Die Haussuchungen bei Kußmann-Casparp. Eine Erklärung des preuhischeu Justizministeriums. Der Amtliche Preußische Pressedienst schreibt: Nach der von der Berliner Kriminalpolizei bei den Assessoren K u ß m a n n und C a s p o r y vorgenommenen Durchsuchung sind in der Presse heftige Angrisse auch gegen das preußische Justizministerium gerichtet worden. Das Ministerium hat zu den von der Kriminalpolizei eingeleiteten Ermittelungen öisentlich bisher nur insosern Stellung genommen, als es' im Einoernehmen mit dem Polizeipräsidenten die Behauptung zurückgewiesen hat. eine vom M i n i st e r i u m eingeleitete Untersuchung Hobe zu jenen kriminalpolizeilichen Durchsuchungen geführt. Das Materiol für diese Durchsuchungen rührt, wie das Justizministerium im Ein- vernehmen mft dem Polizeipräsidenten wiederholt, nicht von dem Ministerium her, auch sind die Durchsuchungen nicht aus Anweisung des Ministeriums erjolgt. Der Leiter der Kriminalpolizei hat ledig- lich im Austrage des Polizeipräsidenten am Nachmittag vor den Durchsuchungen dem Staatssekretär im preußischen Justizministerium als Dienstoorgesetzten der betroffenen Beamten von den bevor- stehenden Maßnahmen loyalerweise Mitteilung gemacht, ohne um eine Anweisung nachzusuchen. Vom Staatssekretär sind Bedenken nicht erhoben worden unter der Voraus- setzun, daß die Grundlagen für die Durchsuchung vorhanden seien. Wie schon bekannt ist, liegen die Ermittlungen jetzt in den Händen der Staatsanwaltschaft des Landgerichts l. D a s M i n i- sterium beabsichtigt nicht, vor dem Abschluß der Ermittlungen zu ihrem Gegenstand oder ihrem Ergebnis Stellung zu nehmen. Im Lause dieser Ermittlungen wird auch fort- dauernd geprüft, ob«in Anlaß zu Disziplinarmaß- nahmen gegen die beteiligten Iustizbeamten gegeben ist. Die gegen Beamte des Justizministeriums er- hobenen Vorwürfe sind unbegründet, soweit sie nicht über- Haupt so allgemein gehalten sind, daß sie sich jeder Nachprüfung ent- ziehen. Unbegründet ist insbesondere der Vorwurf, daß die Bearbei- tung der Strafsachen gegen Barmat und Kutisker den früheren Bearbeitern ohne sachlichen Grund und unter dem Ein- iluß von politischen Freunden und Anhängern der Beschuldigten ent- zogen worden ist. Ebenso unbegründet ist der Vorwurf, daß Beamte des Justizministeriums während der Tätigkeit der Untersuchungs- ausschüsse schwerwiegende Schritte getan hätten, welche die Auf- deckung der Wahrheit verhinderten. Ein Anlaß zu einem Diszipli- narverfahren, geschweige denn zu einem strafrechtlichen Einschreiten gegen Beamte des Justizministeriums liegt nicht vor.
