Aber die Mehrheitsparieten des Reichstages haben das Recht der Opposition im Parlament unter die Füße getreten. Die Partei des Herrn Fehrenbach hat an der Vergewaltigung der Oppositon teilgenommen. Sie wollten keine diktatorischen Verhandlungen, sie wollten nicht das Gesetz finden auf dem Wege des Meinungskampfes. Ihnen genügt das diktatorische Ja der Mehrheit. Sie haben die fachliche Mitarbeit der Oppo- sition beiseite geschoben. Sie haben dem Geiste der demokra- tisch -parlamentarischen Verfassung von Weimar den Geist des reaktionären Diktatwillens einer plutokratisch gesinnten Parka- mentsmehrheit entgegengesetzt. Durch ihre Verfassungsfeier . geht ein schriller Mißklang. Das deutsche Volk aber, die Massen der Arbeiter und Ver- braucher, gegen die der Geist des Plutokratismus sich wendet, feiert heute erst recht den Tag der demokra- tischen Verfassung von Weimar. Es feiert ihn um der Idee der sozialen Gerechtigkeit willen, und seine Feier ist zugleich die Demonstration des Willens, den Geist des Plutokratismus zu überwinden.
verfassungsfeter öer Polizei. Eine Rede des Polizeipräsidenten. Die Derfafsungsfeier der Berliner Polizei fand heut« vormittag auf dem großen Kasernenhofe in der Friesenstraße am Tempelhofer Felde unter starker Beteiligung der Beamten und Angestellten des Polizeipräsidiums sowie der Schutzpolizei statt. U. a. waren vom Ministerium des Innern Ministerialdirektor Dr. A b e g g, vom Polizsiprästdium Vizepräsident Dr. Friedens- bürg, die Abteilungsdirigenten und von der Schutzpolizei der Kommandeur K a u p i s ch mit seinem Stabe erschienen. Die Musik spielle zum Eingang der Feier.Die Himmel rühmen dem Ewigen Ehre"; dann betrat Polizeipräsident G r z e s i n s k i die mit Blattpflanzen geschmückte Tribüne, die rechts von der Reichsfahne, links von der Preußenfahne flankiert war, und hielt eine Ansprache, die in ein dreifaches Hoch auf die Republik ausklang, das von der Versammlung vieltausendstimmig aufgenom- men wurde. Nachdem die Musik das Deutschlandlied gespielt hatte, erfolgte nach den Klängen alter Militärmärsche der Vorbeimarsch der einzelnen Abteilungen der Schutzpolizei unter ihren Führern. Aus der Rede des Polizeipräsidenten, die er bei einer Feier im Polizeipräsidium in Gegenwart der leitenden Beamten der Behörde hielt, geben wir einige besonders bemerkenswerte Abschnitte wieder: Sie haben sich hier heute zum Gedenken der Reicksversassung zusammengefunden. Ich danke Ihnen und hoffe zugleich, daß nicht diensllicher Anlaß allein es ist, der Sie hier anwesend sein läßt, sondern auch ein inneres Bedürfnis Sie treibt, als B e- amte der Republik und Hüter der Verfassung und der Gesetze für das Verfassungswerk Weimar , auf dem unser staat- liches und Volksleben heute beruht, erneut Bekenntnis abzulegen. Sechs Jahre sind verflossen, feit sich das deutsche Volk durch die Nationalversammlung in Weimar seine demokratisch-republi- kuniiche Verfassung gegeben und sich damit nach den furchtbaren Er- schüttcrungen des Krieges, des Zusammenbruchs und der Um- wälzung eine neue feste Grundlage für sein staatliches Da- sein geschaffen hat. Es zeugt von der inneren Kraft, aber auch von dem Sinn