Bewerkschaftsbewegung
Gemeinden und Unternehmerverbände. Inzuläffige Parteinahme des Deutschen Städtetages.
Die starte Stellung der sogenannten„ Wirtschaft“ und der sie Bertretenden öffentlich- rechtlichen Organisationen, Industrie- und Handelskammern usw. und auch Unternehmerverbände, fommt in lehr bezeichnender Weise darin zum Ausdruck, daß der Deutsche Städtetag an seine Mitglieder eine Dentschrift der rheinischwestfälischen Industrie- und Handelskammern und Arbeitgeberverbände über den Einfluß der Bautätigkeit der öffentlichen Körperschaften auf die Wirtschaftslage" versendet. Diese Dentschrift ist von der ersten bis zur letzten Zeile ein einziges Gejammere darüber, daß die Gewerkschaften der Arbeiter zu starte 2ohnerhöhungen durchsetzen. Sie gipfelt in der Forderung, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind,
1. Die Gemeinden zu der unbedingt notwendigen Sparfam teit, besonders bei ihrer Bautätigkeit, anzuhalten,
2. einer Lohn politit entgegenzumirten, die mit der schwierigen Wirtschaftslage nicht im Einklang steht."
Die vom 27. Juii datierte Denkschrift vertritt in der einseitigsten Beise den engherzigen Standpunft der Unternehmerverbände. Es wird behauptet, daß der Unterschied der Industriearbeiterföhne zu den Bauarbeiterföhnen einen starten Anreiz zur Abwanderung der industriellen Facharbeiter zum Baugewerbe gebe, mo sie selbst als Hilfsarbeiter einen höheren Lohn erhalten, als ihnen die Industrie zahlen könne. Dadurch werde, namentlich für die weiterverarbeitende Industrie, die Heranbildung eines Stammes guter Facharbeiter gefährdet. Infolgedessen verschlechtere sich die Ausfuhrfähigkeit, die Handelsbilanz, die Möglichkeit, die Zahlungen des Dames- Blanes zu erfüllen usm.
In diesem Zusammenhang wird den Gemeinden der an allen Eden und Enden wiederholte Borwurf gemacht, daß sie eine„ unverantwortliche Ausgabepolitif" treiben. Es wird deswegen von ihnen verlangt, daß sie ihre Bautätigkeit unter allen Umständen auf das Geringste einschränken und daß sie als Auftraggeber für öffentliche Bauten stets den Standpunkt der Unternehmer teilen soilen.
Die ganze Angelegenheit hat aber noch eine andere Seite. Es ist bezeichnend, daß die Geschäftsstelle des Deutschen Städtetages ausgerechnet diese, im übrigen in vielen Einzelheiten vollkommen Schiefe und längst widerlegte Darstellung der Unternehmerverbände an die Mitglieder versendet. Bekanntlich hat sich u. a. auch der Reichs- und Staatsfommissar Mehlich gegen die Angaben dieser Dentschrift gewandt. Es ist sehr fraglich, ob die Geschäftsstelle des Deutschen Städtetages auch eine Denkschrift der Gewerkschaften über diese Frage versenden wird.
Im übrigen pflegen gerade auf dem Gebiete der 2ohnpolitit die Unternehmer auf die Gemeinden allerwenigste Rücksicht zu nehmen. Es ist nicht die Aufgabe der Gemeindeverwaltung, in dem Streit zwischen den beiden Wirtschaftsgruppen sich einseitig auf die eine oder andere Seite zu stellen. Würden die Gemeinden das tun, dann würde ihre öffentliche Stellung außerordentlich erschwert, wenn nicht unhaltbar werden. Der Deutsche Städtetag, dessen Vorstand sich mit diesen Fragen demnächst beschäftigen wird, wird jedenfolle gut tun, wenn er anmaßende Einmischungsversuche der Unternehmerverbände von vornherein eindeutig zurückweist.
Vor einem Streit der Bauklempner und Rohrleger. In der Bersammlung der Bauflempner am Dienstag abend im Berbandshause, Linienstraße, berichtete Dietrich vom deutschen Metallarbeiterverband über den Stand der Lohnbewegung. Wie bekannt war am 7. Auguft ein Schiedsspruch gefällt morden, der einen Spizenlchn von 1,35 m. festsezte. Die Unternehmer, mie auch tie am Tarifvertrag beteiligten Rohrleger, hatten den Schiedsspruch abgelehnt, die Bauflempner dagegen an genommen. Da die Rohrleger in den von den Bauklempnern beantragten Berbindlichkeitsverhandlungen erklärten, den Schiedsspruch als Verhandlungsbasis anzu erkennen, wurden die Berhandlungen ausgesetzt, weil die Unternehmer zu dieser veränderten Situation erst Stellung nehmen wollten. 2m Sonnabend wurden nun die Verhandlungen vor dem Schlichtungsausschuß fortgefeßt. Die Unternehmer erflärten mit aller Bestimmtheit, nicht über den MaurerJohn von 1,25 m. hinausgehen zu können. Der Schlichter machte darauf den Vorschlag, den Spizenlohn ab laufende Lohnwoche auf 1,30 m. festzulegen. Dies würde eine Verschlechterung gegenüber dem erften Schiedsspruch bedeuten, nach dem der Spizenlohn schon ab 7. August 1,35 m. betragen sollte. Der Schlichter erklärte, zu der Verbindlich
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feitserklärung erst Stellung zu nehmen, wenn eine Ablehnung feines Bergleichsvorschlages erfolgt wäre. Die Versammlung beschloß in Anbetracht des villig ungenügenden Angebots den llebergang zur Tagesordnung.
a b.
