Begrüßung und Anmarsch.
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Auftakt der Verfassungsfeier im Ulap.
Der erste Tag des republikanischen Massenaufmarsches in der Hauptstadt der deutschen Republit hat einen würdigen Verlauf genommen. Bis in den späten Abend hinein währte der Einzug der Reichsbannerleute aus allen Gauen des Reiches und wenn auch die Stadt nicht jenen Festschmuck aufwies, den andere Großstädte bei einem solchen Anlaß als selbstverständlich erachten das vielfältige Gesicht dieses kampfgeborenen Gemeinwesens läßt sich nicht einheitlich drapieren so war doch gegen früher in den Wohnvierteln ein Fortschritt zum republikanischen Bekenntnis unverkennbar. Das offizielle Berlin freilich verhielt sich so beschämend, wie man es eben nur in Berlin gewohnt ist, einen Feiertag des Volkes zu ehren. Es wird später noch Gelegenheit sein, darüber zu reden. Die Ereignisse begannen am Sonnabend nachmittag mit einem Propagandafest zug, der sich vor dem Hause der Reichsbannergauleitung, Sebastianstraße, zusammenfeßte unter Borantritt eines Trommler- und Pfeiferkorps und einer Reichsbannerkapelle, die die Kameradschaft Bernau gestellt hatte. Ueberall, wohin der Zug fam, flogen Türen und Fenster auf, die Menschen stauten sich. Freudige Zurufe ertönten von allen Seiten.
Der Sammelplatz im Ulap.
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| Bureau in unermüdlicher Arbeit die ganze Nacht hindurch geöffnet war, so fann man sich eine Vorstellung von den Massen machen, die zur Feier des Verfassungstages nach Berlin fuhren.
Wir warten...
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Gestörter Empfang der Bundesleitung. Pünktlich 5 Uhr 28 Minuten traf am gestrigen Abend fahrplan mäßig der Magdeburger zug auf dem Potsdamer Bahnhof ein, der die Bundesleitung des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold nach Berlin gebracht hatte. Vor dem Bahnhof selbst hatte sich eine starte Menschenmenge eingefunden. Eine Reichsbanner tapelle war ebenfalls zum Empfang der Bundesleitung bereitgestellt und hatte auf dem Vorplay Aufstellung genommen. Dank der unüberlegten Haltung der Schupo mußte jeglicher Empfang unterbleiben. Statt die provozierend umhergehenden Haten freuzler und Stahlhelmleute, die mit unverblümter Frech, heit ihre Abzeichen zur Schau trugen, abzudrängen, mußten die Reichsbannerleute den Plaz räumen. Geradezu un geheuerlich wurden die Zustände, als die Mitglieder der Bundesleitung die Bahnhofstreppe hinabstiegen, um in dem bereitgestellten Wagen Platz zu nehmen. Die Kameraden, die kaum ihre Plätze eingenommen hatten, mußten auf Befehl eines äußerst nervösen Schupooffiziers zwangsweise abrüden. Die Menge war über diesen Borfall derart empört, daß sie spontan hochrufe auf Re. Für den Sonnabend war der große Vergnügungspart des Ulap, publif und Schwarzrotgold ausbrachten. Eine gründliche - Die Baffer an der Spitze der Straße Alt- Moabit und der Invaliden Nachprüfung dieser Vorfälle erscheint dringend geboten. straße, als Hauptsammelpunkt vorgesehen. Hier hatte das mannschen Gestalten mit dem Totschläger in der Hosentasche und Hauptquartier bureau jeinen Siz aufgeschlagen, das die dem schwarzweißroten Parteihafenfreuzband im nicht leichte Aufgabe übernommen hatte, jedem einzelnen in Berlin Knopfloch, die schon gestern mittag den Potsdamer Plaz unsicher ankommenden fremden Kameraden in diesem gewaltigen Wohngebiet machten, begannen dann auch in immer standalöserem Maße händel. sein Nachtquartier zuzuweisen. Dant der Opferfreudigkeit der Mitsuchend, das Publikum zu belästigen. Schon