Wohin steuert das Rabinett Painleve?" ragt sich melancholisch die ganze Presse des Bloc national. Mißtrauische Patrioten behaupten, die Regierung würde alles un, um wieder Anschluß an die Mehrheit der Zinken zu finden. Im übrigen wird in den führenden Dr janen der Rechten fortgesetzt systematisch darauf verwiesen, Daß in der Provinz die Linkstariell Kampffront m allgemeinen aufrechterhalten geblieben ist und man ich deshalb durch gewisse Borgänge im Parlament nicht äuschen lassen solle.
Die französische sozialistische Partei hat sich in den Beschlüssen ihres außerordentlichen Pariser Parteitags ausdrücklich bereiterklärt, auch in 3utunft eine Regierung zu unterstützen, die einer der von Herriot gemachten Politik entsprechende Linie einhält. Borerst hat die Partei allen Grund, den Wirrwarr, der gegenwärtig im Lager des Bloc national herrscht, nicht ohne Beluftigung zu betrachten. Erst bei dem Wiederzusammentritt der Kammer im Herbst wird die sozialistische Fraktion zu der politischen Lage Stellung nehmen und sich hierbei nicht durch persönliche, son dern ausschließlich durch sa chliche Momente in ihrer Haltung bestimmen lassen. Inzwischen aber beginnt man im reaktionären Lager einzusehen, daß die Linie, auf der sich die zufünftige innerpolitische Entwicklung vollziehen kann, nicht fo einfach sein wird, wie man sich das in der Hoffnungsnacht vom 12. Juli in den vom Regierungsbazillus geplagten Gehirnen der Maginot und Bérard vorgestellt hat.
Den Nationalen ins Stammbuch. Jarres bezichtigt die Bürgerblocklente der Feigheit. Der" Soz. Preffedienst" veröffentlicht ein Schreiben des Oberbürgermeisters von Duisburg und ehemaligen Präsident schaftskandidaten des Bürgerblods Dr. Jarres an die natürlich streng nationale"" Rhein- und Ruhr
zeitung", in dem es heißt:
" Ihrer Geschäftsstelle habe ich zum Ablauf dieses Bierteljahres den Bezug der„ Rhein- und Ruhrzeitung" persönlich gefündigt. Ich teile deshalb ergebenst mit, daß mich zur Auffündigung die Haltung Ihres Blattes in Besatzungsangelegenheiten veranlaßt haben. Ich habe bei Ihnen wie bei den übrigen bürgerlichen Blättern hier zu meinem großen Bedauern die feste Hal. tung permißt, welche m. E. der Offupationsbehörde gegenüber von Blättern erwartet werden durfte, die auf vaterländischem Boden stehen.
Auch unter voller Würdigung der wirtschaftlichen Folgen, welche eine solche Steilung für die Zeitungen haben fann, wäre es m. E. noch in vielen Fällen möglich gewesen, den Unmut der Duisburger Bevölkerung über das, was ihr zugemutet wird, in maßvoli fräftiger Weise zum Ausdruck zu bringen. Die Erfahrung lehrt hier wie anderwärts, daß eine solche Stellungnahme durchaus nicht mit Zwangsmaßnahmen beantwortet wird, deren Befürchtung Sie zu Ihrer zurückhaltenden Stellungnahme veranlaßt.
Ausschlaggebend für meine Entschließung war jedoch die TatJache, daß Sie trotz meiner im Namen der Stadtverordnetenverjammlung an Sie gerichtiefen dringenden Bitte fich nicht entschließen fonnten, die einmütige Resolution der letzten Stadtverordnetenverjammlung in ihrem Wortlaute zu bringen. Dieser Umstand hat in der Stadtverwaltung und Stadtvertretung größtes Be fremden erregt, und ich darf Ihnen nicht verschweigen, daß man auch in meiten Kreisen der Bürgerschaft über die u. E. Ich wäch liche Haltung Ihres Blattes und der übrigen bürgerlichen Preise in hohem Maße unzufrieden ist.
Wenn die hiesige bürgerliche Breffe auch in Zukunft die Mög, lichkeit unangenehmer Folgen so bedachtsam abwägt, wie dies bis. her und namentlich im leßterwähnten Falle geschehen ist, so verliert sie in unserem Kampfe um deutsches und rheinisches Recht allen Wert und jede Bedeutung."