Der Geist ües Mittelalters. Gustav Rickelt über den„Jall Gärtner". Der Staatsgerichtshof in' Leipzig hat den Schauspieler Rolf Gärtner wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unterneh- mens zu 1 Jahr Z Monaten(I) Gefängnis verurteilt. Gustav Rickelt , der Präsident der Genossenschaft deutscher Bühnen- angehöriger, war von der Verteidigung als Sachverständiger vorgeschlagen worden. Der Staatsgerichtshof hat ihn abgelehnt, weil es sich bei der Beurteilung des Gärtnerischen Verbrechens .einzig und allein um die j u r i st i s ch e Beurteilung" handle. Nickelt konnte aber an der Verhandlung selber als Zuhörer teil- nehmen. Auf Grund seiner hier gewonnenen Kenntnisse wendet er sich jetzt im.Berliner Tageblatt" an die Oeffentlichkeit. Cr schildert den Werdegang Gärtners, den er als einen zwei- iellos ehrlichen, wenn auch etwas verstiegenen Idealisten charakterisiert. Don den bayerischen Behörden ist Gärtner dauernd schikaniert worden. Anderthalb Jahre war er wegen seiner Tätig- keit im Würzburger Arbeiter- und Soldatenrat zu Festungshast ver- urteilt. Später wurde er aus Bayern ausgewiesen. In Stuttgart erhielt er Gelegenheit, künstlerisch« Veranstaltungen für die kommunistischen Frauen und für die Jugend zu betreiben. Seine Verurteilung erfolgt« dann wegen des Erinnerungsfestes an den Jahrestag der bolschewistischen Revolution. Sämtliche dabei von ihm zum Dortrag verwandten Gedichte und Szenen sind in jeder Buchhandlung käuflich und nicht verboten. Rickelt schildert die ganzen Vorgänge mit einer starken �Empörung und schließt seinen Appell an die Oeffentlichkeit um Hilfe mit der Der- sicherung: .Zch habe manchmal während der Verhandlung den Kopf ge- schüttelt und das Gefühl gehabt: der Geist de» Mittelalters geht durch den Saal!" Nicht Rkckelt allein hat die« Gefühl gehabt. Jeder, der sich noch ein Empfinden für Recht bewahrt hat, wird den Urteils- spruch des Staatsgerichtshofs, der ijt künstlerischen Rezitationen Vorbereitung zum Hochverrat erblickt, als ein ungeheuerliches, das Ansehen unseres Lande» schändendes Fehl- urteil empfunden haben. Mag auch bei der immer wiederkehren- den Parteilichkeit deutscher Gerichte in politischen Prozessen mancher gegen die Ungeheuerlichkeit dieser Urteile abgestumpft sein, so darf doch die Oeffentlichkeit nicht aushören, gegen die Iustizschande zu protestieren. Auch Fechenbach ist schließlich durch den Druck der Oeffentlichkeit befreit worden. Ein Jahr und drei Monat« Gefängnis für künstlerische Rezitationen! Welcher Deutsche kann schwelgen, wenn so das Ansehen de» deutschen Namens vor aller Welt mit Füßen getreten wird. Gegen das Urteil des Staatsgerichtshoss gibt es keine Möglichkeit der Appellation, es gibt nur die Möglichkest der Begnadigung. Will der Reichs präsi- dent Hindenburg ein solches Urteil durch Ablehnung der Be- gnadigung gutheißen?_ Schtveiüm'h und die Verfassung. Richtcrtum und Republik . Schweidnitz , die Stadt der Stricgauer Richter, hat bei dem VerfassungStag nicht einmal eine behördliSe Ver- fassungsfeier abhalten können. Der Mogistrat der Stadt begründet diese Tatkoche damit, daß es ihm nicht möglich war. für die Verfassungsfeier einen Redner zu finden, trotzdem Schweidnitz der Sitz zahlreicher staatlicher, kommunaler und provinzieller Behörden mit hohen Beamten ist. In dieser Stadt finden in wenigen Wochen obermol« Verhandlungen gegen die Striegauer Reichsbannerkameraden statt. Man wird von gerichtlichen Behörden, die in einer derartigen Umgebung leben und unter denen wohl selbst kaum ein einziger aufrechter Republikaner ist, auch sür den Prozeß kaum etwa« Gutes er- warten können. Studenten und Verfassungsfeier. Aus studentischen Kreisen wird uns geschrieben: Bei der Der- fassungsfeier der R e i chs r« g i e r u n g hat die Studentenschaft. die doch sonst oft genug ihre Chargierten in vollem Wichs auf- ziehen läßt, nicht teilgenommen. Das dürfte sich aus der politischen Einstellung ihrer Mehrheit, und vor ollem der meisten Korporativ- nen erklären. Immerhin haben ein« nicht unbedeutend« Anzahl freiheitlich gesinnter Korporationen die Reichsregierung ge-