ist es zu arbeiter flappte alles vorzüglich. Früh waren die Desterreicher einigen 3usammenstößen, wenn auch minderer Art, geSchon jah fich die Polizei genötigt, mehrere erschienen, die in ihrer dunklen Kleidung überall auffielen. Zwar fommen. in den ersten Nachmittagsstunden trafen die Kameraden, hauptsäch- Sistierungen vorzunehmen. Vielleicht sieht sich die Polizei lich aus Groß- Berlin, zunächst nur sporadisch ein. Es zeigt sich heute genötigt, dem Skandal dieser engagierten Radaubrüder endlich eben immer wieder, daß die Mitglieder des Reichsbanners, die aus ein Ende zu bereiten. Die Republikaner find trotz aller Disziplin Arbeitsstätte und Bureau herbeikommen, sich nicht so früh frei- schließlich auch Menschen und nicht genötigt, sich die Flegeleien bis machen können, wie völkische Studenten, Gymnasiasten und Staatsins Endlose gefallen zu lassen. pensionäre. Der Ulap hatte zu Ehren der einheimischen und fremden Gäste in allen seinen Teilen republikanischen Schmud angelegt. Auf allen Tischen flatterten schwarzrotgoldene Fähnchen, Girlanden, von schwarzrotgoldenen Bändern durch flochten, zogen sich um die Gebäude der Attraktionen. Alle Gäste, Frauen, Mädchen und Kinder, waren mit schwarzrotgoldenen Bändern, Schleifchen und Abzeichen geschmückt. Alle Erwachsenen trugen das offizielle Abzeichen des Reichsadlers mit dem schwarzrotgoldenen Bändchen. Die Ahordnungen der einzelnen Kameradschaften von Groß- Berlin, die die Unterbringung der fremden Gäste übernommen hatten, hatten sich früh- und rechtzeitig eingefunden, um die Gäfte in Empfang zu nehmen. Die aber ließen auf sich warten, denn auch fie gehören ja ausnahmslos den arbeitenden Ständen an, fönnen sich auch in der Provinz nicht eher als wie in Berlin freimachen, und so mußten die anwesenden und wartenden Berliner wohl oder übel sich gedulden. Eine große Anzahl von freiwilligen Helfern hatten sich in den Quartierbureaus seßhaft gemacht, nahmen hier die Neuankommenden in Empfang und teilten sie den einzelnen Kamerad schaften zu. Allmählich wurde der Betrieb immer lebhafter und schwoll stärker und stärker an. Die Nachmittagszüge waren eingetroffen und brachten aus allen Teilen der Provinz und des Reiches die Delegationen. Einzelne, wie die Brandenburger , die ausgezeichnet durchorganisiert sind und nahezu die gesamte männliche republikanische Einwohnerschaft ihrer Stadt umfassen, famen in großen imposanten Zügen mit Musikkapellen und Trommler- und Pfeiferkorps an. Diese Züge, überflattert von schwarzrotgoldenen Fahnen und Bannern, erregten in allen Straßen ein ganz beträchtliches Aufsehen und trugen wesentlich dazu bei, daß sich das republikanische Element in der Stadt von Stunde zu Stunde stärker und bedeutsamer zeigen konnte. Bis um 6 Uhr abends waren Abordnungen aus Magdeburg , Hamburg , Bremen , Hannover , Görlig, Breslau , Köln , Leipzig , Marburg a. d. L., Halle a. d. S., Dresden , Hof i. B. und selbst aus dem fernen Oberschlesien , aus Gleiwiß, eingetroffen, ferner Delegationen aus Baden, Württemberg , Sachsen , Westfalen, Holstein, Schleswig und Thüringen . Aus der Provinz Brandenburg waren die Vertreter von Kottbus , Züllichau , Brandenburg , Neuruppin , Frankfurt a. d. D., Fürstenwalde, Fürstenberg , Sommerfeld , Sagan, Küstrin , Finsterwalde , Wittenberge und Senftenberg angelangt. Troz dieses gewaltigen Anmarsches, der die Pläge und Gänge des Ulap immer mehr anfüllte, rechnete das Quartierbureau für die Abendstunden mit einem immer stärkeren Anschwellen, und da das
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Das unbegreifliche Ich.
