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Vellage öes vorwärts
Nisthni-Tagil. Von Max Barkhel. Der Reisende kam mitten im Winter fieberkrank in Rischni- Xogil an. Seine Freunde fuhren nach Sibirien weiter, nur Ja» Hanna,«in junges Mädchen aus Berlin , blieb bei ihm. In Jekate. rinenburg spürte Hellmut, so wollen wir den jungen Mann nennen. die ersten Flammentatzen des Fiebers, aber erst auf der nächtlichen ,jahrt nach der kleinen Uralstadt Nischni-Togll kam der heiße Blut- uberfall des Fiebers und jagte in hohen Kurven durch seinen Leib. Ueber zwei Wochen schwebte der Kranke zwischen Tod und Leben. Fieber verwirrte sein Herz. Der tote Zar erschien in seinen �räumen. Aufstände tobten durch seine Gesichte. Die Welt war«in rasender Kreisel und tanzte zwischen seinen Augen. Als die Fieber. kurve sank und Hellmut auf wunderschönen Schlittenfahrten durch schweigende Wälder und verschneite Wege endlich gesundete und auch Johannas Wangen sich von den schrecklichen Nachtwachen er» holten und langsam röteten, da enthüllte sich für Hellmut. den der Zufall an diesen Strand geworfen hatte, das Gesicht der kleinen Stadt im Ural . Und bald erkannte er. dah auch hier Well war. Schicksal. Liebe. Haß und große Freundschaft. Tagil soll aus Koreanisch. Großes Glück" heißen. Das wußte Hellmut noch von Tscha-So-Wang, dem koreanischen Reisegefährten, der einmckl. als er gegen die japanischen Bedrücker seiner Heimat sprach, ein weißes Seidentuch zersetzte und mit fanatischem Gesicht ausrief: .So weichen wir einst in Korea die japanischen Herren zer- reißen!" Großes Glück. Ja, durch diese Stadt ging auch das Glück. Platin wurde gefunden und auch ein wenig Gold. Aber in diesem Winter, als Hellmut mit Johanna in Tagil war. gab es sehr wenig Glück. Das Adelskapllol. in dessen Händen die Gruben lagen, war schon im Krieg zusammengebrochen. Und jetzt war Revolutton und Bürgerkrieg. Aber die Stadt lebte doch, sie fußte auf guter Erde, und in der Erde lagerte das andere Metall, wichtiger als Gold und Platin. lagerte in mächttgen Bergen und Bänken das Eisen. Die Erzgrube war ein mächtiger Krater in verschneller Land- schaft. Die Wege zu ihm waren rot vom Rost des verlorenen Gesteine«, das auf kleinen Holzschlitten zu den Hochöfen trans> portiert wurde. Die Schmelztechnik aber war noch so primlliv. daß die sechs Prozent Kupfer, die man im Eisen fand, nicht ver» wertet wurden. Auch die Mine war noch ganz unerforscht und kein Mensch wußte, wieviel hunderttausend Tonnen Eisen in ihr lagerten. Hellnmt besuchte mit Johanna diese Grube und sah auch den großen Pendelschwung der Ausbeute, die Fieberkurv« der Produk« kion, und als er die Statistiken durchsaht ahnte er plötzlich ganz blutvolles Leben in dürren Zahlen und Ziffern. Hellmut ent- deckte zum erstenmal, daß es keine toten Dinge auf der Erde gibt. erkannte, daß alles feine eigenen und oft nur einmaligen Gesetze dnd Formen hat, sei es nun Erde, Erz. Kristall, Pflanze oder Tier. Der Wohlstand dieser kleinen Stadt war in der Mühle des Bürgerkrieges zermahlen, und man sah ihr blatternarbige» Gesicht. sah Holzhäuser mit geschnitzten Fassaden, kleine Gärten, breit« Sttaßen und riesenhafte Plätze, viel zu groß für die Stadt, man sah aber auch die verwilderten und kleinen sibirischen Pferd«, ver. kümmerte Kühe und schwarze Ziegen. Frauen kamen vom ver- eisten Fluß und beugten sich in das Joch der Wasserträger. An aufgebrochenen Eislöchern wuschen sie jetzt im Winter die Wäsche. Das war die Stadt Rischni-Tagil. eine Stadt unter anderen Städten im weiten Rußland . Der Bürgerkrieg hatte vieles ge- lahmt, aber die.Gesellschaft Gottes", eine sonderbar« Sekt« religi » öser Schwärmer, fünfzig Köpfe stark, lebte immer noch. So war dies« Stadt auch: von hundert Leuten konnten nur dreißig lesen und schreiben, und doch hatten Hellmut und Johanna hier das rührendste aller rührenden Denkmäler in Rußland gesehen: die Statu« der Frei. hell steht auf erhabenem Sockel und leuchtet mll einer elektrischen Lampe in die Rächt. Der Führer und Machthaber dieser Stadt hieß Wolkow. Das ist ein Roman für sich. 1906 wurde Wolkow als Politischer zu lebens- länglicher Verbannung nach Sibirien verurteilt. 