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Nr. 379 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 194

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Donnerstag, den 13. August 1925

Das Londoner Ergebnis.

Volle Einigung über die Antwort an Deutschland .

Paris , 12. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Ueber die Con­doner Besprechungen ist von französischer Seite am Mittwoch nach­mittag folgende amtliche Meldung ausgegeben worden: Die Be­sprechungen zwischen Briand und Chamberlain haben zu einem voll­fommenen Einvernehmen über den Tegt der Note geführt, die die franzöfifche Regierung im Einvernehmen mit den alliierten Kabi­neffen als Antwort auf die jüngste deutsche Note, betreffend die Garantie- und Schiedsgerichtsverträge, nach Berlin richten wird. Die Aussprache hat darüber hinaus Gelegenheit zu einem Meinungs­austausch über die Fassung des Sicherheitsvertrages gegeben. Ein der­artiger Vertrag wird seine endgültige Form jedoch erst erhalten können, nachdem darüber zwischen den Vertretern aller daran inter­effierten Parteien Verhandlungen stattgefunden haben. Die Unter­haltungen von London haben in beträchtlichem Maße dazu bei­getragen, die Stunde der späteren Besprechungen zu beschleunigen, von denen ein endgültiges Ergebnis erwartet werden darf."

Aus dieser amtlichen Darstellung geht hervor, daß die Lon­ doner Verhandlungen zwar zu einer Einigung über die französische Antwort an Deutschland geführt, dagegen fein abschließendes Ergebnis gezeitigt haben für die Fassung des in Aussicht ge­nommenen Sicherheitsvertrages. Nach den Mitteilungen der französischen Preise haben die beiden Außenminister mehrere Kom­promißformeln erörtert, die, wenn sie auch eine wesentliche An­näherung der beiderseitigen Auffassungen ermöglichten, doch noch feine endgültige Formulierung erfahren haben. Die am Mittwoch morgen vom Petit Parisien" darüber gemachten Angaben werden am Abend in einem Londoner Telegramm des Temps " bestätigt. Danach soll es

"

über die Frage des Eintritts Deutschlands in den Bölkerbund

zu einem prinzipiellen Einvernehmen gekommen

sein, dessen Grundlage die in der deutschen Note vom 20. Juli angeregte 3 wischenlösung bilden soll, welche die Zeitspanne bis zur Berwirklichung der allgemeinen Abrüstung zu über­brücken bestimmt ist. Die englische Regierung habe angeregt, daß Deutschland schon jetzt seine Aufnahme in den Völkerbund zu bean­tragen ermöglicht werden soll, sein Eintritt jedoch erst effektiv werde mit dem Augenblid, wo die zuständigen alliierten Instanzen die restlose Erfüllung der verschiedenen Vertragsbestimmungen durch Deutschland offiziell festgestellt haben werden. Bezüglich der in der deutschen Note enthaltenen Vorbehalte gegenüber dem Artikel 16 des Völkerbundspattes seien die englische und französische Regie rung übereingefommen, späteren Verhandlungen darüber die Türe offenzuhalten. Auch in der Frage der automatischen Santtionen sei ein wichtiger Schritt nach vorwärts getan worden; es habe

das englische Außenministerium das Zugeständnis gemacht, daß im Falle einer flagranten Berlehung der Versailler Ar­tifel 42 bis 44 oder entsprechender Bestimmungen des Sicher­

Schutzhaft für Skandalmacher. Eine Anordnung des Berliner Polizeipräsidenten. Amtlich wird mitgeteilt: Der Polizeipräsident hat mit fofortiger Wirkung angeordnet, daß zur rücksichtslosen Bekämpfung der überhandnehmenden Ruhestörungen in Berlin in weitestem Umfang von der Berhängung der Schuhhaft nach dem Gesetz vom 12. Februar 1850 Gebrauch gemacht werden soll. Alle Personen, die einzeln oder in Trupps die Straßenpaffanten beläftigen oder bedrohen, die Schuhpolizei durch Zurufe beleidigen oder sie in Ausübung ihres Dienftes stören, ruheftörenden Lärm verüben oder den polizeilichen Anordnungen zum Aus­einandergehen oder zum Berlassen der den Ruhe­fförenden ausgefehten Berkehrsplähe nicht un­verzüglich Folge leisten, find ohne weitere Forma­1itäten in Sammeltransporten nach dem Polizeipräsidium am Bleranderplah zu befördern und dort bis mindestens zum nächsten Morgen in Schuhhaft zu behalten. Da ein solches Berfahren nur dann Erfolg verspricht, wenn es summarisch ausgeführt wird, muß der ordnungliebenden Bevölkerung be­fonders anempfohlen werden, fich von allen Unruhezentren fern­zuhalten.

