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Sonnabend

15. August 1925

Unterhaltung und Wissen

Die Aehrenleserin.

Bon Bernhard Fauft.

Die alte Frau war tief über dem Stoppelfelde gebückt und las Ziehren auf, hin und her schwankten ihre Röde, und die ausgedörrten Hände fuchten auf der Erde hin und her. Schon ehe die Sonne auf ging, hatte sie die Stadt verlassen und war in den funkelnden Morgen hineingewandert, bis die Felder weit und groß und reich wurden, richtige Felder, lang gebogen und auf denen die Menschen in fleinen, dunklen, armseligen Punkten verschwanden. Der laute Morgen um fie jubelte, tobie, schrie, und sie fühlte sich unendlich froh und frei, mie die feinen Leute in der Sommerfrische. Dies war so der Maß­stab, den sie sich in ihrem dürftigen Dasein zurechtgezimmert hatte, und mit dem fie die Dinge ihres Lebens abschäßte. Der Gedanke, ein­mal froh zu sein, schien ihr schön wie ein verirrter seltsamer Vogel, Den man ängstlich hüten muß, weil er bald fortschlüpfen kann. Sie lachte furz auf. Wie das hier lang, hm, blechern und so gemein, die dicke Müllersche vom Goldnen Pfau" lachte immer so. Ver­legen sah die Alte um sich, sie war allein, schnell bückte sie sich wieder und las heftig meiter auf, bis närrische Gedanken sie über­mannten und sie voll innern Gelächters war, daß sie zu ersticken drohte. Da richtete sie sich auf und lachte laut mit zurückgebogenem Ropfe, dünn und tonlos, wobei der Kropf, der spitz und majestätisch cus dem Halse ragte, unruhig auf niederhüpfte. Dabei band fie die Aehren, die in der linken Hand gesammelt waren, zu einem Strauß zusammen und schüttelte die halmlojen aus der aufgebundenen Schürze in einen mitgebrachten Korb.

Dann beschattete sie mit der linken Hand die Augen und sah auf das Feld hinaus. Leise summte der Wind, und der Himmel über ihr schwang und dröhnte im Klarsten Blau und war zart weiß­hauchig und filbern getupft. Die laute Pracht beschämte und be­stürzte sie und erdrückte ihre fleine Welt, an die sie in den nassen Stadtwänden gewöhnt war. Zur Erde bog fie sich stumm zurüd, und die Finger suchten darüber hin und tasteten, und ihre Gedanken tasteten und wanderten mühsam und langsam mit, wie es so einem alten Frauensmensch so eigen ist.

Wiſſen

verlassen vor, als sie ftill hochgehuscht waren, genau wie damals verlassen, wie ihr Mann seelig mit Eichenbrettern zugenagelt und in die talte Erde hinuntergesenkt wurde. Die falte Erde da in der Stadt, und gruslig war fie! Scheu legte die Alte die Hand auf den Boden und fühlte gespannt und mit zitternder Aufmerksamkeit. Nun, nun, dachte sie, die Erde ist warm und gut, ja, das ist was anderes, das hier. Ja, ja, die Erde... die Erde... ja, die warme, weite und dann legte sie sich seufzend in das Gras zurück und schlief erschöpft und glücklich ein.

Die sommerblauen Schatten waren schon lang, als sie erwachte, und die Sonne hatte sich nach dem Westen gesenkt und schien milder und nachsichtiger. Erschrocken und ein wenig beschämt darüber, den Nachmittag verschlafen zu haben, stand die Alte auf und glättete haftig ihre Kleider. Dann schob sie zum Schutz das Kopftuch über die Stirne vor und ging gebückt weiterlesend zwischen den Reihen auf und ab. Sie war noch müde und schläfrig und die Gedanken,

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Der Bauherr.

Kelmerl

Beilage des Vorwärts

fam schluckte fie und brachte fein Wort hervor. Im Büden drehte sich die alte Frau langsam um. Ein vorgestoßener Bauch war es, was sie zuerst sah, und eine mattgoldene Uhrfette, die an der auf­gesperrten Weste baumelte. Darunter quollen dicke Beine in braunen Ledergamaschen prächtig hervor und standen fest und prahlerisch auf dem Boden. Links auf dem Stocke stützte sich eine rotfleischige Hand.

