Donnerstag 20. fiüguft 1925
-Unterhaltung unö Wissen
öeilage ües vorwärts
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Mutter Wurm. Von Hugo Lufacs. (Schluß.)
Mutter Wurm rang die schwieligen Hände. Sie konnte nichts anderes tun als die Gewaltigen der Welt: auch sie mußte abwarten, was da kommen werde. Und es kam so, wie sie es erwartet hatte. Ihre Söhne kamen in der Nacht nicht nach Hause. Und blieben ein« Woche weg. Da kamen sie in neuen Kleidern, blaß und übernächtigt. Sie boten der Mutter Geld an; sie warf es ihnen zu Füßen. Aber sie schwieg. Denn sie fürchtete das, was ihren Söhnen bevor- stand. Die Wut kam nicht, die Angst verscheuchte alle anderen Gefühle. Der Jüngere saß wieder im Hofe und spielte mit den Kindern und der Aeltere brachte ihnen Süßigkeiten aus der Konditorei. Und an einem Abend kam die Polizei. Vierzig Mann stark. In dieses Haus trauten sie sich nicht in geringerer Anzahl zu kommen, hier ergab sich keiner freiwillig, hier war es Ehren- fache, Widerstand zu leisten, hier wußte keiner, wem es galt. Sie flüchteten, oder sie stellten sich der Polizei entgegen, alle, die in der Mausefalle geblieben waren. Diesmal galt es den beiden Wurm. Di« ließen sich nicht widerstandslos gefangennehmen. Es kam zum Kampf, zu wüstem Lärm und wuchtigen Schlägen. Und Mutter Wurm mischte sich in den Kampf. Sie biß und kratzte--- und wurde mitgenommen. Auf der Wachstube empfing sie der Inspektor als gute Be- kannte. „Aber, aber, Mutter Wurm, Sie haben sich wieder mitnehmen lassen.* Mutter Wurm weinte. „Ja. Herr Inspektor, und ich muß dableiben, bis die Beiden ausgeliefert werden... die ganze Nacht.* Der Inspektor schaut« sie lange an, ein tiefmeoschlicher Zug von Barmherzigkeit lag in seinen Zügen. .Ja, Mütterchen, und ich weiß auch warum.* Er wußte es. Mutter Wurm wollte unbedingt mit den Beiden bleiben. Sonst würden die Polizisten die Beiden schlagen. Aber nicht, wenn sie dabei blieb. Und die Polizisten wußten auch darum und ließen sie gewähren. Sie weinte die ganze Nacht. Frühmorgens wurde sie ent- lasten. Müde und unglücklich schleppte sich Mutter Wurm nach Hause. Sie mußte oft stehenbleiben, so elend fühlte sie sich. Und einmal stand sie vor einer Kirchentüre. Frauen kamen und gingen zur Türe ein und aus. War es wegen der Müdigkest oder tauchten in ihrer Seele Kindheitserinnerungen auf— sie ging auch hinein, kniete neben einer anderen Frau am Seitenallare nieder. Aber ihre Kniee taten ihr weh und so setzte sie sich auf ihre Füße. Veten konnte sie nicht, sie hatte es längst verlernt. Sie murmelte nur vor sich hin. Worte, dumpf und traurig wie Leidensstationen auf dem Wege zu ihrem Golgatha. Sie frug sich, um was sie beten sollte? Daß Gott ihre Leiden von ihr nehme? Wie konnte er es? Ja, wenn er all das Vergangene, das ihre beiden Söhne verdorben hatte, ungeschehen machen könnt«? Ja, warum ließ er es denn geschehen? All das Ent- setzliche, Schlechte, Häßlich«? Don ihm haben e« die Menschen gelernt, erst den Sünder fallen zu lasten und nachher zu strafen. Er machte es nicht bester als Polizei und Gericht. Er strafte mit der Hölle. Ach, sie hatte keine Angst vor der Hölle, sie