Das Treiben der Hakenkreuzler vom völkischen Frontbann" hat in den letzten Tagen einen besorgniserregen den Umfang angenommen. Es ist daher begreiflich, daß der Polizeipräsident die äußersten Mittel anwenden will, um dieses terroristische Treiben einer verheßten Jugend zu unterbinden. Die neue Anordnung des Polizeipräsidenten wird sicher von all denen angegriffen werden, die von jeher die nationalen" Rowdies unter ihren Schutz genommen haben und die noch jekt alle Entschuldigung für jeden Att des Terrors aufbringen, während sie gleichzeitig das zum Schutz der Republik ge­gründete, Reichsbanner" tagtäglich mit den bösartigsten Ver­leumdungen verfolgen.

Zweifellos ist die Verhängung der Schuhhaft

heitspattes Paris und London auf Grund einer gemeinsamen

Berständigung spontan zu handeln berechtigt seien, und daß nur Vertragsverlegungen von geringer Be­deutung Gegenstand eines Schiedsgerichtsverfahrens bzw. des in der Bölkerbundsfagung vorgesehenen Verfahrens bilden sollen. Für die Ostfragen und die damit zusammenhängenden Probleme habe die englische Regierung sich ihre endgültige Entscheidung vorbehal ten, schon jetzt aber prinzipiell erklärt, daß sie im Falle von Ver­widlungen im Osten nur dann einzugreifen bereit sei, wenn der Konflikt sich zu verallgemeinern oder auf den Westen über zugreifen drohe.

Die französische Antwort auf die deutsche Garantienote wird nach der nunmehr erfolgten Zustimmung Englands voraussichtlich noch im Laufe der nächsten 24 Stunden den Kabinetten von Rom und Brüssel unterbreitet werden. Mit ihrer Ueberreichung an Deutschland ist für Ende dieser oder Anfang nächster Woche zu rechnen. Es wird in Paris als feststehend angenommen, daß

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Schluß!

Der Reichstag geht in die Ferien.

Der Reichstag der Dezemberwahlen von 1924 ist gestern abend in die Ferien gegangen. Er hat zuvor eine unge heure Arbeitsleistung vollbracht und würde die Qualität der Quantität entsprechen, so hätte er sich alle möglichen Lorbeern verdient. Wie wenig das aber der Fall ist, weiß jeder, der seine Verhandlungen mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt hat. Die Gesetzgebungsmaschine war nicht auf die Herstellung von Qualitätsmare eingestellt, sondern auf die Massenfabria tation minderwertiger Produkte von geringer Haltbarkeit. Mit dem Fortschritt der Jahreszeit und des Ferienbedürfnisses steigerte sich das Tempo bis zum Widersinn. Schleuderhafter ist wohl überhaupt nie ein wichtiges Gesetz bearbeitet worden, wie in diesem Reichstagssommer der neue Zolltarif.

Trozdem gelang es dem Reichstag nicht, das Hausa haltsgesez für das laufende Rechnungsjahr fertigzustellen. Man behalf sich mit einem Notgesetz, das der Regierung weit= gehende Vollmachten gibt. Sollen wir wieder zu geordneten Zuständen kommen, so wird es notwendig sein, daß der Reichsa haushalt in Zukunft nicht nur gründlich durchgearbeitet, son­dern auch rechtzeitig fertiggestellt wird.

Dr. Stresemann in den ersten Septembertagen Gelegenheit zu einem mündlichen Meinungsaustausch mit den alliierten Außen­ministern haben wird. Aller Voraussicht nach dürfte dafür ein Ort in der gewesen, dies zu tun, ohne fich zum Schluß über alle geschäfts Umgebung von Genf gewählt werden.