Wer hat dir denn gesagt, daß du in meinem Felde rummühlen tannst? he? Runter, runter, sag' ich, sofort runter vom Felde! Se, he!... was willst du?... Runter, runter, jag' ich! Runter, alte Here!

Diese harten Worte rissen die Alte jäh steil hoch, daß es ihr weh tat. Ihr Gesicht war bleich geworden und das Kopftuch in den Raden gerutscht. Dürftig wadelte wehleidig ihr dünner Schopf in der Luft und machte sie häßlich und in ihrer Hilflosigkeit unendlich 2009 rührend.

Vor sich sah sie nichts, als ein schweißtriefendes, breites Gesicht, das in roten, freisrunden Flecken vor ihren Augen tanzte.

das ou mei liebes Herrchen! ſeins pdf e biſſel gut, um Chriſti

willen! So enn paar Hälmchen!.. liebes, gutes, bestes Herrechen!.. Un den lieben, langen, geschlagnen Tag uff'n Beinen... ach du mei Gütchen! Wenn man od so alt wird. versündgen sich nich.. bestes Herrechen! Sie hab'n ooch Kinnerchen daheeme, fleine, füße Puperchen. un en Frauchen... Lassen se mir das da... L Sehn' se, so fleißig war'ch, ich altes Weibele..." Weg vom Felde! Runter, runter, sag' ich! Weg da... altes Pad!... Hier schütt'ste den Dreck hin, hier, hier an Runter, die Garben hier hin, sag' ich!... Los, los, sag' ich.. sofort runter dann! Verdamm' mich! he, he. Los, los, runter. runter! Keen Fuß wieder daherre... he, keen Fuß, sag ich!" Der dicke Mann pruſtete und wütete und sein Stock wühlte und quirlte die Erde auf, er schimpfte und polterte, bis der Himmel die letzte Lösung fand und ein Einsehen hatte und langsam schwere Regentropfen aufflatschen ließ, daß der alte Grobian mit seinen poltrigen Bosheiten flüchtete, nicht eher aber, bis die Alte aus seinem Bereich und hinter einem hingekrümmten Höhenhügel verschwunden

war.

..

Der Wind pfiff und stöhnte durch die Bäume, in den Blättern peitschte schräg der Regen. Die Alte schritt der Stadt zu, die fern aus dem Nebel unheimlich hell leuchtete und gligerte. Matt stampfte fie porwärts und zählte schluchzend die Kirschbäume längs der Land­straße. Ihr fieberte ein wenig, und die Augen waren heiß und wurden tränenversiegt, und weh und wund brannte die Brust, so weh. Vor der Stadt blieb fie auf einem Meilensteine sitzen und sah zurück in den Regen und in das schweigende Land hinaus. Das war gespenstisch und wild und düster und voller Grauen. Sie fror, und die Angst troch ans Herz und umspannte es mit giftig langen, spitzen Fingern. Mühsam schlurfte sie weiter, und der leere Korb drückte grausam auf den alten Rücken, wie noch niemals zuvor.

In der linken Hand wurden die langen Aehrenhalme zu einem Strauß gesammelt und die halmlojen tamen in die Schürze, die sie noch von der Mutter seelig geerbt hatte. So eine Schürze, dachte sie, ist doch zu allem müße, man fann fie lang und glatt über den Röden hängen lassen oder sie hochbinden und hineinsammeln, was man unterwegs finden kann, oder sie zu einem Kopftüchel zusammen­binden. Früher, da trugen alle Männer Schürzen, und, was ihr. Gustav war, der sah gar schneidig aus, wenn er fie Sonntags um­gebunden hatte und mit seinen weißen, frischgewaschenen, blanken Hemdärmeln in der Türe stand und den Nachbarn Guten Morgen" sagte. Ja, der Gustav, das war schon einer! ein Forscher! Die heutigen Männer, das ist alles nichts mehr, so was Falsches und Meiches , huh! und ihre Minna, die hatte auch einer fizen lassen. Und die war doch so schwach und hustete immer, und wäre bald gestorben, als der fleine Frizel fam. Nun ging sie in die Fabrik und huſtete immer. Das hat sie vom Gustav, der hustete auch. Nichts wie Landluft, nur Landluft", hatte die Müllersche geschrien, und die wußte das. Wie schwer doch der Klee von drüben roch und duftete! Wie es da vor ihr haftete und zirpte und jagte und lustiges Besen trieb, nichts wie Landarbeit, nur Landarbeit! Da hätte der Frizel zu staunen, und der Ausschlag würde bald heil werden in Recht auf Arbeit "? Mir genügt das Recht auf Aussperrung". unzähligen fleinen Salzteilchen im Wasser werfen das blaue Licht der her vielen Sonne und die Augen hell und ruhig. Daß nur die Güthnern richtig auf ihn aufpaßte! So eine Frau, die schon seit dreißig Jahren nicht mehr aus der Stube gekommen ist, wird doch immer mehr unzuverlässiger. Ja, die Güthnern, die würde schön huden, wie weit die Welt noch hinterm Stadtberge daliegt, und das ist schon ein weites Stück Weg. Sie soll aber auch ein Süppchen haben, wenn sie aufpaßt, am Sonntag, oder so ein schönes Mehl sippchen, und warm, mit Margarine, die did daraufschwimmt. O du feber Himmel, die vielen Aehren, die da noch liegen, o du liebes Gottchen!