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Die Entschließung, auf die das Schreiben Bezug nimmt, protestierte in scharfer Form gegen Ausschreitungen der Befagung. Es ist nicht das erstemal, daß die„ Nationalen" geiniffen haben, wenn es sich darum handelt, im Kampf um nationale Belange" ein gewiffes Risito einzugehen. Mit Gott für König und Baterland" sind sie nur, folange sie nicht Gefahr laufen, sich die Finger zu verbrennen. lleber die Art von Mut des nationalen" Bürgertums haben sich schon andere beschwert als Jarres, den die Presse der Nationalen" noch vor gar nicht langer Zeit als ihren besten" und ihren deutschesten" Mann anpries. Werden die Rreu 33eitung", die Deutsche Tageszeitung", die" DA 3." und wie sie alle heißen, den Notschrei ihres besten, ihres deutschesten" Mannes veröffentlichen? Sie merden das der sozialdemokratischen Presse überlassen, wie sie ihr es in Duisburg überließen, sich in die Feuerlinie zu begeben, um die Sozialdemokraten morgen wieder als die ,, internationalen Landesverräter" zu denunzieren. Herr Jarres hat schon recht, er hat sich bei feinen Bürgerblockfreunden in eine feine Gesellschaft begeben! Um das festzustellen, brauchte er nicht erst auf den Duisburger Reinfall zu warten.
Das Wappen des Reichsbanners. Farbe bekennen, Herr Schiele! München , 9. September. ( Eigener Drahtbericht.) In Bayern wird das Reichsbanner bekanntlich seit einiger Zeit auch in sofern von den Behörden schikaniert, als die Führung des Adlers auf den Fahnen und Stempeln des Reichsbanners verboten wurde. Die Behörden stützen sich dabei auf eine Verordnung des bayerischen Innenministers vom April d. J., in der festgelegt wurde, daß privaten Bereinigungen die Führung des Reichsadlers untersagt ist. Auf eine Beschwerde der sozialdemokratischen Landtagsfraktion erteilte dieser Tage der Innenminister die Ausfunft, die bayerische Regierung vertrete im Einvernehmen mit der Reichsregierung die Auffassung, daß das Reichsmappen ebenso wie das frühere faiserliche Wappen nur von Reichsbehörden und Reichsstellen geführt werden darf und strafgesetzlichen Schuß genieße(§ 360 3iffer 7 des Reichsstrafgesetzbuches).
art, morauf der Straffenat bas Urteil des Amise gerichts aufhob und den Angeklagten in eigener Ins stanz sofort freisprach.
Einer besonderen Klarstellung bedarf die Berufung des bayerischen Innenministers auf die Reichsregierung. Wir fragen: Ist es richtig, daß die Reichsregierung mit der bayerischen Regierung einer Meinung darüber ist, daß gegen das Reichsbanner wegen Führung seines Wappens gerichtlich vorgegangen werden muß?
Wenn ja, ist die Reichsregierung bereit, ihren Pflichten nachzukommen, indem sie baldigst eine generelle Entscheidung über die strafrechtlich zu verfolgende Handlungsweise des Reichsbanners herbeiführt?
Wenn nicht, was gebenft die Reichsregie rung zu tun, um das Reichsbanner vor den Uebergriffen der bayerischen Regierung zu schützen?
Einstellung des Rothardt- Prozesses.
Auf Grund der Amnestie.
Magdeburg , 9. September. ( Eig. Drahtb.) Auf Grund der Amnestieverordnung wurde das Verfahren gegen den Redakteur der in Staßfurt erscheinenden völkischen Mitteldeutschen Presse", Rothardt, eingest elt. Rothardt war in dem be. fannten Magdeburger Prozeß wegen Verleumdung des verstorbenen Reichspräsidenten Ebert zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Urteil war aber noch nicht rechtsträftig, da ein Be rufungsverfahren schwebte.