des deutschen Volkes für Ruhe und Ordnung, daß es nach der emicblick'en militärischen und staatlichen Kata- strophe im Jahre 1918 so schnell wieder den Weg fand, auf den, allein ein staatliches, wirtschaftliches und soziales Leben eines Volkes sich entwickeln kann. Am 19. Januar 1919 konnte die Nationalversammlung bereits gewähll werden. Am 6. Februar traten die Vertreter des ganzen deutschen Volkes in Weimar , der Glanzstätte deutscher Kultur, zu- sammen, um in emsiger Arbeit ihre Hauptaufgabe zu lösen, nämlich die Verfassung zu schaffen. Die Weimarer Verfassung ist im Gegensatz zu früheren und anderen Verfassungen nicht das Werk einzelner. wie von chren Gegnern oft fälschlich behauptet wird. Sie wurde in absolut freier Entschließung nach monatelangen und e i n- gehenden Beratungen von der Nationalversammlung in der Schlußabstimmung mit 262 gegen 75 Stimmen angenommen. Wäre die Verfassung wirklich das Werk einzelner, so wäre sie nur ein Blatt Papier , wie es das Frankfurter Dokument von 1848 gewesen ist. So stehen aber heute hinter der Reichsverfassung ge-
nügend Kräfte, um ihren Geist durch die Adern des gesamten öffent- lichen und privaten Lebens zu pumpen, und alle bisherigen Versuche von äußerst links und äußerst rechts, ihre Grundfesten mit Gewalt anzutasten, sind kläglich gescheitert und werden weiterhin scheitern. Die Weimarer Verfassung wird immer mehr Gemeingut des ganzen volles, welches erkannt hat, daß nach dem Zusammenbruch ein anderer wie der demvkratisch-republikanische staatliche Aufbau m Deutsch - land einfach nicht denkbar ist. Das deutsche Volk, das durch die Kriegsjahre hindurchgegangen sst, fühlt sich mündig genug, sich felbst zu regieren. Daß es dazu die Kraft und die Fähigkeit hat, das haben die Nachkriegsjahre hinlänglich gezeigt. Ohne die Wei- marer Verfassung hätten wir in Deutschland längst die Anarchie und vielleicht überhaupt kein deutsches Reich mehr. .Das Deutsche Reich ist eine Republik ", heißt es im Artikel 1 der Verfassung,.die Staatsgewalt geht vom Volke aus". Die Rechte, welche die Weimarer Verfassung damit jedem deutschen Staatsbürger gibt, sind zugleich die Ventile, aus denen der Ueber- druck der Unzufriedenheit entweichen kann, ohne den Staat als solchen zu gefährden. Dafür schafft die Reichsoerfassung dem ein- zelnen den wchutz, daß ihm gewisse Grundrechte—• das Recht der Mitwirkung am staatlichen Leben, Wahlrecht, Vereins-, Versamm- lungsrecht, Koalitnms- und Pressefreihett— nicht genommen werden können. Die Verfassung ist so der vertrag des einzelnen Deutschen mit der Gesamtheil des deutschen Volkes; allerdings kein Bertrag, der dem einzelnen zur Annahme oder Ab- lehnung vorgelegt wird, sondern eine Urkunde, die traft der Mehr» heit auch für die Mmderheit unter allen Umständen bindend ist. Das Verfassungswerk, das in einer Lett geschaffen wurde, in der tagtäglich schwerste innere und äußere Kämpfe das damals lecke Reichsschiff umbrandeten, ist gewiß nicht ideal. Mancher Artikel trägt den Stempel eines nicht immer erfreulichen Ko m- pro miffes an der Stirn. Dennach, als Ganzes gesehen, ist die Verfassung ein gutes Werk. Sie hat sich in den hinter uns liegenden schweren