Die Rohrleger nahmen ebenfalls am Dienstag in den Sophienjälen zu dem Vergleichsvorschlag Stellung und lehnten ihn aus dem gleichen Grunde wie die Bauklempner einstimmig Sollte der Schlichter nunmehr die Berbindlichkeitserklärung des am 7. August gefällten Schiedsspruches nicht aussprechen, so ist mit einem Streit der Rohrleger und Bauklempner zu rechnen.
Der ständige Konflikt in der Metallindustrie. Die Fachgruppe Metallindustrie des Wertmeisterverbandes hatte zu gestern eine Funktionärversammlung nach dem Klubhaus in der Ohmstraße einberufen. Rothe referierte über die Arbeitgeber und wir in der Wirtschaft in Verbindung mit unserer Gewerkschaftsbe= wegung."
Er führte aus, daß die Führung der Wirtschaft im Interesse des sozialen Menschen erfolgen muß. Je gesünder unsere Wirtschaft ist, um so bessere Arbeitsbedingungen erhalten unsere Arbeitnehmer. Beder der Kapitalprofit noch der Betrieb darf entscheidend sein für die Wirtschaftsführung, sondern nur die Stellung des sozialen Menschen innerhalb der Wirtschaft. Unserer Wirtschaft haftet noch viel zu viel Inflationsroft an. Es genügt nicht, das Kartellmesen zu befämpfen und Krediteinschränkungen vorzunehmen, so dankenswert auch diese Maßnahmen sind. Es muß eine Umorganisation durch das Herausschiffen unproduktiver Kräfte erfolgen. Es sind noch viel zu viel leitende Angestellte in unserer Wirtschaft. Warum verlangen die Arbeitgeber von ihnen nicht die Einsegung der vollen Arbeitsfraft, wie wir es von den großen Arbeitsmajjen verlangen? Der Vortragende zerpflückte dann die Argumente, die der Reichsverband der Deutschen Industrie in seiner Denkschrift angeführt hatte, um zu begründen, daß Lohnerhöhungen im jezigen Augenblic nicht am Plaze seien. Er ging dann nochmals wie der Referent in der Butabversammlung auf die Geschichte der letzten Lohnkämpfe in der Metallindustrie ein. Auch er verspricht sich weder von den Verhandlungen noch von den Schiedssprüchen ein pofitives Ergebnis.
Bei der heutigen Verhandlung wird von den Wertmeistern eine 20prozentige Erhöhung auf die bereits durch den von den Arbeitgebern nicht anerkannten Schiedsspruch vom Mai um 5 Proz. erhöhten Gehälter verlangt. Der Wertmeisterverband fordert die Durchstaffelung der Gehälter in drei Gehaltsstaffeln mit drei Dienstjahren. Auch die Wertmeister sind eventuell für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen entschlossen, die legten gewerkschaftlichen Mittel in Anwendung zu bringen. Die sehr lebhafte Diskussion, die fich an den Vortrag anschloß, ergab die Uebereinstimmung der Ansichten der Diskussionsredner mit den Ausführungen des Refe
renten.
Bor ernsten Kämpfen im Gastwirtsgewerbe. Die Unternehmer haben die vom Zentralverband der Hotel-, Restaurant- und Caféangestellten gestellten Lohnforderungen für die Arbeiterschaft im Gastwirtsgewerbe abgelehnt. Sie haben auch abgelehnt, mündliche Verhandlungen zu führen und defretieren von fich aus eine Lohnerhöhung für eine fieine Minderheit der im Gastmirtsgewerbe Beschäftigten. Darüber hinaus sollen die geringen Bugeständnisse nur bis zum 3. Oftober Geltung haben, von wo ab fie wieder megfallen sollen. Man läßt durchblicken, daß man ab 3. Ottober einen Lohnabbau plant. Zur Begründung defür wird der schon lächerlich gewordene, feit langem prophezeite Preisabbau" angeführt.
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Die Unternehmer des Gastwirtsgewerbes bezeichnen die fritische Lage der Arbeiterschaft als durch übertriebene Darstellung der Teuerung hervorgerufen. Gleichzeitig flagen sie über die Lage des Gastwirtsgewerbes, während andererseits festzustellen ist, daß die Betriebsführung im Gastwirtsgewerbe derartig feuer ist, daß dadurch die hohen Breise und damit der schlechte Geschäftsgang cine hinreichende Erklärung finden. Die Arbeiterorganisation hat festgestellt, daß zum Beispiel in mittleren Betrieben für drei Be triebsleiter mehr an Gehältern gezahlt wird, als für das gesamte weibliche Personal. Im Hotel Adlon wird allein dem Mufifleiter 60 000 M. Jahresgehalt gezahlt.
