanns- sesicht, dessen Inhaocr gerne am Roulette oder am Baccarat dem Staat einen beträchtlichen aber gerechten Zuschuß zu seiner Ein- kommensteuer auf den Tisch legt. Der Spielklub übt ausgleichende Gerechtigkeit. Unterdrückte Vermögen bringen hier dem Staat größere Einkünfte als auf legalem Wege: sonst wimmelt«» von Kmisleuten verschiedenster Branche und Rationalität, hin und wieder �rlichter ein heimlicher Beamter oder Oberlehrer äm Roulette vor- über. Gutsbesitzer mit frischen, roten Knallbacken, Frauen in neuen und alten Auslagen und scharf intellektuelle Hornbrillen erfreuen durch ihre Gegenwart»nd beleben anmutig das Panorama, Rüsten und Polen vertragen sich wunderbar, Hakenkreuzler und Zioniften trinken Brüderschaft: zwischenein verschiebt man noch schnell eine» Waggon Tabak oder ähnliches, man hört all« Sprachen und amüsiert sich ausgezeichnet, wenn man gewinnt. Das Spiel auf dem Roulette ist kindlich einfach. Man soll immer die Nummer setzen, die gewinnt, damit es einem wohlergehe und man üppig lebe auf Erden. Tut man das nicht, verliert man. was bei hartnäckiger Konsequenz sehr unochgenehm werden kann. Im Baccarat muß man sich bemühen, immer mehr zu haben ol, der Gegner, schließlich ist man sich selbst der nächste. Das rft der rategorifche Imperativ des Hasardspiels. Am Roulette drängen sich die Rebbichexiftenzen, Vacacrat
Weiter wird gefordert, noch«neu Schritt weit« zu gehen, indem die che Forderung, die Hauszinssteuer ausschließlich dem Wohnungsneubau dienstbar zu machen, mit ollem Rachdruck vertreten wird. Die Parteifreunde werden gebeten, d i e Steueroorlage der Regierung abzulehnen, weil sie der steuerlichen Gerechtigkeit widerspricht. Schließlich wird in der Entschließung auf das erschreckende Ausmaß der Rot in der Arbeiterschaft des rheinisch-westfälischen Industriebezirks hingewiesen, die vorwiegend durch die Arbeitslosigkeit infolge Massenbetriebsstill- legungen hervorgerufen ist. Man vermisse seitens der Regierung Maßnahmen zur Linderung dieser Rot.
Der(dptantenkn'eg. Die Herreuhäuser dürfe« nicht augetastet werden! Die Rechtspresse überschlägt sich förmlich. Das traurige Schicksal der aus Polen vertriebenen Deutschen dient ihnen lediglich als Anlaß zur innerpolitischen Hetze. Damit werden sie freilich kein Glück haben. Wo auf deutscher Seite die ä ch u l d an Versäumnissen liegt, das ist zu klar, als daß darüber ernsthaft gestritten werden könnte. Der Revanchekrieg gegen Polen wird mit dem Munde intensiv vorbereitet. Das Mundwerk ist um so größer, je sicherer man weiß, daß dieses Maulaufreißen zu gar nichts führt. Nur einen Vor- schlag werden die Deutschnationalen ganz bestimmt nicht durch- führen» trotzdem er eigentlich von ihrem Standpunkt aus außerordentlich naheliegen müßte. Das ist der Vorschlag der „Täglichen Rundschau, die verlangt, daß in Zukunft polnische Arbeiter in den landwirtschaftlichen Be- zirken der Grxnzmark Pommerns und Brandenburgs nament- lich während der Erntezeit keine Beschäftigung mehr finden sollen. Ausgerechnet hier nationale Gesinnung von den Deutschnationalen zu verlangen, ist nur möglich, wenn man die Herrschaften nicht kennt. Solange wie die Junker auf ihren Klitschen hausen, haben sie immer noch polnische Arbeiter und Arbeiterinnen hundertmal lieber als deutsche beschäftigt. Die nationalen Redensarten in der deutschnationalen Presse sind schön und gut, aber viel wich- tiger ist es für sie, billige Arbeitsträste zu behalten. Und dazu sind die Polen trotz des Optantenkrieges immer noch sehr gut zu gebrauchen. Maßlos erregt sich heute schon die ,�k r e u z- Z e i t u n g' über unsere Anregung, die aus Polen vertriebenen Optanten m den westpreußischen Gutshöfen und Herrenhäusern ein- zuquartieren. Sie erhebt jetzt schon„schärfften Protest dagegen, daß ausschließlich die ohnehin durch die Kurzsichtigkeit der Machthaber im neuen Deutschland (!) mit Lasten überbürdete Landwirtschaft etwas zur Wiedergut- machung der Versäumnisse des sozialistischen Innernministers herangezogen wird". Mit Verlaub? Wer am meisten den Mund aufreißt, muß auch am meisten lessten. Da brauchen sich die Herrschasten nicht wundern, wenn man an ihre.natio- nole Opferwilligkeit" ganz besonders appelliert. Spricht die .Lreuz-Zeitung" wirtlich im Nomen der Von und Zu, der Grafen und Barone, die hinter ihr stehen? Lehnen diese es wirklich ab, ihre geräumigen Gutshäuser und Herren- sitze für die Vertriebenen freizumachen, die nicht zuletzt wegen d« Politik gerade dieser Kreis« zu leiden haben? « Im Reichstage ist ein sozialdemokratischer Antrag«ingegangen, der die Reichsregierung ersucht" im Einvernehmen mit den Re- gierungen der Länder dafür zll sorgen, daß») den aus Polen fluch- � tigen Optanten'angemessene Wohnräume und Arbeitsgelegenheit angewiesen werden, d) den Optanten, die Land- Wirtschaft betrieben haben, in ausreichendem Maße Gelegen- heit zur Siedlung gegeben wirtu
Belm preußischen tandkag ist«in Gesetzentwurf über das Ber - fahren bei Volksbegehren und bei Bollsentscheiden eingegangen, der nur für Preußen Geltung hat.
