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2002

Dienstag

1. September 1925

Unterhaltung und Wissen

Der Galgen.

Von Auguft Stramm.

( Aus dem Nachlaß 1906.)

Der Sturm!

Hoch in den Wolfen winden sich die Kiefern, die dürren Arme reden die geballten Fäuste

in grausem Beben gegen Himmel,

ohnmächtger Hilfeschrei

Gestalt geworden.

Die Wolken ziehn in Floren,

dumpf grau,

schwarz dräuend,

in stumpfen Glast,

in sicht'gen Ballen,

ein Sonnenblick dazwischen strahlt aus Blau!

Es heult der Sturm, die Schatten fliegen ohnmächtig recken sich die Kiefernarme!

Fest steht der Galgen,

wuchtig, breit und schwer,

nicht eine Fuge zittert an dem Bau,

weit spannt sein starrer Schatten übers Land

im scharfen Winkel abgebogen

ein durchgeschnittner Fluch!

Der Strick im Sturm schwingt pendelnd hin und wieder

am harten Holze flappert hohl die Schlinge!

Das Weib am Fuß!

Die vollen Brüfte nackt und bloß,

die Augen gierend aus den grauen Höhlen

die kraftdurchtrozten Glieder angespannt,

die schwarzen Haare von den Schläfen flutend

hinunter auf der Schultern blanke Macht,

und auf die prallen Muskeln ihrer Arme.

Mit dürren Fingern an den schweren Händen grabet sie

zu ihren Füßen Kopf auf Kopf hervor,

und schichtet zu die Knochen

probend... passend,

bis auch die letzte Knochenfaser eingefaßt.

Nun stehn sie auf und gehen,

reihn sich ein

und bange Schatten fallen übers Land

am Hals das Galgenzeichen!

Nicht fügt der Kopf sich an den Trägerwirbel,

er flappert hin und her.

und fällt zur Seite... vorn und rückwärts über. Da legt das Weib ihm um den Hals den Kranz aus Moos, wie er auf grauen Schädeln wächst, Sternblümelein und Lorbeer, Efeuranken, wie es emporquillt aus der Modererde.... Nun hält er fest!!!.

In langen bangen Reihn ziehn sie dahin, der Sturm umheult fie,

peitschet ihr Gebein

se

und grauses Klappern mischt sich in das Heulen.

Im Schatten ihres Galgens ziehn sie hin,

fein Schritt darüber, feiner nebenraus,

so wenden sie gebannt in seinem Kreis

und fehren wieder zu dem Fuß des Galgens

vom Sturm gepeitscht

Und lockert sich ein Glied

so fügt sie's fester,

oder reißt es aus,

schlägt auch das Ganze nieder unter sich begrabend

und fügt ein neues ein..

Ein neu Gebeine in den schwanken Zug.

Und lacht dazu,... und streichelt sie,

und reißt sie auseinander

treibt endlos dieses gleiche grause Spiel,

und lacht dazu

und weint und singt

mit hohler Stimme

die im Sturm verflingf,

getragen, dumpf wie Grabesraunen,

wie Sphärentlang von irgendwo

weit über allen Sternen

hinaus aus Zeit und Raum

aus Leben.

Tod,

aus Ruh und Regen

unfaßbar und unwandelbar,

aus mesenlos und uferlos

und ewig strömend Unbewegten

unendlich Werden.... endlos Sein tonlos und allerfüllend

Und alle Sterne singen mit:

"

Gehenft im Leben,

nach dem Tode... Leben!!

Das Bürgmal decket euch der grüne Kranz! Baßt es euch nicht?

Fügt es sich in meine Zeit und Werden, so schlag ich euch herunter wiederum

und setze andere an eure Stelle,

ihr modert namenlos mir unterm Fuß, seid ihrs zufrieden?

Was weiß ich?

Ich zog euch groß an meinen fatten Brüften, Ich nährte mich danach von eurem Fleisch Und eure Knochen schütten mir den Sig. Kommt her zum Spiele!... Was weiß ich?... Bin selbst ein Fezen nur vom Ganzen, mer weiß, mer ob mir ist,

ich muß mich fügen...

ich hänge euch, wer weiß, wann baumle ich, bin selber namenlos begraben und vergessen, auf meinen Resten thronet... wer weiß ich? Gefällts euch nicht?

Ich laß euch Reigen tanzen,

bin selbst ein Schatten nur, vielleicht nicht mal im Schattenspiel einft zu verwenden mehr... für wen weiß ich?