Solcherlei flinkes Wesen trieben die Gedanken in ihr. Als die Sonne hoch im Süden stand, richtete sich die Alte auf und setzte sich mit ihrem gesammelten Reichtum an den weichen Feldrain, wo sie aus einem rotgestreiften Taschentuche einige Brotstückchen wickelte und bedächtig abbrödelte und in den Mund hineinschob. Mittag ist Mittag, dachte fie, und alles muß seine Richtigkeit haben. Heiß zitterte die Luft, und aus der Ferne wimmerte ein Mittagsglöcklein matt zu ihr herüber. Müden und Bienen und dunkle Käfer summ­ten und furrten um sie, und über den Getreidepuppen jagten sich meiße Schmetterlinge, liebe, leichte Dinger, und flogen plötzlich auf und hoch in die sommerliche Lieblichkeit hinein. Die Alte tam sich so

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aruzel Marina.

Bon Gabriela Preissová . ( Autorisierte Ueberfegung aus dem Tschechischen von A. Berchtold.) Du hättest dir schon etwas gönnen dürfen, wenigstens ein neues Tuch, das hätte mich gefreut; wozu habe ich dir zwanzig Kronen gegeben? Doch nicht, damit du sie wieder nach Hause bringst." Er nahm vom Herde eine bemalte Kanne mit Raffee, schnitt ein Stück Brot ab und brachte beides nebst einer Zuckerbüchse auf einer Tasse galant seiner Frau. Marina tam er jetzt so lächerlich unbedeutend vor, daß sie gezwungen war, den Blick von ihm zu wenden. Sie legte die Jacke ab, zog die Schuhe aus und begann dann, mit scheuem Blick die Stube musternd, den Kaffee zu trinken. Der Mann streichelte ihren Ellbogen, sie schüttelte fröftelnd ab. Ist dir falt? Ja, nach der langen Fahrt pact einen die Kälte an. Mir für meinen Teil wäre die Wallfahrt tein Bergnügen, aber da es dir eine Freude macht, möchte ich es dir nicht verbieten."

Was für ein guter Mensch er doch ist," dachte Marina, und laut fagte sie: Ich werde mich schon niederlegen, mein Körper ist ganz wie zermalmt."

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Geh' dich nur ausruhen, Kindchen, ich werde nur noch die Zeitung zu Ende lesen. Die Hühner sind im Stalle, die Ziege ist versorgt. Du brauchst feine Sorge mehr zu haben und morgen wirst du mir alles erzählen. Bei uns war heute nur der junge Wächter aus dem Eisenbahnhäuschen, hat sich ein paar Hausschuhe bestellt. Er sagte mir, daß er die Stelle nach dem Bater bekommt, wenn sie den Alten ins Grab legen werden, aber der Wachtmeister hat mir dermeile abends im Gasthause gesagt, daß sein Bruder den Bosten bekommt, die Herren von der Eisenbahn haben es ihm ganz bestimmt versprochen."

