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Frettag 11. September 1H2S�
Änterhalwng unö �Vissen
Seklage ües vorwärts
Eine historische Putzmamsell. Von Carry Brachvogel  . (Schluß.) Line alte Komödiantin, zu der man»alte Komödiantin" sogt, den Effekt mag sich jeder ausdenken, der sich aus Mimenpsychologie versteht! Die Ouinault, die nicht nur einen vornehmen Liebhaber, sondern auch große Konnexionen besitzt, erfüllt die ihr ossenstehen- den Salons mit ihrem Rachegeschrei, dessen sich die Rocinefche Medea nicht zu schämen brauchte. Schreit so besessen und wirksam, daß selbst die Königin ihr Ohr nicht verschließen kann und Fräulein Bertin überredet, der tödlich gekränkten Künstlerin Abbitte zu leisten. Wohl oder übel muß die fesche Pujzmamsell gehorchen, lag aber sechs Wochen krank infolge ihres Bittgangs, den Fräulein Ouinault ihr noch mit hundert kleinen Niederträchtigkeiten erschwerte, so daß die erhaltene Lektion unvergeßlich blieb. Wenn sie späterhin gegen eine Kundin hochfahrend werden wollte, brauchte diese nur ganz nebenher zu fragen-.Sagen Sie, Liebe wie geht es eigentlich Fräu- lein Ouinault?" Da wurde die Hoflieferantin der Königin rot und artig wie ein kleines Mädchen, das auf dem ersten Ball ist. Leider muß sich ober diese erhabene Frau nicht nur mit alten Komödiantinnen ärgern, auch die Konkürrenz macht ihr Berdruß, und die Damen von Geblüt, Sie diese Konkurrenz protegieren. Da ist Beaulard, der der Königin eine künstliche, parfümierte Rose überreicht, in deren Kelch auf einen Nageldruck hin das Bild des Königs erscheint. Da ist Wengel(offenbar ein Deutscher  ), der als erster künstliche Blumen für den Damenpuß erfindet, da ist Picot, die in Versailles   auftauchte, als wäre sie Berlin   selbst! Was kann ein schwaches Weib tun, das von beiden Geschlechtern in seinem heiligsten Interesse der Klientel bedroht wird? Fräulein Bertin ist uin Antwort nicht verlegen. Der Picot spuckt sie einfach ins Ge- ficht, Beaulards Rose rächt sie an der Prinzessin Lamballe, indem sie sich weigert, fernerhin für die Prinzessin zu arbeiten, da sie den Schwarzkünstler an den Hof der Königin gebracht hat, so daß Marie Antoinette   sich abermals ins Mittel legen muß, um eine Versöhnung der Häuser Lamballe und Bertin herbeizuführen. Nur gegen Wengel läßt sich nichts machen, weil eine neue Erfindung auch nicht mit Spucken und Schmolle» aus der Welt geschafft werden kann. Doch trotz aller Konkurrenz behält der.Großmogul" seinen Platz und Rose Bertin   unverändert die Gunst der Königin, mögen auch dann und wann kleine Trübungen in der fragwürdigen Intimität vorkommen, die Putzmamsell und Herrscherin vereint. Fräulein Bertin macht im wahrsten Sinn des Wortes die Weltmode, denn sie schickt allmonatlich eine von ihrer Hand und mit ihren Kreation? ausgestattete große Puppe der Reihe nach in alle Hauptstädte Europas  , wo die ersten Geschäfte schon sehnsüchtig des Mannequins harren, um ihn alsbald zu kopieren. So groß und erschütternd ist der Eindruck, den der reizende Mannequin