Zieht und schwankt und schwebt und kehrt, ihr Narren,

ich gab mir selbst den Namen,

den Namen... Ich!... was soll der Name deuten? doch eure Namen geb ich euch

und schleudre euch ins Namenlose

mir unterm Fuß,

so wie ich will!

Kommt her zum Spiel!

Nun bist du Christus,

und du Sokrates ,

du fundetest der Sterne mirren Lauf

du spürtest nach dem Allgeschehn und Werden

du wolltest Schönheit... und du Wahrheit sehaffen.. Fort... marsch, ihr Schatten!

Ich gebe euch die Namen, Ich... reih euch ein

Ich. lasse leben euch,

Werf euch ins Namenlose,

Ich. Mutter euch... und euer Henfersknecht! ſo.. wie... Ich... will!!

Was will ich?

Ich bin ein Stück im Reigen

und über meines Galgens Schatten kann ich nicht, fommt her, ihr Narren,

wißt ihr vom Spiel den Sinn?

Ich bin die Menschheit und mein Siz seid ihr!".

Es heult der Sturm, es ziehen die Gebeine... starr steht der Galgen endlos währt das Spiel.

Ohnmächtig reden sich die Kiefernarme!

LUTHER

SCH

Durchhalten!

th

UTZ ZOLL

Am Meer.

Beilage

des Vorwärts

Von Walther G. Oschilewsti.

Grünumgürtet von den sommerlichen Wäldern, eine blühende Schaumkrone in den Händen der Welt, lag das Meer.

Ich kam aus einem kleinen Fischerdorf am Rande der Halbinsel und lief nun die weißbeflaggte Straße hinan, die in den blauen Himmel führte. Um aber wieder an das Meer zu kommen, ging ich oftwärts.

Der heiße Sand kniff in die nackten Sohlen.

Wie reifes Obst lag die Sonne in den Dünen. Das Gras zer­schnitt die Luft in tausend einzelne Teile und bewegt sie leicht. Scharf biß der Salzgeruch im Munde, aber es war schön so. Auch Wind war da, einige Scheffel voll. Die fühle Brise flog über den Strand.

Man darf nie müde sein, wenn man ans Meer geht. Hier ist fein Tag, um zu schlafen. Es braust und rauscht.

Dja das Meer!

Berge sind schön und je dunkler sie sind, desto fühner und er­habener für das furchtlose Herz.

Wälder sind füß und berauschend, wenn der Sommer in ihnen rount; felige Inseln des grünen Gottes Pan. Wer aber Laub und Moos nicht liebt, ist kein Mensch. und das Meer! Das leuchtende,

Ich liebe Berge und Wälder muscheltönende, kristallene und schiffbefahrene Meer!

Hier leuchtet die Nacht wie Bernstein , und der Fisch glänzt; hier tönt die Muschel und ist Gesang im Mastgezweig. Wind, Riesel, Seestern und Bogel gehen auf die Reise. Geheimnisse fliegen dir zu. Das Schiff fährt aus; am Kap zerschellt die Nacht. Es beginnt die Welt. Am Meer.

Liegst du am Strand, die Welle spricht:

Was ist die Stadt? Eine Steinuhr. Was ist das Leben? Eine Sandwüste. Was ist der Berg? Ein Finger der Welt. Was ist der Wald? Urdunkel der Nacht.

Aber was ist eine brausende Woge? Ein Tropfen im großen freien grünumgürteten Meer!

