Nr. 431 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 220
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Sonnabend, den 12. September 1925
Garantiepakt- dann Abrüstung.
Genf , 11. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die allgemeine| britischen Außenministers im allgemeinen nicht sehr tiefgehend. Die ziussprache über den Tätigkeitsbericht des Bölferbundrates brachte Moffuffrage wurde 3. B. überhaupt nicht erwähnt. lleber am Freitag, entgegen der allgemeinen Erwartung, kein Wiederaufleben fiefgehender Auseinandersetzungen um das Genfer Protokoll. Nach einer Rede des Schweizers Motta gab der polnische Außenminister Strzynski der Hoffnung Ausdruck, daß das Genfer Protofoll doch noch zustande komme. Er betonte im übrigen nochmals den christlichen Friedenswillen Polens und seine Anhänglichkeit an den Böllerbund. Die Rede des chinesischen Delegierten, der verlangte, daß den ungerechten und fein Land bedrückenden Verstößen der Weltmächte ein Ziel gesetzt werde, und der dabei den britischen Außenminister direkt apostrophierte, fand starten Beifall.
Die Nachmittagsfihung brachte eine groß angelegte Rede des Franzosen Paul Boncour ,
der zunächst nochmals das ganze System des Genfer Protokolls, Das teine Erweiterung, sondern nur eine nähere Auslegung des Bölkerbundpaktes darstelle, zergliederte und den französischen Standpunft darlegte. Wir glauben, so führte er aus, daß das Genfer Brotokoll der sich erste Weg zur Befriedung der Welt ist. Aber do andere Staaten, ohne deren Mitwirkung dieser Weg nicht be schritten werden fann, es ablehnen, diesen Schritt mit uns zu tun, und der jetzt vorgeschlagene Weg der Einzelabmachungen auf feden Fall nicht aus dem System des Genfer Protokolls herausführt, sondern sogar durch eine Ausdehnung auf alle anderen Nationen das Endziel, die Sicherheit des Weltfriedens, ebenfalls erreicht werden kann, beschreiten wir auch diesen Weg. Weil wir auch an die Wirksamkeit des Einzelpattes glauben, fassen wir auch das ins Auge,
was der geschaffene Sicherheitszustand unmittelbar nach fich ziehen muß, nämlich die Abrüftung.
Darum ist es angebracht, schon jetzt die technischen Vorarbeiten für die Abrüstung unmittelbar nach dem Zustandekommen des folange erfehnten Sicherheitszustandes in Angriff zu nehmen. Diese Ausführungen wurden allgemein, besonders auch auf englischer Seite, mit außerordentlich startem Beifall aufgenommen.
Sozialistische Aktion im Völkerbund.
Genf , 11. September. ( Eigener Drahtbericht.) Heute Freitag fand eine vertrauliche Besprechung sämtlicher zur Völkerbundstagung anwesenden sozialistischen Delegierten statt, um zu den schmebenden Problemen Stellung zu nehmen. Die Sozialisten wollen vor allem darauf hinwirken, daß auch die politischen Fragen in den Kommissionen behandelt werden. Bis jetzt machte sich deutlich eine Strömung bemerkbar, die die Behandlung aller politischen Fragen aus den Arbeiten der Kommissionen auszuschalten fucht. Erklärungen Chamberlains.
Genf , 11. September. ( Eigener Drahtbericht.) Im heutigen Bresseempfang durch Chamberlain waren die Mitteilungen des
Offensive gegen die kabylen. Anfangserfolge der Franzosen . Paris , 11. September. ( Eigener Drahtbericht.) In einem amilichen Heeresbericht wird bekanntgegeben, daß die französischen Truppen in Maroffo die Offensive begonnen haben. Sie scheint von den beiden Flügeln der französischen Front nördlich des Fluffes Uergha auszugehen. Im Westen sind die Franzosen über Lafrant, int Often über Terual vorgestoßen. Der Kampf soul fich günstig entwickeln.
Marschall Lyautey ist unterwegs nach Marotto, wo er die politische Leitung wieder übernehmen soll, während Marschall Pétain den Krieg führt.
