Nr. 391 42. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Donnerstag, 20. August 1925
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die Preiblaminer
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Die Preissteigerung für Lebensmittel beschränkt sich nicht bloß auf das Fleisch, sondern sie hat alle Arten von Lebensmitteln erfaßt, und auch die Preise für Gemüse und Obst sind in diesem Jahr weit höher, als der allgemeinen Teuerung gegenüber den Borfriegszeiten entspricht. Es dürfte von wesentlichem Interesse sein, friegszeiten entspricht. Es dürfte von wesentlichem Interesse sein, die Faktoren, die die Preisbildung beeinflussen, fennenzulernen.
Das Obst aus der Umgebung.
Den kleinsten Weg macht das Obst, das aus der Umgegend von Berlin : von Werder , Glindow , Ferch usm. hierher kommt. Diese Obstzüchter haben in der Zentralmarkthalle 334 Stände und verkaufen das Obst direkt an die Kleinhändler, aber nicht etwa billiger, als wenn es auf dem Umweg über den Großhändler an die Kleinhändler gelangt. Sie lassen sich einfach für das Obst die Preise zahlen, die die Kleinhändler auch sonst den, Engroshändlern zahlen müßten. Außerdem haben diese Obstzüchter zirka 150-200 Stände im Luftgarten und geben hier das Obst teilweise an Kleinhändler, teilweise direkt an Verbraucher ab. Ferner faufen zirka 20 Berliner Brossisten das Obst in Werder und Umgegend auf. Ein Teil von ihnen fährt mit Fuhrwerfen zu den Obstzüchtern und nimmt das Obst, das er getauft hat, sofort mit. Ein anderer Teil des angekauften Obstes wird an eine Sammelstelle gebracht und von dort aus nach Berlin geschafft. Die Grossisten zahlen den Obstzüchtern den Preis, den fie erhalten und berechnen für den Verkauf cine Provision von 10 Proz. brutto. Der Obst- und Gemüsekleinhandel berechnet eine Spanne von 33 Proz., die ihm von der Preisprüfungsstelle zugebilligt worden ist, gegen 25 Pro3. Zuschlag auf den Selbstkostenpreis im Frieden.
Das Obst aus weiten Fernen.
Run tommnt Werder für die Versorgung Berlins nur in allergeringflem Maße in Frage. Es fann nur für menige Wochen Berlin mit Kirschen, Johannisbeeren und Stachelbeeren beliefern, Sartobst, cifo Pflaumen, Birnen, Aepfel und Pfirsiche, Aprikosen werden überhaupt nicht aus Werder bezogen. Diese tommen aus Italien , aus der Tschechoslomalei und aus Ungarn . Im Spätherbst auch aus Amerika . Die deutsche Obstversorgung erfolgt zu neun Zehnteln aus dem Ausland, und zwar liefert Italien Pfirsiche, Weintrauben, Bilaumen, Birnen und zum Teil auch Aepfel . Aus der Tschechosle wakei kommen Birnen, Aepfel und vor allem Pflaumen. Die Ungarn sind, wie erwähnt, unsere Hauptlieferanten für Aprikosen, daneben Tommen aber auch ungarische Pflaumen und Weintrauben auf den
Die Bananeneinfuhr.
Eisenbahnlinien und eigener Dampfschiffahrtslinien, die mit Extraheizporrichtungen für das Reifen der Frucht während des Transports versehen sind. Ein Freihandel in Bananen ist eigentlich nur auf den Kanarischen Inseln möglich, da dort die Früchte noch nicht vom Truft erfaßt werden. Merkwürdigerweise ist der Bananenkonsum, obwohl die Banane eine verhältnismäßig sehr teuere Frucht ist, im starten Aufstieg begriffen, und es ist zu beobachten, daß das Publikum in erster Linie nicht das fauft, was vorhanden ist, sondern das verlangt, was teuer und schwer zu beschaffen ist. Es waren z. B. vor einigen Wochen grüne Bohnen am Markt, die im Engroshandel mit 4 bis 5 Pf. verkauft wurden und beim Kleinhändler mit 10 Pf. für das Pfund oder mit 15 Pf. für zwei Pfund bezahlt wurden. Sie konnten nicht abgesetzt werden. Augenblicklich, wo Bohnen teurer geworden
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Der Straßenhandel als Preisregler.
