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Mittwoch 12. August 1925

Unterhaltung und Wissen

Wander- Miniaturen.

Aufbruch.

Wie Gefangene aus ihren Bellen, fo brachen wir aus dem Riefensteinmeer der Großstadt auf. Ferien- Wanderfahrt, Worte, die das Herz weiten und schneller schlagen lassen. Alle Borbereitungen find lange vorher getroffen. Im Sturm zum Bahnhof. Ueber. fillte Züge, quetschende, quietschende, fingende Enge. Der Schweiß tinnt in Strömen, aber es wird alles fröhlich ertragen, weil es ier Freiheit entgegengeht. Ratternde, frachende Bahnfahrt. Wir Broleten fahren selbstverständlich standesgemäß viermal erster Classe. Da ist es herrlich, gemütlich. Volt, nur Bolt. Wander­Lieder steigen, Schnurren werden erzählt, Bize gerissen, die wie Blige durch die schwüle Temperatur zuden. Der ganze Wagen eine Boltsgemeinschaft". Da soll noch einer sagen, so was wäre nicht möglich. Stundenlange, äußerst lebendige Fahrt.

Der Ausgangspunkt.

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was

In Halle   steigen wir aus und nehmen einen Glücklichen in Empfang. Der hat schon zwei Wochen Harzwanderung hinter sich, ist wundervoll braun gebrannt und auffallend ruhig, meil er schon eine vierzehntägige Nerventur hinter sich hat. Aber Halle ist Halle? An dieser grauen Stadt reizt uns in dieser Stunde abjo­Iit nichts. Wir fahren weiter bis Naumburg  , der Stadt mit einem berühmten Dom, einem ebenso berühmten Oberstaatsanwalt und vielen pensionierten Beamten und Offizieren. Warum also Naumburg  ? Das mögen die Götter wissen! Wahrscheinlich aber wohl deshalb, weil der Name einen etwas romantischen Klang hat, weil die Stadt an der Saale   liegt und nicht selten als Ausgangs punkt einer Thüringenwanderung gewählt wird. In der Lat   ist bas gar nicht so übel. Auf dem Wege von Naumburg   nach Kösen, mitten in greller Mittagssonne, geht es an prächtigen Obftgärten, bescheidenen Weinbergen vorbei durch den ersten Laubwald. Hinter Stösen mit seinen Gradierwerfen, Heilquellen und vielen Babegästen, auf Schulpforta   zu, gelangen mir in felten schönen Buchenwald  . Schlante, wuchtige, filbergraue Stämme reden fich empor in die flare Luft und bilden mit ihrem dichten Blätterdach gewaltig rauschende Näume heilige Hallen. Im Park von Schulpforta   gibt es viel des Interessanten zu sehen und zu hören....

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Burg Saaled.

Es ist wie seit Jahrtausenden auf allen Wanderungen, ob es sich um Völker, Stämme oder Gruppen handelte: der Strom ist auch unsere Richtschnur. Wir setzen die Saalewanderung fort, bergauf und bergab, an malerischen in sattes Grün gebetteten Dörfern vor­bei. Burgruinen und andere Sehenswürdigkeiten" interessieren uns zunächst nicht. Wir müssen immer nur schauen: Trinkt ihr 2lugen, was die Wimper hält, von dem Ueberfluß der Welt. In diesem Wasserlauf, ob man nun auf ragender Höhe oder im Tal steht, fällt es Aug' und Wimper wirklich schwer, eine solche Fülle des Schönen zu fassen. Abend wird es wieder... und vom jen­jeitigen Ufer des Stromes grüßen Rudelsburg   und Saaled. Bon Fer Rudelsburg mit ihrer bewegten Bergangenheit wußten wir, daß fie heute nur noch eine Studenten- und Spießerfneipe ist. Aber ihr verwittertes Gegenüber, Burg Saaled, das ist noch etwas anderes. Aus der niedrigen Umfassungsmauer ragen zwei tahle Sürme. In dem einen hausten die Rathenau  - Mörder, bis sie ihrem Leben ein Ende machten. Aber darum geht es nicht! Es dunkelt und aus dem schwarzverhangenen Himmel tropft schwerer Regen hernieder. Romantik erfüllt die Luft. Sollen wir hinauf oder nicht? Zwei von uns dreien find dafür, also los.