Die Sozialisten fordern Parlamentsdebatte. Paris , 11. September. ( Eigener Drahtbericht.) Der Vorstand der sozialistischen Partei und der sozialistischen Kammerfraktion baben an den Ministerpräsidenten und den Kammerpräsidenten ein Schreiben gerichtet, in dem sie die sofortige Einberufung des Parlaments fordern, um die Lage in Maroffo bzw. in Syrien und die Haltung der Regierung im Streit der Banfangestellten zu
erörtern.
Paris , 11. September. ( WTB.) Der Berichterstatter der Chicago Tribune" in Era berichtet, daß der Drusenvolks stamm aus seiner Landeshauptstadt Sweida abgezogen fei. Die Räumung habe in der vorgestrigen Nacht begonnen und sei gestern vollendet gewesen. Französische Flugzeuge hätten lange Ramellarawanen festgestellt, die Frauen, Kinder und Güter in langsamem Zuge fortschafften. Obwohl die Stadt Sweida nunmehr von der Zivilbevölkerung geräumt sei, benutzten die Krieger der Drusen die aus Stein gebaute Hauptstadt als Befestigungs mert bei ihren Angriffen gegen die Zitadelle von Smeida, in
die Räumung der Kölner Zone befragt, erklärte Chamberlain:„ Ich habe nur den einen Wunsch, so schnell wie möglich zur Räumung der Kölner Zone zu fommen und hoffe, daß man alles zur Durchführung meiner Absichten tun wird." Auf die Frage, ob die Unterzeichnung des Westpaktes auch für die englischen Dominions in Frage fomme, erklärte Chamberlain, die Dominions hätten unbedingte.handlungsfreiheit; eine Verpflichtung für sie, den Baft zu unterzeichnen, bestehe nicht. Diese Aeußerung soll in gewissen Kreisen wie ein falter Wasserstrahl gewirkt haben.
Internationale Wirtschaftsuntersuchung.
Genf , 11. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die franzöfifche Regierung hat im Bölkerbund beantragt, die Wirtschaftskommission mit einer Untersuchung der internationalen Wirtschafts- und Finanzlage zu beauftragen. Es ist geplant, diese Aufgabe dem Arbeitsamt zu übertragen, das vor allem auch die Gewerkschaften zur Mitarbeit heranziehen soll. Die Untersuchung soll sich auf die 30llschwierigkeiten, die Vereinheitlichung des inter nationalen Durchgangsverkehrs und des Münz wesens sowie Regelung von Produktion und Absatz beziehen.
Versprechungen an das Saargebiet.
Genf , 11. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die Genossen Brettner und Schäfer, die Delegierten der Saararbeiter zum Völkerbund, haben Genf verlassen, nachdem sie mit sämtlichen Ratsmitgliedern verhandelt hatten. Briand und Benesch haben ihnen als vorläufige Lösung für die Forderung auf Verleihung des passiven Wahlrechts an alle Saarländer den Vorschlag gemacht, dieses Wahlrecht allen zu verleihen, die feit fünf Jahren im Saargebiet wohnen. Lord Cecil und Scialoja haben um Ueberreichung einer Dentschrift zu dieser Frage gebeten, um die Forderung der Saarbevölkerung im Rate Dor= bringen zu können. Ebenso wurde versprochen, die Forderung zur Debatte zu stellen, eine Saardelegation im Rat anzuhören. Im übrigen verlautet, daß das französische Militär dem nächst aus dem Saargebiet zurückgezogen werden sou.
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Im Dezember soll der Saarpräsident Rault abgelöst werden. Man macht Propaganda für das tschechische Saartommiffions mitglied Dr. Bezenski als Nachfolger. Dieser Herr hat den Schülern die Beteiligung an den Jahrtausendfeiern verboten und sich bei der Parade der französischen Truppen, die doch wider rechtlich noch in Saargebiet sind, wo längst Saargendarmerie aufgestellt sein müßte, hervorgetan. Selbst ohne diese Vergangenheit Bezenstis müßte es übel wirken, wenn der direkte Interessenvertreter franzöfifcher Annerionsbestrebungen gerade durch den Angehörigen eines Staates erjeẞt würde, der seine Politik leider sehr nach den Wünschen französischer Reaktionäre und Chauvinisten richtet. Jedenfalls wäre eine solche Neubefehung nicht zugunsten besserer deutsch - tschechischer Beziehungen.
der sich noch 700 Franzosen befinden, die seit 50 Tagen belagert
werden.
