Sir. 371 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 190
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Sonnabend, den 8. August 1925
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Diktaturpläne der Zollparteien.
Keine fachliche Beratung der Zollvorlage.- Mundtotmachung der Opposition.
Der Reichstag hat gestern die Steuergeseze in dritter Lesung endgültig verabschiedet. Die Verbesserungsanträge der Oppofition wurden abgelehnt. Die Schliebensche Finanz reform bedeutet eine Bedrückung der Massen der Bevölkerung fast bis zum Maße des Unerträglichen.
Diese Finanzreform, die von der größten Rüdwirtung auf die deutsche Wirtschaft und auf die Lebenshaltung der deutschen Bevölkerung sein muß, wurde in rasendem Tempo durchgepeitscht. Von einer gründlichen, sachlichen Beratung fonnte schon nicht mehr die Rede sein.
Die Mehrheitsparteien haben gestern im Aeltesten ausschuß des Reichstags ihre Pläne enthüllt. Die Deutschnationalen, die führende Partei im Zollblod schlug vor, jeder Partei bei der parlamentarischen Beratung der Zollvorlage eine Redezeit von insgesamt 3 Stunden zu gewähren. Sie haben die Absicht, in ein bis zwei Tagen ohne jede fachliche Auseinandersehung das Zollgesetz zu erledigen. Die Sozialdemokratische Partei hat gegen diese empörende Abficht den schärfften Einspruch erhoben. Sie hat gefordert, daß die Vorlage, die von so tief einschneidender Wirkung ist, Heute beginnt die zweite Lesung der Zollvor gründlich, würdig und fachlich im Plenum des Reichstages lage im Plenum des Reichstags. Die Zollvorlage durch beraten werde. Im Aeltestenausschuß des Reichstages foll rascher noch als die Finanzreform durchgepeitscht werden. tam feine Berständigung über die parlamentarische BerhandBird sie Gesez, so ist eine Schicksalstunde der deutschen Wirt- lung der Zollvorlage zustande. Mit eiserner Stirn beharrten schaftspolitik gekommen. die Deutschnationalen auf ihrem Vorschlag.
Die Zollvorlage versperrt den Weg zu einer Gesundung der deutschen Wirtschaft. Sie wird eins der stärksten Motive für die Stabilisierung der Schuzzollmauern in Europa sein. Der Weg zum Freihandel, zu einer europäischen Wirtschaftsunion, zum freien wirtschaftlichen Austausch der europäischen Nationen wird durch sie verbaut.
Diese Zollvorlage wird Reichtum und Wohlfahrt weder der deutschen Industrie noch der deutschen Landwirtschaft bermehren. Sie wird lediglich eine Verschiebung der Einkommensverhältnisse herbeiführen. Das Eintommen der breiten arbeitenden Massen des Boltes wird insgesamt um etwa 1,5 milliarden Mark verkürzt, das Einkommen der Landwirtschaft um eben diesen Betrag erhöht. Diese Verschiebung der Einkommensverhältnisse wird dazu führen, daß in absehbarer Zeit an die Wiederherstellung einer gefunden. Proportionalität der deutschen Boltswirtschaft nicht gedacht werden kann.
Die durch die Zölle bedrohten Maffen werden gezwungen fein, auf dem Wege des Lohnfampfes einen Ausgleich für den gewaltigen Tribut zugunsten der Landwirtschaft zu suchen, der ihnen auferlegt wird. Gesteigerte Produktionstosten müssen die Folge sein.
Einschränkung der Massentaufkraft, Einengung der Massenbedarfsindustrien, Rückgang der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie aus dem Weltmarkt infolge der ge= steigerten Produktionsfoften, allgemeine Preissteigerung, die auch der Landwirtschaft in Gestalt der Steigerung der Preise der landwirtschaftlichen Bedarfsartikel fühlbar werden wird, schwere soziale Auseinandersehungen, das werden die Folgen der verfehlten Wirtschaftspolitik sein, die die Rechtsregierung mit der fleinen Zollvorlage eingeleitet hat.
Dieser Weg führt nicht aufwärts!
Nicht die Gesundung der Wirtschaft, sondern eine schwere, langandauernde Krise wird die Folge sein. Die 3ollpolitit der Regierung der Mehrheitsparteien des Reichstages ist ein Seitenstück zur Wirtschaftspolitik der Inflationsintereffenten in der Zeit der Geldentwertung. Die Wirkungen werden nicht minder ernst sein. Sie bedrohen die Arbeiterschaft, und mit der Arbeiterschaft die breitesten Massen des ganzen Bolts. Wird diese Vorlage Gesetz, so wird die Arbeiterschaft sich wehren müssen. Eine Zeit ernster sozialer Kämpfe und heftiger innerer Auseinandersetzungen steht bevor.
