Joröerungen öes Ruhrbergbaues. Steuernachläfse.— Soziale Benachteiligung der Arbeiter.
Der Zechenverband für dai rheinisch-westfS» lisch« Bergbaugebiet hat dem Reichskanzler ein« Denk- s ch r i f t über die Lage im Ruhrbergbau unterbreitet, so wie er sie aufsaßt. Vom Reich wird zum Zwecke der Gesundung gefordert: Ermäßigung der Steuerlasten und Herabsetzung der Eisenbahnfrachten für Kohlentransporte. Gegen dl« Arbeiter richten sich folgende Forderungen: Abbau der sozio- l e n L a st e n, Wiedereinführung der 8�. Stundenschicht. Beseitigung des Zwangsschiedsverfahrens. Ob nicht noch andere Forderungen in der Denkschrift enthalten sind, ist nicht zu übersehen, denn sie liegt bei Abfassung dieser Zeilen nicht im Original vor. In der kapitalistischen Presse sind aber Aus- züge enthalten, die ungefähr dem vollen Inhalt entsprechen dürften. Daraus ergeben sich die vorgenannten Forderungen an das Reich und die Bergarbeiter. Sie genügen zur Kennzeichnung der Situation. Der Zechenverband führt in der Begründung seiner Forderun. gen aus, daß die arbeitstägliche Förderung von 378 614 Tonnen im Januar auf 331 8SS Tonnen im Juni oder um 12,3S Proz. g e- sunken sei. Die Angaben sind richtig, aber dennoch irrefuh- rend. Die Irreführung der bergbaulichen Laien ohne Unterschied ist auch von den Vätern der Denkschrift gewollt. Es soll der Eindruck hervorgerufen werden, als habe die Leistung des einzelnen Berg. manns nachgelassen, womit wiederum die Forderung nach Verlän- gerung der Schichtzeit von 8 auf 814 Stunden ihr« Begründung sin- den soll. Für diesen Zweck stehen auch die Zahlen über die arbeits- tägliche Förderung im Vordergrund der Begründung. Ein« sauber« Absicht. Die arbeitstägliche Förderung ist kein Beweis für di« Schichtleistung eine» Bergmann ». Einmal wird in der Denkschrift selbst ausgeführt, daß die Belegschaft im Ruhrbergbau von 472 605 Mann im Januar auf 436 493 Mann Ende Juni, also um 36115 Mann gleich 13 Proz. gesunken ist. Es ist also festzu- stellen, daß der Rückgang der Belegschaft stärker ist als die Minderung der arbeitstäglichen Förderung. Dann wurden im Juni sehr viel Feierschichten eingelegt, wodurch wiederum die arbeitstägliche Förderung beeinträchtigt wird. Ihre Errechnung ge- schieht, indem die Gesamtförderung des Monats durch die Zahl der Arbeitstage dividiert wird. Werden nun viel Feierschichten einge- legt, wie das leider in den letzten Monaten der Fall war, dann v e r- mindert sich bei dieser Art der Errechnung die a r b e i t s t ä g- liche Förderung. Das ist natürlich den Vätern der Denkschrift und auch anderen Personen, die mit dem Wesen des Bergbaues ver- traut sind, bekannt, aber der allgemeinen Oeffentlichkeit nicht, und auf deren Beeinflusiung kommt es den Bergbauunternehmern in erster Linie an. Demgegenüber sei noch gesagt, daß der Schicht- förderanteil der bergmännischen Belegschaft— es sind die» «lie auf den Bergwerken beschäftigten Arbeiter, ausschließlich jener, die in den Kokereien und der Nebenproduktengewinnung tätig sind — im Durchschnitt des Monats Mai 908 Kilogramm gegen 901 Kilogramm im Januar betrug. In 1913 betrug der Schicht- förderanteil eines bergmännischen Belegschaftsmitgliedes 934 Kilo- g r a m m. Wenn die Förderung in den vergangenen Monaten nicht gedrosselt worden wäre, würde unstreitig