1912 erst gelingt ihm die Flucht. Er lebt bis zur Revolution in der Ukraine, , im Ural , in Tambow und Moskau und wurde von dort nach dem schwarzen Ural geschickt. Die früheren Herren von Rischni-Tagil waren die Dimitrows. Hellmut und Johanna enträtselten viel in dieser kleinen Stadt. Sie kamen auch dem Chefarzt des Kronkenhauses etwas näher. Dieser Arzt, er hieß Lomosoff, war früher einmal ein berühmter Doktor in Moskau gewesen und hotte in Berlin und Paris studiert. Jetzt war er zur Zwangsarbell in den Ural geschickt worden. Er war auch niit dem letzten Dimitrow gut bekannt. Seine Zwang»- arbeit bestand darin, daß er in Rischni-Tagil der unbeschränkte Herr über ein Krankenhaus mit monatlich sechstausend Durchgängen war. Obwohl er lieber heute wie morgen abreisen wollte: er tat seine Pflicht, operierte, verband, kämpfte mit dem Zentrum um Medizin und ärztliche Instrumente und blieb bei seinen Kranken, trotzdem ihn die Stadt Perm eine Professur angeboten hatte. Einmal sprach er auch mll Hellmut darüber. „Rein, Herr, ich bleibe hier," sagte er,.es kann ja nicht ewig sein.' Einmal werde ich schon nach Moskau zurückkommen." .Ja, Moskau ist größer als Rischni-Tagil/ sagte Hellmut. „da haben Sie ja auch mehr Möalichkeiten.... Aber sagen Sie mir. bitte, was ist das für ein Mensch, den Sie da an der Wand hängen haben?� „Ach," antwortete Lomosoff leichthinn,.das ist ein« Lokal- größ«. Das ist der letzte Dimllrow. � Ewählen Sie doch von den Dimitrows," bat Hellmut, der das BiuTneugierig betrachtete und viel Hochmut darin zu lesen glaubte. „Dieser Mann rnteressiert mich. Er hat das Gesicht eines Empor- kömmliira». der sich seiner Pergangenhell schämt." Lomosoff lacht« leise.. „Hören Sie" begann er dann mll dozierender Stimme.„Das ist eine echt russische Geschichte. Der erste Dimitrow war, w,e Sie aus dem Bild sehr mll gelesen haben, ein Arbeller,«in ganz ge- wohnlicher Schmied Cr tauchte unter Peter dem Großen auf. Was das für ein Titan war. wissen Sie. der damalige Lenin, wenn ich es so nennen darf. Der Schmied Dimittow und der Kaiser Peter wurden, ich meiß nicht wieso, Freund«. Dimitrow inochte sich iigendwo nützlich gemacht haben und wurde zur Belohnung m den Ural geschickt. Der Ural war damals noch mehr Wildnis a\9;etzt, Run gut. Unser Schmied kommt nach Rischni-Dagil, seist sich fest und begründet die Herrschaft seiner Familie. Da»«vor in der grauen Z«K, ob«a» sich noch Mensch« kauf« konnte wie heute Wald-
Durchpeitfthung.
,?ch muß meine Erute in die Scheuer bringen, bevor das Gewitter des Volkszorns losbricht/ «rdbeeren. Leibeigene, Sie wissen ja. Unser Schmied taufte sich also Leibeigene und fand die Erzgrube, die Sie ja auch besucht haben. Das«oar seine Goldgrube. Unerschöpflich, sage ich Ihnen. Unsere Ingenieure wissen heute noch nicht, wieviel hunderttausend Tonnen dort schlummern. Straßen wurden gebaut. Viel viel später kam die Eisenbahn. In das Licht der Geschichte aber, wie ein bekannter Schriftsteller so schön sagt, traten die Dimitrows erst im Jahre 18S0, als einer von ihnen in Italien eine Maria Duona- parte heiratete, durch sein Geld im Süden geadelt und später in Ruß- land in den Fürstenstand erhoben wurde. Das war bis jetzt«ine russische Geschichte, aber nun komnll Weltgeschichte.. „Wellgeschichte?" fragte Hellmut..Wellgeschichte in Nischni- Tagil?" „3a," sagt« Lomosoff und lächette wieder.„Weltgeschichte. Herr. Der Fürst Dimllrow war es, der den Staatsstreich seines Vetters, des dritten Napoleon von Frankreich , finanzierte." „Das war der erste Fürst Dimitrow." sagte Hellmut nochdenk- lich und sucht« den Ausgleich.„Aber wo ist der letzte Dimitrow? Der Mann mit dem kalten Gesicht." .In London . Er hat sein Vermögen gerettet," antwortete Lomo- soff."(Schluß folgt.)