macht, daß französische  Poeten ihn in zierlichen Versen besingen. Und endlich erfüllt sich auch die Schicksalsprophezeiung von der nachgetragenen Schleppe, freilich nur durch dos Versehen eines Bauernlümmels und zum arohen Gaudium des ganzen Hofes. Fräulein Bertin die nach Ver- stulles stets einen Diener mitnahm, der ihr bei der Verfrachtung der Kartons helfen mußte, hatte einst einen provinzialen Hans Tapps eingestellt, der die Ermahnung des Bertinschen Stubenmädchens: .Paß auf, was die anderen tun, und mach es ebenso!" gar zu wörtlich nahm und das Kleid seiner Herrin als rustikaler Page aushob, weil er sah, daß die eleganten Lakaien in Versailles   es bei ihren Fürstinnen und Gräfinnen taten. Langsam begann der Glanz des Königtums und die heitere Sorglosigkeit der Königin zu oerblassen. Die Not des Landes, der Finanzen schreit so laut, daß Marie Antoinette   diesem Schrei nicht länger ihr Ohr und' Herz verschließen kann. Die Ziffern des Toileltcnbudgets sinken ebenso stetig, wie sie zuvor gestiegen sind, die Königin beweint den Tod von Mutter, Bruder und Kindern, und ihr junges Haupt beginnt zu ergrauen, lange bevor sie den Temple betrat. Sie fühlt, da sie noch kaum dreißig zählt, sich schon altern und quält sich mit trüben Ahnungen. So sagt sie eines Tages der Bertin:Heute Nacht habe ich gelräumt, daß Sie mir lauter schöne, helle Bänder brächten, aber sowie ich die Hand danach ausstreckte, wurden sie schwarz." Immer unfroher werden die Zeiten, immer verhängnisvoller für die Monarchie und alle, die ihr anhängen. Das(Mschöft der Bertin geht merklich zurück, denn die Aristokratie ist entweder schon außer Landes gegangen oder ihre Rechnung schuldig geblieben. Wohl hat Fräulein Rose sich ein ganz hübsches Vermögen zusammengespart, auch ein Landgut in Epinay erworben. aber dennoch war dasHaben" in ihren Büchern(die sie übrigens sehr schlampig- führte) verschwindend gegenüber demSoll" der aiistokratischen Kundschaft, die ihre letzten Posten erst im Jahre 1843 aus dem Bergleichswege an die Bertinschen Erben bezahlte... Wenn der Mantel fällt, muß auch der Herzog mitsollen, wenn die Kundschaft verreist, hat auch der Lieferant nicht mehr viel in der Hauptstadt zu suchen so oerließ denn auch Fräulein Berlin   Paris  und begab sich noch Deutschland   und England. Zu ihrer Ehre muß es gesagt sein, dgh sie nicht egoistisch und trostlos floh, wie so viele Emigranten, nein, auch jetzt noch steht sie im Dienst der Königin. Im Austrag der allerhöchsten Frau, die sich offiziell schon verpflichtet hat, Barnave   jeden Brief lesen zu lasien, den sie schreibt, begibt sich die Bertin nach Wien  , um Kaiser Franz II  . Briefe und Gefühle zu übermitteln, in denen Marie Atoinette ihre wirkliche Meinung über den Verlauf der schrecklichen Dinge und die eigene Lage zum Aus- druck brachte. Gar seltsame Gegensätze lernt Fräulein Bertin auf ihrer Reise durch Deutschland   kennen, und ihr kluger Kopf mag oft von Ekel und Grauen angewandelt worden sein über d» Flüchtig- keit aller irdischen Dinge und