sind, sind sie begehrter. Ein weiteres Beispiel: Ein Engroshändler hatte vor einigen Tagen zirka 300 000 Gurten, qualitativ hochwertige Ware, holländische Salatgurten, am Lager. Nur 100 000 davon fonnte er, obwohl er die Gurfen zu 10 bis 20 Pf. verkaufte, an den Kleinhandel absetzen, den Reft verkaufte er an die Fabrik und an die Straßenhändler. Die Fabriten nehmen die fleinen und legen sie dann ein. Es empfiehlt sich, daß die Hausfrau erst dann den Küchenzettel macht, wenn sie sieht, was der Markt am vorteilhaftesten
bietet.
Unser Gemüseverbrauch
deutschen Markt. Neben diesem eigentlichen Obst werden in Deutsch : wird zu 50 Proz. durch inländische Produktion, zu 50 Proz. durch land sehr viel Apfelsinen und Bananen gegessen, für die Italien und wird zu 50 Proz. durch inländische Produktion, zu 50 Proz. durch Spanien die Hauptbezugsquellen find. Bezug aus dem Ausland gedeckt. Und zwar vom Juni beginnend bis zum Ende des Jahres beliefern die deutschen Produzenten den Verbrauch. Italien und Dänemark . Holland liefert: Spinat, Salat, Blumenkohl, Gurken, Tomaten, Winterfohl, Wirsing , Weiß-, Rosenkohl, Kohl rüben und Zwiebeln. Italien ist Lieferant von Blumenkohl, Zwie beln, Bohnen, Tomaten, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die Tomaten holländischer Herkunft qualitativ viel hochwertiger find als
Die Belieferung mit Bananen geschieht in eigenartiger Weije. Sie ist in den Händen der United fruits Compagnie, eines Trusts, der die ganze Welt mit Bananen versorgt. Er beherrscht vor allen Dingen die westindische Bananenverwertung, ist im Besiz ganzer
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Das unbegreifliche Jch.
Geschichte einer Jugend. Roman von Tom Kristensen. ( Berechtigte Uebersehung aus dem Dänischen von F. E. Vogel.) Wir faßen und fnabberten an den Ruchen. ,, Kannst du Einar leiden?" fragte Harry plötzlich. Nein."
Jch auch nicht, und seine Mutter ist ein Diebsstück," sagte Harry und schüttelte sich, als ob es ihm falt über den Rücken liefe.
Ja," flüsterte ich ,,, und Edith kann ich auch nicht leiden." ,, Nein, denn sie ist auch ein Diebsstüd." Wir flüsterten zusammen, und zuweilen sahen wir uns enisezt an.
Ja, ein Diebsstück," stöhnte ich. Aber nachdenken fonnte ich nicht. Ich konnte die Kirchenbienerin vor mir sehen, die große Frau mit dem straff zurückgefämmten Haar und den unfreundlichen Augen. Diebsftück! Ich konnte Ejnar im Sportsanzug mit seiner Wassertolle sehen. Diebsstück! Und ich fonnte Edith sehen mit ihrer Schürze und den beiden 3öpfen. Sie war nicht unartig; aber fie war ein Diebsstück. Ich konnte nicht ganz begreifen, daß sie das sein sollte. Die Kirchendienerin war es, Ejnar war es, dann mußte sie es also auch sein.
Ich muß nach Hause," sagte ich. All das Neue hatte mich beunruhigt, und ich hatte ja auch keine Erlaubnis gehabt wegzugehen.
Und ohne weiteren Uebergang stand ich auf und lief die Treppe herunter.
Unten im hof traf ich die Dame, die ich für Harrys Schwester gehalten hatte. Sie hatte eine rote Bluse an und pfiff.
Willst du etwas Schokolade haben, du fleines Mannsbild?" fragte fie.
Ja, danke schön."
Sie gab mir eine ganze Tafel, von der sie nur ein Stück abgebrochen hatte.
Und mach, daß du nach Hause tommst und groß wirst!"
lachte fie.
Draußen auf der Straße and ich einen Augenblick still und sah zu den Fenstern der Kirchendienerin hinauf. Sie hatten einen anderen Ausdrud als sonst. Sie waren dunkel Regenwolfen spiegelten sich in ihnen, und sie sahen dunkler und unheimlicher als alle anderen Fenster in der ganzen Straße aus.