Bei dieser Sachlage wird die Beratung der Zollvorlage im Plenum mit einer heftigen Auseinandersetzung beginnen. Die Absicht der Deutschnationalen stellt einen Vergewaltigungsversuch schlimmster Art gegen die Opposition vor. So haben nicht einmal die Zollparteien im Jahre 1902 gegen die Opposition gefämpft!
| bei dieser Brüstierung des Boltes unterstützen wollen. Sie müssen wissen, daß die Durchführung dieser Taktik der Ges walt die innerpolitische Situation auf das schärffte zuspitzt. Unterstützen sie die Deutschnationalen, so dokumentieren fie damit, daß ihnen der Besizegoismus der Interessenten und das Ferienbedürfnis der deutschnationalen Abgeordneten höher steht als das Wohl des Bolkes und das Recht des Parlamentes.
Die Mehrheitsparteien des Reichstages mögen sich hüten, den Bogen zu überspannen. Sie tragen selbst daran schuld, daß die so entscheidungsschwere Beratung der Zollvorlage und der handelspolitischen Pläne der Regierung im Reichstage bis zu einem so späten Termin hinausgeschleppt worden ist. Sie wollten es so, denn sie wollten keine wahrhaft fachliche Beratung. Sie wollten nicht, daß auf Grund einer eingehenden parlamentarischen Beratung ihrer Zollpläne das Bolt sich ein Urteil bilde über die Gefahr, die diese 3ollpläne in sich schließen. Sie wollten im engsten Kreise außerhalb des Parlaments, unter dem Einfluß der Intereffenten den Kurs der deutschen Wirtschafts- und Handelspolitik bestimmen. Sie wollten die Deffentlichkeit ausschalten.
Der Anschlag der Deutschnationalen richtet sich nicht nur gegen das Recht der Opposition im Parlament, er ist ein Anrufen. Sie wollen jetzt nicht das Zollgefeh fachlich beraten, griff auf das Recht und die Würde des Parlaments, ein Angriff auf das Wesen der parlamentarischen Demokratie.
Drei Stunden Redezeit für ein Zollgesez, das etwa 300 Pofitionen umfaßt! Das heißt, die Deutschnationalen wollen, daß der Reichstag den Zolltarif annimmt, ohne in eine fachliche Beratung einzutreten. Drei Stunden Redezeit das ist eine Gnadenfrist für die Opposition, aber feine wirkliche parlamentarische Beratung des Zollgesetzes. Das ift Diktatur der Mehrheit in der trasfesten Form, eine Diftatur der Interessenten, die niemals über eine parlamentarische Mehrheit verfügen würden, wenn über ihre zoll und wirt schaftspolitischen Pläne das Bolt sachlich zu entscheiden gehabt hätte.
Die Bundesgenossen der Deutschnatio nalen im Zollblod stehen vor der Entscheidung, ob sie die Deutschnationalen bei dieser Bergewaltigung der Opposition,
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Sie haben fein Recht, sich jetzt auf Beitmangel zu be fie wollen in die Ferien gehen. Mögen sie doch in die Ferien gehen, wenn ihnen das Bedürfnis danach über alles geht, dann aber ohne den 3olltarif! Sie haben die Pflicht zu einer fachlichen Beratung. Sie können nicht verlangen, daß die Opposition um des Ferienbedürfnisses der Schutzzollparteien halber schweigend eine Bergewaltigung ihres parlamentarischen Rechtes hinnimmt.
Wollen sie den Zolltarif noch vor der Sommerpause des Reichstags erledigen, dann mögen sie ihre Ferienbedürfnisse zurückstellen. Dann mögen fie dableiben und fachlich arbeiten. Dann mögen sie im Plenum des Reichstages vor dem ganzen Bolte ihre Pläne begründen und verteidigen, dann mögen sie in der Deffentlichkeit ihre Argumente vortragen, wenn sie Argumente haben.