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Die umfassungsmauer, anderthalb meter hoch, ist bald erreicht. Einer fett ohne Rucksack zur Erkundung hinüber. Hallo! Der eine Turm steht offen, arg verfallen zwar, aber am Eingang ist ein feines Stübchen, verhältnismäßig gut erhalten, Plaz genug für drei enspruchslose Wanderer. Als wir Einzug halten, nicht wie die Sänger in die Wartburg  , sondern fein still und vorsichtig, entsteht Teges Leben zu unsern Häuptern: Dohlen, Raben, Fledermäuse und anderes beflügeltes Getier flattert aufgescheucht umher, wir glauben sogar, eine fliehende Kaze gesehen zu haben. Drüben, fnapp zwanzig Meter weiter, fampierten vor drei Jahren zwet Mörder. Unser Bedarf an Romantit ist schnell gedeckt. Im blaffen ondenschein bereiten wir unser Abendessen vor, effen, trinten, rauchen, plaudern, dann und wann vor irgendeinem Geräusch unter­brochen. Von der Rudelsburg   tönt lauter Gesang herüber, dem man die alkoholische Färbung auf tausend Meter Entfernung an­mertt. Da sind wir Wilden doch bessere Menschen.. Unser glücklicher Harzwanderer berichtet anschaulich von einem ähnlichen

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Marina.

Bon Gabriela Preisfová. ( Autorisierte Uebersetzung aus dem Tschechischen von A Berchtold.)

Ich Ihnen etwas Böses tun," sadte Jura stockend unter dem Einflusse ihrer traurig blickenden Samtaugen und ihrer geröteten Bangen, da möchte ich lieber mein Leben für Sie hergeben, mein Geelchen!"

,, Was wollen Sie also," sagte sie gereizt, mollen Sie mir vielleicht etwas Bernünftiges sagen?"

Bernünftiges?" wiederholte Jura. Warum sperren Sie sich hier so ein, wozu diese beschlagene Türe wie in einem Arreste?"

Ich bin ja allein zu Hause, wir leben hier in der Einsamkeit, einmal schon hat man meinem Mann eine halbe Kalbshaut ge stohlen, die er sich zum Trocknen vor das Haus gehängt hatte."

Warum hängt er denn die Haut vor das Haus? Unsinn!" jagte Jura, um nur etwas verächtliches vom Schuster zu sagen. ,, Sie war mit Fischtran eingelassen, er wollte, daß sie aus­lüftet," sprach wieder die junge Frau, und Jura erwiderte in einem geringschäzigen Tone:" Gescheit war es nicht von ihm, und diese Cifengitter hier, die hat er wohl schmieden lassen, damit niemand seine Frau entführen fann? Gelt?"

" Oh, die waren schon hier, bevor wir famen."

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Ich habe aber noch nie gehört, daß ein Mann seiner Frau verbietet, daß sie einen bekannten Mann über ihre Schwelle läßt. Er hat es mir nicht verboten, das ist mir selbst eingefallen." ,, Und warum um Gotteswillen? Bin ich denn irgendein her gelaufener Lump? Wie viele Länder habe ich durchwandert, und fein Mensch wagte es, mir ein böses Wort nachzureden." Mein Gott, schreien Sie nicht so, ich habe ja nichts Böses Cefagt." Na, na," feufzte jetzt der Bursche, auf einmal bescheiden. Sie fönnen leicht sagen nichts Böses", aber ich laufe hier herum mie ein Narr und Sie, Sie lachen mich hinter Ihrem Fenster aus." Oh, ich lache nicht," seufzte jetzt die Marina. Lassen Sie mich also, wie es sich gebührt, in die Stube herein, gerade bei diesem Fenster tann uns jemand bemerken und Ihnen Hebles nachreden."

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Ich aber habe doch nichts mit Ihnen zu verhandeln, ich bin

nicht ledig."

Quartier im Selfetal: In der Hütte eines Kuhhirten, der mit 400 Stud Rindvieh und zwei Schäferhunden vom Frühling bis zum Herbst draußen ist. Alle zwei Wochen bringt ihm seine Frau aus Ballenstedt   Nahrung und was sonst der Mensch braucht. Biele Jahre führt der Mann dies Leben und so wird er zum Einsiedler, zum Grübler, Sinierer und Münchhausen. Münchhaufiaden muß der komische Kauz viele im Schädel haben, die denkbar tollsten Geschichten von Hunden, Wildschweinen, Hirschen, Weibern   und

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Die Krokodilsträne.

Das deutsche   Volk ist beklagenswert."