beten, ihnen Zutritt zur Versassungsfcier zu gewähren. Sie wiesen auf Möglichkeit hin, die Chargierten so auszustellen, daß sie ein Spalier sür den aus dem Rcichstagsgebäude kommenden Reichspräst- deuten bildeten. Obwohl Platz genug auf der Treppe des Reichs- tages gewesen wäre, wurde ihr Anerbieten abgelehnt! Die gesamte Studentenschaft sei willkommen, ein Teil dagegen könne nicht zugelassen werden. Die Eisenbahnunfälle in Deutschland . Dem Reichstag ist die geforderte Denkschrift über die im Reichs- bahngebiet vorgekommenen Unglücksfälle jetzt zugegangen. Bor dem Kriege haben die deutschen Eisenbahnen in bezug auf die Betriebssicherheit eine der ersten Stellen in der We!t einge- nommen. Es betrugen die Unglücksfälle im ganzen auf l Million Zugkilometer im Jahre 1911 gleich 4.4Z, nachdem sie 1890 noch 11,3 und 1880 sogar 17,9 betragen hatten. Erst während des Krieges ist eine bedeutende Steigerung eingetreten, die im Jahre 1919 mit 10,78 ihren Höchststand erreichte und dann bis 1924 auf 6,33 sich wieder senkte. In den letzten Jahren hat, wie die Denkschrift feststellt, sich eine Anzahl schwerer Unfälle auf der Deutschen Reichsbahn ereignet. die leider eine große Anzahl Opfer an Leben und Gesundheit gefordert und in weiten Kreisen Aufsehen erregt haben. Die Denkschrift behandelt die Betriebssicherheit auf den deut- schen Bahnen in den Jahren 1911 bis 1924. Die Ursachen der Steigerung der Unfälle während des Krieges sind: Abgabe zahl- reichen und gut geschulten Personals für Heereszwecks und statt dessen Einstellung wenig geeigneter Hilfskräste. Unregelmäßigkeit des Betriebes durch Heerestransporte, Verwendung"der Beute- wagen, Verwendung von Ersatzstosfen bei der Instandhaltung von Lokomotiven und Wagen, unzureichende Schmiermittel und mangel- hafte Beleuchtungsstoffe und Kohlen. Die nachteiligen Wirtungen der Nachkriegszeit waren: Schlechter Zustand der Lokomotiven und Wagen, Mangel an Baustoffen für Ausbesserungen, Unregelmäßigkeiten des Betriebes mit starken Ver- spätungen und Betriebsstockungen, teilweise Betriebsstillegungen durch Streiks und politische Unruhen, Gewaltmaßnahmen und Schikanen der Besatzungsbehörden im besetzten und Einbruchs- gebiet, die sich auf die Betriebsführung im unbesetzten Deutschland durch Störungen aller Art auswirkten. Auch die allgemeine Ner- vosität des öffentlichen Lebens in der Nachkriegszeit, die Inflation, die Beamten, und Besoldungsnot haben die Gemüter der Eisenbahnbedienftetcn stark bedrückt und mittelbar das Zu« standekommen von Unfällen begünstigt. Im Jahre 1911 sind 3171 Unfälle vorgekommen, im Jahr« 1917 5446. im Jahre 1923 2680, 1924 2445. Im Jahre 1924 wurden 361 Entgleisungen gezählt, serner 191 Zusammenstöße und 2193 sonstige Unfälle, wie Uebersahren von Fuhrwerken, Feuer im Zuge, Kesselexplosionen und andere Ereignisse, sofern Personen ge- tötet oder verletzt worden sind. Die Zahl der beim Eisen« bahnbetrieb Getöteten oder Verletzten betrug im Jahre 1924 2701. Im gleichen Jahre kamen 843 Reisende zu Schaden, von denen 132 getötet wurden. Die Zahl der ver- unglückten Bediensteten betrug 13 7 6, von denen 343 ge- tötet wurden.— Durch technische Vervollkommnung des Betriebes wird versucht, Unglücksfälle möglichst zu verhüten. Der Auslese des Personals wird erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet. Die deutschen Sicherungsanlagen haben anerkanntermaßen einen sehr hohen Grad der Vollkommenheit erreicht.