Wir warnen in letzter Stunde die Deutschnationalen, die
die Führung im Zollblock an sich gerissen haben. Wir warnen
Die Besprechung Briand- Chamberlain
Paris , 7. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Briand foll Montag| seit dem Kriegsende bedeutend gewachsen. Er fügte hinzu, daß es nach London reisen und Dienstag vormittag die erfte Unterredung unmöglich sei, die britische Armee wesentlich zu verfleinern, mit Chamberlain haben. Obwohl die dem franzöfifchen Auswärtigen wenn er auch glaube, daß eine gewiffe Berringerung der Streitfräfte Amt nahestehende Breffe versichert, daß diese Aussprache lediglich die erfolgen fönne. Garantiefrage betreffe, besteht nach wie vor Grund zur Annahme, daß Briand mindestens versuchen wird, die Unterhaltung auf andere Fragen auszudehnen, um gegebenenfalls der englischen Regierung Rompenfationen für die von Paris gewünschten 3ugeständnisse anbieten zu können. Eine andere Frage ist, ob Paris , 7. August. ( BTB.) Havas veröffentlicht folgenden aus Chamberlain fich auf dieses Spiel einlassen wird, vor dem ein großer Fes vom 6. Auguft eingegangenen Bericht über die Kämpfe in Ma Teil der Londoner Presse mit großem Nachdrud warnt. Der Der rotto: In der Gegend von Fes- el- Bali ist es im Laufe des 6. Auguft Baris Soir" will wissen, daß im Rahmen des Sicherheitsproblems zu beftigen Rämpfen gekommen. Die franzöfifchen Truppen auch der deutsch - polnische Konflift und feine Rückwirkungen find in der Gegend von Kurntieu vorgestoßen, wo der Feind stark auf die internationale Lage erörtert werden wird. Ob auch die in verschanzt war. Seine Stellung wurde im Sturmangriff genommen, der vergangenen Woche abgebrochenen Verhandlungen über die er selbst unter Verlust von fünfzig Toten, Gefangenen und KriegsRegelung der franzöfifchen Schuld an England zwischen Briand material in die Flucht geschlagen. Im Frontabschnitt Wessan und Chamberlain wieder aufgenommen werden, läßt sich noch nicht Tafrant sind die feindlichen Abteilungen, die die Straße von Wessan sicher sagen. Für Briand , dessen persönliches Verhältnis zum Finanz- nach Sul- el- Arba bedrohten ,, in die Gegend nördlich von Mzfrun minister Caillaug nicht gerade sehr freundschaftlicher Natur ist, mag und Aschef zurüdgegangen, um bei Tagesende in der die Bersuchung groß sein, einen persönlichen Erfolg auf einem Ge- Gegend von Ajuem wieder aufzutauchen. Im Gebiet der biete zu buchen, wo Caillaug vor kurzem gescheitert ist. AndererSetta werden feindliche Einbrüche gemeldet. Eine französische feits aber scheint bei der sehr starken Differenz zwischen den eng- Abteilung hat in der Gegend von Mzfrun dem Feinde ein Treffen lischen Forderungen und dem französischen Angebot die Aussicht auf geliefert, der in Unordnung flüchtete und dabei von Flugzeugen eine Verständigung in dieser Frage sehr gering. und Artillerie beschossen wurde. Im mittleren Frontabschnitt find die Riftruppen bei den Beni Zeruals wieder aufgetaucht und hoben den Stämmen eine Kriegsbuße von 150 000 Frank auferlegt. Im östlichen Frontabschnitt versuchte Ahmed- Uld+ del+ Krim , der Bruder des Rifführers, die Tjuls zu sammeln. Rijtontingente, mit einigen Kanonen augerüstet, sollen in dieser Gegend bei den Beni Anassör wieder erschienen sein.
Das Gesetz, das von so einschneidender Bedeutung für die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zustände in Deutschland ist, soll in den nächsten Tagen im Reichstag in einer unwürdigen Form, die mit dem Geiste der parlamentarischen Demokratie nicht mehr vereinbar ist, durchgepeitscht werden. Die gründliche Borberei tung des Gesetzes ist monatelang von den Interessenten der Mehrheitsparteien, die eine starke Vertretung in der Rechtsregierung haben, sabotiert worden. Die Beratung der Vorlage im Handelspolitischen Ausschuß des Reichstags war eine Farce. Regierung und Interessenten haben es nicht für nötig gehalten, ihren wirtschaftlichen Kurs und die einzelnen Tarifpofitionen eingehend zu begründen. Pochend auf die Mehrheit, haben sie im Handelspolitischen Ausschuß geschwiegen und nur die Opposition reden laffen. Das war feine parlaLondon, 7. Auguft.( EP.) Nach dem„ Daily Telegraph " wird am mentarische Berhandlung! Sie haben nicht versucht im Dienstag eine Kabinettsfigung stattfinden, da Baldwin es fontradiftorischen Verfahren, wie es dem Geiste des Parlafür angebracht hält, daß der Ministerrat sich mit der Sicher mentarismus entspricht, eine sachliche wohlbegründete gelegheitsfrage befaßt, bevor er in die Ferien geht. Das Blatt glaubt liche Regelung zu finden. Sie wollten den Willen der Inter - mitteilen zu können, daß Baldwin an der Unterredung zwischen effenten bittieren. ebenso wie andere Mitglieder des Kabinetts angesichts der Wichtigkeit Briand und Chamberlain nicht teilnehmen werde, daß er aber, bes Berhandlungsstoffes in engster Fühlungnahme mit dem Außenminister bleiben werde.
Die Plenardebatte über die Zollvorlage, bie heute beginnt, foll im Beichen der Dittatur der Mehrheits parteien stehen. Der Reichstag hat länger getagt als es üblich ist. Die Mehrheitsparteien des Reichstags drängen nach den Ferien. Sie wollen das für die deutsche wirtschaftliche Zukunft entscheidende Gesetz in wenigen Stunden durchpeitschen