der Schichtförderanteil von 1913 erreicht sein. Der Schichtförderanteil der Hauer und Lehr- Hauer von 1913 mit 1802 Kilogramm wurde im Mai 1925 stark über- schritten, denn er betrug 1831 Kilogramm. Die Unternehmer können aus dem Leistungsergebnis der Bergarbeiter keine Begründung für eine Verlängerung der Schichtzeit finden. Darum hüten sie sich auch, dieses Ergebnis anzuführen, sondern arbeiten mit dem Begriff der arbeitstäglichen Förderung zum Zweck der Irreführung. Entschei- dend für die Beurteilung des Leiftungsergebnisies ist bei normo- lem Betrieb der Schichtförderanteil. Aber auch dieser Anteil kann beeinflußt werden. Wenn ein« Betriebsleitung den Nachweis führen will, daß der Leistungseffekt rückgängig ist, dann braucht sie nur größere Anteile der Belegschaft in Reparatur- und Vorrichtungsarbeiten zu verlegen, und die gewollt« Wirkung ist erzielt. An eine VerlängerungderSchichtzeitistnichtzu denken. Acht Stunden, im tiefen Schoß der Erde, fern von Licht und Luft, umgeben von drohenden Gewalten, ist überlang genug. Haben die Unternehmer den Willen, ihren Plan durchzuführen, und ist ferner die Regierung bereit, sie dabei zu unterstützen, dann ist der drohende Kampf, der am Ende des vergangenen Monats im eng- tischen Bergbau zu beginnen schien, nach Deutschland verlegt. Das kann gesagt werden, ohne den Bergarbeiterverbänden, di« dar- über zu entscheiden haben, vorzugreifen. Die Unternehmer führen in der Dentschrist weiter au», daß di« Gehalts- und Lohntosten einschließliq aller sozialen Lasten je Tonne Kohle 11,0SMark betragen. Wle erklärt sich diese Zahl? Darüber� wird in der Denkschrift, nach den Auszügen der Presse, nichts näheres gesagt. Dies aber wäre dringend erforderlich. Für Mai liegen Angaben über den Durchschnittslohn vor. Er betrug nach dem„Gliick-Auf', berg- und hüttenmännisch« Zeitschrift, 6,80 Mk. je Schicht. Bei einem Fördereffekt von 908 Kilogramm je Schicht be- trägt der Arbeiterlohnanteil an einer Tonne 7,48 Mark. Für Beamtengehälter wurden früher 8 Proz. des Arbeiterlohne« be- anfprucht. Nimmt man an, daß der Beamtenabbau sich nicht in der gleichen Weise wie der Arbeiterabbau vollzogen und sich der prozen- tuale Anteil dadurch verschoben hat und rechnet 10 Proz. des Lohn- anteils der Arbeiter für Beamtengehälter, dann würden rund ge- rechnet 0,75 Mk. für Beamtengehälter oder 7,48+ 0,75— 8, 23 M k. für Gehaltsanteile und Arbeiterlohnkosten bei einer Tonne Förderung erforderlich sein. Hinzuzurechnen sind noch die sozialen Lasten mit 1,10 Mk., so daß sich Lohnkosten, Gehalts- anteile und soziale Lasten für eine Fördertonne auf 9,33 Mk. be- laufen. Von der Förderung werden nun 10 Proz. im S e l b st v« r- brauch der Zechen aufgezehrt, so daß sich der errechnete Kosten, betrag von 9,33 M. um 10 Proz.— 0,93 M. auf 10,26 M. erhöht. Wie kommen die Unternehmer auf 11,05 M.? Darüber muß Auf- schluß gegeben werden. Die Differenz beträgt 0,79 M. je Tonne oder bei 7,5 Millionen Tonnen Absatz im Monat annähernd 6 M i l l i o- n e n Mark. Die Unternehmer fordern ferner die Beseitigung de» Zwangs- lchlkdsverfahren». Vielleicht macht diese Forderung den Bergarbeitern klar, daß die Bergwerks b e f i tz e r in allen Angele- genheiten rücksichtslosen Kampf wollen, worauf auch sie sich einzustellen haben. Eine andere