Marina schleppte sich nun, ohne zu antworten, in die Kammer und tauerte fich dort auf ihrem Bett zusammen. Sie mußte nach denten: Also man wird den armen Jura aus seinem Wächterhaus jagen. Er wird feinen Platz finden, wohin er sich menden könnte,

die losen, die wollten feine Gespräche weiterspinnen. Man taugt nichts mehr, rein gar nichts, wenn das Alter in den frummen Körper schleicht. Das betrübte sie und das Bücken wurde ihr schwerer und schwerer. Das ist schon eine liebe Not, haderte sie, aber sie tröftere sich damit, daß ihr Körbchen bald gefüllt sein würde. Das Glück, ihre bescheidene Lebenspflicht getan zu haben, erfüllte sie ganz und strömte liebevoll und mit friedlicher Mattigkeit durch die alten, morschen Glieder. Daß es doch so viel Schönes gibt, jubelte fic, so Schönes! o du mein liebes Gottchen! o du mein!

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Und nun geschah es, daß ihr strahlendes Glück von einem groben Schatten verdüstert wurde, grob und plump, wie der einer aufge­blähten Wolfe. Erschrocken blieb sie gebückt, und das Herz brannte und stach furchtsam in ihr, vom Herzschlag getrieben, zitterten und frazten die Hände aufgeregt über die harten Stoppeln. Hinter ih: aber grollte und pruftete es dumpf und tief auf.

Na... na... na, fag' ich!" höhnte eine bittere Stimme, daß eine aufgeschreckte Maus verstört in ihr schmales Loch heimflüchtete. Die Alte wagte nicht aufzusehen. O du mein, du mein! stammelte die Angst in ihr. Die Kehle mar troden und wie zugeschnürt, müh­

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Regenbogenfarben der Meere. Reisende, die in diesen warmen Sommertagen zum erstenmal das Meer aufsuchen, sind manchmal enttäuscht, wenn sie nicht die schöne blaue Farbe finden, die fie erwartet haben. Die Meere der einzelnen Erdteile sind sehr ver­schieden gefärbt und können in allen Farben des Regenbogens strahlen: sie nehmen fast jede Tinte an vom Gelb bis zum tiefen Purpur. Die blaue Farbe, die die Dichter so oft am Meere preisen, wird durch den Salzgehalt des Wassers hervorgerufen, denn die Sonnenstrahlen zurück. Meere mit einem großen Salzgehalt haben das tiefste Blau, so z. B. das sehr salgreiche mittelländische Meer. Die Färbung des Stillen Ozeans ist meist so dunkel, daß man sie Indigoblau nennen muß. In der Nähe der Küste wandelt sich oft tie Meeresfärbung in Grün. Der weiße Sand auf dem Grund flachen Wassers ruft dieses Lichtgrün hervor, während der dunkelgelbe Sand, mit dem Blau des Wassers vereinigt, ein tieferes Grün her­vorruft. In der Loango- Bai erscheint das Waffer tiefrot infolge des roten Meeresgrundes. Eine andere Ursache für Wasserfärbungen ist die große Anzahl von winzigen Organismen, die darin leben. In einigen Salzseen Tibets und ebenso in einigen Seen Südfrank­ reichs befinden sich gewisse rote Tierchen, die dem Wasser eine leb­hafte farmoisinrete Färbung verleihen. An manchen Stellen des Kanals in der Nähe der großbritannischen Küste leuchtet das Wasser tatsächlich, in jeder Farbe des Regenbogens, eine Erscheinung, die durch die eigenartige Sonnenstrahlung hervorgerufen wird. 18801

Shatespeares Garten. Neben dem Landhause William Shake­speares in Stratford am Avon wurde ein Garten eingerichtet, in dem etwa 300 verschiedene Blumensorten, und zwar alle, die in den Werken des Dichters erwähnt sind, gezüchtet werden. Das ist ein feinsinniger Gedanke, aber leider begeistern die Besucher sich so dafür, daß die Blumen förmlich geplündert werden. Deshalb muß der Garten zeitweilig gesperrt werden.

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Jura, durch das Rufen des Vaters gewedt, sprang schnell aus dem Bette, entzündete die Laterne und zog sich Schuhe und Rock on. Die Rach: war dunkel und sternenlos, die Luft erstickend schwüí, als wenn es jeden Augenblick regnen wollte. Wie schade, gezwungen zu sein, aufzustehen, wo es sich so wunderschön träumen läßt von der geliebten Marina mit den Seidenwangen und dem demütig ge­neigten Nacken. Aber Jura war nicht vergebens Soldat gewesen, um seine Pflicht zu vergessen. Hier hört alles Seufzen auf.