Damit geht einer jener ,, Baterländischen" frei aus, die an dem Tode des ersten Präsidenten der Republik wesentlich Anteil tragen, und die für sich in Anspruch nehmen können, das Anfehen des Deutschen Reiches im Ausland in der unverantwort lichsten Weise herabgefekt zu haben. Zweifellos war Rothardt nur das Objekt einer von deutschnationaler Seite groß ange legten Hezkampagne gegen den Reichspräsidenten , selbst zu beschränkt, um die unter seiner Berantwortung aufgestellten Behauptungen des Landesverrats gegenüber Ebert zu rechtfertigen. Strafrechtlich geht Rothardt nun frei aus, aber moralisch bleibt er und bleiben mit ihm seine Helfershelfer gerichtet.
Vergebliche Liebesmühe.
Moraths Karriere.
Der deutsch - volksparteiliche Reichstagsabgeordnete Morath, ein ganz besonders berüchtigter Beamtenvertreter, macht seit längerer 3eit alle erdenklichen Anstrengungen, um das Beamten. referat des Reichsministeriums des Innern in ſeine Hände zu bekommen. Mit Hilfe seines Parteifreundes Strefee mann will er sich den Weg zur Futterkrippe bahnen. Das Reichs tagsmandat genügt dem Ehrgeizigen nicht mehr, er will höher hinaus, es gelüftet ihn nach ganz besonderen Titeln und Würden. Wie vir erfahren, hängen aber die Trauben für Herrn Moralh sehr hoch. Sein Traum wird nicht in Erfüllung gehen. Bei dem deutlichen 2 b winten der gesamten Beamtensait, auch der rechtsstehenden, die ihren Pappenheimer doch tennen muß, war es etwas zu riskant, Herrn Morath die Treppe hinauffallen zu lassen. Herr Stresemann fann viel, aber er fann doch schließlich nicht mir nichts, dir nichts, nur weil Herr Morath sich einen schöneren Titel auf seine Bisitenkarte drucken lassen will, den Bock zum Gartner machen.t
Diese Rechtsauffassung ist unhaltbar. Das beweist u. a. ein am 8. September vom Obersten Bayerischen Ge richtshof erlassenes Urteil, das eine Revision betraf, die ein Mitglied des Reichsbanners in Probstzella , vertreten durch Rechtsanwalt Saenger- München, bei dem Straffenat des Obersten Landesgerichts in München eingeleitet hatte. Dieses Reichsbannermitglied hatte in einer gerichtlichen Eingabe den Stempel des Reichsbanners verwandt. Die Folge war, daß alsbald der Oberamtsrichter des bayerischen Amtsgerichts Ludwigftadt wegen Vergehens gegen den erwähnten Para graphen des Strafbuchgejeges einen Strafbefehl, lautend auf 20 M., erließ. Infolge Einspruchs tam es zur Berhandlung bei dem genannten Amtsgericht, das es jedoch bei der ausgesprochenen Strafe mit der Begründung beließ, daß das Wappen des Reichsbanners das Reichswappen sei und sich im übrigen der Schutz des faiserlichen Wappens ohne weiteres auf das Reichswappen des heutigen Staates erstrecke. Der Oberste Bayerische Gerichtshof entschied anders. Er schloß sich im wesentlichen den Argumenten des Der Gemeindeausschuß des Preußischen Landtages fegte die Es ist wirklich fein Ruhmesblaff unserer bürgerlichen Zeitungen, Berteidigers an, der ausführte, daß das Urteil des Amts. Beratung des Initiativantrages des Zentrums über die Stadt und daß die sozialdemokratische Zeitung es als die einzige in Duisburg gerichts Ludwigstadt juristisch vor allem deswegen unhalt| Landgemeindeordnung fort. Zunächst murde beschlossen, die Ent. gewagt hat, diese Entschließung wörtlich und in auffälliger Form zu bar set, weil in ihm in frasser Weise der Grundsah des Straf- würfe der Städteordnung und der Landgemeindeordnung getrennt bringen, während die bürgerliche Preise den wesentlichen Inhalt der rechts verlegt sei, daß eine Handlung nur dann mit einer zu beraten. Der Ausschuß trat in die Einzelberatung der Städte Entschließung nur schwach und zaghaft angedeutet bringt. Der Strafe belegt werden fann, wenn diese Strafe gesetzlich beordnung ein. Ein voltsparteilicher Antrag, die Umwandlung von „ Bolteſtimme" ist trog ihres mutigen Schrittes nichts von der Bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. Außerdem Landgemeinden in Städte nur dann zuzulassen, wenn die Land. gemeinden mindestens 15 000 Einwohner befizen, wurde gegen bie fagung geschehen, ein Zeichen dafür, daß es auch in unseren recht fei der Adler, den das Reichsbanner führt, ganz verfchieden Stimmen der Volkspartei, der Deutschnationalen und der Wirt von dem Adler des Reichswappens. Der Oberstaatsanwaltschaftspartei abgelehnt. Es begann sodann die Generaldebatte über des Obersten Landesgerichts schloß sich diesen Ausführungen der Abschnitt Eingemeindungsbestimmungen.