Frage aber ist, ob die Allge- meinheit sich nach steten und heftigen Auseinandersetzungen im Berg- bau sehnen kann. Als die Herren glaubten, das Zwangsfchiedsver- fahren könnte ihnen vorteilhaft fein, waren sie durchaus damit zu- irieden. Nun aber, da sie glauben, genügend Wirtschaftsmacht zu besitzen, wünschen sie seine Beseitigung. Der Kamm ist ihnen sehr gejchwollen. .. Die englischen Bergwerksbesitzer haben durchgesetzt, daß ihnen die Regierung zur Vermeidung eines schweren Wirtschafts- kampfes �"�Sboention zusagte. Sie hat ihre Genehmigung auch durch Mehrheitsbeschluß im Parlament erhalten. Die Ruhr- bergwerksbesitzer oerlangen nun eine Subvention auf U m w e g e n. Ermäßigung der Steuern. Welche Pflicht hat die Regierung angesichts des Vorgehens der Unternehmer. Sie muß die Einberufung des Kohlen- Wirts ch af t spar l am« n ts, des Reichskohlenrates fordern. Hierzu ist der Reichswirt chaftsminister gemäß L 32 der Ausführungs- b-stimmungen zum Kohlenwirtschaft-gesetz berechtigt. Dem Reichs- kohlenrat muß die Gelegenheit gegeben werden, in amtlicher Eigen- schaft Z" d» Unternehmerdenkschrift St.llungzu nehmen und sich gutachtlich zu ihr zu äußern Dies zu tun ist seine Pflicht. Dessen sind sich auch die Unternehmer sehr wohl bewußt. Sie umgehen mit Absicht diese Einrichtung und wenden sich direkt an die Regierung in der Hoffnung, daß sie dabei btsier fahren. Der Reichskohlenrat
hat di« Pflicht der genauen Nachprüfung aller Angaben. Davon muß nunmehr, angesichts des Vorgehens der Unternehmer, Gebrauch gemacht werden. Die schwere Lage im Bergbau soll nicht verkannt werden, aber einseitige Angaben der Unternehmer hierüber verdienen keinen vollen Glauben. Bevor etwas unternommen wird, was so aussieht, als solle den Wünschen der Unternehmer nach- gegeben werden, muß volle Klarheit über die Lage geschaffen sein. Klarheit über die Lohntosten, sozialen Lasten, Gehallsanteile, Materialkosten usw. In allen diesen Punkten bestehen die größten Meinungsverschiedenheiten. Auch über die tatsächlichen Er- löse bestehen große Meinungsverschiedenheiten. Die Kohlenwirt- schaftsorgane haben das Recht der genauen Nachprüfung. Hiervon muß nunmehr im Interesse des Volksganzen rücksichtslos Gebrauch gemacht werden, sonst haben diese Einrichtungen ihre Daseinsberech- tigung verwirkt._ Die tzetze gegen öas Saarabkommen. Als das Eaarabkommen kürzlich abgeschlossen wurde, wurde dies allgemein begrüßt. Man sah in diesem Wirtschaftsabkommen den ersten Schritt einer endgültigen Verständigung zwischen der deutschen und französischen Regierung. Das reindeutsch« Saargebiet kann der Hilfe des einstigen Mutterlandes, mit besten Absatzmärkten es durch tausend Fäden verbunden ist, nicht entbehren. Ueberdies ist di« Zeitspanne bis zum Jahre 1935 nur noch kurz, wo es sich endgültig durch Abstimmung entscheiden soll, ob das Saargebiet deutsch oder französisch wird. Es wird sehr wesentlich auf die Stimmung der Bevölkerung einwirken, wie sich Deutschland gegenüber dem saarländischen Industriegebiet bis dahin oerhält. Auch di« westdeutsche Schwerindustrie schien den Wiederzusammenschluß des Saarlande» mst Deutschland bisher zu begünstigen. Ist es doch nicht unwesentlich, ob jenes hochentwickelte Industriegebiet an der deutschen Südwestecke, das seit Jahrzehnten in reger