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Nr. 385 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 197

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Sonntag, den 16. August 1925

Die Optantenaustreibung.

Unterbrechung der nackten Gewaltanwendung.

Zu den widersprechenden Nachrichten über das Verfahren,| Ministerpräsident betonte, daß gute nachbarliche Beziehungen für welches die polnische Regierung in der Frage der weiteren Aus beide Teile von größter Wichtigkeit seien. Der europäische Friede sei weisung deutscher Optanten einzuschlagen gedenkt, wird Mtb. auf gefährdet, wenn dauernd ernste Gegensäze zwischen Deutschland Anfrage in Warschau folgendes mitgeteilt: und Bolen beständen.

Die Untlarheiten sind dadurch entstanden, daß, wie es scheint, die Berfügung des polnischen Innenministers fich lediglich auf die zwangsweise Abschiebungen deutscher Optanten über die Grenze nicht aber, wie der Kurjer Boznansti" behauptet, auf die Aus­weisungs verfügungen als solche. Seit dem 10. August find zwangsweise Abschiebung deutscher Optanten über die Grenze nicht mehr beobachtet werden. Dagegen konnten deutsche Amtsstellen bemerken, daß sowohl am 8. wie am 10. August noch zwangsweise Abschiebungen deutscher Optanten unter Anwendung ron Polizeigewalt erfolgten. Die Meldung, wonach auf die scharfen Angriffen des nationalistischen Kurjer Poznansti" hin der polnische Innenminister einer Abordnung erklärte, daß an eine Einstellung der Optantenausweisungen nicht gedacht werde, ist jeden­falls zutreffen d.

Wenn man den Optanten das letzte Geld wegsteuert und ihnen die Wohnungen beschlagnahmt", ist das gerade 3wang genug auch ohne Handanlegung und Fußtritt über die Grenze! Ministerpräsident Grabski über die Optantenfrage. Warschau , 15. August.( TU.) Ministerpräsident Grabfti empfing den Bertreter der Associated Preß " und gewährte ihm eine Unterredung über die Optantenfrage. Grabski gab seiner Ueber­zeugung Ausdruck, daß es gelingen werde, eine Berständigung zwifchen Deutschland und Polen herbeizuführen, wenn beide Länder loyal ihre Pflichten und Rechte wahrnehmen würden. Die Gegensäge müßten im Inte fe beider Staaten sowohl auf poli­tischem wie auf wirtschaftlichem Gebiete überbrückt werden. Der

Interparlamentarische Union .

Tagung in Washington .

Am 1. Oktober wird die Internationale Barlamentarische Union in Washington einen Kongres abbalten, auf dem 39 Nationen bertreten sein werden. Der Kongreß wird sich mit der Entwicklung des internationalen Rechts, der Frage der nationalen Minder heiten, dem Handel mit Betäubungsmitteln und der Abrüstung beschäftigen. Eine Anzahl deutscher sozialdemokratischer Parlamen tarier, darunter Reichstagspräsident Genosse 2öɓe, nehmen an diesem Kongreẞ teil.

Stinnes - Schenkung. Naheliegende Fragen.

Der Schritt des Herrn Edmund Stinnes , dem Betriebs­rat der Aga von dem Aktienbesitz der von ihm kontrollierten Aga- Werte nom. 2 Millionen Mark zur Verfügung zu stellen, hat einiges Aufsehen erregt. Er hat mehr oder weniger törichte Kommentare hervorgerufen. Sensationsblätter sehen darin den Beginn einer neuen Aera, einen Beweis dafür, daß Herr Edmund Stinnes nicht um geschäftliche Werte, sondern um ideale Ziele fämpft. Sonderbar hat der Bluff auf die Bossische Zeitung" gewirkt, die in diesem Schachzug einen Akt der Sozialisierung" erblicken will. Das sind Worte, die nicht einmal passend angebracht sind. Wir halten uns an die Tatsachen. Die erste Tatsache ist der Stand des Unternehmens. Die Berpflichtungen der Aga betrugen im Dezember 1924 6,5 Millionen Mart, die Aktiven 5 Millionen, Heute stehen 12 Millionen Mart Schul­den nur 91 Millionen Mart Forderungen und Waren gegenüber. Die Liquidität war im Dezember schlecht, heute ist sie noch schlechter.

