Nr. 403 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 206
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Verlag: Dönhoff 2506-2507
Donnerstag, den 27. August 1925
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Auf dem Wege zur Sicherheitskonferenz.
Die französische Note- Einladung an Deutschland - Günstiger Eindruck in Berlin
die schwebenden Verhandlungen in liberalem Geifte und mit friedlichen Absichten fortzusetzen, nicht auf seine Rechte ver. zichten kann. Im übrigen wiederholt Frankreich zu seinem Teile die bereits von den Alliierten abgegebene Erklärung, daß sie die Absicht haben, sich gewissenhaft an ihre Verpflichtungen zu halten.
Die neue Sicherheitsnote Briands ist verbunden mit einer| fie für den Eintritt eines Staates in den Völkerbund die auf| darf", so besagt das, daß Frankreich , so sehr es auch bereit ist, Einladung zu mündlichen Besprechungen. Ihr sachlicher In- richtige Absicht der Innehaltung seiner inter halt zeigt Fortschritte und Verbesserungen gegenüber der frühe- nationalen Verpflichtungen zur ersten Bedingung ren Note, die durch einen Kommentar der deutschen Regierung macht. als Fortschritte anerkannt werden. Sie bemüht sich, die Bedenfen zu zerstreuen, die von der deutschen Regierung in den drei Punkten: Berhältnis eines fünftigen Patts zu den bestehenden Verträgen, Frage der Schiedsverträge und der Garantierung, Frage des Eintritts in den Bölkerbund aufgeworfen worden waren.
Die deutsche Regierung hat noch gestern abend ihre Antwort abgehen lassen. Sie nimmt die Einladung zu juristischen Borbesprechungen an. Das Stadium des Notenwechsels ist zu Ende und die Bahn zu mündlichen Verhandlungen ist frei. Die Verhandlungen über den Sicherheitspatt nähern sich damit jenem Stadium, das in den Berhandlungen über den Dames- Plan erreicht wurde, als die deutsche Regierung Marg Stresemann sich entschloß, zur Londoner Konferenz zu gehen.
Die Darlegungen der Briand - Note haben die deutsche Regierung bewogen, den Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund fester ins Auge zu faffen. Sie fnüpft den Eintritt Deutsch lands in den Bölferbund nicht an Bedingungen, sie wünscht Zusicherungen der loyalen Handhabung des Artikels 16 von der französischen Regierung gegenüber den entwaffneten Mächten.
Der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ist mit der Frage des Sicherheitspattes untrennbar verknüpft. Er entspricht dem Willen der großen Mehrheit des deutschen Bolkes. Für die Sozialdemokratie ist die Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland , die Herstellung eines gesicherten Friedens, der entscheidende Punkt der europäischen Politik. Bölkerbund und Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund sind Wege zu einem gesicherten Frieden, die jedoch getrennt nicht zum Ziel führen. Die Sozialdemokratie begrüßt jeden Fortschritt auf diesem Wege, fie verlangt aber von der deutschen Regierung, daß fie in der Frage des Eintritts in den Bölkerbund Aktivität entwickelt.
Die dem Reichsaußenminister von dem französischen Botschafter am Montag überreichte Note lautet in der Ueberfegung wie folgt: Indem die Französische Regierung von der deutschen Note vom 20. Juli 1925 Kenntnis nimmt, stellt sie gern die Uebereinstimmung der Anschauungen zwischen den beiden Regierungen fest, die in gleicher Weise bestrebt sind, den Frieden Europas auf eine Verſtändigung gestützt zu sehen, die den Völkern ergänzende Sicherheitsgarantien verschafft.
Die Französische Regierung fieht mit Genugtuung, daß die Deutsche Regierung nach aufmerksamer Prüfung der franzöfifchen Note vom 16. Juni ihrer Ueberzeugung Ausdrud gibt, daß eine Einigung möglich ist.
In dem Wunsche, die Stunde der Einigung nicht hinauszu schieben, wird sich die Französische Regierung auf die Darlegung berjenigen Bemerkungen beschränken, zu denen sie in Ueberein stimmung mit ihren Alliierten durch die Brüfung der drei wesent lichen Bunkte der deutschen Note veranlaßt wird. Da diese Note sich zu gewissen in der französischen Antwort vom 16. Juni auf geworfenen Fragen nicht äußert, will sie anscheinend zu erkennen geben, daß die Deutsche Regierung insoweit feine grundsäglichen Bedenken hegt und sich nur die Erörterung von Einzelpunkten vor
behält.
1. Mit Befriedigung hat die Französische Regierung festgestellt, daß die Deutsche Regierung nicht beabsichtigte, den Abschluß eines Sicherheitspattes von einer Aenderung der Bestimmungen des Friedensvertrages abhängig zu machen.