Iahren bewährt als eine feste tragfähige Grund- läge unseres staatlichen Daseins. Vor allem im Jahre 1923, dem furchtbaren Jahre der Inflation und der Putschversuche, in dem es mehr als einmal schien, als würde das Reich doch noch hinein- gerissen werden in jenes grauenvolle Chaos, vor dem unser Land zu bewahren in den Stürmen von 1918 nur mit Aufbietung der letzten Kräfte gelungen war. Die Weimarer Verfassung ist das Instrument, das alles zvsammensaßt, was deutsch ist und deutsch denkt und fühlt. Trotz weitgehender, nur zu weitgehender Berücksichtigung parti- kularistischer Tendenzen in Deutschland lebt in der Verfassung der Großdeutsche Gedanke, der auch dadurch nicht ausgemerzt worden ist und nicht ausgemerzt werden kann, daß der Arttkel 61 Abs. 2, der für Deutsch -Oesterrcich nach Anschluß eine Vertretung im Reichsrat und bis dahin beratende Stimmen vorsieht, auf Gebot der Entente außer Kraft gesetzt werden mußte. Die Unzufriedenheit im Volte ist allerdings groß. Das Volk hat ungeheure Lasten zu tragen. Minderung der Arbeits- fähigkeit durch Kriegs- und Zivilbeschädigungen. Arbeitslosigkeit, Verlust des Vermögens durch die Inflation haben Not und Elend in weiteste Kreise getragen. Auch die Beamten und die sich in� Beschäftigung befindenden Angestellten und Arbeiter sind in ihrer großen Masse nicht so gestellt, daß sie frei von Not wären. Dafür! machen Unwissende und demagogische Elemente den heutigen Staat und die Weimarer Verfassung verantwortlich. Als ob es früher nicht Not und Elend, Armut und Unzufriedenheit in ausreichendem Maße gegeben hätte. Die Grundursache unseres Unglücks ist der verlorene Krieg, der uns den versailler Vertrag und die Sanktionen gebracht hak. Bei allen unseren staatspolitischen Betrachtungen, dann auch bei der Prüfung unserer Forderungen und Wünsche dürfen wir diese Tatsache nie aus dem Äuge verlieren, wollen wir Enttäuschungen vermeiden und nicht zu Trugschlüssen kommen. Die Reichsverfassung und die Verfassung der Länder �ermög- lichen es jedem, nach seiner Fasson selig zu werden und für seine Ueberzeugung zu wirken und zu werben. Solange die Grundlagen der Verfassung nicht angetastet werden und gegen die Gesetze nicht verstoßen wird, ist weitgehende Duldung am Platz und angebracht. Wir als pollzei sind die Hüter der Verfassung und berufen und verpflichtet, jeden Gewaltakt abzu- wehren und ihn im Keim rücksichtslos zu ersticken. Wir haben die Verfassung, die Gesetze und die gesetzestreuen Staatsbürger zu schützen und geschworen, den Anordnungen einer verfassungsmäßigen
Zlüchtlinge. Von Hardy Worin. Stundenlang laufen sie schon. Frauen, Männer, Kinder. Den Blick zu Boden gesenkt und den Rücken gebeugt. Ach, was für Tage waren das doch. Letzte Tage. Immer noch hatten sie gehofst. Vom Abend bis zum Morgen und vom Morgen bis zum Abend. Sie hatten es nicht für möglich gehalten. War der Krieg nicht zu Ende? Hatten sie nicht den Fremden in die Augen geblickt, auf- recht und friedensbereit? Kommt, laßt uns vergessen, was gewesen ist; Tiere waren wir, blutgierige Tiere, doch jetzt: der Mensch ist erwacht, der Mensch ist da. Und dann hatten sie Schulter an Schulter zusammen mit ihnen