Geschichte einer Jugend.
Roman von Tom Kristensen. ( Berechtigte Uebersetzung aus dem Dänischen von F. E. Vogel.) Aber dann wurde ich albern und fragte, so daß mir der Speichel um den Mund stand: Hatten die Löwen feine Angst? Hatten die Elefanten teine Angst? Hatten auch zehn Elefanten keine Angst? Hatten tausend Elefanten keine Angst? Und hatten tausend, hundert, hundert, hundert Millionen, Millionen, Mionen, Mjonen Elefanten feine Angst?" " Jegt fängst du zu quatschen an," sagte die Mutter müde. " Hatten die geräucherten Heringe feine Angst?" Wie kannst du nur so quatschen, Mutter wird dir nie mehr was erzählen, wenn du nicht artig bist."
Ich zuckte mit den Schultern und lachte ganz leise; aber als Mutter mir Vorwürfe machte und sagte, ich wäre gar nicht lieb, hörte ich auf. Die Neckluft verflüchtete sich. Ich ftieß noch einmal mit den Beinen aus, die ich unter dem Stuhl hin und her schaufeln ließ. Ich schüttelte mich noch einmal, als ob ich wieder etwas fragen wollte; aber dann wischte ich mir den Speichel vom Mund und wurde ruhig, und meine Gedanken fehrten wieder zu dem Jefusknaben zurück mit dem braunen, welligen Haar unter den braunen, wilden Tieren.
Er mußte älter als sechs Jahre sein, dachte ich. Er sah aus, als ob er eben so groß wäre, wie Ejnar, der Sohn der Kirchendienerin, und Ejnar war grade zehn Jahre geworden. Ob Jesus eben so start gewesen war? Ja, das war er mohl gewesen. Er hätte den Ejnar schon gezwungen, der immer herum ging und den Arm frumm machte, um seine Muskeln zu fühlen.
Und die Tiere hatten keine Angst vor Jesus. Die Spazen flagen nicht weg, menn er umher lief und sie von den Pferdejein draußen megjagen wollte, blieben sie fizen und legten bloß den Ropf auf die Seite.
Es war gewiß fehr schwer, so gut zu werden, aber ich war ja erst sechs Jahre alt. Wenn ich nun nicht mehr fagte, daß ich in der Amaliegade gewesen märe, wenn ich draußen auf der Langelinie herumgelaufen war, und wenn ich nun nicht lachte. menn der Zigarrenhändler Mutter füßte, und wenn ich Mutter nun nicht mehr mit meinen Fragen quälte,
Die Sonne scheint, und ein milder Zephir schwächt die Kraft ihrer Strahlen ab. Im großen Part des lap herrscht noch verhältnismäßige Ruhe, und nur die großen Attraktionen sind im stande, einige Liebhaber zu fesseln. Der Springbrunnen sendet seine Strahlen in die flare Luft, der Wind treibt Sprühregen in die Anlagen. 4 Uhr. Das Bild hat sich geändert: Mit Musik ziehen die Reichsbannerformationen mit ihren Fahnen ein, vom Bublifum fympathisch begrüßt. Die Lokale beginnen fich zu füllen, man sichert sich einen Platz, der als Rendezvous dienen soll. Alte Freunde treffen sich, junge Bekanntschaften werde ngeschloffen, das Ewig
Weibliche bildet den Kitt für Nord und Sd.
Der Fahnenschmud ist überwältigend, von Baum zu Baum ziehen sich Fahnengirlanden und goldgelbe Garben, aus denen Halme wie Fransen herunterhängen, im Licht der Sonne hell leuchtend. Volksfeiertag! In den Händen der Kleinen die Fähnchen, tein Besucher ohne die Farben der Republit. Die Tonwellen der Musik durchfluten den Bark, schrill tönen die Klänge hinein, mit denen Varieté und Riesenfarussell zum Besuch laden. Durch den Part donnern die Stadtbahn- und Fernzüge: ihre Insassen blicken auf ein einig Bolf von Brüdern herab, das die Kraft des Geistes über die rohe Gewalt zu stellen gewillt ist.
