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Nr. 407 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 208

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Sonnabend, den 29. August 1925

Auf dem Wege zu Paktverhandlungen

Die Antwort der Reichsregierung.- Montag Juristenkonferenz in London  .

Die der französischen   Regierung am 27. August überreichte Antwort der deutschen   Regierung hat folgenden Wortlaut: Die Deutsche   Regierung beehrt sich, den Empfang der fran­

zöfifchen Note vom 24. Auguft zu bestätigen.

Die am Schluß der französischen   Note ausgesprochene Ansicht, daß eine Fortsetzung des Notenwechsels kaum geeignet wäre, zu einer weiteren klärung der mit dem Abschluß eines Sicherheitspattes zu­fammenhängenden Fragen zu führen, wird von der Deutschen   Re­gierung, die dem Wunsch nach möglichster Beschleunigung der Erörterungen in der Note vom 20. Juli auch ihrerseits Ausdruck ge­geben hatte, durchaus geteilt.

Die Deutsche   Regierung begrüßt deshalb die von Seiner Exzellenz dem französischen   Herrn Botschafter mündlich mitgeteilte Anregung, daß die juristischen Sachverständigen Deutschlands  , Belgiens  , Frankreichs   und Großbritanniens   möglichst bald zusammen­treffen, um dem deutschen Sachverständigen Gelegenheit zu geben, fich von den Ansichten der Alliierten Regierungen über die juristische und technische Seite der zur Erörterung stehenden Probleme zu unterrichten.

Unter diesen Umständen glaubt die Deutsche   Regierung, nach­dem sie ihren Standpunkt zu einer Reihe der wichtigsten Fragen in der Note vom 20. Juli dargelegt hat, von einer weiteren schrift lichen Erläuterung dieses Standpunktes und von einer

Die Stinnes- Sanierung. Ein Bericht des Stühungskonsortiums. Der Stand der Liquidation.

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Das Stübungsfonsortium der Stinnes- Unter­nehmungen veröffentlicht einen Bericht über die bisher durch­geführten Maßnahmen, der den Stand der Liquidation und die Ab­fichten der Banken eingehend beleuchtet. Wir heben daraus folgende

Mitteilungen hervor:

Die Liquidation ist bis zu einem gewissen Abschluß ge­langt insofern, als bisher diejenigen Aktien abgestoßen worden sind, deren Unternehmungen in der nächsten Zeit feine oder doch nur ge­ringe Erträge versprechen. Ein großer Teil der Gläubiger fonnte aus dem Erlös der bisherigen Verkäufe abgefunden werden, so daß das Stüßungskonsortium sich umorganisieren kann. Von den bisher beteiligten Banken bleiben nur noch die Darmstädter  , die Deutsche Bank und die Disconto- Gesellschaft in dem verkleinerten Stügungskonsortium, hinzu tritt die Dresdner Bank. Das Interesse dieser Banken am Konzern wird mit 35 Millionen Mart angegeben. Der von der Seehandlung gewährte Kredit wird zurüdgezahlt. Aufgabe des verfleinerten Stützungsfomitees bleibt die Verwertung der noch vorhandenen Masse, die insgesamt mit 140 Millionen Mark angegeben wird. Ihr stehen an Schulden ca. 112 Millionen Mark und an Bürgschaften 8 mil. lionen Mart gegenüber. Man erwartet bereits eine wesentliche Erleichterung der Lage von den Eingängen, die noch aus der Liqui­dation besonders des Eisengeschäfts und aus anderen Forderungen zu erwarten sind.

Eine besondere Rolle spielt bei der Abwicklung das erhebliche Kapital, das in den Kohleninteressen des Stinnes- Konzerns stedt und das nur sehr schwer zu realisieren ist. Deshalb sollen die daran beteiligten Firmen zu einer neuen Kohlenhandels A. G.  mit einem Kapital von 25 Millionen Mark zusammengefaßt werden, in die außer Grundstücken, Gebäuden und Handelsbetrieben die Stinnes- Flotte mit 42 000 Tonnen Rheinschiffen und 50 000 Tonnen Seeschiffen, Hafenanlagen und Umschlagplätze, sowie Beteiligungen eingebracht werden. Die Gesellschaft soll außerdem die Aftienmehr­keit des Mülheimer Bergwerkvereins erhalten und ein Vorkaufs­recht auf die Zeche Mathias Stinnes  .