Wechselwirkung mit dem Ruhrgebiet stand, an Frankreich fällt oder zum Mutterland zurückkehrt. So fand am 16. Juni demonstrativ die Tagung des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller in Saarbrücken statt. Bei den V e r h a n d- lungen zwischen der deutschen und französischen Schwerindustrie war man deutscherseits ohne weiteres bereit, wenigstens sind ernsthafte Widerstände in der Oeffentlichkeit nicht bekannt geworden, den saarländischen Teil de» Ein- fuhrkontingent» an Roheisen und Stahl zollfrei nach Deutschland herein zu lasten. Um so eigentümlicher nimmt sich jetzt die Hetz« aus, di« von schwierindustriellen Blättern gegen da» Saarabkommen getrieben wird. So veröffentlicht di«.Deutsch« Bergwerkszeitung* vom 4. August einen Artikel.Preisgabe des Ruhrgebiet»?*, in dem scharf gegen das Saarabkommen Stellung genommen wird. Da- noch soll das Abkommen geeignet fein,„der Wirtschaft an der Ruhr tödliche Wunden zu schlagen*. Es wird dann weiter auseinander- gesetzt, daß die zollfreie Einfuhr einen schweren Wettbewerb für die Ruhrindustrie bedeute. Die Saarindustrie hätte weder mit den Einschränkungen der Erzeugung wie di« Ruhrindustrie zu rechnen, noch sei sie an die Preispolitik der deutschen Werke gebunden. Dies klingt eigentümlich angesichts der Tatsach«, daß die organisiert« Einschränkung der Ruhrindustri« ein« durchaus freiwillige ist und mit der scharfen Kartellierung der deutschen Industrie und mit der monopolistischen Beherrschung des Innenmarktes zusammenhängt. Irren wir nicht, so wird die vom Saargebiet hereinkommende Eisenmenge von den Verbänden der Eisenindustrie abgenommen und innerhalb Deutschlands vertrieben, wenigstens war dies eines der Kernstücke de» deutsch-französischen Eisenabkommcn» der Jnterestenten. Der Wettbewerb der Saar- werke wird also erstens auf ein gewistes Ko n t i n g e n t beschränkt, da» sich mit der Einschränkungsquote der Rohstahlgemelnschaft(für August 35 Proz.) automatisch senkt und zweitens von den Kar- tellen gemildert, da diese den Vertrieb besorgen. Das Saargebiet liefert heute an Eisen weniger nach Deutschland als vordem. Selbst wenn dieser Wettbewerb fühlbar werden sollte, so muß man doch fragen, wa» es hätte werden sollen, wenn da» Saargebiet noch deutsch wäre oder wieder zu Deutschland kommen würde. DI«.Bergwerkszeitung* beschwert sich darüber, daß z w i s ch« n d«n Saarwerten und den lothringischen Hütten «ine Abmachung getroffen wurde, wonach letztere für jede noch Deutschland ausgeführte Tonne Eisen ein« Abgab« erhalten soll. Auch diese» Ist durchaus nicht» Neues, es stand bereits bei Abschluß des Vertrages in Aussicht. Doch zur Demagogie werden die Ausführungen der DBZ., wenn sie sich also vernehmen läßt: .Eine gewichtig« Waffe, die man bei den Handelsvertragsverhand. lungen mst Aussicht auf Erfolg hätte benutzen können, legt man so im voraus aus der Hand und stellt die Eisenindustrie an der Ruhr i I» merci Frankreichs.