Immer wieder marschieren neue Trupps unter ihrer eigenen Musit herein. durchweg kräftige Männergestalten, nicht die Fiquren der schmalbrüftigen Jugend, die sich in den Kreuzzügen der Nationalisten breitmacht. Wir warten im Sonnenschein, inmitten einer fröhlich erregten Menge, die ganz Deutschland verkörpert. Etunden vergehen, und mit Recht heißt es hier: je später der Abend, desto schöner das Vergnügen, desto weihevoller der Ernst des Augenblicks. Wenn ein Gedanke in aller Herzen schlägt, die Hand sich hebt zum Schwur der Treue für das freie demokratische Baterland, dann wird in jedem einzelnen das Empfinden lebendig, Blut und Gut für die Berteidigung der Republit daranzu. legen. Und die Erinnerung an diesen Augenblick wird noch lange in den Herzen nachzittern.
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Der Gesamteindrud, den man von dem Anmarsch der aus. wärtigen Gäfte am Sonnabend empfing, war der, daß dieses republitanische Fest in Berlin alle bisherigen Veranstaltungen weit hinter fich läßt. Man fann damit rechnen, daß mit den auswärtigen Gästen und mit den vielen Angehörigen und Freunden der Republis
würden die Spazzen dann sitzen bleiben, wenn ich angelaufen tam?
Ich lehnte mich im Stuhl zurüd und fah mit meit auf geriffenen Augen zum Fenster hinaus auf ein Abflußrohr. Ganz still und regungslos saß ich und versuchte, wie es war, gut zu sein.
Da hörte ich einige Mädchen unten im Hof Klara" rufen und eine warme Welle stieg mir zu Kopf. Ich konnte das eingebildete Ding nicht leiden, doch ich mußte sie immer ansehen.
Sofort sprang ich auf und drückte die Nase gegen die Fensterscheibe. Eine der vergitterten Aborttüren ſtand nur angelehnt und zwei Mädchen, die Adda aus der Schifferkneipe und Agentens Karen, oben aus dem vierten Stock, sprachen mit einer, die da drin saß.
Bald darauf fam sie langsam und herablassend heraus. Es war die blaffe, schwarzhaarige Klara im tnallroten Kleid. Kleid.
Adda hatte etwas Bindfaden um ihre beiden diden Hände und zwifchen ihren Fingern durchgeschlungen, so daß er eine Figur bildete und Karen stand gespannt daneben.
Klara betrachtete die Figur mit überlegener Miene. Dann teďte fie plötzlich ihre Finger hinein, ergriff fie, hob sie von Addas Händen und bildete eine neue Figur.
Sie setzten sich alle dre oben auf die Müllkästen, zogen die Kleider so weit bis an die Knie, wie es ging und rutschten noch ein paarmal hin und her.
unter ihrem roten Kleid baumelten ein paar lange Beine Klara saß selbstverständlich als Herrscherin in der Mitte. hervor und mit befriedigtem Rachegefühl entdeckte ich, daß fie sich ein Loch in den einen Strumpf gerissen hatte, so daß das spizze Knie hervorkam.
" Das ist eine Wiege!" hörte ich sie rufen. „ Ein See!" schrie Karen.
Ich starrte auf ihre Hände. Addas dice Fnger, die nach allen Seiten standen, zitterten so, daß der Bindfaden in Unordnung geriet.
" Hait doch stramm, du dumme Kneipengöre!" rief Klara, und ihr langes, blafjes Geficht zudte ungeduldig, laß mich jetzt, ihr könnt ja nicht. Seht mal her, feht mal her, das ist eine Laterne!"
Ob es in einem Anfall jener erstrebten göttlichen Güte geschah oder ob es vielleicht nur war, um mich bemerkbar zu machen, meiß ich nicht, ich öffnete das Fenster und rief: Adda, willst du eine Sirithe haben?"
faner, die zum Teil auch von auswärts herbeigeeilt sind, bas republttanische Berlin eine Armee von einer Million Menschen auf die Beine bringen wird. Da alle Wetterprognofen für Sonntag auf das günstigste lauten, so fann man annehmen, daß sich am heutigen Sonntag nachmittag ein unermeßlicher Strom von Menschen in den Treptower Park ergießen wird.