spielen die gesamten Briestaschen. Dort herrscht wild« Wichtigkeit, hier kühle, wohldisziplinierte Ruhe bei hohen Einsätzen, die mit einem helleren und einem nassen Auge verloren werden. Die alte Wahrheit bestätigt sich: Viel Geld schafft Rückgrat, verleiht Anmut und Würde. Wie gelassen sitzen die Leute um ihre Boccaratgulden und wieviel Lärm und Geseires um weniges. Im Roulellefaal ist auch das Rauchen verboten. Da» ist ungerecht gegen die kleinen Existenzen. Di« Zigarre verleiht dem Menschen Hallung. Der Mensch läßt sich dann nicht so gehen, er saugt aus dem Tobak neue Energie, hat imir.« einen Gegenstand, an den er sich halten kann. Am Roulette gibt es außer der Tischkante nichts zu halten. Die Croupiers spielen, man fitzt unbeschäftigt herum, weiß genau, daß die andere Farbe und Nummer gewinnt, wird darüber selbst- verständlich aufgeregt und beginnt Streit mll dem gewinnenden Nachbar, behauptet, es sei das eigene Geld, schreit nach Staatshilfe und läßt sich nur schwer beruhigen. Der Spielklub hat Achnlichkeit mit einem Seminar für experi- mentelle Psychologie. Besonders anziehend wird hier der psychische Unterschied der Geschlechter demonstriert. Die Frau ist von Natur aus gefühlshoster als der Mann. Das ist ganz hübsch, aber im Spielklub weniger angenehm. Am schllmmsten die ollen Frauen. die am Roulette oft eme bezwingende Tragikomit entwickeln. Zu- erst verschreiben sie eine unmenge Papier. Jede herauskommende Nummer wird gewissenhaft notiert, dann erfolgen tiefsinnige Bc- rechnungen noch kabbalistischer Methode mll Kreuz- und Querstrichen. bis dos richtige System gefunden ist, und dann verliert man weiter oder der böse Nachbar behauptet, der Gewinn gehöre ihm. Dies ist der wundeste Punkt. Die Stimme überschlägt sich, das Gebiß rutscht, die Härchen auf der Oberlippe sträuben sich, die Finger wollen den entfernten Croupiers erdrosseln: Rosa Valetti oder Adele Sandrock können es nicht besser machen. Die Männer entstammen gemäßigteren Zonen, erleiden höchstens Schlaganfälle oder pilgern in das Land, aus des Bezirk kein Wanderer wiederkehrt. Und alle die da sind, hoffen zu gewinen. trotz gegenteiliger Versicherung, spielen, um sich zu bereeichern, oder um Sensationen zu erregen. Manche spielen auch nicht, suchen etwa» anderes, Flirt, Liebesangagements oder gehen hin, um ernsthafte Geschäft« abzuschließen. Die Luft ist aufregend, geladen mll Leidenschaft. Zigorottenrauch und nicht immer eimvandsreien Parfüms. Die Ge- staltung des Lebens hat hier etwas Schieberhaftes, Abenteuerliches und Unvornehmes, so etwa, wie der kleine Moritz sich die oroße Well vorstellt. Aber im Film ist olles eleganter. Schade, daß die Bretter und die Leinwand nicht mehr die Well bedeuten, sehr zum Nachteil der Welt. Felix Scherret.