* Wa» haben die Ruhrindustri- ellen anders getan als ihr« Interesten vor allem anderen gestellt? Es ist an dieser Stelle de» öfteren Klage darüber geführt worden, daß die deutsche Regierung die wichtig« Frage der Eisenindustrie aus der Hand gab. ohne sie als wichtig« Ausgleichsposten gegenüber Frankreich benutzen zu können. Und im Rahmen dieser privaten Abmachungen hält sich da» Eisenkontingent de» Saar- abkommen». Die ganze Hetze ist weiter nichts als ein Feldzug gegen die in Aussicht stehend« Ratifizierung des Abkommens durch die deutsche Regierung(von Frankreich wurde es bekanntlich schon ratifiziert). Do» dürfte ziemlich eindeutig au» dem Schluß. absatz des Artikels hervorgehen:.Da» also hat man heimgebrachl (gemeint sind die Einfuhrfreiheiten für deutsche Fertigprodukte) und für so wichtig gehalten, daß man dafür sozusagen den ganzen deutschen Eisenmarkt der französischen Industrie zur beliebigen Ver. fügung gestellt hat. Will und kann die Reichsregierung ihre Zu- stimmung zu einem solchen Abkommen wirklich ernsthast in Cr- wägung ziehen?* Es liegt unseres Erachtens kein Grund vor, die Ratifizierung des Saarabtommens hinauszuschieben, selbst wenn einig» tausend Tonnen Eisen zu geringeren Preisen nach Deutschland kommen sollten, was gewiste Jnterestenten gleicht als einen Ver- derb ansehen._ Zölle oder Boykott! Die österreichisibe Alvine Montan- a e se ll s ck a st. die größte roheisenschaffende Jndustriegesellschaft Oesterreichs , hat sich vor einiger Zeit an den Hauptverband der Industrie gewandt, um die Einleitung einer Aktion zur sofortigen Einführung von sog. Notstands z ö ll e n für Eisen zu verlanaen. Der Hauptverband hat die Anregung der Alpinen Montangesell. schaft unter Berufung auf die Interesten der eisenverarbeitenden Industrie abqelehnt. Die Alpine Montangesellschaft hat nun- mehr an den Hauptverband der Industrie ein neue« Schreiben ge- richtet, das einer KrieaSerklärung der Roheisenindustrie an die Fertigindustrie gleichkommt. In dem Schreiben wird auS- geführt, daß die Alpine Montangesellschaft alle Vergünsti« gungen für die eisenverarbeitende Industrie be- dingungSloS zurückziehe und von nun an ihre eigenen Wege gehen werde, um ihre Ansprüche durchzusetzen.
verbanöstag der Gemetnöearbetter. vierter Verhandlungstag. Frankfurt a. HL,& August. Zur Beratung steht der 6. Punkt der Tagesordnung: D i e Bildungsausgaben der Organisation. Redakteur Dittmer begründet hierzu eine Entschließung, in der es heißt: „Der Verbandstag erneuert feine Magdeburger Beschlüste zur Bildungssrage. Um eine planmäßige und umfangreiche Bildung?- arbeit im Sinne dieses Programms zu ermöglichen, �ist zunächst in der Zentrale ein besonderer Bildungssekretär anzustellen, der die Vorbereitungen für die neu zu schaffenden Bildungs- und Ferienkurse zu treffen hat. Die Filialen werden ersucht, daneben nach Möglichkeit die systematische Durchbildung ihrer Mitglieder energisch zu fördern und in stärkerem Maße als bisher die Presse des Verbandes nutzbar zu machen, sowie die„Schriften zur Auf- klärung und Weilerbildung" in Mitgliederkreisen zu verbreiten, ferner für den Ausbau von Filialbibliotheken zu sorgen.