lofen Zuständen möglich ist, seine Meinung jo zu sagen, wie das die Bevölkerung von Berwaltung und Presse erwartet.
Preisabbau.
Von Peter Michel.
Ich verstehe nicht, was die Leute immer reden und schreiben: Der Preisabbau müsse fommen, er solle fommen, er werde fommen. Haben sie denn feine Augen? Wenn sie einmal durch die Straßen gingen, die der Volksmund noch immer Geschäftsstraßen benennt, obschon nach den Aussagen der Ladeninhaber dort feinerlei Geschäfte mehr„ getätigt" werden, wenn sie ein Beilchen vor den Schau fenstern stehen blieben, so müßten sie doch längst bemerkt haben, daß der Preisabbau nicht mehr zu fommen braucht, sondern längst da ist. Die Kaufleute versuchen ja alles und haben weder Mühe noch Kosten gescheut, dem pp. Bublifum diese Tatsache deutlich zum Bewußtsein zu bringen.
Da ist zum Beispiel das große Warenhaus, das seine sechzehn Riesenschaufenster restlos benügt, zu beweisen, daß mit den Preisen mirklich abgebaut wird. Gleich im ersten Fenster liegt Wäsche aus, Leibwäsche für Damen. Wachsmädchen, so täuschend dem Leben nachgeahmt, daß man versucht ist, mit ihnen anzubändeln, geben in gezierter Bose die duftigsten Negligés den Blicken der Vorüber. gehenden preis. Und vor den Puppen und um sie herum liegen am Boden, auf Tischen und Stühlen noch ganze Berge von seidenen, halbseidenen und battistenen Hemden, Hosen, Hemdhosen, alle in den füßesten Bonbonfarben und so spinnwebzart, daß den Leuten vor dem Fenster beim bloßen Anblick eine Gänsehaut über die Schentel läuft. Aber das ist keineswegs der Zwed der Ausstellung. Auf diesen weist eine Inschrift hin, die neckisch aus modefarbenen Damenftrümpfen geformt ist: Beachten Sie bitte die Preise! Gutherzig, mie ich bin, mußte ich den Wunsch erfüllen, und nun bemertte ich, daß an jedem Wäschestück ein Bettel hing, auf dem untereinander zwei Zahlenreihen standen. Davon war die obere, die höhere, überall sauber mit einem liegenden Kreuz durchstrichen, doch so, daß sie sich noch ohne Mühe lesen ließ. Vor der durchkreuzten Zahl stand, mit einem Gummistempel blau aufgedruckt: Früher, vor der anderen: Jetzt. Diese schlichte, unpathetische Sprache fündet mit lapidarer. Wucht, daß der Preisabbau da ist. Dieses seegrün Schillernde Seidenbeinkleid zum Beispiel toftete ehedem 22,50 M., heute aber nur noch 16 M., während dort das Nachthemd, das wohl für junge Witwen bestimmt ist, denn es ist an den Rähten schwarz gerändert wie ein Trauerbrief, vor furzem nur hingegeben wurde, wenn man 19 m. dafür hinterlegte, verkauft nein, verschenkt man jetzt bereits für 13 M. Und gar die Strümpfe, die wie Schlangen überall zwischen den Wäschehaufen aufzüngeln! Sollte man es glauben, daß eine Frau fchon für 6,50 m. in die Möglichkeit verfekt wird, ihre Beine bis hinauf in jene Regionen, wo sie aufhören, einen anständigen Namen zu führen, nach dem letzten Schrei der
Mode zu fleiden?