TW

( Reichskanzler Luther   am 8. August 1925 im Reichstag.)

sich selbst. Wir mußten viel lachen und gingen dann ,, schlafen". Das heißt wir versuchten zu schlafen. Mit einigen Zeitungen als Matraze, dem Rudsad als Kopffissen und dem Lodenzeug als zu decke hatten wir eigentlich ein ideales Nachtquartier. Wir konnten trotzdem nicht schlafen. Woran es lag, mögen die Götter wissen. Beim ersten Morgengrauen zogen wir aus. Einen heldenhaften Eindruck haben wir wohl nicht gemacht. Aber schön war's doch. Der Bäcker, dem wir die dampfenden Brötchen fast aus dem Ofen holten, war sehr erstaunt, zu so früher Stunde schon Runden im Laden zu haben. Als wir ihm sagten, daß wir soeben von Burg, Saaled herniedergestiegen seien, schüttelte er ungläubig mit dem Ropfe... Durch den Thüringer Wald  .

Hinter Jena   beginnen die Ausläufer des Thüringer Waldes  . Und hier beginnt unsere eigentliche Waldwanderung. Lobeda   und Kahla   find noch Industrienester: Holz und Porzellan Bon Orla­münde, das auf stolzer Höhe thront, wandern wir, zur Linken das blinkende Silberband der Saale  , auf felten schönem Stammweg bis

die Ruhe, das önnen Sie! Uebrigens, ich habe Eile, in einer Weile fährt der Laftzug vorüber, da muß ich auf meinem Bosten sein! Der Bater liegt frant an der Gicht, tann sich nicht vom Bette rühren, ich muß ihn vertreten."

wollte sie das Gespräch in andere Bahnen lenken. Der arme Alte!" bedauerte Marina. Und ist er dort allein?"

Ich bin ja jeden Augenblick bei ihm, und meine verheiratete Schwester tommt zu uns aufräumen und bringt das Mittagsmahl." Sie hätten aber nicht vom Hause gehen sollen," sagte Marina schnell, der Laftzug fährt ja gleich, ich bitte, gehen Sie schon nach Hause!"

Nach Hause gehen," wiederholte der Bursche in einem bitteren Tone. Rann ich denn irgendwo Ruhe finden? Ich muß hierher laufen, wenn ich sehe, daß Ihr Mann ausgegangen ist, und dort zu Hause ist mir schon alles gleichgültig, auch wenn zwei Züge zusammenstoßen...

und im Geiste fügte sie noch hinzu: Er ist wirklich närrisch gewor Jungfrau Maria!" entfuhr es den Lippen der jungen Frau, den, was soll ich armes Frauenzimmer anfangen?"

Ihre Augen streiften wortlos die hohe Gestalt Juras  . Wie er so die Stirne an den Fensterladen gestützt hatte, die rechte Hand auf die Hüfte geftemmt, sah der junge Mann wirklich aus, wie von einem schweren Unglüd betroffen.

Das Mitleid fing an auch schon ihre Vernunft zu trüben. Wie im Nebel erschienen ihr die ganze Stube und draußen die Maß­liebchen, Butterblumen und der aufgeblühte Kümmel in dem Gärt­chen. Und wie kam das alles nach dieser unglückseligen Johannis­firchweih? Sie sprechen mit mir nicht wie mit einer Frau, die schon seit acht Monaten verheiratet ist," sprach sie befangen, und ich bin doch fein schlechtes Frauenzimmer!"

Was reden Sie da von Schlechtigteit?" entgegnete Jura mit zitternder Stimme. Ich habe ja nichts Böses mit Ihnen vor, und ich fürchte für Sie mehr, als für mich selbst. Für Sie möchte id) mich freuzigen lassen, und niemand darf Ihnen etwas Böses nach reden!"

,, Aber mein eigener Mann, was wird er sagen, wenn er er­fährt, daß Sie hier waren?"

Jura scharrte mit der Spitze seines Stiefels auf dem Boden, bevor er antwortete: Andere fommen ja auch her, fich Schuhe zu be­stellen, was sollte ich anderes mit ihm reden, wenn er mich hier treffen sollte?"