Die zweite Tatsache ist, daß Herr Stinnes der Belegschaft der Aga Löhne schuldet. Es ist immerhin eigenartig, daß anstatt fälliger Löhne Attienpatete geschenkweise an­geboten werden. Waren die 2 Millionen nom. Aga- Aktien nicht verfäuflich? Hat Herr Stinnes etwa vergeblich den Bersuch gemacht, sie zu verkaufen? Warum wird das Unternehmen nicht durch den Verkauf dieser Aktien flott gemacht?

Herr Edmund Stinnes begibt sich der Aktienmehrheit, er entledigt sich der Verantwortung. Will er etwa auch die Funktionen des Borsigenden des Aufsichtsrats, die er aus übt, auf den etriebsrat übertragen? Will er die Berant wortung für die Beschaffung von Betriebskrediten von sich auf den Betriebsrat abwälzen?

Wir sehen in seinem Borgehen weder ,, ideale Ziele", noch die Absicht einer grundsäglichen Neukonstruktion der finan­ziellen Verfassung des Unternehmens, sondern lediglich ziellen Berfassung des Unternehmens, sondern lediglich einen Schachzug im Kampf um die geschäftliche Existenz.

Die Belegschaft der Aga hat gar keinen Grund, sich mit der Annahme dieses Angebots zu beeilen. Es gibt Geschenke, Die gefährlich werden tönnen. Es sind eine ganze Reihe von

Minderheiten-, Recht".

Unterdrückung in allen Siegerstaaten.

Der Führer der Siebenbürger Sachsen , Rudolf Brandsch , veröffentlichte in der in Hermannsstadt erscheinenden Deutschen Tagespoft einen Artikel, der mit Berufung auf das Beispiel der Siebenbürger Madjaren, die deutsche Bevölkerung Rumäniens auf­fordert, sich mit ihren Klagen auch an den Völkerbund zu wenden. Brandsch gibt in seinem Aufruf ein erschütterndes Bild der Lage der Siebenbürger Sachsen :" Unsere Schul autonomie ist in ihren Grundlagen eischüttert, das Maturitätsgefeß zeigt nach seiner praktischen Anwendung das Bild einer Ruine. Unsere Kirche ist infolge der Bedrängung unserer fonfeffionellen Schulen in eine schwierige Lage geraten. Unsere politischen Rechte bezüglich unferer Sprache, unsere politische Autonomie sind zu Trug bildern geworden. Die Gesetze, die die Regierung verlautbaren läßt, atmen sämtlich den Geist des Mißtrauens." Brandsch schließt den Artikel mit folgender Frage: Ist es noch immer nicht an der Zeit, daß die Sachsen sich auch nach Genf begeben?"

Sie betont,

Im Anschluß an diesen Artikel Brandschs fordert die Deutsche Tagespost " ein energisches Borgehen und den 3 usammenschluß sämtlicher Minderheiten Rumäniens . daß die Sachfen feine neue Autonomie verlangen, sondern nur ihre alte, seit Jahrhunderten bestandene Autonomie zurückfordern, die ihnen von den Rumänen geraubt worden ist.

Borfragen zu flären, ehe man ein sicheres Urteil über die Wirkung einer Annahme abgeben fann. Man muß wissen, was man geschenkt erhalten soll. Man muß wissen, ob an die Schentung Bedingungen gefnüpft werden. Wenn Herr Stinnes es aus propagandistischen Gründen eilig mit der Schenkung hat, dann muß die Belegschaft es erst recht fühl abwägen, warum er schenken will

Rechtsradikaler Jugendmißbrauch.

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Der Sprung ins Unheil.

Das Hazardspiel der Rechtsparteien.