lebte darin. Und der Himmel als Lohn? Also nun war Vater Wurm im Himmel. Ja. wie kannte er selig sejn, wenn er aus seine Familie niedcrsah.... Wenn sie in den Himmel käme und Dater Wurm sie fragen würde: Was hast du mst meinen Söhnen ge» macht, was sollte sie ihm antworten? Nein, sie hatte Angst in den Himmel zu kommen. Das alles war ebenso schrecklich wie das Nichten einfältiger Menschen. Nein, nein. Die sterben, die wollen nur Ruhe finden. Nichts, als Ruhe. Aechzend erhob sie sich und ging. Sie vergaß das Äreuz- schlagen mit dem geweihten Wasser. Sie ging Tag für Tag In die Arbelt. Und war allein, ganz allein, mit ihrem einzigen, unverstandenen Jammer. Es kam die Verhandlung. Sie sah ihre beiden Söhn« wieder. Die VerHand- lung interessierte keinen Menschen, ce war ein zu gewöhnlicher Fall. Gewohnheitsmäßig und gelangweilt wurde- das Brimborium der Rechtsprechung abgeleiert. Die Beiden wurden zu zwei Jahren verurteilt. Für Mutter Wurm waren es schwere Zeiten der angestrengten Arbeit und Entbehrung. Jeden Bisten mußte st« sich vom Munde absparen, um einmal im Monat zu ihren Söhnen ins Gefängnis fahren zu können mit ihren armseligen Geschenken. Um einmal im Monat neben ihnen zu sitzen. Ein« Stunde lang. Sie hatten so wenig zu sagen. Sie sahen sich an, streichelten einander die Hände und lächetten einander müde, traurig zu. Und dann ging Mütterchen weinend von bannen. Matter Wurm verfiel zusehends. Immer wertloser wurde Ihre Arbeit. Und immer weniger fand sie Arbeit. Jetzt konnte sie nur jeden dritten Monat zu ihren Söhnen gehen. Und einmal— zwei Monate fehtten noch zu den zwei Jahren — brach sie zusammen. Si� kam in das Spital. Sie war nicht ganz verlasten, denn aus dem gelben Hause kamen scheu« Gäste zu ihr. Sie wußte, daß sie sterben werde. Sie ergab sich darein, nur hoffte sie noch einmal mst ihren Söhnen sprechen zu können. Da» mußt« sie. Sie mußte sie mst ihren letzten Kräften bekehren. Und dann— sie hatte noch einen Wunsch— zu Hause in der Wohnung, In dem Bette zu sterben, das auch da» Sterbebett ihres Mannes gewesen war. Nur dieser letzte Wunsch ging ihr in Erfüllung. Sie erlebte noch, daß die beiden Söhne sie abhosten. Sie lag in ihrem Bette. Doch sie hatte nicht mehr die Kraft, und auch nicht den Willen mehr. mit chren Söhnen zu rechten. Do, gelbe Haus lag still um sie. Alle sprachen leise. Es dauert« nicht lang«. Am dritten Tage ihrer Heimkehr war fie tot. Sie wurde von vielen beweint. Und begraben wurde sie. wie eine Bürgerin. Ein langer Zug begleitete sie. Alle waren gekommen, die im gelben Hause wohnten. in chren besten Kleidern gingen sie gesittet hinter dem Sarge her. alle Verbrecher, all« Totschläger. Diebe und Zuhäller. Die Polizei hätte den ganzen Kondukt absasten und einsperren können. Und in ihrem herzen war Güte und Barmherzigkeit.
Jahre sind seitdem verflossen. Aber noch immer sprechen die Verkommenen da draußen von Mutter Wurm. Und in chren Ge- sichtern weicht der böse Ausdruck einem milden Lächeln. Die Legende der Mutter Wurm sollen endlich auch die„Zlnderen* kennenlernen. Denn sie erfahren manches daraus, was sie nicht wissen können und auch nicht wisten wollen.