Empfindungen. In Koblenz   hielten die königlichen Prinzen so vergnügt und üppig Hof, als stünde das unglückselige Königspaar nicht schon unter dem Schwerte  , in Ham- bürg hinwieder waren Damen, die in Versailles   ein Taburett be- festen hatten, Schneiderinnen und Modistinnen geworden und mußten sich noch glücklich preisen, wenn sie im Kamps ums tägliche Brot nur die Zartheit ihrer Finger«ingebüßt hatten, nicht ihr ganzes Selbst... Auch in England findet sie natürlich Landsleute vor, wird von allen fetiert und mit schmeichelhaften Erinnerungen über- schüttet, empfängt auch von früheren, nunmehr in der Welt umher- streifenden Käufern und Käuferinnen vertrauliche Briefe, aber Geld, Geld war so rar geworden, daß es selbst der Frau auszugehen drohte, durch deren Hände sonst jährlich Hunderttausende gerollt waren wie Kieselsteine. Vergeblich niüht sie sich, um dort wenig- stens Teilzahlungen der Schuldbestände einzutreiben: Vertröstungen aus bester« Zeiten, die ja nicht ausbleiben können, sind das einzige, was sie empfängt. Da sitzt si« denn im nebelumbrouten London  und denkt voll Unruhe an ihr Geschäft in Pari«, dem sie, die Seele, fehlt. Träumt wohl auch von entschwundenen schönen Togen und von allen den anmutigen, interessanten und abenteuerhaften Ge- stalten, die ihre Kunst in Anspruch nohrfien. Don der Duborry und vom schrulligen, perversen Chevalier D'Eon  , der so gern in Weiber- kleidern ging und dem sie ein schönes Trauergewand gefertigt, von der Gräfin Franziska von Hohenheim  , der späteren Herzogin von Württemberg, die den jungen Schiller ein wenig für die Lady Millfors Modell stand und die in Wirtlichkeit oder wenigstens in Pari» sich so ganz anders ausnahm, als das jung« Schwabengenie sie erblickte, daß Marie Antoinette   über sie nach Wien   schrieb:.Der Herzog von Württemberg zieht hier überall mit seiner Geliebten, einer etwas minderen Gräfin herum." Ach, wo waren sie hin, die Jahre, da sich jede Mode, jede Eleganz nur in Paris   die Aner- kcnnung holen konnte, da es der Traum jedes kleinen deutschen  
Prinzen war, wenigstens ein Jahr in Paris   zu leben und durch Liederlichkeit angenehm aufzufallen? Vorbei, vorbei... lieber olle Wanderungen hinweg, über stürzende Kabinette, gebrochene Eide, verratene und verratende Parteien, blieb die Königin ihrem Modeminister treu. Bis zum Tage des Tuilerien- sturmes sind in den Büchern desGroßmogul" die laufenden Be- stellungen zu verfolgen, die freilich nur mehr die Summe von etwa 900 Franken betragen. Welch ein Abstand gegen die siebziger und den Afang der achtziger Jahre, wo die Königin jährlich zwischen einer halben Million und einer Million für ihre Toiletten ausgegeben hatte! Nach dem Sturze der Schreckensherrschaft kehrte die Bertin nach Paris   zurück, führte ihr Geschäft weiter, hat es ober nie mehr zur alten Höhe bringen können. Für Jahre hinaus lastete immer
völkischer Nachwuchs.
,Zhr sollt doch keine politischen Abzeichen tragen, ich werde es Eurem Lehrer melden!" Wir find ja noch gar nicht in der Schule!"