Wie mit der Wäsche, ist es mit den Kleidern für Abendgefell schaften und Fünf- Uhr- Tees, mit Sommerhüten, Sonnenschirmen
und Handtaschen. Und nicht bloß hier wird abgebaut. Ich kenne zum Beispiel ein Geschäft für Toiletteartifel, in dessen Schaufenster lauter Gegenstände liegen, die im Preise bis zu 50 Pro3. herabgefegt sind. Neulich traf ich davor die Frau eines seit Monaten aus gesperrten Bauarbeiters und sah, wie sie Tränen dankbarer Rührung vergoß, weil sie für einen Manifurefaften, für den ihr, hätte sie ihn leichtsinnigerweise ein paar Wochen früher erstanden, 54 m. abverlangt worden wären, jetzt nur noch 30 M. zu zahlen brauchte. Es läßt sich freilich nicht abstreiten, daß Brot, Fleisch und andere Lebensmittel teurer geworden sind. Aber da handelt es fid) doch immer nur um Pfennige, die man mehr zahlen muß, während man bei Spigenwäsche, Seidenstrümpfen, Sommerhüten und tausend anderen Dingen gleich mart- und zehnmartweise spart. Womit, meine ich, die Behauptung, wir lebten in einer Beit der Teuerung, unwiderlegbar als elende sozialdemokratische Heßpropaganda bloßgestellt ist.
| Tagesneuigkeiten zum besten gegeben. In den Großstädten gibt es periodische lebendige Zeitungen mit einer ständigen eigenen Schau fpielertruppe: Die Drehbant"," Das Auge der kommunistischen Jugend", Die rote Fabrifzeitung" usw." Die rote Fabrikzeitung veranstaltet ihre Borführungen mit afrobatischen Darbietungen und Chorgesang auf einem Lastauto in den Straßen Moskaus .
Ein moderner Rechtsstreit. Einem in Wahrheit neuen Problem fehen sich die Juristen bei einem Fall gegenüber, den fürzlich ein unzufriedener Passagier der Junkers- Luftverkehrsgesellschaft aktuell gemacht hat. Bor furzem legte der Flugzeugführer Wis dant außer ordentlich starken Rüdenminde mit seinem dreimotorigen Junkers Flugzeug die Strecke Zürich - München , für die auf dem Luftverkehrsplan 2% Stunden Flugzeit angefeßt ist, in 80 Minuten zurüd. Ein Fluggast war äußerst enttäuscht, daß das Vergnügen des Fliegens nur so furze Zeit gedauert hatte und beschwerte sich darüber, daß man ihn für sein Geld, für das er mehr als zwei Stunden Flugzeit Heßpropa- beanspruchen fönne, nur 80 Minuten lang geflogen habe. Für die Juristen bedeutet diese Frage ein höchst fniffliges Novum, da bisher noch fein Mensch auf den Gedanken gekommen ist, sich etwa bei der Eisenbahn über zu furze Fahrzeit zu beschweren.
Neuer
Unsere freie Republik. Die deutsche Justiz scheint neuerdings mit allem Raffinement gegen Arbeiterdichtungen vorgehen zu wollen. Die Fälle Beder und Gärtner beweisen das bereits. dings hat das Amtsgericht Berlin- Schöneberg ein Verfahren wegen öffentlicher Anreizung zu Gewalttätigkeiten und Ungehorsam gegen die Geseze gegen den jugendlichen Arbeiterdichter Kleber ein geleitet wegen dessen Schrift" Barrikaden an der Ruhr", Erzählungen aus den Kämpfen des Ruhrproletariats. Die Schrift schildert in eindringlicher Weise und ohne übertriebene Bathetit gewisse Kampffzenen aus der Zeit, in der das Ruhrproletariat gegen die zu Kapp überschwenkende Reichswehr die Waffen er griffen hatte. Die Stizzen sind fünstlerisch durchgearbeitet und haben ein hohes Niveau; ihren literarischen Wert bestätigen u. a. Berhart Hauptmann, Hermann Heffe, Käthe Kollwig, Thomas und Heinrich Mann . Es ist eine höchst merkwürdige juristische Fiftion, onzunehmen, daß durch die künstlerische Darstellung von Aufständen und Revolten aus der Gegenwart und der Bergangenheit ein bestimmter Bersonenfreis zu Bluttaten aufgereizt wird! Ebenso unhaltbar wie die rechtlichen Unterlagen dieses Borgehens sind die politischen. Denn eine scharfe Kritit sozialer Zustände braucht wohl teineswegs als Aufreizung zum Klassenkampf" in friminellem Sinne bewertet zu werden!