Sturm im Sürgerhause.
.Das haben wir Deinem politischen versiehste zu ver- danken, daß det vrol fleener jeworden is— Du Idiot— auf Dein Geheitz hatiea wa ja alle deulfchnakional jewählt!*—
Wehlauer pferöemarkt. von Lovis Corinth . D!» Zua«v!>erinn«?unq des»Inest«erstorbenen«rosten Malers Ist einem demnstchst im Deila«« von Grife n. Un»«r in «Bniaaber« erscheinenden Buche:„L o v i» Torintb, dem Ostvreusten* entnommen. Da» Bnch wurde auf Wunsch Torintd» von Paula Steiner tus<nnmen««stel!t inid enthält neben»ahlreiil en Deiträoen au» verschiedenen Zedern«irva ZS noch unverSHentlicht« Reprodullioncn Corinth scher EemSld« aus ostvreustischem Privatbesth. „Wer nicht wagt, kommt nicht nach Wehlau, wer zuviel wagt, kommt nach Tapiau !* Dieser Vers ist jedem Ostpreußen bekannt'). Ich hatte so viel Wagemut, daß ich sogar dos Licht der West in Tapiau erblickte. Breit« Wiesenflächen lagen zwischen Pregel und Deime. Im Sommer wurde das fette Gras gemäht und nach den Scheunen gefahren. Im herbst überschwemmten die Wiesen bis in den Winter und in das Frühjahr hinein. Es war nichts zu sehen, als ein« breite Wasterkläche, ein Dach und einige Bauerngehöfte. Diese ragten aus dem Wasser hervor. An dem westlichen Horizont konnte man mit bloßem Auge die Stadt Wehlau sehen. Man erkannte deutlich die blinkenden Fenster und die einzelnen Häuser. Im Hochsommer war Wehlau durch seinen großen Pferdemarkt berühmt. Russische und litauisch« Pferde wechselten ab mit Pferden aus den preußischen Gestüten. Der Markt wurde zu einem Volts- fest. Die Tagelöhner und Knechte hatten sich bei ihrem Vermieten den Besuch des Wehlauer Marktes ausbedungen. Auch bei uns wurde es zu dieser Zeit lebhaft. Die Gesellen arbeiteten doppett, und die Knechte packten den ousgetrompelten Rips in Säcke, verluden ihn mitsamt den fertiggestellten Fellen auf extrastarte Leiterwagen. Rungen, Deichsel und Wagenräder wurden sorgfältig nachgesehen, ob sie auch gut geschmiert seien. Feste Eisen- reifen um die Räder wurden probiert, daß sie nicht bei der längeren Fahrt brechen tonnten. Wenn alles demnach in Ordnung war, wurde ich als Hauptperson neben Vater und Mutter auf den Wagen aufgepackt, dann zogen die drei Füchse an und brachten uns bald auf die lange Chaussee, längs den Fichtenwäldern in mehreren Stunden nach Wehlau . Kurz vor Wehlau gelangten wir zu der wackeligen, langen hölzernen Brücke, von deren Ueberfchreitung jenes Lied klingt, und der Wogemutige gepriesen wird. Diese Fahrt zum Städtchen hatte etwas Mittelalterliches: Bettler. Krüppel standen entlang auf dieser holzbrücke, während unten der Pregel (oder viel- leicht ist es auch die Alle) mit ruhigem Wasser vonibn-glitt. Meine Mutter griff, freigebiger als sonst, nach ihrer ledernen Geldtasche und verteilte abergläubisch sink« und recht» an die Dedürstinen Kupier- groschen und Pfennig«. Endlich kamen wir in die Stadt. Wir fuhren durch das„Steinerne Tor', auf welchem Störche seit Jähr und Tag ein Rest gebaut hatten. Wir gelangten durch einzelne schmale Gasten zu unserem ver- abredeten Absteigequartier, hier stürzten sich Händler und Unter- nehmer auf die Ware mit gierigen Händen, und mein ruhiger Dater konnte sich kaum vor ihrem hestigen Anprall