gearbeitet. Tag für Tag, hatten mit einem Male wieder Freunde überall. Arbeit, gemeinsame Arbeit verbindet. Und nun dieser Wahnsinn. Waren das Menschen, die Dekrete in die Welt schleuderten wie Brandgranaten? Warum wurde der Blick ihrer Freunde so kühl, warum stand plötzlich Ein- samkeit um sie, eine Mauer der Unliebe. Nein, nein, sie hatten es nicht geglaubt. Sie hatten gelacht, gelacht mtt einer leisen Angst im Herzen. Hier weg? Weg von der Scholle, diesem Haus, zärt- lich umfangen von blühenden Gärten. O, diese lauen Abende im Sommerwind. Vom Felde her zirpte das Singen der Mädchen. War das nicht Heimat, Heimat im fremden Land? Und als es geschah, als das Unglaubliche geschah, da standen sie mit trockenen, zitternden Lippen. Und sie nahmen sich bei der Hand, sie nahmen sich alle bei der Hand und würgten nach trösten- den Worten. Trostlos umfing sie die Einsamkeit der Entwurzelten. Sie wurden welk und alt. Hier war ein Stück und dort war ein Stück. Liebgeworden durch Gewohnheit und Alter. Da war einer, ein verwitterter Bauer, der barg als erstes eine kleine Weidenflöte auf der Brust. Eine kleine Weidenflöte. Ich bitte euch, ist das nicht lächerlich? Aber was wißt ihr von seiner Weidenflöte. Ihr saht ihn nicht, wie er als Junge Heimatlieder darauf pfiff. Er konnte nicht viel darauf spielen, gewiß nicht, und das, was er spielte, klang nicht immer klar und rein. Und doch ereignete sich eines Tages, Jahre, viele Jahre ist's her, ein wundersames Erlebnis. Da kam ein Herr über die Grenze. Ein Herr, der war unten in Klondyke gewesen, am Mississippi , an den rauschenden Quellen des Nils, hatte im Dschungel gelegen, ge- plagt von einem zerfressenden Fieber. Und dieser Herr kam gerade- wegs über die Grenze auf unfern Bauern zu, der damals noch ung und frisch war, am Bache saß und spielle. So ein rührendes, entimentales Heimatlied. Und als er aufblickte, sah er, daß der eingekleidete Herr weinte. Unser Bauer war damals sehr er- chrocken. Aber er mußte das Lied noch einmal spielen und noch einmal. Nun, das ist lange her. Bald nicht mehr wahr. Und nun ist alle» futsch, percku. Ein trostloser Zug. Die Frauen verhärmt, die Männer ver- härmt. Stundenlang laufen sie schon. Unterwegs bricht ein Wagen zusammen. Alles arme Leute, die jFtzt über die Grenze ziehen. Arme Leute bücken sich in den Staub der Straße und raffen ihre Habseligkeiten zusammen.
Und nun sind sie in der Heimat. In der Heimat, die ihnen so fremd ist. Es ist Nacht, und der Regen raunt durch die Straßen. Ueber einem Gasthaus brennt eine Laterne. Ein Hund schlägt an. Grenzenlose Traurigkell umfängt die Flüchllinge. Müde werfen sie sich auf die Strohsäcke. Ihre Füße schmerzen und in ihren Augen brennt ein Feuer. Kinder wimmern in der Dunkelheit. Allein, entwurzell, verlassen. Und am nächsten Morgen stehen sie alle im Lager. Die Ge- sichter noch müde und verzerrt. Was wird, was wird? Wohin werden sie kommen? Wird man sie nicht mtt scheelen Blicken an- sehen? Der Kampf ums Brot ist bitter und hart. Was wird aus den Alten, Zermürbten, Gebrochenen? Müde Kotten sie mit ihren Eßgeschirren durch das Lager. Und der Himmel hängt gran über ihnen, eine zerhauene Fratze.