Nein, ich mußte nach Haus. Ich würde wohl Schelte friegen; doch ich lief trotzdem, um es so schnell wie möglich zu überstehen.
Als ich in den Laden kam, saß Mutter und schrieb Briefe. Sie sah auf; aber da es fein Kunde war, fuhr sie fort zu schreiben. Ich ging in mein Hinterzimmer, ohne etwas zu fagen. Mein Herz flopfte laut, und ich schnaufte nach dem Lauf. Es war da etwas, was ich nicht begreifen fonnte. Ich betam teine Schelte, und ich war doch ohne Erlaubnis auf der Straße gewesen.
Bon dem Lage an lief ich aus und ein, wie es mir gerade paßte. Ich war viel allein in jener Zeit, wie ich mich erinnere, und mir wurde feine biblische Geschichte mehr im Bett erzählt. Wäre ich gezwungen gewesen, zu Hause zu figen, hätte ich meine Einsamkeit stärker gefühlt; doch ich war viel unterwegs und kam müde zurück.
Da geschah es an einem Regenwetterabend, daß meine Mutter mich bei der Hand nahm und sagte, mir wollten etwas ausgehen.
Ich habe ja teinen Mantel an, ich werde naß!" sagte ich erstaunt.
,, Ach, das ist ja richtig," antwortete Mutter zerstreut, und sie half mir in den Mantel, aber nicht so forglich mie sonst. Sie hielt ihn zu hoch.
Wir gingen in den Regen hinaus.
Es war falt. Die Laternenscheiben flirrten. Die Lichter flackerten, so daß die Fassaden der Häuser in unruhiger Be
megung maren.
Im Halbdunkel fam die schwarze Gestalt der Kirchendienerin an uns vorbei, sie hielt sich nicht mehr so aufrecht. ,, Mutter, ist das wahr, daß sie ein Diebsstück ist?" ,, Du darfst so was nicht sagen!" animoriete Mutter und schüttelte mich am Arm.
,, Aber Harry sagt es doch!"
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Krüger
die italienischen Tomaten. Dänemark beliefert Deutschland wahrend der Monate Februar bis Mai mit Weißfohl. Die Auslandsbezüge erfolgen in der Weise, daß die großen Importeure an Ort und Stelle bei den Produzenten die Ware auftaufen lassen. Sie werden dann in die Waggons gebracht und nach den einzelnen Städten verladen. Da wegen der leichten Verderblichkeit die Ware innerhalb weniger Marttstunden verkauft werden muß, muß die Verteilung an die fleinen Händler durch den Großhandler vorgenommen werden.
Die Preisspannen.
Und nun zum Schluß etwas über die Preise. In Baden erhält der Produzent für einen Zentner Pflaumen 40 M. von dem Großhändler bzw. seinem Einkäufer. Der Großhändler verkauft diese Ware mit 46 bis 50 m. für den Zentner, und im Kleinhandel foften die Pflaumen 60 bis 70 Pf. pro Pfund. Also die größte Spanne nimmt der Kleinhandel, das liegt daran, daß er fleinere Mengen absegt, also an der Umfazeinheit mehr verdienen muß, als der Großhändler. Die Preise würden noch höher sein im Kleinhandel, menn der Straßenhandel nicht preisregulierend wirken würde. Der Straßenhandel verkauft zwar nicht die beste Ware, aber er verkauft billig, und die in der Nähe des Straßenhändlers liegenden Geschäfte tönnen sich schon der Konkurrenz wegen mit ihren Preisen nicht allzu meit von den Preisen des Straßenhandels entfernen. Mohrrüben. die hier in der Nähe von Berlin gezüchtet werden, werden bei dem Produzenten mit 3 bis 4 Pf. bezahlt. 6 bis 8 Pf. pro Pfund nimmt der Großhandel, 10 Pf. der Kleinhandel. Hier ist die Spanne überall gleichmäßig. Immerhin ist sie bei allen Produkten höher wie im Frieden, und die Preise dürften noch weiter steigen, wenn der an genommene Zolltarif in Kraft tritt. Aus diesem Grunde haben sich sowohl Klein wie Großfruchthandel gegen die neue Zollvorlage gemandt, fie fürchten durch Preiserhöhungen Berringerung des Ahſages..