Deutsch-franzö'sischer Geenzvertrag. Unterzeichnung in Paris . Paris , 14. August. (WTB.) Der am 13. April d. I. para- phierte Vertrag über die Festsetzung der deutsch -französischen Grenze ist heute nachmittag in Paris von dem deutschen Botschafter, Dr. von Hoesch, und dem Wirklichen Legationsrat Freiherrn von Grünau. sowie von dem Direktor im französischen Außenministerium, Laroche, unterzeichnet worden. Der Vertrag legt das Ergebnis der von den Grenzkommissionen vorgenommenen Vermessung»- und Gemar- kungsarbeiten fest und sieht zur Verhütung von Grenzzwischenfällen genaue Vorschriften für die Unterhaltung der Grenze vor. Abgesehen von dem Austausch einiger Gebietstelle von gering- fügigem Ausmaße, der aus praktischen Rücksichten für angezeigt ge- hallen wurde, erleidet die Landesgrenze keinerlei Veränderung gegenüber dem Zustand der Grenze vor 1871, die durch den Der- sailler Vertrag wiederhergestellt worden ist. Längs des Rheins nimmt der Vertrag die alle Eigentums- und Banngrenze auf, die vor 1871 neben der Hoheitsgrenze bestand und bestimmt, daß die Grenzen der französischen (Elsässer) Gemeinden, die auf dem rechten Rheinufer Gemeindceinkommen besitzen, nicht über die Hoheitsgrenzen hinausreichen. Anderersells legt der Vertrag die Rechte und Vergünstigungen fest, die diese Gemeinden bei der Be- wirtschaftung ihres auf deutschem Gebiet gelegenen Grundbesitzes genießen sollen. Eine Reihe von Artikeln behandelt die Rhein » brücken, die nach dem Versailler Vertrag Eigentum de» f r a n zö« s i s ch e n Staates geworden sind. Bei den festen Rheinbrücken geht die Hoheitsgrenze durch die Mitte der Gesamtlänge aller Haupt- stromöffnungen. Bei den Schiffsbrücken verläuft sie in gleichem Ab- stände von den Außenrändern der auf beiden Flußufern gelegenen Landschwellen. Im einzelnen wird festgelegt, in welcher Weise auf den östlichen Brückenhälften die deutschen Hoheitsrechte und die fran- zösischen Eigentumsrechte nebeneinander zur Gellung kommen sollen. Im Interesse ruhiger und freundschaftlicher Beziehungen der Grenz- bevölkerung beider Länder werden dieser in einer Reihe von Be« ftimmungen besondere Erleichterungen gewährt. Gleichzeitig mit dem Abschluß des Grenzvertrages ist vereinbart worden, daß die deutschen Reichsangehörigen, die auf fronzösischem Gebiet in einer Zone von fünf Kilometern längs der Grenze land- und forstwirt- schaftlichen Grundbesitz haben, ab 1. November d. I. In ihre Eigen- tumsrechte wieder eingesetzt werden. Die Wiedereinsetzung erstreckt sich nicht auf den bereits liquidierten Grundbesitz und auf solchen öffentlich-rechtlichen Charakter».
Die Regierungskrise in Vanzig. Tie Folge deutschnationaler Katastrophcnpolitit. Der kleine Freistaat Danzig an der Weichselmündung erlebte während der Sommermonate ein« Regierungskrise, die nunmehr durch die Neubildung des Senats unter Beteiligung der Sozialdemokratie beendet sein dürfte. Die neue Regierung, die aus Sozialdemokraten, Liberalen und Zentrum besteht, ist eine M i n d« r h e i t s r e g i e r u n g. die in dem Danziger Parlament, das 120 Abgeordnet« zähll, nur über 67 Stimmen oerfügt. Jedoch haben die Deutsch -Danziger Volks- Partei(Hausbesitzerpartei) und die polnisch« Fraktion der neuen Regierung wohlwollende Neutralität zugesichert. Die Sozialdemokratie stand in der Freien Stadt Danzig seit Begründung dieses Staatswesens im Jahre 1920 in schärfster Opposition zu dem bisherigen Senat. Durch die Abtrennung Danzigs vom Deutschen Reich wurden seinerzeft die nationalen Leidenschaften besonders aufgepeitscht und die Deutschnationalen konnten' als die stärkste Partei ins Parlament einziehen. Zu- sammen mit dem Zentrum und zeitweilig auch mit den Liberalen schufen sie die Verfassung für Danzig und bildeten auch später mit diesen Parteien die Regierung. In dieser hatten sie jedoch über- ragenden Einfluß.