erwehren. In kurzer Zeit wurden die Felle»erkauft, und mein Vater fuhr noch zur Oel- mühle„Pinnaun. um den Rips, der bereits dort übernommen war, abzuwiegen und in den Speichern zu verladen. Run kam auch an uns die Reihe, sich zu amüsieren. Mein Vater zog sich in die be- freundete Gastwirtschaft zurück, deren Wirt ein guter Bekannter aus seinen Soldatenjahren war. Meine Mutter nahm mich unter ihre Fittiche, um die Schönheiten des Marktes anzuschauen. Wir wanden uns durch den Trubel, sprangen zur Seite vor flüchtigen Pferden oder betrunkenen Menschen. Nun waren wir im herzen des Marktes:„Ob de Schanz*, das isi ein Ueberbleibsel aus der Schwedenzeit, wie man überall in Ostpreußen derartig benamsete Befestigungen findet. Auf dieser höh« reihten sich Buden aller Art, 1 Thorner Pfefferkuchen- wechselten sich mit Schieß- und Würfelbuden ab. Ich war nicht wenig stolz, als mich die schönen Mädchen animieren wollten mit den Worten:.Junger Herr sollten auch; einmal sein Glück versuchen.* Aber wir kauften nur in Unmassen Kataschinchen") und Steinpflaster. Große Buden mit Musik, er- schrecklichen Anpreisungen und Bildern, Seejungfrauen und Menschenfressern,„der Sturm auf die Düppeler Schanzen* oder „Angriff zur See auf Alfen*. Unten im Grund« liefen Pferde, an langen Riemen gehalten, um ihre Gangart vor polnischen Juden, die in festgekeilten Massen •) Das Sprichwort von dem zuviel Wagenden, der nach Tapiau kommt, hat in Ostpreußen nicht nur den Sinn, daß er, die Brücke passierend, in den Pregel fallen und nach Tapiou stromab getragen werden kann, sondern den Nebenfinn. daß der Springinsfeld leicht nach Tapiau in die Besserungsanstalt gelangt. ") Die heilige Katharina, die den Thorner Honigkuchen den Namen gab, würde sich unter der ostpreußischen Bezeichnung„Äato- schincheu* kaum wiedererkennen.
standen, zu zeigen. Auf mein Drängen traten wir in eine der Buden ein, es war darin ein„Bull mit sechs Beinen* zu sehen. In einem Derschlag stand ein kümmerliches Kalb auf seinen normalen Füßen. An den Schulterblättern baumelten zwei kurze in haut ge- wickelte Stöcke, in einem anderen Verschlag war gegen Extraentree ein besonderes Monstrum zu sehen:„eine Frau mit langen weißen haaren und roten Augen*. Jedes Berühren dieses Monstrums war streng verboten. Meine Mutter aber tonnte es doch nicht unterlassen, es nur etwas zu berühren: aber kaum war das geschehen, als ein wilder Mann mit fuchtelnder, schwerer Reitpeitsche uns bedrohte. Allen Ernstes hatte es den Anschein, als wenn er uns verprügeln wollte. Aver trotzdem meine Mutter zu den couragiertesten ihres Geschlechts gehörte, sprangen wir doch angstvoll zurück und ver- ließen schnell die Bude. Wir verließen auch die ganze„Schanz*. Wir gingen zum Fluß hinab zu den Kähnen, in denen Elbinger Käse feilgehalten wurde. Die Händler priesen den Käse, welcher groß wie unsere Wagenräder waren. Sie hatten ein Hohleisen und stachen in die fette Masse, schoben die Hälfte heraus zum Probieren, während sie mit dem Rest die Oeffnung schloffen und verschmierten. Nach langem Feilschen und handeln, Fortgehen und Wiederkommen hatten wir nun endlich einige von diesen Rädern erhandelt und zogen, beladen mit allem Erworbenen, aber vergnügt, zu