noch schreckliche Geldnot auf dem ganzen Lande, und als endlich der junge General Bonoparte die Siege erfocht, die Frankreich   in rasender Schnelle über ganz Europa   erheben sollten, da war für alle und olles, was zum ancien regime gehörte, die Zeit vorbei, und der Sonnentag eines neuen Geschlechtes brach an. Neue Sitten kamen, neue Moden, und die neue Modekönigin Iosephine Bona­parte brachte auch gleich einen neuen Modeminister mit. Da zog sich die Bertin, die nun schon dick und ältlich geworden war, mehr und mehr auf ihr Landgut in Epinay zurück, hätschelte ihre beiden Neffen, tat viel Gutes und starb schließlich friedlich und hochgeachtet am 28. September 1813. Bleibt noch die Frage ossen. wie Rose Bertin  , das Kind des galanten Jahrhunderts, sich mit der galantesten und süßesten aller Lebensfragen auseinandergesetzt hat. Der Autor ist in diesem Punkte außergewöhnlich diskret, deutet nur einmal mit«in paar Worten an, daß sie gelegentlich von einem Liebhaber finanziell tüchtig ausgebeutet worden sei. Nun, das ist(zur Schande des stärkeren Geschlechtes muß es gesagt sein) bei den arbeitenden Frauen aller Stände keine große Seltenheit, aber zu verhängnisvollen Herzenstorheiten scheint keiner die kluge Provinzalin hingerissen zu haben. Ihr Leben gehörte dem Geschäft und dem Ehrgeiz, und so bildet ihre Silhouette einen scharfen und anmutreichen Gegensatz zu der leichtherzigen Französin, die wir uns so gern als gallischen Umversaltyp vorstellen, zeigt uns eine Frau, die trotz aller Fehler und Lächerlichkeiten mit ihrem Pfund zu wuchern verstand und aus einer arbeitsreichen Jugend zu einem gesegneten, heiteren Lebens- abend hinüberschritt._ tzelgolanö. Von Ernst Almsloh. Wenn man auf dem.Kartoffelweg" das dreieckige Oberland ab- wandelt, so muß man hier und da an redenden und gestikulierenden Menschen vorbei, denen es die Ruinen der einstigen militärischen Herrlichkeit Helgolands   angetan haben. Hat man Glück, so kann man im Vorbeigehen auch sachkundige strategische oder politische Aeußerungen auffangen:Wenn die Eng- länder--- ja, früher, das war doch--- die verfluchte Revolution--" Ich bin dann immer etwas rascher gegangen. Lernen wollte ich selber von diesen Strategen und Politikern am Kartoffelweg mchts. Und die anderen belehren? Die Mühe lohnt nicht, sie sind unbelehrbar. Versuche es nur einmal, ihnen klar zu machen, daß ihre eigene Unvernunft und nationale Ueberheblichkeit vor dem Kriege einen großen Teil Schuld daran trägt, wenn es heute nicht mehr so ist wiefrüher"! Ueberzeuge sie, daß es für Helgoland  bester gewesen wäre, wenn man es nicht in herausfordernder Weise zu einem furchterweckenden Flottenstützpunkt ausgebaut und statt desten die vielen Millionen lieber zu Stützbauten für da» tiebx schöne Felsennest verwandt hätte!» Leider kracht es bedenklich im Felsengebälk von Helgoland  . « Bei der Einfahrt sah ich oben auf dem Felsen eine schwarzwt- goldene Fahne wehen. Nach den vielen Unfreundlichkeiten, die sich auch in diesem Jahre wieder die verfastungsmäßigen Farben in deutschen   See- bädern gefallen lassen mußten, nahm ich diese Tatsache mit Freude und Genugtuung zur Kenntnis. Als ich aber später diesem Wunder näher rückte, blieb nichts von ihm übrig. Das Schwarz in der Fahne war«in von der Zeit etwas mitgenommenes Grün, und das, was ich für ein etwa» aus- gebleichtes Gold gehalten hatte, war in der Nähe ein angedunkeltes Weiß. Immerhin war die alte grünweißrote Fahne Helgolands  wenigstens keine offenkundige Demonstration gegen die Republik  . Auch am Bodestrand vermißt man mit Freuden die schwarzweiß- rote Flaggengola und den sonstigen männlich-kernigen Strandbürger- Protest gegen die Novemberleute und den Schandfrieden von Ver- sailles. Freilich ist auch das nur auf geographische Besonderheiten des Helgoländer   Badestrandes und nicht auf.grundsätzliche Er- wägungen" zurückzuführen. Nur ein Krabbenfischer aus Cuxhaven  , der mit seinem kleinen Sturmvogel  " an einem Sonntage inmitten der Tausende von Sonntagsgästen aus den Großstädten im Hafen vor Anker legte, hißte die schwarzrotgoldene Fahne.