Es besteht ein bemerkenswerter Unterschied in der Be­urteilung der Ergebnisse der Sigungsperiode des Reichstages, die mit dem Eintritt der Sommerferien abgeschlossen worden ist, zwischen der großen deutschnationalen Bresse, die in Berlin erscheint, und der deutschnationalen Agitationspresse im Lande. Die große deutschnationale Presse in Berlin , die die Rückwirkung ihrer Aeußerungen auf die eigenen Bundes­genossen abwägen muß, hat am Ende dieser Sizungsperiode das Triumphgefühl der Deutschnationalen um einige Grade abgekühlt zum Ausdruck gebracht. Sie ist von dem Grundsatz ausgegangen, daß der in Mart und Pfennigen auszurech nende Erfolg dieser Parlamentstagung für die Zollinter­effenten wichtiger ist als laute Triumphgefänge, die unter Umständen einen notwendigen Bundesgenossen vor den Kopf stoßen fönnten. Sie hat sich damit begnügt, ihre poli­tischen Hoffnungen für die Zukunft anzudeuten. Diese Hoffnungen zielen darauf ab, das Zentrum immer fester in den Regierungsblod hineinzuziehen, die Allianz der Rechten gegen die Linke bei der Beratung des Reichsschul­gesetzes noch fester zu gestalten und womöglich eine Rüd­wirkung der Konstellation im Reiche auf die preußischen Re­gierungsverhältnisse herbeizuführen. Das alles geschieht mit einer gewissen Zurückhaltung. Man verzeichnet einen Erfolg, aber man versichert zugleich, wie die ,, Kreuzzeitung ", er sei nicht überwältigend.

Ganz anders flingt es aus der deutschnationalen Agi­tationspresse im Lande. Da jubelt man darüber, daß die Grundlagen für ein deutschnationales Deutschland gelegt seien. Da heißt es: Es geht vorwärts und auf­märts!" So fann man in der Pommerschen Tagespost", einer der am meisten auf demokratische Agitation eingestellten Zeitungen der Deutschnationalen. lesen.

"

In diesen agitatorischen Triumphgefängen der deutsch­nationalen Provinzpresse tommen die heimlichen Hoffnungen der Deutschnationalen ehrlicher zum Ausdruck als in den mehr zurückhaltenden Betrachtungen der in Berlin erscheinenden deutschnationalen Interessentenorgane. Sie glauben, daß es jetzt fein Zurück mehr auf dem Wege zur Diktatur des Bürgerblods in Deutschland gibt. Sie glauben, daß sie im Kampfe um die Zollvorlage das Zentrum so fest an sich ge­bunden haben, daß es ihnen auch weiter folgen muß, selbst menn sie Wege betreten, vor denen das Zentrum als Ver­faffungspartei in diesem Zeitpunkte noch zurückschreden mag. Die deutschnationale Agitationspresse mag die Hoffnungen der Deutschnationalen vergröbert wiedergeben, es bleibt ihr das Verdienst, daß sie in aller Offenheit zeigt, wie die Deutschnationalen die Konsequenzen der Entwicklung sehen, die das Zentrum im Verlaufe der Zollfämpfe vollzogen hat. Es wäre immerhin wertvoll für die Leitung der Zen­ trumspartei , wenn sie nicht nur auf das Drängen der Inter­effenten im eigenen Lager hören und sich nicht nur mit der Opposition in den eigenen Reihen auseinandersetzen wollte. Es wäre angebracht, daß sie ihre Blicke über die Grenzen der eigenen Partei hinaus lentt. Sie wird dann nicht nur die Wirkungen sehen, die ihre Haltung während der Zoll­fämpfe auf der Linken hervorgerufen hat, sondern auch die Hoffnungen, denen sich ihre deutschnationalen Bundes­genoffen hingeben. Die Stimmen der deutschnationalen Agi­tationspresse sollten für sie mindestens ebenso wichtig sein mie die Stimmen der eigenen Provinzpresse.