Ob und inwieweit die Familie Stinnes   einen Anteil an diesen Werten erhält, wird sich nach der Tilgung der Verbindlichkeiten er­geben.

Mit großem Nachdruck betonen die Banken, daß sie die Abwick­lung nicht aus Gewinninteressen, sondern nur aus volks. wirtschaftlichen Gründen unternommen haben. Gewinne seien bei den Berkäufen überhaupt nicht erzielt, ebenfalls nicht Propi fionen und wahrscheinlich wird man auch auf die vom Garantie fomitee ausbedungene Provision von 1,6 Millionen verzichten. Die drei schon bisher an der Stügung beteiligten Großbanken sprechen diesen Verzicht schon jetzt bedingungslos aus. Schließlich wird festgestellt, daß die Aktienverkäufe unter Zustimmung der Ver­treter des Hauses Stinnes und ihrer beauftragten Geschäftsfreunde erfolgt sind.

Die Stinnes- Sanierung ist damit in ihr letztes Stadium ge­treten. Schon jetzt wird erkenntlich, daß für das Familienvermögen nur noch wenig übrig bleiben wird. Bon einem Stinnes- Konzern fann heute nicht mehr die Rede sein.

| Stellungnahme zu den Ausführungen der französischen   Nole jetzt absehen zu sollen.

Die Verhandlungen der juristischen Sachverständigen. London  , 28. Auguft.( WTB.) Der Amtliche Britische Funt­dienst meldet: Die Verhandlungen zwischen den Rechtssachverstän­digen der deutschen  , belgischen, französischen und britischen Außen­ministerien werden am Montag in London   beginnen. Die Länder werden wie folgt vertreten sein: Gaus- Deutschland, Rollin- Belgien, Fromage of- Frankreich und Sir Cecil Hurst- Großbritannien  . Der 3wed der Zusammenkunft ist, den deutschen   Sachverständigen von den Ansichten der Alliierten über die rechtliche und technische Seite der Probleme in Kenntnis zu sehen, die in dem vorgeschlagenen Sicherheitspakt enthalten find. Hier herricht allgemeine Befriedigung darüber, daß nunmehr die Verhandlungen durch Notenwechsel zwischen den in Frage tom­menden Regierungen beendet find, und man glaubt zuversichtlich, daß diese Zusammenkunft technischer Berater eine baldige konferenz der Außenminister am runden Tisch zur Folge haben wird.

Die deutsche   Antwortnote in Brüssel  . Brüffel, 28. August.  ( WTB.) Der deutsche   Gesandte hat Außenminister Bandervelde den Tegt der deutschen   Antwort auf die letzte französische   Note mitgeteilt.

Der Marokkokrieg. Zunehmende Opposition in Frankreich  . Paris  , 28. Auguft.( WTB.) Der Generalrat des De partements Indres et Loire   hat zu den Ereignissen ia Marotto Stellung genommen und sich gegen jede Art von Eroberung und für einen baldigen Frieden aus­

gesprochen. Es ist zu wünschen, daß die Regierung gleichzeilig mit

der Verteidigung der Frankreich   auf Grund der internationalen Ver­träge übertragenen Gebiete die Friedensbedingungen für Abd el trim verbinde, um diesem die Verantwortung für den Krieg zu überlassen und die ganze Welt von den friedfertigen Absichten Frank­ reichs   zu überzeugen.

Kritische Lage in Syrien  .