London , 12. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Die Besprechung Briands mit Chamberlain war wider Erwarten bereits am Mittwoch nachmittag um Uhr abgeschloffen. Die Borbehalte Deutsch lands für den Eintritt in den Völkerbund dürften nach wie vor für die Alliierten unannehmbar sein. Wesentlich ist die erzielte Annäherung an den deutschen Standpunkt dahin, daß Frankreich und England jetzt über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer baldigen mündlichen Aussprache mit Deutschland übereinstimmen. Es verlautet, daß die alliierten Staatsmänner beschlossen haben, mit der Note an Deutschland gleichzeitig eine Einladung zu einer baldigen mündlichen Aussprache zu senden.

Briand ist vollauf befriedigt.

London , 12. Auguft.( Reuter.) Briand hat Pressevertretern erklärt, wie sehr ihn die Besprechungen mit Chamberlain befrie digt hätten. Immer wieder sagte er, daß das Programm der Konferenz völlig durchgeführt worden sei. Es sei ungemein wichtig, daß die Aussprache mit einer völligen ll ebereinstimmung über die Note an Deutschland geendet habe; sie werde etwa in vier bis fünf Tagen abgesendet werden, sobald die fachlichen Sachvers ständigen fie in eine ordnungsmäßige diplomatische Form gefleidet hätten. Es bestehe teine Notwendigkeit einer Neuaussprache vor dem Zusammentreten der Böllerbundsversammlung in Genf im nächsten Monat.

auf Grund eines überalterten Gesetzes ein Mittel, das sehr leicht die gegenteilige Wirkung deffen erzielen fann, was damit be absichtigt war. Besonders bringt das sogenannte summarische Verfahren" Gefahren auch für diejenigen friedlichen Staats­bürger, die ohne ihr Zutun in einen randalierenden Menschen haufen geraten und sich aus ihm nicht schnell genug entfernen fönnen, wenn die Polizei zum Auseinandergehen" auf­gefordert hat.

Bei der psychologischen Verfaffung mancher Polizeioffiziere muß man leider von vornherein mit mißgriffen rechnen. Wir haben erst in diesen Tagen von dem eigenartigen Verhalten von Polizeibeamten einschließlich des komman­dierenden Offiziers berichtet, das sie bei der Mißhandlung eines Mitarbeiters des Berliner Tageblatts" gegenüber dem jungen Manne an den Tag legten, der die Polizei zu der Stätte der Mißhandlung führen wollte. Wenn Polizeioffiziere solcher Veranlagung damit betraut werden, Sammeltransporte von Schuhhäftlingen zusammenzustellen, dann wird möglicherweise am Aleranderplah eher eine Versammlung von friedlichen republikanischen Mitbürgern zusammengetrieben werden, als eine solche von völkischen Radauhelden.

Man muß deshalb von der Um sicht und der Energie des Polizeipräsidenten und seiner Oberbeamten er­warten, daß sie die Ausführung der Anordnung in solche Bahnen lenken, daß nicht die völkischen Rowdies ihr Wesen treiben fönnen, während Unbeteiligte und Mißhandelte schließ­lich in Schutzhaft genommen werden. Wir hoffen jedoch, daß schon die Veröffentlichung dieser Verordnung auf die völkischen Frontbannleute einigermaßen abfühlend wirkt und daß man infolgedessen in Berlin wieder ohne Lebensgefahr die Farben der Republik zeigen kann. Wenn die Ruhe im Berliner Westen auf solche Weise wiederhergestellt wird, dann wird sich binnen furzem auch die Anordnung der Schuhhaft von selbst über­flüssig machen und ihre Aufhebung nicht lange auf sich warten lassen.