Entführungsplan im Saargebiet. Saarbrüden, 15. Aug.( Eigener Drahtbericht). Saarländische Rechtsparteiler machen verzweifelte Anstrengungen, um die Ver­antwortung für den aufgedeckten Attentatsplan gegen den Separa tiftenführer Schöttler von den Rechtsorganisationen abzuwälzen und die Hauptschuld dem Lockspigeltum aufzubürden. Ein hiesiges Rechtsblatt hat ein Redaktionsmitglied nach München zu dem be­rüchtigten Hauptmann" Destreich geschickt, um ihn über seine Teilnahme an dem Attentat zu befragen. Destreich gibt zu, den Plan zur Verschleppung Schöttlers nach München gekannt und die jungen Leute in diesem Plan best ärtt zu haben. Doch sei die Ab­ficht nicht gewesen, Schöttler vor ein Femegericht zu stellen, sondern ihn der Münchener Polizei auszuliefern. Der Bund Oberland" unterhalte keine Beziehungen zum Saargebiet, und die Attentäter seien nicht Mitglieder des Oberland". Vielmehr habe er die Leute an werwolf " und" Stahlhelm" verwiesen. Diese Aus­laffungen Destreichs, für deren richtige Wiedergabe das saarländische Rechtsblatt die Verantwortung trägt, stehen im Widerspruch zu den Angaben der Verhafteten und zu den bei ihnen gefundenen Papieren und Ausweisen. Der Anführer Ebel trug das Abzeichen des Bundes Oberland". Auch wurden Werwolf- Fähnchen bei ihm beschlagnahmt und Mitgliederkarten der Deutsch natio. nalen Boltspartei, die auf die Namen der Verhafteten lauteten, vorgefunden. Selbst wenn man als wahrscheinlich an­nehmen will, daß Lockspitzel ihre Hand mit im Spiele haben, sozialen Entwicklung in Deutschland , die sich durch Finanz- und fönnen doch weder Deutschnationale noch Deutschvölkische bestreiten, daß die intellektuelle Urheberschaft zu solchen verbrecherischen Unternehmungen auf ihr Schuldkonto zu buchen ist.

Parteijubiläum in Belgien .

40. Jahrestag der Gründung der sozialistischen Partei.

Brüssel , 15. Auguft.( EP.) Der Generalrat der Sozia listischen Partei hat heute den 40. Jahrestag der Barteigründung festlich begangen. Am Vormittag eröffnete Camille Huymans mit einer Rebe eine Erinnerungsausstellung. Im Anschluß daran wurde eine Gedenktafel enthüllt, wobei die Mi nifter Anseele und Bertrand sprachen. Es wurde ein Festzug durch die Hauptstraßen der Stadt veranstaltet. Nach einem großen Arbeiterinternationale. Heute abend wird noch ein Konzert statt. Konzert sprach dann noch Bandervelde und ein Delegierter der Arbeiterpartei ihre Fahnen überreicht und Destrée im Namen der finden, bei dem de Broudère den vier Zentralorganisationen der sozialistischen parlamentarischen Gruppe reden wird. Wauters wird an die Gründer der Arbeiterpartei Gedenfzeichen überreichen.

Das Zentrum teilt die Verantwortung für das, was ge­schehen ist, und für das, was fommt, mit den Rechtsparteien, als deren Bundesgenosse es gehandelt hat. Ueber den Ver­fuch, die Verantwortung den Oppositionsparteien auf­zuwälzen, die man selbst von der verantwortlichen Mitarbeit ausgeschaltet hat, braucht kein Wort verloren zu werden. Das Streben nach Abwälzung der Verantwortung ist freilich be= greiflich, denn die Perspektiven der wirtschaftlichen und so­

Wirtschaftsgesetzgebung der Rechtsparteien eröffnen, sind dunkel und ungewiß. Es war ein Rehner des Zen­trums, der diese Gesetzgebung als einen Sprung ins ungewisse" bezeichnete. In diesen Worten lag viel mehr Furcht vor den Konsequenzen des eigenen' Tuns als verant­wortungsfreudiger Wagemut. Es lag darin eine dunkle Vor­ahnung deffen, was tommt.

Dies Wort vom Sprung ins ungewisse kontrastiert mit dem deutschnationalen Jubel, daß es nun vorwärts und auf­wärts" gehen werde im Zeichen des Kampfes gegen den In­flationsschwindel. Kampf gegen den Inflationsschwindel vorwärts und aufwärts!? Daß Gott erbarm'! Die Wirtschafts­gesetzgebung der Rechtsparteien, weit davon entfernt, zu einer Stabilität der Preise und damit der Wirtschaft zu führen, dient in der Inflationszeit die Macht der Schwerindustrie und der dem 3mede, die Preisbewegung nach oben, auf der bringen. Sie hat einen verhängnisvollen Mechanismus, den Großagrarier beruhte, mit anderen Mitteln wieder in Gang zu man am Ende der Inflationsperiode für erledigt hielt, aufs neue in Gang gesetzt.