unserem Wagen und traten dann die heimfahrt an. Wir kamen dann zu nachtschlafender Zett zu Hause an, wo ich sofort in das Bett getan wurde. Dieses war meine ersteReiss in die Welt hinaus._ Die Mgenbewegung beim Lesen. Wohl jeder wird zunächst meinen, diese Bewegung sei doch sehr einfach: Der Blick gleite stetig an den Zeilen entlang, und die Augen drehten sich dementsprechend stetig in den Augenhöhlen. Diese An- ficht ist aber ein Irrtum: Man braucht nur die Augen einer lesen- den Person zu beobachten, um zu erkennen, daß die Augen den Zeilen nicht stetig folgen, sondern ruckweise. Läßt man die betreffende Person einen Gegenstand fixieren, und bewegt dann diesen Gegen- stand etwa im Kreis« herum, so folgt der Blick vollkommen stetig: soll dann aber die Versuchsperson der soeben beschriebenen Bahn nur nach dem Gedächtnis folgen, so sieht man wieder die Auge». sich ruckweise bewegen. Darauf aufmerksam gemacht, wird die Versuchsperjon mit Recht behaupten, daß sie dl« Augenbewegung beim besten Willen nicht anders ausführen könne. Ebenso ist es unmöglich, den Kopf oder den ganzen Körper stetig zu drehen und dabei die Augen, ohne daß sie eigene ruckweise Bewegungen aus- führen, mitzunehmen, es sei denn, daß man einen in gleicher Um- drehungsgeschwindigkeit sich mitbewegenden Gegenstand fixiert. Wie läßt sich das erklären? Nach Prof. Kirschmann, Leipzig , ist hier zu unterscheiden zwischen passiver und aktiver Fisations- änderung. Folgt unser Blick einem bewegten Gegenstande, so kann man die Aenderung der Blickrichtung nur als eine passive ansehen: Es kommt uns nur darauf an, den Gegenstand Im Auge zu be- halten, die dazu erforderlichen Bewegungen des Auges selbst zum Körper erfolgen unwillkürlich. Die passwe Fixationsänderung ist somit gar kein« Aenderung der eigentlichen Fixation, da unsere Auf- merksamkeit doch in der Hauptsache dauernd auf das bewegte Objekt gerichtet, ist. Im Gegensatz zu den übrigen beweglichen Organen des menschlichen Körpers haben die Augen weniger das Bestreben, sich mit dem Körper zu bewegen, als vielmehr mit den Gegen- ständen der Außenwelt: im Dunkeln sind daher unsere Augen- bcwegungen kaum noch von uns zu kontrollieren. Bei der aktiven Fixationsänderung wollen wir gerade den Blickpunkt verlegen, und zwar nach einem bis dahin indirekt ge- sehenen Punkte. Nun wirkt das Auge ähnlich wie eine photo- graphische Kamera. Wir sehen nämlich nicht die optischen Netz- Hautbilder selbst, sondern gewissermaßen den chemischen Entwick- lungsvorgang auf der photographischen Platte. Es können somit deutliche Bilder nur von solchen Gegenständen aufgenommen wer- den, die während der erforderlichen Einwirkungszeit ihre Lage zum Auge nicht ändern. Würde also unser Blick den Zeilen mit gleich. förmiger Geschwindigkeit entlang gleiten, so könnten wir nur ver- schwömmen? Streifen aufnehmen, nicht aber die scharfen Bilder der Buchstaben und Worte. vom blauen Gnu. Das afrikanische„Wildebeeste*, oder blaue Gnu gehört zweifellos zu den Tieren, die am wunderlichsten aus- schauen. Der berühmte Großwildjäger Sclous beschrieb es:„mit dem Kopf eines Büffels, dem Schwanz eines Pferdes»nd den Hufen einer Antilope", und ein andere englischer Jäger, Lestock Neid, fügt