Da der bisherige Lohntarif am 5. September abgelaufen ist, stehen ernste Auseinandersetzungen bevor. Die Haltung der Unternehmer ist derart, daß ein offener Konflikt zur Wahrscheinlichkeit wird. Gerade die Unternehmer des Gastwirtsgewerbes hätten jedoch alle Ursache, die Angestellten zur Mitarbeit heranzuziehen, um einen Abbau ihrer überftiegenen Unfosten herbeizuführen.
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Proteft der westdeutschen Eisenbahner.
Köln , 9. September. ( Eigener Drahtbericht.) Am Dienstag, den 8. September, fand in Elberfeld eine Bezirkskonferenz der drei westlichen Bezirke Essen , Elberfeld und Köln des Einheitsverbandes der Eisenbahner statt. Die Konferenz hatte den Zweck, zu den Lohntarifen in den Eisenbahnbetrieben Stellung zu nehmen. Durch das Diftat der Reichsbahnhauptverwaltung und der umgehung der Betriebsräte und der Gewerkschaften war eine Lage geschaffen, die für die Eisenbahnbediensteten unhaltbar ist. Die Konferenz war der Auffassung, daß seitens des Vorstandes und der Betriebs. leitungen alle vorbereitenden Schritte zur weiteren Abmehr von Berschlechterungen eingeleitet werden müssen. Sollte es zu weiteren Komplitationen fommen, so lehnen die Vertreter jede Berantwortung ab. Einzig und allein dem provokatorischen Vorgehen der Reichsbahnhauptverwaltung ist der Konflift zuzuschreiben.
Landestagung der fächsischen Eisenbahner.
Auf der Konferenz des Bezirks Sachsen des Einheitsverbandes, die am Sonntag stattfand, maren 26 622 Lohn- und Gehaltsempfänger der Reichsbahn, das sind nahezu 52 Proz. der Beschäftigten, vertreten. Nach einem Referat Scheffels wurde eine Entschließung angenommen, in der es heißt:... Die Kollegenschaft lehnt jede Berantwortung für etwa eintretende Komplitationen ab; die Schuld an einer Schädigung des Wirtschaftslebens würde die Reichsbahnverwal tung allein zu tragen haben."
Zum Kölner Hafenarbeiterftreif.
Köln , 9. September. ( Eigener Drahtbericht.) Der Kölner Hafenarbeiterstreif droht weitere Kreise zu ziehen. In den Kölner Hafenarbeiterbetrieben sollen Streifbrecher von auswärts eingestellt merden. Für diesen Fall hat die Organisationsleitung Maßnahmen zur Verbreiterung und Verschärfung des Kampfes geschaffen.
Der Lohnstreik der Aachener Nadler. Machen, 9. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die Berhandlungen zur Beilegung des Lohnstreifs in der Aachener Radelindustrie find vor dem amtlichen Schlichter so weit gediehen, daß eine Einigung bevorsteht und mit einem Abbruch des Streits und der Aus sperrung für die nächsten Tage gerechnet werden kann.
Proteststreik der österreichischen Beamten.
Der 25 er Ausschuß der Staatsbeamten bestätigte den Beschluß, morgen Donnerstag in einen dreistündigen Demonstrationsstreit zugunsten einer Gehaltserhöhung einzutreten. Die Polizeidirektion hat ihren Beamten die Teilnahme an dieser Aftion verboten.
Der franzöfifche Bankbeamtenstreik dauert an. Paris , 9. September. ( Ill.) Die für gestern erhoffte Beilegimg des Bantbeamtenstreits ist mißlungen, da die Bantdirettoren trog der wiederholten Borstellungen des Arbeitsministers teine 3- geständnisse machen wollten. Es verbleibt nur noch die Möglichkeit eines Schiedsspruches, den, wie verlautet, drei Minister fällen werden. Der Streifausschuß hat bereits sein Einverständnis mit dem Schiedsspruch erklärt. Es steht nur noch die Zustimmung der Bankdirektoren aus, damit der vorgenannte Weg beschritten wird.
Der Buchdruckerstreit in Belgien.
Brüffel, 9. September( Tul.) Die Schlichtungsverhandlungen im belgischen Arbeitsministerium zwischen den Vertretern der streifenden Buchdrucker und den Arbeitgebern sind ergebnislos veriaufen. Der Streit dauert bereits sechs Wochen.
Warnung vor einem Schwindler. Ein gewisser Wilhelm Schilling treibt sich in Berlin herum, un Arbeiterorganisationen und Barteien zu betrügen. Sch. gibt sich als Flüchtling aus. Er will von den Franzosen megen antimilitaristischer Propaganda verfolgt sein. Er hat Papiere auf den Namen Schilling, Beruf Steinmes, geb. am 11. Februar 1892 in Höchst a. M. Ein Mitgliedsbuch des Deutschen Industrieverbandes und der Kommunistischen Bartei meist Sch. vor, gleichzeitig einen Entlassungsschein aus einem franzö fifchen Gefängnis.
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