Di« fünf Jahre deutjchnationaler Regiererei haben Danzig nunm-->,r an den Rand des Abgrund» geführt. Besonders die außenpolitische Lage Denzigs ist völlig verfahren. Selbstverständlich sind sich alle Danziger darüber einig, daß gegenüber dem polnischen Imperialismus die durch den Versailler Bertrag garantierte Selbständigkeit Danzigs gewahrt werden muß. Der deutschnationole Senat jedoch schoß in seiner Außenpolitik weit über das Ziel hinaus und machte Außenpolitik in der Art eines wilhelminischen Diplomaten und Leutnants a. D. Die Polen , die immerhin gegenüber dem kleinen Freistaat Danzig mit seinen 360 000 Einwohnern einen 30-Millionenstaat bilden, wurden von diesen Deutschnationalen noch immer als minderwertiges Knechtsvolk der„Polaken" angesehen. Natürlich nutzten die polnischen Machthaber und Chauvinisten dieses Gebaren des Danzigers Senats weidlich aus und der Völker» b u n d. der der garantierte Schutzherr Danzigs ist, hat in seinen Schiedssprüchen bei Danzig -polnischen Streitfragen meistenteils dem polnischen Standpunkt Rech- nung getragen. Die deutschnationale Regiererei in Danzig war also außenpolitisch betrachtet— wir erinnern nur an die vom Völkerbund genehmigte Errichtung �ines polnischen Munitionshafens in Danzig und die Errichtung einer polnischen Post— eine andauernde Kette von Mißerfolgen. Auch innenpolitisch hat sich das deutschnationale Regiment in Danzig zu einer schweren Katastrophe ausgewachsen. Di« Wirtschaftskrise hat in Danzig einen außerordentlich hohen Stand erreicht. Ein Industrie- und Handelsbetrieb nach dem anderen schließt seine Pforten: der Hafen liegt fast verödet und die Arbeitslosigkeit hat eine bisher noch nie gekannte Ausdehnung an- genommen. Kümmerte sich der deutschnationale Senat nicht um die Besserung der Wirtschaftslage, so ließ er um so mehr Eiferdem Aufbau der schwarzweißroten Verbände in Danzig zuteil werden. Iungdo, Stahlhelm usw. konnten unter behördlichem Beistand sich in Stadt und Land ausbreiten. Im Juni veranstclleten diese Organisationen einen„Deutschen Tag ", bei welchem die Redner ganz offen zum Revanchekrieg— natürlich in erster Linie gegen Polen !— hetzten. Die Folge war die, daß der Völker- b u n d und sein Kommissar in Danzig den Senat ernsthaft verwarnten. Aber was kümmerte das die deutschnationalen Katastrophenpolitiker? Sie wollten den Zusammenbruch des Staatswesens, weil sie hofften, auch daraus schließlich noch für ihre nationalistische Agitation neuen Stoff einzuheimsen. Diese gefährliche Lage Danzigs hat die Sozialdemokratie ver- anlaßt, ihre bisherige Oppositionsstellung aufzugeben und eine Koalition mit Liberalen und Zentrum einzugehen. Die Danziger Regierung, der Senat besteht noch der unter dem maßgebenden Einfluß der Deutschnalionalen geschaffenen Verfassung aus 22 Köpfen. von denen acht hauptamtliche Senatoren alle vier Jahre nach Neu- wohl des Volkstages gewähll werden und dann vom Vertrauen des Parlaments abhängig sind. Ihnen stehen die 14 parlamentarischen Senatoren gegenüber, die die Regierung nebenamtlich führen. In der neuen Koalition stellt die Sozialdemokratie 6 Senatoren und Liberale und Zentrum je 4. Ferner stellt die Sozialdemokratie den Vizepräsidenten des Senats, für welchen Posten der langjährige Führer der Danziger Sozialdemokratie, Genosse Julius Gehl. in Aussicht genommen ist. Die neue Regierung wird Ihre Hauptauf- gäbe darin sehen, zu einem erträglichen Verhältnis mit Polen zu kommen, ferner das provozierend« Auftreten und den Einfluß der nationallstischen Organisationen auszuschalten und darüber hinaus auch im Staatshaushalt Ersparnisse einzuführen durch Abbau des in übermäßiger Stärk« aufgezogenen Behörden- apparates, in dessen maßgebenden Stellungen überall deutschnatlo- nale Vertrauensleute sitzen. Die Danziger Sozialdemokratie hofft, durch Beteiligung an der Koalitionsregierung die frei« Stadt Danzig vor der drohenden Katastrophe bewahren zu können.