3u welchem Ende sollte es aber führen, Jungfrau Maria?" Schau, schau, wie Sie mich jetzt gescheit daran erinnern, daß 3u welchem Ende? Heiraten würde ich Sie gern, auf dem Sie nicht ledig find, aber dem Menschen die Vernunft rauben und| Amte als meine rechtmäßige Frau. Es wäre doch ganz leicht mög­

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Beilage des Vorwärts

vor die Tore vor Rudolstadt  . Stilles, verträumtes Thüringer   Städt­chen, ringsum von weitgedehnten, geheimnisvollen Wäldern um­geben. Weiter- nach Blankenburg  . Wir verlassen den Lauf der Saale   und stehen am Eingang des Schwarzatales. Die Berge gipfeln höher, das Tal wird enger, der Tannenwald düsterer, die die landschaftliche Szene abwechslungsreicher, packender. Hinter jeder Wendung, die des schäumenden Flusses Lauf in großer Zahl macht, neue Gruppierungen, neue Bilder, von den Höhen den schönsten Rundblick. Schwarzburg  , in einem drückend engen Tal und auf halber Höhe im Rottannenwald gesiedelt, schwarze Schieferdächer, schwarze Ziegeldächer, blizsauber, wie aus der Spielschachtel hin­gesetzt aber einstmals Residenzstadt. Auch das ist echt thüringisch.

Wir sind mitten im Thüringer Wald  , wir Großstadtmenschen. Die Lungen atmen tief, pumpen den Ozon märchenhafter Wälder ein, die Herzen schlagen frei und die Augen schauen in dem Meer von Grün und Sonnenlicht klar und weit. In dieser anderen Welt wird der Mensch erst wirklich sehend. Unsere Wege führen weit ab von den großen Verkehrsstraßen, Kammwege oder stundenlang durch das wohlgeordnete Straßennez der Jagen, Flußläufe hinauf und hinunter, Schluchten überquert, Gipfel erstiegen, das Reh und den Hirsch beobachtet, die Vogelwelt belauscht, stundenlange Gespräche mit dem Holzfäller und Wurzelroder, tiefe Einblicke in soziales Elend, bereiten unfere Mahlzeiten selber zu, sind von Hotel und Gasthof, Alkohol und Tabat so gut wie unabhängig, haben nur eines im Sinn: wir wandern mir wandern... Kickelhahn. Ueber allen Wipfeln ist Ruh" O grausamer Hohn, Goetehes Verse schön ein­gerahmt der stechenden Neugier und dem lärmenden Betrieb der Ausflügler ausgeliefert. Elgersburg  , föstlich im Tannenwald ge­bettet. Borbei an Oberhof  , dem Kulturpest verbreitenden Kurort der oberen Zehntausend. Aber höher hinauf: Rennstieg   und Insels­berg zu. Thüringer  , eingeborene Thüringer, eisgraue Leute, wundern sich baß und befreuzigen sich, als sie hören, daß wir im Abendschein noch stundenweiten Hochwald durchqueren wollen. Nachtwanderungen sind für sie der Schrecken aller Schreden. Aber gewildert wird trotzdem. So ist Thüringen  , so sind die Thüringer  .

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Den Inselsberg, die ragende Bastei des Thüringer Waldes  , erffimmen und überschreiten wir im Berlauf einer Nachtwanderung, nach Mitternacht  , in tiefster Ruhe; im Osten färbt sich schon der Himmel rötlich und schwaches Morgengrauen beginnt die Nachtdunkel­heit zu verdrängen. Das ist zauberhaft, reizvoll- wieder eine andere Welt.

Schon auf dem Rennstieg, nördlich des Inselberges, macht der duftende Tannenwald hochstämmigem, wuchtig ausladendem Buchen­wald Plaz. Auf der Strecke vom Inselsberg bis Eisenach   herrscht fast allein der sattgrüne Laubbaum vor. Die Wartburg   ist das vor­läufige Ziel unserer Wanderung. In alter Schönheit ragt die Burg auf steiler Höhe aber der Betrieb ist häßlich, abstoßend.

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Quartiere.