Gerüchte über die Eroberung von Damaskus  . London  , 28. August.( Eigener Drahtbericht.) Nach einer bisher unbestätigten Meldung sollen die Drusen Damastus erobert haben. Die französischen   Truppen hätten sich mit schweren Ver­Iuften zurückgezogen. Die Lage in Syrien   wird immer fritischer für die Franzosen. Es haben sich jetzt endgültig die Beduinen und die nationalistischen Araber auf die Seite der Drusen gestellt. Paris  , 28. Auguft.( WTB.) Wie New York Herald  " aus London  berichtet, stellen Telegramme aus Jerusalem   und Stairo, die gestern eingetroffen sind, die Lage in Syrien   weiter als fritisch dar. Berichte aus syrischer Quelle besagen, daß die antifranzösische Agitation start um sich greife und daß die Beduinen und arabischen   Nationalisten, die mit den Drusen gemeinsame Sache machten, die Franzosen bis an die Tore von Damaskus   verfolgt hätten. Die Franzosen und die französischfreundliche Bevölkerung hätten die Stadt geräumt und in Hauran   und Aleppo   herrsche Panik.

China   und die Mächte. Gemeinsamer Schritt der Mächte in Peking  . peting, 28. Auguft.( WTB.) Das diplomatische Korps hat fich über den Text einer kollektivnote geeinigt, die als Antwort auf die Note der chinesischen Regierung vom 24. Juni abgesandt werden foll. Die Note wird die Politik der Mächte bezüglich Chinas   dar­legen und deren Bereitwilligkeit erklären, daß in Washington   fefige­legte Programm einer Tariffonferenz, die am 26. Oktober in Pefing zusammentreten soll, auszuführen sowie die Konffifuierung einer Kommission zur Beratung der erterritorialen Rechte zu genehmigen. Die Note wird, wie verlautet, ferner die chinesische Regierung an ihre Verantwortlichkeiten in bezug auf die Aufrechterhaltung der Ordnung in China   erinnern.

Aufstand in Kanton.

New York  , 28. August.( Eigener Drahtbericht.) Aus Kanton wird gemeldet, daß die bolichemistischen Wampoa- Kadetten die Stadt überrumpelt und hunderte von Beamten der füdchinesischen Regierung festgenommen haben, die an der Ermordung des Finanz. minifters Ciaofschunghoi beteiligt sein sollen. Die Kadetten sind im Befik der strategisch wichtigsten Punkte der Stadt; in verschiedenen Stadtteilen ist bereits Artillerie aufgefahren, welche die Injel Honan  anzugreifen beabsichtigt.

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29. August.

Von den Dawesgesehen zum Sicherheitspakt.

Heute vor einem Jahr, am 29. August 1924, wurden die Dames- Gesetze im Reichstag mit den Stimmen der Hälfte der deutschnationalen Reichstagsfraktion angenommen. Die Po­litik der nationalen Demagogie erlebte einen frachenden Zu sammenbruch. Die Form, in der die deutschnationalen Führer und mit ihnen die Hälfte ihrer Fraktion die Kapitulation vor der Politik ihrer politischen Gegner vollzog, wird weder aus dem Gedächtnis der Zeitgenossen, noch aus dem Gedächtnis fommender Generationen verschwinden. Sie hatten bis zur letzten Stunde festgehalten an der Fiktion wütender Gegner­Schaft gegen die Außenpolitik der republikanischen Regierungen. Noch am 25. August hatte Herr Hergt im Plenum des Reichstags erklärt:

Wir gehen unseren Weg, wie unser Gewissen ihn vorschreibt. Ich möchte beinahe sagen: Hier stehe ich, ich tann nicht anders. Wenn wir um Einfluß in Ländern und um Regierungs­fize hätten buhlen wollen, hätten wir unsere Ueberzeugung jegt leicht ändern fönnen. Aber wir verzichten darauf, um unseres Idealismus willen."