Wieviel Blut hat der Mensch? Es ist in vielen Fällen wichtig, die gesamte Blutmenge zu fennen, mit der das Gefäßsystem eines Menschen gefüllt ist; aber einer genauen Bestimmung der gesamten Blutmenge, die im menschlichen Körper freist, stellen sich große Schwierigkeiten entgegen. Nach den üblichen Blutuntersuchungs­methoden läßt sich immer nur angeben, ob ein relativer Reichtum oder Mangel an Blut vorhanden ist, und man muß sich mit der Diagnose der Vollblütigkeit" oder" Blutarmut" begnügen, die recht ungenau und schwankend ist. Diese allgemein angewandten Metho= den vermögen die Frage nicht zu beantworten, wieviel Liter Blut ein Mensch nun eigentlich besitzt. In den physiologischen Lehr­büchern findet man zwar die Angabe, daß ein Dreizehntel oder 7,5 Proz. des Körpergewichts auf das Blut entfällt; aber diese Zahlen wurden an Tieren gewonnen, die man ausbluten ließ, und es ist unmöglich, ein Tier durch einfachen Aderlaß restlos auszu= bluten. Dies Verfahren ist also ungenau; man hat daher andere Methoden anwenden müssen, über die Frizz Laquer in den Natur­missenschaften" berichtet. Diese Methoden sind im Gegensatz zu der direkten Ausblutung, die nur beim Tier möglich ist, indirekt und merden am Menschen vorgenommen. Von praktischer Bedeutung find diejenigen Verfahren, bei denen bestimmte, leicht nachweisbare Substanzen in die Blutbahn eingeführt werden, und zwar bedient man sich bestimmter Farbstoffe, so bei der praktischsten Methode, dem Griesbachschen Kongprotverfahren. Cine bestimmte Menge Kongorotlösung wird in die Blutbahn gebracht; nach 4 bis 5 Minu ten ist die Durchmischung so vollständig, daß bei einer fofort ent­nommenen Blutprobe der Gehalt des Serums an Kongorot folori metrisch festgestellt werden kann. Die Hauptschwierigkeit liegt dann darin, das Verhältnis der Erythrozyten zu der Blutflüssigkeit zu bestimmen, aus dem man die Gesamtblutmenge genau berechnen fann. Daher sind die Durchschnittsmerte, die die verschiedenen For­scher für die Gesamtblutmenge des gesunden Menschen angegeben haben, noch ziemlich verschieden und schwanken zwischen 5 Proz. und 8,3 Broz. Im Mittel aber entsprechen sie genau den bisherigen Angaben, nach denen die Blutmenge 7,5 Proz. des Körpergewichts beträgt. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen sind recht beträchtlich; vor allem haben fette Menschen eine verhältnismäßig fleinere Gesamtblutmenge als magere, da dos Fettgewebe nur sehr wenig an der allgemeinen Blutversorgung beteiligt ist.

Wein aus Ameisen und andere Genüffe. Nicht nur China ist

Durchhalten, Leute, ich werde den Preispegel fchon ein Baradies erotischer Leckerbissen, sondern auch in Südamerika wieder runterkloppen!"

Legende.

Bon Hans Jüngst.

Sie hatten des Menschen Sohn gerichtet.

Ein fesselloser Aufruhr von Triumph und Trauer wogte und wirbelte um die drei Kreuze. Und einer schrie hohngellend empor: Bist Du Christus, der Sohn Gottes, so steige herab vom Kreuz!" Des Menschensohnes sterbende Sinne fingen diese Worte. Cine letzte Flut von Leben quoll in ihm auf. All sein Eifer, all sein 3orn, all seine verlorene Machtherrlichkeit fie bäumten sich noch einmal zu einer riesenschwarzen. weißzijchenden Woge, sieghaft anzupeitschen gegen dieses Felsgezack von Spott, gegen diese augenlose Felsenstirn von Unverstand.

-

Und des Menschen Sohn wand sich am Kreuze....Steige herab...!" Die Nägelmale flafften weiter und bluteten von neuem. Als sei dieser verelendete Körper zu flein für das lebermaß von Bein, durchraste, durchschüttelte reißend ein siedender Schmerz den schlanken, leidvollen Leib. Wächsern ward er und grünfahl. Kalter Schweiß glänzte auf im Lichte der Fackeln. Die Nägel aber bissen ihr Eisen hartnäckiger ins Holz und wichen um feinen 3oll. Dann sank er zusammen, todwund, todmüde...

Bon ferne aber stand Maria Magdalena .

Ihre weiten, schwarzen Augen sahen heiß und brennend trocken des Geliebten letztes Ringen und dieses Lebens letzten, verebbenden Krampf.

Und er neigte fein Haupt und verschied.

Eine mesenlose, tote Nacht mölbte ihr schwarzes Dach. Ber­nichtende Erschöpfung und Bewußtlosigkeit lastete auf aller Streatur nach diesem Frevel ohne Namen. Auch auf den beiden Wächtern vor den drei kreuzen. Sie gewahrten nicht die dunkle Frauengestalt, die lautlos fam, und vor des Menschensohnes Kreuze in stillem, ersticktem Schmerz niederfniete.

Maria Magdalena wachte in dieser Nacht.