Zum Abschluß noch einiges über Quartiere. Das Beispiel von Burg Saaled haben wir mehrfach zu wiederholen versucht. Wir haben es versucht meistens ist es mißlungen! Es gibt nur noch wenige Thüringer   Burgen wir meinen die ohne Hotelbetrieb die dem Wanderer eine Nacht Unterschlupf und romantisches Hoch­gefühl bieten. Oft haben wir am Fuße einer Burgruine auf daunen­weichem Moos zwischen hohen Farngewächsen geschlafen. Das stärft Glieder und Nerven, regt gewaltig die Eßlust an, ist eine wahre Wohltat für den Körper des Großstadtmenschen. Versucht's nur malt Mit den Schutzhütten, die es auf dem Thüringer Wald   zahl­reich gibt, hatten wir ein ähnliches Glück wie mit den Burgruinen: mir fanden sie in der Regel erst am nächsten Morgen, indessen wir die Nacht auf moosigem Waldboden erquickend geschlafen hatten. Einmal, nachdem wir stundenlang durch strömenden Regen gewaret waren, fanden wir unsere geliebte Schutzhütte hoch oben auf dem mehr als 800 Meter hohen Hahnenberg am Eingang zum Schwarza­tal. Wir beschlossen, die Nacht zu bleiben und haben es sehr bereut. Während der ganzen Nacht hatten wir ungebetenen Besuch, der uns nicht zur Ruhe kommen ließ: Ratten, Ratten, Ratten! Unser nächtliches Jagen hat nicht geholfen, nach einigen Minuten waren die efelhaften Biester immer wieder da. Aber wir hielten bis zum Morgen aus und hatten dann noch von der Spize des Aussichtsturms einen wunderbaren Sonnenaufgang....

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Südlich von Eisenach   erstreckt. sich das Meininger Land, vom Norden nach Süden durchschnitten vom Werratal. Südwestlich breitet sich die Rhön   aus, von hohen Bergspigen gesehen ein groß­artiges Bild vom Berg und Wald und Wald und Berg. Hier beginnt ein neuer Abschnitt unserer Wanderung.... F. P.

lich, wenn Sie sich scheiden lassen und aus der Kirche austreten! Heutzutage sieht kein vernünftiger Mensch etwas Schlechtes darin." Marina preßte jetzt beide Handflächen an ihre Schläfen: Ich begreife es nicht," entgegnete sie mit zitternder Stimme, das muß irgendeine Sinnestäuschung sein...... Und der Zug wird gleich bei Ihrem Wächterhause vorüberfahren. Niemand wird dort machen! Es tann ein Unglück geschehen, laufen Sie nur schnell, mein Gott, schnell!

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Jura zog aus seiner leinenen, mit einem Riemen umgürteten je die Uhr, wirklich, es war höchste Zeit... Ja ich muß mich beeilen! Aber beurteilen Sie nicht schlecht, was ich Ihnen vorschlug. Ich erwarte sehnsüchtig Ihre Antwort. Täglich abends werde ich eine Stunde lang dort unter den Steinbrüchen herumlaufen und auf Sie warten, mie auf eine Erlösung wie auf eine Erlösung! Du, meine süße Marina!..

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Und schon flog Jura wie der Wind, den Hut in der Hand, die Anhöhe herunter zu seinem Wächterhäuschen. Marina taumelte vom Fenster zum Tische, ihren Kopf auf den Ellbogen stützend.

Was für gute, liebe Worte er für sie hatte! Du meine füße Marina! Niemand auf der Welt hatte sie noch so genannt! Und in dieser russischen Leinenbluse, die er aus der Gefangenschaft mit­gebracht hat, schien er ihr wie der Märchenprinz, von dem sie gelesen hatte! Wie war es nur? Die jüngste der drei Schwestern war ver stoßen worden, da erblickte sie der Prinz... Woher er fam, niemand wußte es, und genau so, wie er auf dem Bilde im Märchenbuche aus. sah, sah er dem Jura ähnlich!

Sie stieg auf den Schemel, suchte aus dem Wandschranke das Buch heraus und schlug die Seite auf, wo das Märchen von dem Prinzen begann.

,, Ja, ja, nicht anders, gerade sieht er so aus wie der Jura! Jungfrau Maria! Wer hätte es jemals gehört, daß ein verheiratetes Weib solche Gedanken habe! Und scheiden sollte sie sich lassent Daß er nicht gestraft wird, der Jura, für seine sündhafte Rede! Ah, es ist nötig, daß ich heil dir, o Königin und Du mein Schuh­engel" bete!"

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hatte, dort den Fußsteig auf und ab, aber er wartete vergebens Jura ging allabendlich zu den Steinbrüchen, wie er es gefagt fünf Tage hindurch. Dieses Beib ist ganz anders wie die anderen," miederholte er immer voll Sehnsucht, aber gerade deshalb möchte ich mein Leben für sie geben. Heute aber muß ich sie endlich sehen, oder ich lege meinen Kopf auf die Schienen,' dann wird sie doch müssen an meine Liebe glauben!" ( Fortsetzung folgt.)