Sachlich lag zweifellos die Notwendigkeit vor, die großen Finanz- und Wirtschaftsfragen der Aufwertung, der Steuern und der 3ölle zur Entscheidung zu bringen. Bei einer besseren Arbeitsdisposition wäre es wohl auch möglich ordnungsmäßigen und verfassungsrechtlichen Hemmnisse mit einem Berzweiflungssprung hinwegsehen zu müssen. Sachlich aber war es, wie gejagt notwendig, nach der Stabilisierung der Währung, der Beruhigung der außenpolitischen Verhältnisse auch für eine gewisse Stabilisierung der finanz- und wirtschafts­politischen Grundlagen Sorge zu tragen. Erreicht worden ist diese Stabilisierung freilich nicht, denn die Unruhe wegen der Aufwertung ist nicht beseitigt, an den Steuern wird, faum daß fie beschlossen sind, wieder herumgeflickt, der Zolltarif gilt staltung der Grundlagen unserer Handelspolitik ist aber noch mur für zwei Jahre, der Kampf um die endgültige Ge nicht abgeschlossen, er bricht vielmehr jetzt erst recht los.

Die Finanz- und Steuergesetze sind unter Umständen ge= macht worden, unter denen die Sozialdemokratie auf die Rolle der Opposition und der Kritik beschränkt war. In diese Rolle hat sie sich keineswegs gedrängt. Sie war und ist zu positiver Arbeit bereit, ist bereit, mit einer Geseze schafs fenden Mehrheit die Mitverantwortung zu tragen. Und gewiß hätten auch unter ihrer Mitarbeit die schwierigen Fragen, um die es ging, nicht zu allgemeiner Zufriedenheit gelöst werden fönnen. Aber ebenso gewiß wäre die einseitige plutofraa tische Härte der neuen Wirtschafts- und Steuergesetzge bung vermieden worden, wenn sie mit am Werke gewesen wäre.

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Hervorgegangen ist diese Gefeßgebung aus der intimen, bis zur äußersten Solidarität gesteigerten Zusammenarbeit der Rechtsparteien und des Zentrum s. Das Zentrum rühmt sich, eine Partei des Ausgleichs und der Vermittlung zu sein was aber hat man in den letten kampfesheißen Wochen von dieser ausgleichenden und vermittelnden Tätigkeit bemerft? Am Zentrum hat sich das Wort bewährt: ,, Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte." Da es sich auf die Ge­meinschaft mit den Deutschnationalen eingelassen hatte, blieb ihm zum Schluß nichts anderes übrig, als jede Schändlichkeit, bis zur brutalften Vergewaltigung der Minderheit mitzu­machen.

Die Politiker des Zentrums müßten weniger flug sein, als sie es sind, wenn es ihnen nicht gelänge, vor einer ihnen unverbrüchlich vertrauenden Anhängerschaft ihr Verhalten mit allerhand Scheingründen zu bemänteln. Und natürlich läßt fich über die Bedeutung der Zölle und über den Sinn von Para­graphen der Geschäftsordnung oder der Verfassung ellenlang schreiben und stundenlang reden, sei es zu dem Zweck der Auf­hellung oder zu dem der Verdunkelung. Aber mehr als das fann vielleicht eine einzige, wenig beachtete Tatsache zur Illu­stration dienen.

die Zölle am Sonnabend von den Deutschnationalen nur Wenn nämlich bei Beginn des Entscheidungskampfes über 7 vom Hundert, vom 3entrum aber 33 vom Hundert der Abgeordneten fehlten, wenn also von den einen nur ein Fünfzehntel, von den anderen ein volles Drittel abwesend war, so sieht man doch schon daran deut­lich genug, wer der Treiber und wer der Getriebene war. Ganz so wohl zumute, wie sie es gerne glauben machten, ist den Her ren vom Zentrum nicht: die Fehlziffern der Fraktion, das Ver­halten einzelner Abgeordneter bei den entscheidenden Abstim­mungen zeigt die fch were Belastung des Gewissens. Die Steuer- und Wirtschaftspolitik, die vom Zentrum mit­getragen wird, ist teine Politik der Mitte, sondern eine Politik der Rechten, eine Klassenpolitik im Interesse der Be sigenden, und eine unheilvolle Berschärfung der Klaffenkämpfe wird ihre notwendige Fogne fein.

Aus den parlamentarischen Kämpfen der letzten Zeit geht die Sozialdemokratie als die unterlegene Minders heit hervor, Das auszusprechen ist durchaus teine Schande,