hinzu, daß es„die Feierlichkeit einer Eule, die Nase einer Römerin und den Bart einer Ziege* sein eigen nenne. Das Ganze macht, gepaart mit der Plumpheit eines Elefanten, einen höchst sonderbaren Eindruck, ober das Wildebeeste ist keineswegs so plump und dumm, wie es aussteht. Den Ruf der Dummheit verdanken diese Tiere hauptsächlich den seltsamen Lauten, die sie von sich geben und die dem Quaken eines Riesenfrosches gleichen, und ihrer außerordent- lichen Neugierde, mit der häufig eine ganze Herde plötzlich heran- galoppiert, um sich den Mann anzuschauen, der auf sie schießen will, wodurch sie diesen in nicht gering« Verlegenheit bringen. So zu- traulich ist das blaue Gnu aber nur in noch picht erschlossenen Ge- bieten. Wissen die Tier« erst, was es mit dem Schießen auf sich hat. dann sind sie sehr scheu und vorsichtig und sehr schwer vor die Flinte zu bekommen. Man hat das Wildebeeste lange für sehr gefährlich gehalten, aber das ist ein« Fabel. Ihre hörner find leickt, und ihnen se?>lt der Mut de» Büffels. Diese sonderbare Famllie des Gnus ist über ganz Afrika verstreut: aber in größter Zahl findet sie sich in dem Wtldparadie«. das üch in dem erloschenen Krater des Ngoron- goro in Tangansika ausdehnt. In diesem natürlichen Kessel, der 2» Kilometer im Durchmesser hat und von etwa 70» Meter hohen Felsen umgeben ist, grasen gegen 4l)<X)V Wildebeester und spielen lustig miteinander in ungehinderter Freiheit, in der sie wahrschein- sich die fortschreitende Zivilisatton nicht mehr long« lassen wird. wie die Numerierung der Häuser erfunden wurde. Ein Pariser Baumeister kam im Jahre 1S12 zuerst aus den Gedanken, in einem Stadtviertel von Paris die Häuser sortlaufend zu numerieren. Aber wie so viel« ideenreiche Köpfe batte auch er das Pech, seiner Zeit zu weit vorauszueilen. In Deutschland hatte man zunächst die G«- pflogenhett, die Häuser ohne Rücksicht aus die Straßen zu numerieren. London war schon eine sehr große Stadt, bevor man zu einer Numerierung ihrer Häuser schritt. Aber die Sache konnte sich nicht einführen, weil man in der damaligen Zeit, in der das Analphabeten- tum die Regel bildete, die Nummern doch nicht hätte lesen können. Deshalb zog man es vor, Häuser und Läden durch Zeichen und be- sondere Schilder zu kennzeichnen. Dies« Zeichen hingen gewöhnlich weit in die Straße hinein und wurden nicht selten den Straßen- Passanten gefährlich. Im Jahre 1762 wurden deshalb diese über- hängenden Merkzeichen verboten. Ein paar Jahre später erirf-ien ein zweites Gesetz, das für alle Häuser die Numerierung vorschrieb. Auch im festländischen Europa sülzte sich im 18. Jahrhunderl die Numerierung der Häuser überoll em. Das Facbenkla»icr. Das Farbenklavier, wie sein Erfinder, der Iesutt L. B. Castel, das merkwürdiae Instrument nannte, erregte im ersten Viertel des 1». Jahrhunderts ein ziemliches Aufsehen. Es sollte nämlich, ohne daß es Irgendwelche Töne erzeugte, nur durch einen schnellen bzw. langsamen Wechsel sehr verschiedener starker und zarter Farbentöne Empfindungen auslösen, die dem Zusehenden genau so wie Musik vorkamen. Da sich ober nur wenige fanden, die für diesen Genuß empfänglich waren, geriet das Farben- k lavier bald wieder in Vergessenheit.