-tebt Sas naturalistische Drama noch! Von der ortsüblichen Sommerware, die heutzutage die Theater zu wesentlich ermäßigten Preisen feilbieten, sticht JI m Hafen" von Georg Engel , von der Goethe- Bühne gestern zum ersten Male aufgeführt, ganz erheblich ab..Im Hafen" ist weder eine Revue, noch ein auf neu gearbeitetes Volksstück, noch ein pikanter Schwank a la Paris , noch ein expressionistisch überspitztes Literaten- drama. Wir stecken so well in der Theatermisere, daß Zurückgreifen ans etwas fast Vergessenes wie ein neuer Einfall wirft und daher zu begrüßen ist. Georg Enael schildert in seinem Schauspiel nüchtern und sachlich die dumpfe Atmosphäre einer dörflichen Fischerehe, in der sich die Frau in Sehnsucht nach ihrer Jugendliebe verzehrt und in einer tragischen Situation der Versuchung erliegt. Ueber dem Ganzen lastet eine trostlos düstere Stimmung, die sich dem Zuschauer bleischwer auf die Seele legt: Naturalistisches Drama, wie es vor drei Dutzend Jahren als die kommende Kunst betrachtet wurde. Man merkt den Kunstwillen des Autors, das Fehlen jeglicher Theater- mache- Er rührt an unser Inneres, indem uns unbehaglich zumute wird. Und doch ergreift er nicht, weckt nicht einen Hauch von In- teresse für das traurige Schicksal der an sich felbst zerbrechenden Vühnenfiguren. Der Fischer Clas Drühs und fein Hader mit Gott, die freudlose Wiederoereinigung seiner zerquälten Frau mit dem einstigen Iugendgefährten gehen uns nichts an. Das liegt nicht daran, daß der Naturalismus im Drama ein überwundener Stand- punkt sst. Auch die ersten naturalistischen Dramen IVor Sonnenaufgang" und„Das Friedensfest" erschüttern noch heute. Georg Engel ist kein Gerhart Hauptmann und nicht ein Dramatiker, dem es gegeben ist, einem Einzelschicksal Allgemeingültigkeit zu verleihen. Daran liegt es. Das Ausbleiben feelsscher Wirkung sst nicht dem Autor allein anzukreiden. Ursel Stein— Fischersfrau— war selbst bei dürf- tigen Sommeransprüchen völlig unzureichend. Ihr Schicksal, in Berlin mit mühsam eingelernten Posen aus einer bemerkenswert minderwertigen Theaterschule tragende Rollen darstellen zu müssen, erschütterte mehr als das Schicksal, dem sie auf der Bühne Gestalt geben sollte. Im übrigen ist das Bemühen des Direktors BerthSld und seines Regisseurs Emil Janson, bei beschränkten Mitteln saubere Vorstellungen herauszubringen, höchst anerkennenswert. E. Degner-
Regierung Folge zu keiften. Nur wenn«kr mit fremdig�m Bejahen des heutigen Staates trotz aller schweren Be- gleitumstände unsere Pflicht tun, werden wir wellerhiu jestes Boll- wert der Verfassung und des Staates sein und bleiben. Wir gehen offenbar schweren Zellen und einem trüben Winter entgegen. Die trotz aller Beschwörungen von amtlicher Seite Zweifel- los weitergehende Teuerung des täglichen Lebensbedarfs wird die Unzufriedenheil mehren und den demagogischen Elementen in unserem Volke Wasser auf ihre Mühlen leiten. Vielleicht werden auch wirlschaflliche kämpfe in größtem Umfange einsetzen, um für die Angestellten und Arbeiter einen Ausgleich für die verteuerte Lebenshcuftmg zu erreichen. Das alles muß erttagen werden. In allen diesen Fragen' hat sich die Polizei der größten Neutralität zu befleißigen, und im übrigen haben wir unser« Pflicht zu tun bis zum äußersten. Ich habe das Vertrauen, daß das deutsche Volk letzten Endes wie bisher, so auch in Zukunft den rechten Weg gehen und nichts tun wird, was seine nationale Existenz zerstören könnte. Denn bei aller Meinungsverschiedenheit der deutschen Stämme und der sozialen Schichten in Deutschland unter- einander, ist doch wohl die Ueberzeugung Gemeingut aller, daß ein Bürgerkrieg und damit Zerfall des Deutschen Reiches das gesamte deutsche Volk ins Verderben stürzen müßten. So wird die Liebe zum deutschen Volke und zum deutschen Vaterlande uns auf dem richttgen Wege hallen. Diese Liebe wollen auch wir. die wir heute als Beamte und Angestellte der Republik hier versammelt sind, aufs neue bekunden, indem wir geloben, fest und treu zur Verfassung zu stehen, eingedenk unseres Eides.