§rau kollontops Ehevermittlung. Man war in Moskau schon lange unzufrieden darüber, daß es in Norwegen zu wenig Kommunistinnen und überhaupt keine weib- lichen Agitatoren gab. Die Versuche, in Norwegen Verfechterinnen des Kommunismus zu finden, waren nicht sehr erfolgreich. Die Frage war nun, wie man die Einreiseerlaubnis für russische Lom« munistinnen nach Norwegen erhallen könnte. Die russische Ge- sandtm in Norwegen , Alexandra Kollontay, soll diese Frage nach der„Göteborgs Handels och Sjöfarts Tidning" in glänzender Weise gelöst haben. Sie hat ganz einfach junge norwegische Kommunisten nach Moskau eingeladen mit der Verpflichtung, dort die Ehe einzu- gehen mit„qualifizierten weiblichen Agitatoren". Auf diese Weise kamen die russischen Kommunistinnen nach Oslo und tonnten dank ihrer neu gewonnenen norwegischen Staats- angehörigksit nicht mehr ausgewiesen werden. Später ließen sie sich von ihren Männern scheiden, ohne aber dadurch ihre nqrwe- gische Staatsongehörigkeit zu verlieren. Die nun ledigen Ehemänner hatten sich wiederum nach Moskau zu begeben und sich dort auf Befehl der Kommunistischen Internationale abermals zu verheiraten. Di« jungen norwegischen Kommunisten haben gegen diesen Heirots- beruf nicht das geringste einzuwenden: einige suhlten sich so wohl dabei, daß sie in erstaunlich kurzer Zeit ihre Heiratsbesuch« in Moskau erneuerten.
die Ermordung General Kotowskis. Moskau , 14. August. (OE.) Die Ermordung Kotowskis, des Kommandeurs des an der Südwestgrenze stationierten 2. Kanal- leriekorps der Roten Armee, wächst sich zu einer großen politischen Sensation aus. Die Version, daß der Mörder Majorow, ehemals Adjutant des Ermordeten, seinen früheren Chef infolge eines Streit» im Jähzorn niedergeschossen habe, wird jetzt allgemein abgelehnt. Iegorow, Budjennq und ander« bekannte Führer der Roten Arme« vertreten die Meinung, daß Majorow in hochverräterischer Derbin« dung mit Rumänien gestanden habe, und daß der Mord auf ru mä- nis'ch e Umtriebe zurückzuführen sei: in Rumänien sei nämlich Kotowski als leidenschaftlicher Vorkämpfer des Planes einer Wieder- gewinnung Bessarabiens für Rußland bekannt und verhaht gewesen. Ueber die Vernehmung des Mörders wird noch nichts mitgeteilt; die gesamte Presse fordert die strengste Bestrafung und genaueste Unter- suchung.— Kotowski gehörte zur alten Garde des Bolschewismus, hat in allen Fcldzügen der Roten Armee mitgekämpft und � galt als ausgezeichneter Organisator der Reiterei der Roten Armee: auch bei der Bildung der Sowjetrepublik der Moldawanen war er sehr tätig.
' Nuntius pacelli wird am Dienstag, den 18. August. München verlassen und nach Berlin überfiedeln. Nach München kommt ein anderer Nuntius. Der griechische Konsul ia Tripolis ermordet. Der griechische Konsul in Tripolis wurde von einem Griechen erschossen.
�iiis öer Partei. Jln die Teilnehmer des Parteitages ia heidÄberg wird das dringende Ersuchen gerichtet» wegen Beschassung von Quartieren den Tag ihrer Ankunft dem Lokalkomitee I. A m a u n, Heidelberg , Rohrbacher Str. 13. mitteilen zu wolle».
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