Man wird verstehen, daß ich dem Schiff einen Besuch abstattete und einige gute Brasil in den Händen der wackeren Seeleute zurückließ. * Was wohl der wackere schwarzrotgolden« Hoffmann von Fallers- leben sagen würde, wenn er noch lebte! Man hat ihm an einer bevorzugten Stelle ein Denkmal gesetzt, gegen das sich nichts einwenden läßt. Aber damit glaubt man, so scheint es, der Erinnerung an den deutschen   Dichter, der auf Helgoland   das Deutschlandlied schuf, genug getan zu haben. Ich habe erst durch mehrere Geschäfte vergeblich hindurchgehen müssen, ehe ich unter Hunderten von Ansichtskarten eine Karte von Hofsmann oder seiner damaligen Wohnung erhielt. Und an dem Denkmal und an dem kleinen Fischerhäuschen habe ich nur selten jemand vorbeigehen oder stehenbleiben sehen, dem es anzumerken war, daß ihm, wenigstens während seines Aufent- Halts auf Helgoland  , der Dichter Hoffmann von Fallersleben   mehr war, als irgendein anderer der vielen deutschen   Dichter. Wenn sich nicht bald die Freunde des Sängers der Freiheit und Demokratie oder auch behördliche Stellen der kleinen Fischer- kate annehmen, in der damals Hofsmann wohnte und die auch die Wiege unserer jetzigen Nationalhymne ist, so wird sie allmählich wie andere gleichgültige Fischerhäuschen zusammenfallen. Bis dahin wird sie der jeweilige Besitzer je nach Neigung und Geldbeutel allenfalls durch Reparaturen stützen und durch Oelanftrich schmücken, die beide sicher gut gemeint sind, aber nicht immer der Bedeutung des Hauses entsprechen werden. Einst, als Hoffmann hier hauste, war die kleine Kate das letzte verlorene Häuschen nach Norden hin mit einem unbeschränkten Blick über das weite Meer, niedrig und gebückt, wie um sich vor den Stürmen zu verkriechen, heimelig und sauber, wie alle die Fischer- Häuser auf Helgoland  . Das ist sie im großen und ganzen noch heute: aber ringsherum sind große gleichgültige Häuser, Hotels und einst- malige militärische Gebäude entstanden. Eines Tages oerschwindet auch Hosfmanns Haus oder doch der Blick aus seinen Stuben über das Meer, wenn nicht Pietät und Dankbarkeit vorbeugen. Es verdient schon, daß es Nationolbesitz wird, und daß in seinen Räumen die Erinnerung an den Dichter und seine schwarzrotgoldenen Ideale gepflegt wird. * Helgoland   ist doch das schönst« deutsche   Seebad, sofern man auf die See und auf das Baden und nicht auf Nebendinge den eigent- lichen Wert legt. Gewiß, auch Westerland   ist schön und Norderney   und Swine- münde können sich sehen lassen. Aber sie sind doch alle mehr oder weniger an die Nord- oder Ostsee   verlegte Freibäder von Wannsee  . Das kann man von Helgoland   mit gutem Recht nicht sagen. Schon der Anmarsch ist zu beschwerlich. Man muß sich auf einige Stunden einem Schiff zu einer oft recht natürlichen Seefahrt aussetzen. In Helgoland   selbst wird man.ausgebo«et". Zwar ließ« sich dik Prozedur auch einfacher und billiger durch einen An- leger bewerkstelligen. Als ich aber einem Helgoländer diesen nahe- Legenden Porschlag machte, meinte er ebenso treuherzig wie über- zeugend:Na, dat makt wei nich! Wi wqt' doch ook oerdeenen!" Aber wenn man in Helgoland   ist, ist man noch immer nicht am Badestrand. Der befindet sich drüben aus der. Düne, diesem origi- nellen Vorort von Helgoland  . Auch dort hinüber kommt man nur mit dem Fährboot, das noch naturwissenschaftlichen Gesetzen und aus alter Uoberlieferung mit den Meereswogen munter auf und ab tanzt. Mancher scheut