Reichsbannertag im Ruhrgebiet . Eine Rede Severings. Auf der Reichsbannertagung im Herzen des Ruhrgebiets sprach der preußische Innenminister Genosse Severins in der Bochumer Fssthalle. Er richtete einen warmen Appell an die Bevölkerung des Westens, zur demokratischen Republik zu stehen. Severing wandte sich gegen die Angriffe der deutschnationaleu und völkischen Presse und stellte sich ganz hinter das Reichsbanner. In seiner Rede sagte er u. a. in Erwiderung auf Zeitungsangrifse der örtlichen Presse: „Ich bin auch der Meinung, daß für die Fest- und Gedenkfeier in dieser schweren Zell kein Raum ist, und Ersparnisse und Ab- striche soll man machen. Aber wir sind höfliche Leute, wir über- lassen den anderen den Vorantritt, und wenn der Artikelschreiber dem Reichsbanner nahe legt, auf seine Existenz und sein Wesen zu verzichten, dann sagen wir: jawohl, wir wollen die Fragen gründlich prüfen, aber erst, wenn der Stahlhelm, tzungdo, Wehr- wols usw. abgeschasst find.(Bravo I) Wir sind nicht zu einem Fest hergekommen, wie es bei Schützengilden und Kriegervereinen herkömmlich und gebräuchlich ist. Wir wollen das, was als erstrebenswert von dem Artikelschreiber hingestellt wird, durch unser Fest erreichen, wer hat das Deutschland -Lied populär gemacht? Wer hat betont, daß die Verfassung die Vlaflsorm für alle Verfassungsparteien sei? Das Reichsbanaeri Glauben Sie, daß wir mll einer monarchisttschen Verfassung besser zu einem wirtschaftlichen und politischen Aufstteg kommen? Ich darf wohl daran erinnern, daß gerade in den letzten Tagen im Reichstage Klage geführt worden ist über das F i n a n z e l e n d des Reiches, der Länder und Gemeinden. Wenn es besteht, sollten wir da nicht alle suchen, es zu beseitigen? Brauchen wir heute noch ein Bayern , Preußen, Württemberg usw.? Sollten wir heute nicht ein einiges Deutsches Reich haben? Gewiß, alte Ueberlieferungen soll man nickt künstlich beseitigen. Aber wenn wir sehen, daß eines in Wirtschaft- liche und finanzielle Not geraten ist, sollten wir dann nicht helfen? Hier hat das Reichsbanner die große Aufgabe, für den Gedanken eines einigen Deutschland zu werben. Das sollte auch der heutige Tag bekräftigen. Mit 26 Monarchien, die ihre Hausmacht stabilisieren möchten, kommen wir nicht zur Einigung. Wir wollen daran denken nicht nur in den Tagen, die uns heute zusammenführen, sondern an jedem Tage. Wenn wir so wirken, ist die Republik gesichert, dann werden die W e h r w ö l s e sich heiser bellen. Wir wollen nicht dulden, daß man an der Republik rüttelt, das ist die Aufgabe des Reichsbanners." Severings Rede wurde vom stürmischen Beifall begleitet, der sich zu einer begeisterten Ovation für deck Mini st er der Republik steigerte. Die Tagung des Reichsbanners Im Ruhr- gebiet reiht sich würdig den großen Verfassungsfeiern in allen Teilen des Reiches ein.