Sieg der Frauenstimme. In London hat man in letzt« Zell Versuche angestellt, um festzustellen, ob die Stimm« der Frau oder die des Mannes im Lautsprecher deutlich« hörbar ist. Auf Grund der Ergebnisse dieser Versuche sind jetzt im Londoner St. Pancras- Bahnhof Frauen zum Ausrufen der abfahrenden Züge angestellt worden. Durch Lautsprecher werden diese Ankündigungen"in den Wartesälen dem Publikum vermittele Man hat nämlich festgestellt. daß die Frauenstimme trotz ihrer geringeren Tragfähigkell und Klangkraft heller und deutlich« ist und deshalb im Lautsprech« bess« zur Geltung kommt als die Männerstimme.
Sacmeister unö Leopolö erkläre«... Geständnisse und falsche eidesstattliche Berfichernngeu. Die deutschnattonalen Herren Bacmesst« und Leopold veröffent« lichen in der heutigen deutschnationolen Morgenpresse die b«eits am Dienstag morgen von uns angekündigte Erklärung. Sie über- rascht durch die sachliche Dürftigkeit, die sich hint« geschwollenem Pathos verbirgt. Die beiden Ehrenmann«««sichern, nicht an» patteipolittschen Zielen, sondern im Interesse einer»geordneten Rechtspflege" zu handeln. Dabei beginnen diese Recht-Hüter ihre Erklärung mit dem glatten Geständnis, ein Bureau slturnziell ausgehalten zu haben, dessen Zweck die Verarbeitung ans den»Deutschen werten" gc- stöhlen« Akten war. Für Kämpf« ums Recht eine ganz ansehnliche Leistung! Im weiteren wird die Bekanntschaft der Herren mll Assessor Kußmann zugestanden, sowie auch»zwei bis drei Besprechungen". Dies Geständnis läßt sich nicht mll der Erklärung Kußmanns ver- einbaren, er hätte niemals mll»Stellen d« Deutschnattonalen Bollspartei" gearbeitet. Daß in diesen Besprechungen über die Barmat-Sachc, die Herr Kußmann diensttich bearbeitete, oerhandelt worden ist, stellen die Herren nicht in Abrede. Sie bestrellen nur. daß ihnen Kuß mann Dinge mitgeteill hätte,»die ihm in seiner Eigenschaft als untersuchend« Staatsanwall zur Kenntnis ge- kommen waren". Daß Herr Kußmann hingegen dem von beiden Herren finanziell ausgehollenen Bureau Snoll und dessen An. gestellten derartige Angaben gemacht hat, bestretten die Herren nicht. Die Herren greifen dann weiter das Vorgehe» des Berliner Polizeipräsidiums an, ein recht v«gebllch«s Bemühen, nach- dem selbst der deutschnationale»Lokal-Anzeiger" seufzend hat zu- gestehen müssen, daß dessen Handlungsweise durchaus in Ordnung war. In diesem Zusammenhang kommen die Herren Leopold-Vac- meist« dann auch auf den.Vorwärts" zu sprechen und sagen hier wörtlich folgendes: »Lag aber das Material den Behörde» noch nicht längere Zeit vor, was ollein dem Polizeipräsidium zur Abwendung du Ber- dunkelungsgefahr das Recht gab,«inen schnellen Schritt zu tun. dorm sst die Frage aufzuwerfen, auf welchem Weg« der»Vor. wärts" am Tage der Haussuchungen Kenntnis von den beschlagnahmten Schriftstücken und dem I n- halt der Vernehmungen«halten hat. D«»Vorwärts" kannte nämlich in d« gegen 3 Uhr nachmittags«scheinenden Aus- gab« berells den wesentlichen Inhalt der Berueh- mungen wiedergeben, obwohl diese bis gegen 2 Uhr gedauert hatten. Die beiden Staatsanwälte und die beschuldigten An« aestellten des Bureaus oersichern an Eidesstatt, daß die Angaben des Amtlichen Preußischen Pressedienstes, wonach die Nachrichten übe? den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen lediglich auf Angaben der Vernommenen beruhen, soweit ihre Personen in Betracht kommen, unwahr sind und daß die vom»Bormärts" v«öffent- lichten Schriftstücke erst am Tage der Veröffentlichung in dem Bureau des Herrn Knoll beschlagnahmt wurden."_________. Wir können hierzu folgendes«klären: 1. Es ist unwahr— wovon sich jeder durch Nachlesen über. zeugen kann—, daß der„Vorwärts" in sein« Dienstagnachmittag. ausgab« od« überhaupt irgendwann etwas über den Inhalt der Vernehmungen und bei den Haussuchungen d« b e s ch l a g> »ahmten Schriftstücke veröffentlicht hat mll Ausnahme deessn, was die B. S.