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Die Fleischpreise sind gestiegen, und bei den enderen Nahrungsmitteln ist in Kürze ebenfalls mit einer Berteuerung zu rechnen. Es ist interessant, zu beobachten, daß die Hamburger Importeure, die den größten Teil der aus dem Ausland einMonaten sehr günstig operiert haben, d. h. ihre Waren zu günstigen geführten Lebensmittel nach Deutschland bringen, in den letzten Preisen eingekauft haben. Man müßte nun annehmen, daß sie diese Waren ebenfalls zu günstigen Preisen dem Berbrauch zuführen. Aber für sie entscheidet in erster Linie der Profit. Nun ist auf den Weltmarkt auch eine Teuerung der meisten Kolonial. maren eingetreten, und die Hamburger Importeure benutzen dieje Gelegenheit, um ihre Waren, die sie, wie erwähnt, billig ein gekauft haben, zu teuren Preisen wieder loszu schlagen und den Profit mitzunehmen. Wenn sie dann wieder einkaufen müssen, müssen sie ebenfalls höhere Preise anlegen, und die Konsumenten müssen das zahlen. Das ist das Bild der augenblicklichen Marktlage, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn in allernächster Zeit die Preise weiter in die Höhe gehen.
Sie sprach vor sich hin und ich konnte nicht antworten. Auf dem Sankt- Anna- Play drehte sie sich um und sah zu dem Laden hinüber.
,, Es war trotzdem ein hübscher Laden," seufzte sie. ,, Ja, das ist er. Alle Hüte sind so hübsch," antwortete ich. ,, Aber was hilft das. Die Leute sind anderer Meinung als wir beiden armen Würmer, und was nügt dann das Ganze."
Wir gingen die Amaliengade herunter und unter den Säulengängen entlang.
her. Sie trugen lange Umhänge, und ihre Bajonette blizten Auf dem Schloßplaz gingen einige Gardisten hin und im Schein der Laternen.
,, Kille, fille, fille, fille!" fagte einer von ihnen, als wir vorbeigingen.
"
,, Es brennt Licht beim König," sagte ich.
,, Ja, das stimmt," antwortete Mutter. ,, Bist du mal beim König gewesen?" mußt nicht sovie fragen. Mutter ist müde und sehr, sehr ,, Nein, was sollte ich denn dort, mein Junge; aber traurig."
Ich wischte mit der Hand über mein Gesicht, das naß vom Regen war. Wir gingen nach der Langen Linie her
unter.
,, Wollen wir nicht lieber nach Hause gehen, Mutter?" ,, Nach Hause? Na, du sprichst, wie du es verstehst. Nein, wir müssen nach der Langen Linie hinaus."
Das Gitter war verschlossen, und Mutter fing plötzlich zu meinen an.
,, Das Gitter ist verschlossen!" stöhnte sie, und dann er griff fie mich beim Arm und eilte über den Toldbodvej nach Grönningen herunter. Sie sah sich nach allen Seiten um und flüsterte:
,, Hier sind so viele Menschen!"
,, Nein, Mutter, nein. Nur da drüben geht ein Herr und da weiter hinten noch einer. Das sind doch nicht viele." ,, Sei doch stille. Junge," antwortete fie böse und 80g mich hinter sich her.
Sie lachten alle zusammen jo merkwürdig hier in„ Suomi"; chicklich ganz gleich," fetzte sie hinzu. Ich verstand sie nicht. prasselte auf den Blättern der Bäume. Ein Stüdchen megter
boch ich bekam 3weiörestücke und Schokolade da geschenkt, und Harry war nicht so eingebildet.
Unten in Grönningen blieb sie stehen und sah sich ver,, Du darfst nicht mit Harry spielen. Aber das ist ja wirrt nach allen Seiten um. Es war dunkel, und der Regen schließlich blizten verschiedene Lichtreihen übereinander auf. Das waren die Häuser. ( Fortfegung folgt.)
Sie sprach so merkwürdig.
Ja, Waldemar, ja, mein Kleiner, nun fommst du von dem allen fort, und du verliert auch nicht viel daran."