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Diese zur Schau getragene Intransigenz in letzter Stunde ließ die Kapitulation der Deutschnationalen vor der republika­nischen Außenpolitik nur noch fraffer und in den Augen ihrer Anhänger noch schimpflicher erscheinen. Diese Rapitulation war der Zusammenbruch der deutschnationalen Politik, die sie seit der Unterzeichnung des Friedensvertrages verfolgt hatte. Sie hatten gegen die Politik der Bersöhnung und der Ber­ständigung die Politik der sogenannten nationalen Oppo­fition" gestellt eine Politif der hehenden demagogischen Phrase, die in unreifen und unklaren Köpfen jene Mord­gefinnung gegen die Führer der republikanischen Politik hervorrief, denen Erzberger und Rathenau   zum Opfer gefallen sind. Die Mordheze hat die Außenpolitik der Berständigung und der Versöhnung so wenig töten fönnen, daß am 29. August 1924 die Deutschnationalen die Linie über­fition von der Außenpolitik der republikanischen Regierungen schritten, die grundsäßlich die Politik der nationalen Oppo­getrennt hatte.

Die Annahme der Dawes- Gesetze mit den Stimmen der Deutschnationalen, die Kapitulation der Deutschnationalen vor dem Gedanken der Verständigung war ein ungeheurer Erfolg der Sozialdemokratie. Sie hatte diese Politif eingeleitet, sie hatte als erste die Annahme des Dames- Gutachtens gefordert, um auf dem Wege über die wirtschaftliche Verständigung zu einer politischen Verständigung und zur Herstellung eines wahren Friedens in Europa   zu gelangen. Gegen sie und ihre außenpolitischen Forderungen brandete der Haß der Deutschnationalen empor. Die Kapitulation der Deutschnatio­nalen vor den sozialdemokratischen außenpolitischen Forde­rungen am 29. August 1924 war ein Triumph ihrer Politik.

Die Deutschnationalen gingen mit Dawes nach Damastus. Nach diesem Schritt gab es für sie kein Zurück mehr. Die wirtschaftliche Verständigung zog mit einer Notwendigkeit die politische Verständigung nach sich. Die Regierung, in der die Deutschnationalen als stärkste Regierungspartei vertreten sind, hat die Konsequenzen aus der Annahme der Dawes- Gesetze ziehen müssen. Sie hat die Politif des Sicherheitspattes ein­geleitet und steht heute vor dem 3wang, die Folgerungen aus ihren eigenen Vorschlägen zu ziehen. Abschluß eines Sicher heitspattes, der die durch den Vertrag von Versailles   im Besten gezogene Grenze auf ewig garantiert: Eintritt Deutsch­ lands   in den Bölkerbund!

werden, wie sie am 29. August 1924 für die Dawes- Gesetze

Die Deutschnationalen sind diesen Weg mitgegangen. Sie stimmten, ihre Unterschrift unter den endgültigen Ver zicht auf Elsaß- Lothringen   fezen. Aber sie sind viel mehr geschleift worden, als daß sie gegangen sind. Sie haben sich nicht als Staatsmänner mit Würde vor der ehernen Notwendigkeit dem Zwange der deutschen   Lage gefügt. Sie find dem Gange der deutschen   Außenpolitik fläffend nachge­folgt. Die Angst vor der Verantwortung, die Angst vor den eigenen Parteigenossen hat ihr stetiges Zurückweichen vor den inneren Notwendigkeiten der deutschen   Außenpolitik den Zeit­genoffen als ein unwürdiges Schauspiel erscheinen lassen. Sie haben sich den Verzicht auf das, was sie ihren nationalen Idealismus nannten, Stüd für Stück abfaufen und bezahlen lassen mit politischen und wirtschaftlichen Sondervorteilen auf Kosten der Gesamtheit des Volkes. Sie haben aus der Kapi­tulation einer großen Partei vor den inneren Notwendig­feiten der geschichtlichen Entwicklung, die eine Tragödie hätte sein können, ein Geschäft gemacht.

Am 30. August 1924, einen Tag nach der Kapitulation der Deutschnationalen, legte die Regierung dem Reichstage zum ersten Male die 3ollvorlage vor. Der Kampf um die Lastenverteilung, die Politik des Bürgerblods begann.

Zwischen ihrem Beginn und ihrer Vollendung lagen die Dezemberwahlen. Die Deutschnationalen, die die Grundge­danten ihrer Partei preisgegeben hatten, vermochten dank einer bedenkenlosen Aufwertungsdemagogie auf Kosten der