-Korrespondenz auf Grund uns nicht bekaimtcr Quellen hierüber der gesamten Presse mitgeteill hat. 2. Der Inhalt der Vernehmungen und der be. schlagnahmten Schriftstücke ist uns bis heute nicht bekannt. Alle», wo« wir zu dem Skandal der Staatsanwallschaft veröffentlichten, beruht entweder auf jenem Material, das zu uns«« Kenntnis gelangte— worauf wir schon mehrfach hingewiesen— bevor es den Behörden zugeleitet wurde, teils auf Material, dos üb«haupt nicht in Besitz d« Behörden sich befindet sondern uns direkt zuging. Z. Sollten die beiden Staatsanwälte Kußmann und Easpary wirklich, wie die Herren Bacmeist« und Leopold behaupten, in einer gültigen eidesstattlichen Erklärung oersichett haben, daß die vom.Vorwärts" veröffentlichten Schriftstücke erst am Tage de? Veröffentlichung im Büro des Herrn Knoll beschlagnahmt worden
Die Netzhaut als photographisihe platte! Kurz nach d« Verhaftung des Massenmörders Angerstein, die. wie ja«innerlich sein wird, am Tage nach der Entdeckung des Ber - brechen? erfolgte, brachten einige Zcllungen die aufsehenerregende Mitteilung, daß man in den Augen eines der Ermordeten das photo. graphische Bild Angerstein» entdeckt Hab«, d« ein Beil in der erhobenen Hand hält. Amtlich wurde diese Nachricht weder bestätigt noch bestritten. Die Aufnahme von Bildern geht im Luge ähnlich vor sich wie in der Kamera. Deshalb sst die oben ausgesprochene Vermutung nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Eine so bedeutende Autorität wie Professor G r« e f in Berlin stellt jedoch die Möglich- keit, wie sie beim Fall Angerstein in Erwägung gezogen wurde, ol» unmöglich dar. Der.Blitz", eine illustrierte Zeitschrist, brachte vor einiger Zeit ein« Darstellung der Aussassung Greefs, der wir folgen. des entnehmen: Im Jahre 1876 macht« der ilalienische Augenarzt B o l l die Ent. deckung, daß die Netzhaut von Mensch und Tier von einem rosenroten Farbstoff durchzogen sei, den man später das Sehpurpur nannte. Aus dem Borhondensein dieses Sehpurpurs schloß der verstorbene Heidelberger Psychologe Ä ü h n e dann, daß es möglich fein müsse. Lichteindrücke auf der Netzhaut sestzuhollen und nach dem Tode durch Photogramm den letzten Eindruck des Auge» zu fixieren. Da» gelang ihm auch durch Experimente an einem Jta' inchen mit erweiterter Pupille, dem« einen einfachen weißen Gegenstand dicht vor dos Auge hielt. Nach 1,5 Minuten wurde das Auge rasch geschlossen und dos Tier sofort getötet. Das Auge wurde nun wie eine photo- graphische Platte fixiert. In dem roten Sehpurpur konnten dann die hellen Konturen des Gegenstandes erkannt und von dem so gewonnenen Bilde ein photogrcphischer Abzug gemacht werden. Damit war«wiesen, daß die Netzhaut sich wie eine photographische Platte oerhält. Professor Dr. Greef behauptet nun, daß nur ganz einfach« Gegenstände, wie z. B. ein weißes Kreuz od« ein weißer Buchstabe auf schwarzem Hintergrund, auf diese Weis « im Auge photographiert werden könne, und auch dann nur, wenn sie mindesten» 1.5 Minuten lang regungslos exponiert würden. Ferner müsse das Auge sofort geschlossen und ins Dunkle gebrocht werden. Schon nach einer Verzögerung von 1 bis 2 Minuten fei das Bild verschwunden. Professor Grees meint, daß solche Bedingungen wohl niemals bei einem Derbrechen zusammentreffen würden. Es sei sicherlich nicht anzunehmen, daß d« Mörd « Angerstein 1,5 Minuten regungslos mit dem Beil in der Hand vor seinem Opfer gestanden habe, und selbst dann müsse da» Bild längst wieder aus dem Auge v«schwunden sein, da man die Leichen«st nach vielen Stunden auffand. Dagegen wird allerdings eingewandt, daß es unmöglich sei, nach- zuprüfen, welche geheimnisvollen Kräfte in einem so katastrophalen Moment am Werk sind. Es wird nie gelingen, die mechanischen und chemischen Vorgänge, die den plötzlichen Tod eines Menschen od« eines Tieres begleiten, in allen Teilen zu erforschen. Es«scheint deshalb wünschenswert, wenn die Behörden noch nachträglich zu d« im Falle Angerstein aufgestellten Behauptung Stellung nehmen und den wahren Sachverhalt der Oeffentlichkeit mitteilen. Pierre Holl,