Gute Beispiele.
Der ganze 15. Verwaltungsbezirk NeuköllnTreptom erwartete gestern abend die Ankunft der auswärtigen Gäste. Auf der Treptower Spielwiese, die heute nachmittags 2 Uhr die Stätte der Hauptkundgebung werden soll, wird fieberhaft gearbeitet. Im Hintergrunde ist eine mächtige schwarzrotgoldene Fahne, die eine Größe von 12 mal 6 meter hat, an zwei Gerüsten befestigt. Die übrige Ausschmückung wird im Laufe der Nacht vor sich gehen. Es ist eine angenehme Ueberraschung, republitanische Schupo hier zur Unterstützung zu finden. Um 9 Uhr abends begannen in den Orten, die zum 15. Verwaltungsbezirf gehören, prächtige Fadelzüge. Die Bevölkerung stand in den Straßen und erwartete die Ankunft der Gäste. In Baumschulen weg wurden die Fenster, die nach vorn heraus liegen, mit Beginn der Dunkelheit illuminiert.- Unter den Häusern, die zur Weihe des großen republikanischen Festtages Schmuck angelegt haben, hat sich ein Haus, weit draußen im Westen, unbestreitbar einen Ehrenplatz gesichert. Manch einer ist im Laufe des gestrigen Tages verwundert stehen geblieben. Mit viel Liebe ist die geschmackvolle Dekoration des Hauses Hauptstraße 51, an der Mühlenstraße, ausgeführt. Hoch oben im vierten Stock thront ein Holzpodest: Willkommen", von dem sich mächtige schwarzrotgoldene Girlanden, mehräftig bis zum zweiten Stock abzweigen. Dies freundliche Bild wird durchwirkt von schwarzrotgoldenen Fahnen, während auf dem Balkon des zweiten Stockes rotverhüllte Stehlämpchen eine lebendige, originelle Note in den Aufbau bringen. Dies mitten im Westen, wo von rechts und links nationalistische Neider sozusagen in den Kochtopf schielen.
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Reichsbahndirektion gegen Berfaffungsfeier. Die Deutsche Reichsbahngesellschaft, Hauptver waltung, schreibt uns: Ihre Notiz in der 1. Beilage des„ Vorwärts" vom 7. Auguft 1925 über„ Reichsbahndirektionen gegen Verfassungsfeier" gibt uns zu folgender Bemerkung Anlaß: Die Reichsbahndirektion Berlin hat es sich zum Grundsatz gemacht und bisher allgemein durchgeführt, daß feinerlei Ausschmüdung der Bahnhöfe von privater Seite zugelassen wird, ganz gleich Bei gültig, was auch der Anlaß der Ausschmückung sein möchte dem für die Berliner Bahnhöfe bestehenden Massenverkehr muß alles vermieden werden, was einer glatten Abwid. lung dieses Verkehrs auch nur im geringsten entgegen. mirten fönnte; erfahrungsgemäß bietet aber jede Ausschmückung an öffentlichen Verkehrsräumen für die Vorübergehenden vielfach den Anlaß stehen zu bleiben und wirft dadurch verfehrshemmend gerade zu den Zeiten, wo der Verkehrsandrang am stärksten ist. Lediglich diese praktische Erwägung hat die ablehnende Haltung der Reichsbahndirektion Berlin auch gegenüber den Anträgen des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold" veranlaßt. Irgend eine politische Absicht kann dabei um so weniger in Frage kommen, als ja die Reichsbahn selbst sich durch Flaggen in den verfassungs. mäßigen Reichsfarben und auch in sonstiger Weise an der Feier des Verfassungstages beteiligt. Wir bedauern, daß durch die unvollständige Wiedergabe der Verfügung der Reichsbahndirektion Berlin in Ihrer Zeitung der Anschein entsteht, als habe die Direktion eine besondere Anweisung zu dem Zweck ergehen lassen, die Aus. schmückung der Bahnhöfe zu verhindern. Tatsächlich bildet der von Ihnen abgedruckte Satz lediglich einen Teil einer größeren Verfü gung über die Verkehrsregelung bei der Verfassungsfeier."