Er eilte schnell hinaus und überblickte rasch den Eisenbahn­damm, so weit die Augen reichten. Noah war gar nichts zu hören. Aergerlich, sonst ließ sich der Zug schon von weitem vernehmen. daß man auch noch vielleicht eine Stunde warten muß!

seine Blumen und das Gärtchen muß er einem anderen überlassen.| bitte, sie sollen mir verzeihen und uns zusammen in ein Grab legen. Er wird vielleicht weit von hier weggehen müssen, das Herz wird Meine Schwester soll dann unser Grab mit all den schönen Blüm­ihm brechen. Oh, warum mußten wir uns damals am Johannischen bepflanzen, die in deinem Gärtchen wachsen." Eie mußte mit feiertage begegnen? Armer Jura! Jedes Mädchen würde gern Anstrengung das hervorbrechende Schluchzen unterdrücken, das nun einem solchen Burschen zum Altar folgen, aber gerade sie selbst, ihre Bruft zu sprengen drohte, damit ihr Mann in der Nebenstube mas tönnte sie, an ihren Eid gebunden, für ihn sein?... Ihre nichts hörte. Augen überströmten von Tränen, eine schmerzliche, fieberhafte Sehn­sucht entquoll ihrem Herzen, am liebsten wäre jie aus dieser Rammer entflohen. Mit ihm entflohen in die weite Welt! Wie wehe war ihr um diesen süßen Burschen, gern würde sie ihr Leben hingegeben haben, um ihm zu helfen. Und so gern würde sie mit ihm darüber sprechen! Er hatte sie aufgefordert, hinzukommen in sein Gärt­dhen, wenn es dunkel ist und niemand sie sehen konnte. Dieses Bärtchen, von dem er glaubt, daß es ihm gehören werde. Kann sie ihm diesen Traum rauben? Soll sie ihm die Wahrheit mitteilen? Ihr Mann hat einen tiefen Schlaf, wenn der einmal schläft, tann thn jeder über die Schmelle tragen, ohne daß er erwachte. Sollte fie es wagen? Noch heute fönnte sie sich aufraffen und zu dem Wächterhause laufen.. Um 1 Uhr muß Jura herauskommen, wenn der Laftzug vorüberfährt. Da fann er noch heute die ganze traurige Wahrheit wissen. Und sie kann ihm sagen: Siehst Su, Jura, wie es mit mir steht, auch ich finde feine Ruhe mehr. Nur deinetwegen bin ich heute bei der Studnizer Jungfrau Maria ge­wesen, um zu bitten, daß sie diese Sünde von mir nimmt, ich hätte ja sonst nichts zu beichten gehabt, als meine fündige Liebe zu dir. und ich nahm darauf die Kommunion. Jetzt begreife ich auch, marum mich die Jungfrau am Altare so traurig und vormurfsvoll anblickte. Jezt weiß ich nicht, was aus mir werden soll. Meineidig tann ich doch nicht werden, mein Mann ist ja nicht einmal böse. Ich werde dem Jura sagen: Nimm mich mit dir auf das Gleise, wir wollen zusammen in den Tod gehen. Bei der Hand wollen wir uns halten, und rein, wie ich von der heiligen Maria tam, will ich mit dir sterben und in das himmlische Paradies eingehen, da wird die Heilige gewiß für uns bitten. Hier am Tische will ich einen Bettel lassen, worin ich den Mann, die Eltern und alle Menschen

...

Er fehrte ins Haus zurück, um sich eine Bigarette zu holen, zündete sie an und ging wieder hinaus, den Zug zu erwarten. Da plößlich vernahm er ein Ceräusch, und beim Gartenzaun tauchte eine Frauengestalt auf.

"

Mein Gott im Himmel, die Marina!" So bald hatte er sie nicht erwartet. Sein Herz pochte stürmisch.

Er schleuderte die Zigarette meg, lief zu Marina und umfaßte fie mit beiden Armen.

" Du bist gekommen," jauchzte er mit gedämpfter Stimme. Meine Süße, Einzige! Wie hast du das so schnell gemacht, mein Seelchen?"

" Als Hatlit tief eingeschlafen war, bin ich aus dem Hause gelaufen," antwortete sie mit müder Stimme, und trog der schwülen Nacht bemerkte Jura an ihr ein Frösteln.

Ich bin gekommen, mein Jura, um dir zu sagen: Ich möchte gern, daß wir mit allem ein Ende machen!"( Schluß folgt.)