Der schwarze Gast. von Ernst Schenner. „Vom Turme hoch, da kam ich her," singt mein Klaas oben im Birnbäume des Nachbars . Er hat nicht unrecht. Neulich habe ich gehört, wie er einem Spatzen, der ihm fein in Milch gebrocktes Weiß- brot nicht gönnte, seine Erlebnisse erzählte. Eine schöne Geschichte! „Nimm nur ruhig, Spatz, ich tu dir nichts. Das Zeug krieg' ich alle Tage. Es hängt mir schon zum Halse heraus. Die Menschen tun so, als wenn eine Dohle nur son quabbeliges Zeug frißt." „Aber du kannst dir doch etwas dazu suchen, da man dir ge- stattet, hier auf dem Hofe frei herumzulaufen." „Hm. Viel ist hier aber nicht. Die Regenwürmer taugen nichts,' sie haben«lle einen merkwürdigen Beigeschmack. Käfer und Fliegen greife ich allerdings, aber...." „Wie bist du denn eigentlich hierhergekommen?" Darauf hatte Klaas gewartet. Aber er legte nicht gleich nach Spatzenart los, sondern putzte erst umständlich sein Gefieder, strich seinen Schnabel am Erdboden ab und sprach dann würdevoll wie ein Alter: „Oben auf dem einen Domturme, wo in der Berzierung die Löcher find,— du warst wohl noch nicht da droben— bin ich zur Well gekommen. Eines guten Tages sah ich einen unangenehmen Lichtschein. Die Augen schmerzen mir noch, wenn ich daran denke. Die Eierschale zerbrach. Ich lag in einem Neste mit drei Geschwistern. Meine Mutter trug uns den ganzen Tag über Nahrung zu, hin und wieder auch mein Dater. Ach, war das fein, als die Federn immer länger wurden! Da mochte ich es gar nicht mehr haben, wenn Mutter uns«värmen wollte. Eines Tages lockte die Sonne mich. Ich hüpfte zum Loche und guckt? zum ersten Male hinaus. Wie well war die Welt! Wie schön!— Und dann saßen wir alle vier in der Oefinung und auf einem Vorsprung des Mauerwerts und schlugen mit den Flügeln. Da kam die Mutter mll Leckerbissem Nie reichten sie für alle. Immer hatten wir Hunger und freuten uns, wenn wir sie heranfliegen sahen. Fliegen, fliegen.... Das war unsere einzige Sehnsucht. Und hoch, hoch über den Turmspitzen schweben wie die Turmfalten, die wir jeden Tag kreisen sahen. „Hinaus in die Well," hieß es eines Morgens. Wir flogen los. Abwärts ging es. Ich landete auf dem Dachreiter«md sah mich nach meinen Geschwistern um. Sie waren fort. Nein, dort schrie eins. Ich antwortete. Bald darauf kam Jochen, unser Jüngster, auf dem Grat« des Daches ongehoppett und schrie:.Hie beiden andern sind runtergefallen!" Ich lachte:„Bogel , wie kannst du so etwas glauben, eine Dohle fällt nie."— Da kamen die Eltern, fütterten uns und erzählten, daß die Geschwister drüben in der Linde säßen. Ob wir nicht auch dorthin wollten. Ich hatte aber zuerst genug und hüpfte auf dem Dache hin und her. Die Nacht über blieb ich mit Jochen im Dachreiter, denn zum Turme hinauf konnten wir trotz aller Versuche nicht wieder kommen. Morgens ging es weiter. Da wir Hunger hallen, oben auf dem Dache aber nichts zu finden war, und die Eltern trotz unseres Schreiens nicht kamen, flogen wir zur Erde. Da fanden wir Wür- mer, Schnecken, Käfer und allerlei anderes Krabbelzeug. Plötzlich kamen ein paar Jungs angelaufen.— Na, Spatz, du kennst diese Sorte!— Als sie uns gewahr wurden, schrien sie wie toll:„Ein Klaas, ein Klaas!"— Wir versuchten aufzufliegen, aber die Angst ließ uns nicht hochkommen. Ich flog gegen eine Mauer, taumelle und stürzte, und schon hatten mich derbe Hände gepackt.— Ich war gefangen. O wie schrie die Bande!— Den Jochen hatten sie auch. Ein Bengel lief mit ihm fort. Ich habe ihn nie wieder gesehen. Mich brachten sie in ein großes Haus hinein, wo ein Unmenge schlechte Lust, Lärm und Kinder drin waren. War das ein Skandal. als lie mich dort losließen. Ueber die Tische gintz die Bande. Ich wollte aus dem Fenster, da kriegte ein Knirps mich beim Schwanz. Bogel , tat das weh!