* In der mehrstündigen Aussprache wurden alle Fragen der Dil- dungsmöglichkeit erörtert, die den Gewerkschaften zur Verfügung stehen. Durchweg wurde anerkannt, daß die Frankfurter Akademie der Arbeit ein unentbehrliches Institut zur Ausbildung gewerkschaft- licher Funktionäre darstellt: die Lehrgänge jedoch müßten ver- längert werden. Hervorgehoben wurde aber auch, daß die sozial- demokratische Presse ron den Gewerkschaftlern gelesen werden muß, damit sie über die wirtschaftlichen Zusammenhänge genügend unterrichtet werden. Der Dorstandsoertreter wies darauf hin, daß es viele Organisationen gibt, in denen nicht eine einzige sozialdemokratische Zeitung gelesen wird. Die von dem Referenten befürwortete Entschließung wird mit dem Zusatz angenommen, daß in den einzelnen Gauen Bildungsausschüsse gebildet werden sollen. Ueber Tarifrechk ia öffentlichen Delriebea spricht an Stelle des beruflich verhinderten Genossen Prof. Dr. Sinzheimer sein Mitarbeiter Genosse Dr. Neu mann. Der Redner definiert zunächst den Begriff des Rechts der Automie der Gewerkschaften. Die erste Frage ist die: Ist es notwendig und zweckmäßig, daß die Gewerkschaften zur Erreichung ihrer Ziele die Rechtsfähigkeit erlangen, das heißt, eingetragene Vereine werden? Die Verbände der Unternehmer besitzen alle die Rechtsfähigkeit: sie können tarifbrüchige Kontrahenten schadenersatz- p f l i ch t i g machen. Bei der gegenwärtigen Rechtslage, nach der die Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften mit ihrem ganzen Ver- mögen für Tarifbrüche haftpflichtig gemacht werden können, erscheint es nicht tunlich für sie, die Rechtsfähigkeit zu erlangen. In den Entwürsen zu den Arbeitsgerichtsgesetzen ist jedoch vorgs- sehen, daß die Gewerkschaften in allen Tariffragen die Rechtsfähigkeit erlangen können, ohne daß sie gerichtlich eingetragen werden. Diese Art der Sicherung ihrer Rechte ist den Gewerkschaften nur zu empfehlen. Wie steht es nun mit dem Koalitionsrecht an sich und mit dem Schutz des Koalitionsmitgliedes und des Außenseiters? Das Reichsgericht hat entschieden, daß auch der Außenseiter gericht- lich geschützt sein soll. Die geselligen Vereine hatten einen kläge- rischen Anspruch auf die Mitqliederbeiträge, die Gewerkschaften nicht. Das Reichsgericht hat vor acht Tagen in einer Entscheidung diesem unwürdigen Zustande ein Ende gemacht. Die Zahl der Zwangstarife nimmt gegenüber den freien tariflichen Vereinbarungen erheblich zu. Von einzelnen Fachkennern wird behauptet, der Zwangstarif sei konservativ, er sei koalitions- feindlich. Ein Recht könne nie konservativ sein, er verbietet ja auch den Streik nicht, beschränkt ihn allerdings. Es ist aber eine Frage, ob der Zwangstarif beibehalten werden soll. Vor dem Krieg hätte man jeden Zwangstaris als Unsinn bezeichnet. So lange im Reichstag keine sozialistische Mehrheit besteht und die Möglichkeit zu einer sozialistischen Regierungsbildung fehlt, müßten die Gewerk- schaften den Zwangstarif ablehnen. Eine wichtige Forde- rung der Gewerkschaften ist zunächst die, zu verlangen, daß der Schlichter nur im Einverständnis der Gewerkschaften ernannt und zurückgerufen werden kann. Ferner müssen sie darauf bestehen, daß das Schlichtungsverfahren nur unter Zustimmung der be- teiligten Organisationen eingeleitet werden darf. Endlich müssen sich die Gewerkschaften dagegen wenden, daß ihnen im Zwangstarif eine Friedenspflicht von bestimmter Dauer auf- erlegt wird. Wenn die Gewerkschaften die Verantwortung tragen sollen und auch wollen, dann ist der Zwangstarif überflüssig. Schaum(Berlin ) und B i a ch(Leipzig ) brachten in der Dis- kussion zum Ausdruck, die Gewerkschaften müßten dafür sorgen, daß der Schlichter frei sein müsse in seinen Entschließungen: er dürfe nicht an die Anweisungen des Reichsarbeitsministeriums