Lebende Zeitungen in Rußland . Eine ganz neuartige Erscheinung des sowjetrussischen Lebens find die sog.„ Lebenden Beitungen" in den Städten. Die Sowjetregierung hält sehr viel von dieser Methode, die Bauern aufzuklären und für den Kommu nismus Propaganda zu machen. Die Veranstaltung geht folgendermaßen vor sich: Als Schauplaz dient gewöhnlich eine Theaterbühne oder ein Saal in irgendeinem Verein. Als Darsteller betätigen fich Bertreter der Bauernjugend; ein Regisseur studiert die Rollen ein. Thema, 3. B. der Schutz der Mutterschaft. Daraus wird ein lebenAls Hauptinhalt der lebendigen Beitung gilt irgendein soziales diger Leitartikel, in dramatischer Form inszeniert, der die Gefahren zeigt, die den Frauen drohen, wenn sie fich Kurpfuschern in die Hände geben. Nach dem„ Leitartikel" werden von den inprovifierten Schauspielern Berichte über internationale Ereignisse sowie über
25 neue Volfsbühnengemeinden. Die Frühjahrs- und Sommer. monate sind gemiß nicht günstig, um Theatergemeinden ins Leben zu rufen. Denn in den warmen Monaten besteht im allgemeinen wenig Neigung, fich zum 3med eines geregelten Theaterbesuchs und zur Förderung der Idee des Kulturtheaters zusammen zuschließen. Gleichwohl gelang es dem Verband der deutschen Bolfs. bühnenvereine, seit dem Frühjahr nicht weniger als 25 neue Vereine ins Leben zu rufen. Und zwar schlossen sich junge Organisationen in folgenden Orten dem Verband an: Kassel , Osnabrüd, Schwein furt, Meißen , Zittau , Merseburg , Lüneburg , Rüftrin, Finsterwalde , Salzwedel , Razeburg, Edernförde, Landeshut i. Schl., Güsten , Delsnig i. Erzgeb., Schönheide , Rodemisch, Saalfeld , Büllichau, Wittenberge , Teuchern , Blön, Reichenbach i. Schl., Stadtroda und Die Zahl der dem Verband der deutschen BoltsBurgstädt. bühnenvereine angeschlossenen Organisationen wuchs damit auf 206.
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Preisausschreiben für preußische Bildhauer. Unter den preußischen Bildhauern, die ihren Wohnfit in Berlin haben, ist soeben vom Minister für Wissenschaft, Kunst und Voltsbildung ein Wettbewerb ausgeschrieben worden, ber zur Erlangung von Bildwerken dienen soll, die sich zur Ber leibung als Preise bei Eportfämpfen verschiedenster Art eignen. Als Termin für die bei der Akademie der Künfte in Berlin W. 8, Pariser Plat 4, ein zureichenden Mobelle ist ber 5. Dezember 1925 beſtimmt. Es sind im ganzen fünf Preise in Höhe von 5000 bis 1500 Mart ausgefekt, außerdem ein erheblicher Betrag für Anläufe. Die Bedingungen für die Beteiligung an dem Wettbewerb find beim Pförtner der Akademie der Künfte erhältlich.
Ein Abend der neueffen russischen Dichtung findet am Freitag 7 1hr in der Kunstausstellung Der Sturm statt. Der Gründer der Imaginiflen schule von Mosfau, Anatoli Mariengof , hält einen Vortrag Was mein linler Fuß will" und liest aus dem Manuskript seine neueste Dichtung„ Ich und der Dred". Die Schauspielerin Nikitina rezitiert Dichtungen in russischer Sprache.
Borgeschichtliche Tierffelette. In der Adelsberger Grotte in den Alpen wurden Tieritelette gefunden, unter denen sich Gebeine und Schädel einer bisher der Wissenschaft noch ganz unbekannten Höhlenhyäne befanden.