— Dann setzte er mich in eine hohe Kiste, in der viel Papier lag. Auch etwas Brot. Aber ich hatte keinen Appetit. Auf einmal wurde es ganz still. Ein Mann war ins Zimmer getreten.„Guten Morgen," sagte er.—„Wir haben einen Klaas," war die Antwort. Der Mensch kam, holte mich heraus und lachte:.,3a, ja. so einen Hab' ich früher auch einmal gehabt!"— Und dann erzählte er den Kindern eine Geschichte von seinem Klaas. Darauf berichtete er von den Dohlen allerlei Zeug. Aber er hatte keine Ahnung davon, wie es oben bei uns im Turm gewesen war. Woher sollte er das auch wissen, er hatte doch nicht mll uns im Neste gesessen. Nach der Schule nahm mich ein Junge mll Hierher. Er sperrte mich in eine Holzkiste eiir. Da hob' ich ihm aber gezeigt, daß ich mir das nicht gefallen lasse. Ich bin doch kein.... Gegen das Gitter habe ich getobt, bis sie mich herausließen. Da sagte der Dater des Jungen:„Wir lassen ihn frei auf dem Hofe. Die Flügel können gestutzt werden." Na, und da haben sie mir einfach die Schwanzfedern abge- schnitten. Und nun kann ich hier spazieren gehen, statt herumzu- fliegen. Weißt du, Spatz, die Menschen sind«ine gefährliche Bande. Sie haben keine Flügel und versuchen auf alle mögliche Weise hoch- zukommen. Und uns, die wir doch zum Fliegen da sind, schneiden sie die Flügel. Und das nennen sie Bernunft! Aber das sag' ich dir, lange bleibe ich nicht mehr hier. Meine Federn wachsen schon. Paß mal auf, nächstens.... Er flüsterte so leise, daß ich nichts mehr verstand. Di« Geschichte wurde mir unheimlich. Ich rief„Klaas". „Jark" war die Antwort. Dann kam er eilfertig, denn er wußte, wenn ich ihn rief, gab es Leckerbissen. Deshalb glaube ich auch noch nicht daran, daß er fortfliegen wird. Er wird renommiert haben. Andere tun es auch. Amelsen als Aeinde des Menschen. Die Ameise genießt einen sehr guten Ruf nicht nur wegen der vielen sozialen Tugenden, die man ihr zuschreibt, sondern auch wegen ihrer angeblichen Harm- losigkeit. Dabei übersieht man. daß es Ameisenarten gibt, die zu höchst gefährlichen Feinden des Menschen werden können. In der Leipziger.Illustrierten Zeitung" wird auf solche Schädigungen durch Ameisen hingewiesen. So verursachen z. B. die Treiberameijen in Afrika und Amerika großen Schaden, wenn sie auf ihren Wände- rungen in menschlich« Behausungen eindringe««. Rahen sie heran, so muß der Mensch flüchten mit allem, was er retten will,«venu er nicht bei lebendigem Leibe zerfressen werden will. Es gibt auch ein- heimische Arten, wie die Gebirgsbewohnenerin M�rwice rubida, deren Biß höcbst schmerzhaft ist: sie sticht so heftig wie eine Wespe. Die unangenehmsten Stecher aber unter den Ameisen sind in den Tropen. Der Reisende Schomburg erzählt, wie er von einer Ameise der amerikanischen Art Paroponors. clacata in den Daumen ge- stachen wurde und im ganz« Körper brennende und schneidende Schmerzen empfand. In den Baumwollfeldern von Texas lebt eine Art, bei deren Stich der Mensch ohnmächtig hinfällt. Das Ameisen- gift, das diese Tier« in den Körper bringen, sst ein Eiweihstoff, dessen Bestandteile man noch nicht kennt, der aber jedenfalls mit der be- kannten Ameisensäure nichts zu tun hat. In jüngster Zeit hat man auch bei uns beobachtet, daß Hausameisen gelegentlich, besonders in Krankenhäusern, in solchen Massen aufgetreten sind, daß sie zu einer schrveren hygienischen Gefahr wurden. In Indien werden auch Pest- bazillen von ihnen übertragen, indem sie pestkranke Ratten anfraßen. Bei uns fällt die weitverbreitete Rasenameise über Fette, Zucker und andere Nahrungsmittel her. Die ursprünglich aus Indien «inge- schleppte Pharaoameise, ein kleines bernsteinfarbenes Tier, siedelt sich in Häusern an, in deren Mauern sie ihre Nester legt, und es sind schon Häufer durch das massenhafte Austreten dieser Tiere unbe- wohnbar geworden.