Jedoch lenkt die Deutsche Regierung zweimal die Aufmerksam keit darauf, daß die Möglichkeit gegeben sei, die bestehenden Berträge auf dem Wege der Vereinbarung neuen Berhält. nissen anzupassen, wobei sie auch auf gewisse Bestimmungen der Bölkerbundsfagung hinweist. Ebenso bringt sie den Gedanten einer Aenderung des Ottupationsregimes in den Rheinlanden in Anregung.
Frankreich ist sich bei seiner Achtung vor den internationalen Verpflichtungen der Bertragsbestimmungen, auf welche die deutsche Note anspielt, durchaus bewußt und hat nicht die Absicht, sich irgend einer Bestimmung der Völkerbundsjagung zu entziehen. Es erinnert aber daran, daß diese Sagung in erster Linie auf der gewissenhaften Achtung vor den Verträgen beruht, bie die Grundlage des öffentlichen Rechts Europas bilden, und daß
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In Uebereinstimmung mit ihren Alliierten ist die Französische Regierung der Ansicht, daß
weder der Friedensvertrag noch die Rechte, die nach diesem Berfrage Deutschland und den Alliierten zustehen, beeinträchtigt werden dürfen. Ebensowenig wie der Vertrag dürfen auch die Garantien für seine Durchführung oder die Bestimmungen, welche die Anwendung dieser Garantien regeln und in gewissen Fällen ihre Erleichterung vorsehen, durch die in Aussicht genommenen Abmachungen geändert werden.
Wenn die Note vom 16. Juni hervorgehoben hat, daß der Sicherheitspakt„ weder die Bestimmungen des Vertrags über die Belegung des linken Rheinufers noch die Erfüllung der in dieser Hinsicht im Rheinlandabkommen festgesetzten Bedingungen berühren
2. Die Alliierten sind nach wie vor überzeugt, daß die 3 u gehörigkeit zum Bölkerbunde für Deutschland , nachdem es seinen Eintritt vollzogen hat, das sicherste Mittel sein würde, um seine Wünsche zur Geltung zu bringen, wie dies andere Staaten ihrerseits getan haben.
Der Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund ist die einzige dauerhafte Grundlage einer gegenseitigen Garantie und eines europäischen Abkommens.
In der Tat fann ein Staat Borbehalte nicht von außen her wirksam zum Ausdruck bringen, da sie dadurch den Charakter von Bedingungen annehmen mürden. Erst innerhalb des Bundes fann er
Generalaussperrung im Baugewerbe.
Am Sonnabend sollen 600 000 Bauarbeiter entlassen werden. Heute finden im Reichsarbeitsministerium gemäß| mesen sein kann, denn es heißt: Der Antrag auf Verbindeiner zwischen dem Reichsarbeitsminister und den Spizenorganisationen der Unternehmer getroffenen Vereinbarung Scheinverhandlungen statt, denen am Sonnabend die Generalaussperrung der Bauarbeiter Deutsch lands folgen soll. Dieser Versuch, unter wohlwollender Neutralität und attiver Hilfe der Unternehmerverbände, die Bauarbeiter niederzuzwingen, wird gemacht, weil diese in einigen Bezirken Deutschlands um austömmliche Löhne kämpfen.
Nach den Beschlüssen des Deutschen Arbeitgeberbundes für das Baugewerbe muß damit gerechnet werden, daß am Freitag die Aussperrung in ganz Deutschland in Kraft tritt. Daran wird die für heute vom Arbeitsministerium anberaumte Aussprache über den Schiedsspruch nichts ändern. Berbindlichkeitserklärung des Schiedsspruchs vom 14. Auguft Die Beratung über den Antrag des Arbeitgeberverbandes auf ist mehr eine Formfrage; es besteht feine Aussicht, daß aus dieser Beratung ein Resultat herauskommen tann, auf Grund dessen die Aussperrung verhindert werden könnte.