Zerfall des vleialoms in Thallium und Quecksilber. Die Er- forschung des Atoms schreitet rüstig fort. Nachdem bekanntlich Professor Miethe im Juli v. I. bei Zertrümmerung von Queck- silberatomen Gold gefunden hat, ist es jetzt den beiden holländi- schen Gelehrten A. Smits und A. Karsten zum ersten Male in dem Amsterdamer Laboratorium für allgemeine und anorganische Chemie gelungen, den Zerfall eines Bleiatoms herbeizuführen. Smits beabsichtigte schon viele Jahre, verschiedene Metalle in einer Vakuum- lampe zu studieren in der Hoffnung, daß bei Zunehmen der Stromdichte das Atom zerfallen würde. Ueber die Zertrümmerung des Bleiatoms, die sehr schwierig war, weil Blei bei 327 Grad schmilzt und ein Ouarzgefäß, in welchem Blei erstarrt ist. beim Aufwärmen zerspringt, macht Smits selbst in den„Naturwissen- schaften" eingehende Mitteilungen. Es gelang den beiden Forschern, eine sehr handliche Bleilampe zu konstruieren, welche viele Stunden hintereinander brennt. Das reinste Blei kam in den wärmsten Teil der Lampe nur in Kontakt mit reinem, stark aus- geglühtem Quarz und im kälteren Teil mit einem hoch ausgeglühten,- eingeschliffenen, stählernen Stift und einem ebenso hoch aus- geglühten, eingeschliffenen Kohlensttft. Alle anderen Maßnahmen waren so getroffen, daß eine Verunreinigung mit Quecksilber voll- kommen ausgeschlossen war. Die Untersuchungsmethode, die an- gewandt wurde, war die spektroskopische mll dem Ouarz-Spektro- graph. Die erste Aufnahme erfolgte sofort nach der Zündung, die zweite nach 4 Stunden und die dritte nach 6 Stunden Brennens. Das Ergebnis war, daß das Bleispektrum vollkommen unverändert blieb. Anfangs war im Bleifpekttum nur eine Quecksilberlinie lm Ultraviolett festzustellen, und nach 10 Stunden Brennens war das Vleifpektrum vollkommen unverändert geblieben. Bei höheren Stromdichten wurden aber positive Resultate erzielt. Nach 6 Stunden Brennens stellten die Forscher im Bleispektrum schon ein schwaches Auftreten einiger Quecksilberlinien fest, und nach 19 Stunden Brennens waren sowohl im sichtbaren als im ultra- violetten Teil die stärksten Quecksilberlinien und ebenso die charakte- ristischen Thalliumlinien sehr deutlich festzustellen. Daraus erkennt man, daß das Bleiatom in Thallium und Quecksilber zerfällt. Diese Feststellung bedeutet einen weiteren erheblichen Fortschritt auf dem Gebiete der Erforschung der Materie. Zm Revaissaace-Thealcr wird die Vreniiöre von'SIrindbergS„Toten- tanz' auf Mittwoch, den 12. er., 8 Uhr, verschoben. Deutsche Forscher nach Grönland . Mit dem dänischen Dampfer.HanZ Egede' sind zwei deutsche Forscher, Dr. Krüger und Dr. K I u t e, nach Grönland abgegangen. Die Reise ist auf fünf bis sechs Jabre berechnet und wird vom bessilchcn Staat finanziert. Aus demiclben Schiff befindet sich auch der dänische Innenminister Hange, der fich nach Grönland begibt, um persönliche Gindrücke von den dortige» Vcrhältmssen zu erhalten. Radiogespräch über 3703 Seemeilen. Der Ehicagoer Vertreter der Affoeiated Prcfi hatte ein Radiogcspräch mit Kapitän Mae Millan, der fich 3700 Meilen entfernt an Bord des Dampfschiffes Peary in Etah(Grönland ) befindet. Dieses Gespräch, das l'/j Stunden dauerte, bedeutet ein in der Geschichte des ZeitungswescnS bisher einzig dastehendes Ereignis. vi« erste Desainlausgabe von Goethe» Werten in einer fremden Sprache. Uni« LeUnng Professor Otiokar Fischers-Pi ag arbeiten gegenwärtig die besten tlchcchlschcn Uebcrsctzer an einer vollständigen tschechische» Caetbc. ausgäbe. Man begegnet dieser Ausgabe schon deshalb in literarischen und wlsjenschastllchen kkreisen mit besonderem-Jillrreffe, well eine GcianitanS- gobt von Goethes Wert«, w«»er fremden Sprach« bisher nöch nicht«rtsllert.