gebunden sein. ilrbeHerpofilik In Reich. Siaat und Gemeinde. Bei der Behandlung dieser Frag« wies der Referent, Genosse Paul Hirsch. letziger Bürgermeister von Dortmund , zunächst da- rauf hin. daß es vor dem Kriege um di« Rechte auch der Gemeinde- und Staatsarbeiter bedeutend schlechter gestellt war. Die be- scheidensten Forderungen der Gemeinde- und Staatsarbeiter wurden' nicht einmal einer Würdigung unterzogen. Wenn es später bester geworden ist, dann war das die Folge der Erstarkung der gewerk- schaftlichen Organisation und des Einflusses der sozialdemokratischen Vertretungen in den Gemeindeparlamenten. In demselben Maße aber, in dem die Gemeinde- und Staatsarbeiter sich der gewerkschaft - lichen Mittel der in den Prioatindustrien beschäftigten Arbeiter be- dienten, machten sich auch die Bestrebungen der Regierungen und Unternehmer zur Niederknüppelung der Arbeiterorganisationen geltend. Der Redner erinnert an di« angedrohten Strafoerschär- fungen bei Streikvergehen. Alle diese Zustände haben nach der Revolution eine völlige Aenderung erfahren. Di« Gemeinden sind gesetzlich gehalten, für ihre Arbeiter soziale Ein- richtungen zu schaffen. Tatsächlich ist die Lage der Arbeiter in den Gemeinden und öffentlichen Betrieben, trotzdem der Schlichter frei sei in seinen Entscheidungen, nicht rosig. Die Löhne sind nur'/» so hoch wie vor elf Iahren: sie reichen nicht aus, um das Leben zu fristen. Was die sozialen Einrichtungen anlangt, liegen die Verhält- niste in Preußen günstiger als im Reich. Daraus ergibt sich, daß der Kampf um bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen ein Kampf um die politische Macht ist. Don den politischen Rechten, die die Revolution hen Arbeitern gegeben hat, müssen sie den richtigen Gebrauch machen. In der Schlußsitzung am Sonnabend wurde ein Antrag angenommen, nach dem die Wahl der Delegierten zum Gewerkschasts- kongreß durch Urwahl zu erfolgen hat. Ein weiterer Antrag oerlangt die Entsendung einer Studienkommission nach Ruß- l a n d, um die dortigen Wirtschaftsverhäftnisse zu studieren. Lehnt die Sowjetregierung die Einreiseerlaubnis für den von der Kam- Mission bestimmten Dolmetscher ab, so nimmt die Kommission ihre Arbeit nicht auf. Der Antrag wird dem Vorstande uberwiejen. Das gleiche geschieht mit Anträgen, die sich auf die Wiederherstellung der Einheit der internationalen Gewerkschaftsbewegung beziehen. Der Verbandstog forderte ferner die Reichsregierung auf, eine durchgreifende Erhöhung der Bezüge für die Kriegsopfer und Hinter- bliebenen sowie der Klein- und Sozialrentner aus dem schnellsten Wege durchzuführen. Um den nächsten Verbandstag bewerben sich die Filia- len Kiel. Halle a. S. und Köln . Der Verbandstag entscheidet sich für K ö l n. Für die Beschickung des Internationalen Ge- merkschaftskongresses werden vier Wahlbezirke gebildet. Es werden gewählt Beck(München ), Heinz(Köln ), Polenske(Berlin ) und Ihle(Hamburg . Vorsitzender M ü n t n e r weist in seinen Schlußausführunaen darauf hin. daß der Verband im nächsten Jahr fein dreißimähnae» Bestehen feiert. Der Verband ist bereit, zu kämpfen und die Kampf- fähigkeit zu erhöhen. Der Kampf um die Auswirkungen des Dawes- Gutachtens beginnt erst. Der Verband sei einig, in der Einiakei» lieat der Sieg auch der Gemeindeairbett et,