Wie die Unternehmer diesen Kampf sich denken, darüber unterrichtet ein Rundschreiben der Verbandes der Baugeschäfte von Groß- Berlin vom 22. Auguft, in dem dieser zunächst darauf hiweist, daß am 28. August die Aussperrung ins Bert gesezt wird, und dann fortfährt:
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Am Freitag. den 21. August 1925 haben auf Veranlassung des Arbeitsministeriums noch einmal in letzter Stunde Berhand lungen zwischen den streitenden Parteien stattgefunden. Diese Verhandlungen sind vollständig gescheitert. Die traurige wirtschaftliche Lage hat sowohl der Regierung als auch der Indu strie Veranlassung gegeben, mit schärfftem Nach drud dafür einzutreten, daß die von den Gemert schaften geforderten Lohnerhöhungen nicht be. willigt werden können. Weil dies ohne weiteres Rüd wirkungen auf die Industrie und insbesondere auf die Reichsbahn haben müsse und weil damit die von der Reichsregierung beabsichtigte Preisfentung unmöglich durchgeführt werden fann. Der Kampf im Baugewerbe muß deshalb in verschärfter Weise weitergeführt werden. Wir wissen, daß diese Aufgabe sehr starke Anforderungen an die Mitgliedsfirmen des Verbandes stellt. Dennoch muß das Aeußerste geschehen, um diesen Kampf zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Wir fordern die Mitgliedsfirmen auf, jedes Nachgeben weit von sich zu weisen. Am Montag hat der Arbeitsminister die Spizen= organisationen der Arbeitgeber gehört und mit ihnen beraten, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer nochmals an den Berhandlungstisch zu bringen sind. Die Arbeitnehmerorganisationen sind dabei nicht gehört worden. Wie aus Zeitungsberichten zu entnehmen, ist dabei den Arbeitgebern geraten worden, die Berbindlichkeitserklärung des Schiedsspruches vom 14. August zu beantragen. Die Deffentlichkeit wird annehmen, daß das ein ernsthafter Versuch sei, die große, die Allgemeinheit schädigende Aussperrung zu verhüten. Aus den Zeitungsberichten aber ist zu entnehmen, daß diese löbliche Absicht nicht ausschlaggebend ge
lichkeitserklärung ist gestellt, um sich vor dem Vorwurf zu schüßen, daß man nicht alle im Schlichtungsverfahren vorgesehenen Einigungsmöglichkeiten benutzt habe," und ferner heißt es ,,, man nimmt dort( in Arbeitgeberfreisen) mit aller Bestimmtheit an, daß der Reichsarbeitsminister im Bauarbeiterstreit nicht durch eine amtlichen Schiedsspruch eine Einigung zwangsweise herbeiführen wird, da man schon durch Borbesprechungen zu der Ansicht gekommen zu sein glaubt, daß das Arbeitsministerium in diesem Falle trotz aller Verhandlungsbereitwilligkeit die Austragung des wirtschaftlichen Rampfes den Vertragsparteien letzten Endes selbst überlassen wird.
Daraus ist ersichtlich, daß die Bertreter der Arbeitgeberorganisationen, bevor sie die Berbindlichkeitserklärung bemonnaie durch die Beantragung der Berbindlichkeitserklärung antragten, sich Gewißheit verschafft haben, daß ihrem Portefein Schaden geschehen kann. Den Arbeitgebern wird gesagt: Ihr habt keinerlei Befürchtungen zu hegen, daß ein Druck vom Arbeitsministerium ausgeübt wird." Das Arbeitsminifterium erklärt damit, daß die Aussperrung, die nach Meinung der Arbeitgeber 600 000 Bauarbeiter umfassen soll und damit mit den Angehörigen der Nebengewerbe Millionen von deutschen Einwohnern brotlos macht, fein öffentliches Interesse darstellt.
Dieses Zusammenspielen der Reichs= regierung, der Industrie und der Arbeit. geber des Baugewerbes entbehrt nicht eines gemissen Reizes, wenn man sich erinnert, daß jahrelang den deutschen Gewerkschaften fälschlich nachgesagt wurde, daß ihre Lohnforderungen nicht auf wirtschaftlichen Gründen, sondern auf politischem Machtwillen beruhen. In diesem Falle ist es offensichtlich, daß der wirtschaftliche Kampf der Bauarbeiter um Berbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen von der Gegenseite zum Ausgang eines politischen Kampfes gegen die Arbeiterorganisationen gemacht worden ist.
Wie wir eingangs sagten, ist die Aussprache über die Verbindlichkeitserklärung des unmöglichen Schiedsspruches vom 14. Auguft mehr eine Formfrage, wenn man das Wort Komödie vermeiden will. Diese Aussperrung setzt des weiteren voraus, daß sie in einer Anzahl von Bezirken sich unter Bertragsbruch der Unternehmer voll. zieht, da in den meisten Bezirken Tarifabmachungen und Lohnabkommen bestehen.
Die gewerkschaftlichen Organisationen der Bauarbeiter rechnen mit der Tatsache, daß am Freitag abend die Aussperung in Kraft gesetzt wird. Sie haben die erforderlichen Borkehrungen getroffen. Die freien Gewerkschaften sind nicht gewillt, mit verfchräntten Armen zuzusehen, wie Regierung, Arbeitgeberverbände und Bauunternehmer gemeinsam die Bauarbeiter niederfnüppeln, einzig weil diese ausfömmliche Löhne und die Einhaltung des Achtstundentages fordern. Der Bundesausschuß des ADGB . hat einmütig eine Solidaritätserklärung beschlossen. Der Gewerkschaftstongreß, der am Montag in Breslau zusammentritt, wird diesen Beschluß bekräftigen.