Danach bestätigt die Reichsbahndirektion lediglich unsere Kritik an ihrem Berhalten. Wir vermögen auch heute nicht einzusehen, inmiefern ein paar Girlanden und Fahnen an einer Bahnhofs fassade verfehrshemmend" wirken fönnen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Aber die Reichsbahndirektion will eben nicht, daß die Verfassung der Republik vom Bolte aus geehrt wird. Es ist das schließlich auch nur der Standpunkt der augenblicklich Re gierenden.
Kinderspiele bei der Verfassungsfeier. Im Anschluß an den großen Feftatt auf der Treptower Spielwiese finden Kinderspiele auf der Wiese an der Sternwarte, im Plänterwald und auf Wiefe 10( Köpenicker Landstraße, Nähe Karpfenteich) statt. Die Arbeitersportler lassen die Kinder in den verschiedenen Festlofalen antreten und marschieren in geschlossenem Zuge zu vorbezeichneten Spielplägen. Zu diesen Spielen wird die Teilnahme aller auf dem Boden der Republik stehenden Arbeitersportler erwartet. Die Eltern werden gebeten, ihre Kinder daran teilnehmen zu lassen. Nach den Spielen werden die Kinder wieder geschlossen nach den Lokalen zurüdgeführt.
Ich entsinne mich daß Adde einen dicken Mund und große Sberzähne hatte und daß ich sie nicht leiden konnte. Doch die lange lara, mit der schmalen Nase, sah niemals nach der Seite, wo ich war.
Adda sprang fofort nom Müßfasten herunter und kam unter mein Fenster gelaufen. Karen rief ihr nach, sie wollte auch eine haben. Aber Klara blieb mit ihrer Laterne fizzen, sie hob nicht einmal den Kopf.
Langsam ließ ich eine Kirsche herunterfallen. Run tam Karen herbeigelaufen. Mir auch!" rief fie und hielt die Hände hoch.
Ich ließ eine zweite Kirsche fallen. Doch Klara nahm unentwegt den Bindfaden zwischen ihren Fingern ab.
Da pflanzte id; mich breit im Fenster auf und genoß meine leberlegenheit. Kiara friegt bloß eine Stachelbeere," rief ich triumphierend.
Sie rührte sich nicht.
Ich bückte mich über den Teller mit Stachelbeeren und fuchte die allerkleinste aus, ein grünes, hartes Ding und ließ fie durch meine Finger rollen. Dann legte ich fie plötzlich weg, nahm die größte und dunkelste von den Kirschen und warf fie herunter.
" Die ist für dich, Klara, aber es ist gar feine Stachelbeere!" rief Adda.
Ich fühlte eine heiße Unruhe, als ich sah, wie Klara ganz gemächlich herunterfletterte, zu der Kirsche hinging und sie forgjoltig zu einem langen, roten Strich. betrachtete. Dann setzte sie ihren Fuß darauf und zertrat sie
91 gleichen Augenblic schloß ich lautlos das Fenster und verschwand. Ich setzte mich; auf den Boden unterm Tisch, denn hier war es am dunkelsten. Da froch ich ganz in mich zusammen, legte den Kopf in die Hände und fühlte, wie heiß meine Baden waren. Doch ich wollte nicht weinen!
Etwas später hörte ich Schritte und schmulte zwischen meinen Fingern hindurch. In dem kleinen hellen Dreieck wurden Mutters hochhadige Stiefel und ihr schwarzer Rod sichtbar. Es hing ein grüner Faden an ihm. Sie blieb stehen und erst tamen ihre Hände, dann ihre Arme und schließlich ihr Gesicht unter der Tischkante hervor.
Weshalb hast du dich ausgerechnet an deinem Geburts tag dahingelegt?"
Ach, bloß fo."
" Du bist doch ein merkwürdiges Etwas."
( Fortsetzung folgt.)