-

-

Ihr heißer, roter Mund, der alle Erdensünden getrunken, ohne zu zittern in einer großen Liebe schmachtend gebebt hatte er fenfte sich lind und weich auf des Geliebten tote Füße und füßte sie. Rüßte die bluterstarrten Wunden innig inbrünstig wild und groß! Küßte eine ganze Menschenseele hinein. Da löfte sich des Gekreuzigten rechter Arm vom schwarzen Stamme. Und sentte sich. Und zog das liebende Weib mächtig an, daß es selig erschauernd emportaumelte.

Maria Magdalena lehnte ihr Haupt an den falten, nackten Körper. Sie fühlte eine Hand auf ihrem Haupte weich­fie fegnend...

-

warm-

fann man noch Goumengenüsse auskosten, die dem Europäer einen leichten Schauder hervorrufen. So wird dort der seltsamste Wein getrunken, den es auf der Welt gibt, nämlich der prickelnde Mochi­leras, durch den man in die lustigste Stimmung gerät. Dieser Wein ist aus zerdrückten Ameisen bereitet, und zwar verwendet man die Hormigas" oder Wein- Ameisen", die in ganzen Säden an jedem Marittag zum Verkauf angeboten werden. Diese Ameisen sammein Honig; da die Arbeiter aber nichts zum Aufbewahren des Honigs befizen, so bohren sie andere Ameisen an und füllen sie mit Honig. Aus diesen Honig- Ameisen" wird nun der Wein bereitet, indem man sie zerdrückt, die Flüssigkeit durch ein Seihtuch abtropfen läßt und auf diese Weise den Nektar erhält, der dann zu Wein verarbeitet wird. Brot aus Käfereiern wird in den argentinischen Grenz­gebieten von jedem Bäcker verkauft. In manchen Flüffen gibt es Wasserfäfer, die Coriga heißen und in zahllosen Millionen herum­schwärmen; sie legen ihre Eier in riesigen Massen auf das Wasser­gras, das die Eingeborenen zu diesem Zweck abjuchen. Die Eier werden einmal in der Woche gesammelt, in einer Art Brei zu­fanmengedrückt, mit Honig durchmengt und dann zu einem Brot gebacken, das Hautle" heißt. Reisende, die von diesem Käferbrot gefoftet haben, versichern, daß es von dem feinsten Weißbrot nicht zu unterscheiden sei. Raupen, Eidechsen, Frösche und Stachelschweine gelten in manchen Teilen Südamerikas für große Leckerbissen. Bei ben Ottomoc- Indianern werden Schlamm- und Fischkuchen gegessen, denen man ein herrliches Aroma nachrühmt. Während der Regen­zeit, wenn die Flüsse megen ihrer reißenden Strömung nicht befahren werden können und das Fischen daher unmöglich ist, werden diese Ruchen nur aus dem Schlamm bereitet. Ein anderer Stamm lebt von Moskitos, die in Biskuits zusammengepreßt werden und wie Kaviar schmecken sollen. Ein wunderliches Gemengsel ist der ge= wöhnliche Tee, den man in Argentinien erhält; er heißt Verba mate" und wird in den Tiefen der südamerikanischen Urwo: der von herumziehenden Indianern gesammelt. Die Derbablätter merden geröstet, zu Bulver zerrieben und mit kochender Misch oder Weiser rermischt. Auf diese Weise bereitet man das Mate", das zu den den großen Vorzug besitzt, feine bösen Wirkungen zu haben, in anregendsten und belebendsten Getränken gehört, die es gibt, und welchen Mengen man es auch genießt.

Wie alt ist die Brille? Als die älteste Brillendarstellung ist ein Bild des Thomas von Modena in einem Fresto von 1352 nach­gewiesen, das sich in der Safristei der Nikolaus- Kirche von Treviso befindet. Daß aber Brilen schon früher bekannt waren, beweist eine Stelle aus einer Florentiner Handschrift von 1299, die Dr. 2. Bour­gecis in seinem soeben erschienenen Buch Die Brillen unserer Vor­fahren" mitteilt. In diesem Trattato del governo della famiglia" schreibt der Verfasser: Jch bin jetzt bereits so alt geworden, daß ich meder lesen noch schreiben könnte ohne die Occhiali " genannten Gläser, die kürzlich zum Segen der armen Greise erfunden worden find, deren Sehkraft schwach ist." Man hat also schon im 13. Jahr hundert Brillen, wahrscheinlich zuerst in Benedig, hergestellt.