diese neue Herausforderung und begründet das mit dem leichtverständlichen Satz, daß ihm solche Umstände nicht be- hagten und er lieber bade, wo es bequemer sei. So bleibt nur ein kleiner Rest übrig, dem es wirklich nur auf das herrliche Baden, ohne das viele Mode-Drum und-Dran, freilich auch ohne Kinder und damit verbundene Lustigkeit ankommt. Außerdem kostet das Uebersetzen auf die Düne natürlich Geld, denn die Helgoländer.wät' doch oerdeenen". Und darum müssen in jedem Fährboot drei bis vier seefeste Helgoländer   sein man weiß zwar nicht, warum, unix drüben beim Anlegen müssen immer sechs bis acht Helgoländer mit ihren Hosen bis an die Knie oder noch tiefer. in» Wasser gehen und das anlegende Boot sanft an ihre zottigen Männerbrüste drücken man weih zwar nicht, warum. Aber mögen die Helgoländer immer noch auf lange Zeit ihre von den Vätern und Urgroßvätern ererbten Besonderheiten be- wahren, wenn sie dadurch nur oerhüten, daß auch Helgoland   seine Eigenart verliert. » In fast allen Geschäften von Helgoland   fallen große Plakats auf, daß dort unverzollte und unversteuerte ausländische Waren zu haben seien. Man kann zu erschwinglichen Preisen irisch« Plaids und eng- lische Gummimäntel und Marmeladen, französisch« Kognaks, holländische Schnäpse und die etwas langweiligen holländischen Zigarren, ja man kann hört, ihr Käufer! echte Bocks und Henry Clays zum dxitten Teil des Preises haben, den man in Deutschland  dafür bezahlen müßte. Die Gelegenheit gilt e» zu nützen! Denn sie gilt nur für die pqar Quadratkilometer von Helgoland  ! Vor der Rückfahrt klemmen sich deutsche   Zollbeamte zwischen dich und dein Gepäck und suchen nach deinen beabsichtigten Zollhinter- Ziehungen. Wenn ich nur wüßte, ob der deutsche Zollonkel ein mensch- liches Verstehen haben wird. » Nordsee  , du schöne, du unvergleichliche! Wie oft habe ich um dich gekämpft, mit Unwssjenden, mit Banausen, mit Blasierten. Du seist eintönig, du hättest keine bewaldeten Ufer, nicht Berg und Tal, nur Sand und Wasser, Wasser, Wasser! Was weiß, wer so spricht, von dir, Nordsee  , du schöne! Was weiß er von deiner Herrlichkeit, bei Tag und bei Nacht! Was weiß er von deiner Musik, dieser wundervollen, viel- seitigen, die bald einlullt, zu dämmerndem Schweigen, wie ein Beethovensches Andante. Und die dann wieder scherzt und tändelt, wenn die Wellen spielend an den Bug des Seglers schlagen. Und die am lchönsten ist, wie ein Beethovensches Presto, wenn si« donnert und brüllt und sich in leidenschaftlichem Trotz auslehnt. Menschenseele, wie gleichst du dem Wasser! Was weiß er auch von deinen Farben, wenn sich der Himmel und seine Gestirne, wenn sich Sonne und Mond in dir spiegeln, wenn Gewitter herannahen, wenn die Nebel brauen, und wenn schließlich doch immer wieder sieghaft die Sonne alles durchleuchtet und dem Ozean in die Arme sinkt! Menschenseele! Auch an anderen Meeren sei es so oder ähnlich? Mag sein, ober für mich kommt keines der Nordsee   gleich. Freilich, wir kennen uns lange. Sie ist meine älteste und immer gleich junge Geliebt«. Seitdem ich als elfjähriger Junge meine erst« stürmische Seefahrt im erschreckend kleinen Radschlepp- dampfer von Bremerhaven   um Neuwert herum nach Hamburg   ge- macht habe, bin ich ihr vorsallen, mit Leib und Seele. Und sie dankt mir diese Treu« an Leib und Seele? Dankbar spüre ich e», wenn in langen Wintermonoten Wetterstürme Leib und Seele bedrängen. Sei gegrüßt, Nordsee  , du schön«!