Französische Deserteure in Darmstadt . Darmstadt , 11. September. ( TU.) Großes Aufsehen erregten heute vormittag in den Straßen Darmstadts zwei französische Soldaten in veller Uniform, die ziemlich heruntergekommen aussahen und von der Polizei festgenommen wurden. Der eine, ist ein französischer Sergeant. Aus ihren Aeußerungen war zu schließen, daß sie aus Furcht vor dem Abtransport nach Ma roffo desertiert sind.
Türkenvormarsch gegen den Jrak.
Pression auf den Völkerbundsrat? Genf , 11. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die Genfer Presse meldet aus Bagdad , daß die Türken 40 000 Soldaten mit Flugzeugen und schwerer Artillerie an der 3raf Grenze zu fammengezogen haben. Meine Truppenabteilungen sollen bereits die vom Völkerbund festgesetzte Demarkationsgrenze überBon türkischer Seite wird diese Nachricht als dritten haben. Tendenzmeldung bezeichnet. Doch verhehlen sich die Türfen nicht, daß die Lage im nahen Osten sehr ernst werden kann, wenn der Rat in der Moffulfrage nicht baldige Entscheidung trifft, die den türkischen Wünschen gerecht wird.
Der Weltbankier Amerika. Zu den internationalen Schuldenverhandlungen. New York , 11. September. ( Eigener Drahtbericht.) Das ameritanische Schahzamt hat am Freitag eine Aufstellung veröffentlicht, der 20 Länder den Vereinigten Staaten insgesamt 12 087 658 265 Dollar schulden. Die Berhandlungen über die franzöfifchen und auch italienischen Kriegsschulden sollen anfangs Dezember abgeschlossen werden.
nach
Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 3.
Wir fordern Klarheit!
Wie stehen die Deutschnationalen zum Sicherheitspakt? Die deutschnationale Parteiführung hat von den Ereignissen, die im vergangenen Sommer der Entscheidung über das Dames- Abkommen vorangingen, insofern etwas gelernt, hatte sie überall durch den Mund ihrer maßgebenden Führer als fie diesmal eine Festlegung sorgfältig vermeidet. Damals hatte sie überall durch den Mund ihrer maßgebenden Führer erffären lassen, daß sie niemals ihre Zustimmung zu den ,, Sklavenketten" des Sachverständigengutachtens erteilen würde. Bis zuletzt, das heißt bis zur entscheidenden AbStimmung im Reichstage am 29. August 1924, verblieb sie bei diefem angeblichen festen Entschluß. Und als man dann die Stimmen zählte, da stellte sich heraus, daß die deutschnationale Reichstagsfraktion sich genau halbiert hatte, und daß gerade so viel Mitglieder abfommandiert worden waren, um die Annahme der notwendigen verfassungsändernden Geseze mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zu ermöglichen. Um die drohende sofortige Reichstagsauflösung zu vermeiden, um ferner ein paar Ministerportefeuilles zu ergattern, hatten die Deutschnationalen ihre feierlichen Schwüre gebrochen....
Die herbe Schule der Beteiligung an der Regierung hat die deutschnationale Parteiführung zu größerer Vorsicht erzogen. Für die deutschnationale Ideologie, wenn es überhaupt noch) cine folche gibt, sollte der Sicherheitspati eigentlich noch viel un annehmbarer sein als das Londoner Abkommen über den Dames- Plan. Und dennoch haben die verantwortlichen Redner und Schriftleiter der Deutschnationalen Bartet es bisher vermieden, jenes ,, flare, entschlossene Nein" hinauszufchmettern, das für sie in den feligen Zeiten der Opposition eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre. Golange der Reichstag tagte, hatte diese zurückhaltung ihre besonderen Gründe: höher als Elsaßothringen stand ihnen der Brotwucher, den fie nur als Regierungspartei durchsehen konnten, d. h. indem fie die vom Reichsaußenminister eingeleiteten Berhandlungen über den Sicherheitspaft nicht durchtrenzten. Daher begnügten sich die deutschnationalen Fraktionsredner im Auswärtigen Ausschuß und im Plenum des Reichstages damit, in sorgfältig formulierten Wendungen den Gedanken des Pattes zurückzuweisen und im übrigen zu erklären, daß ja alle bisherigen Schritte, einschließlich des deutschen Angebotes vom.9. Februar, unverbindlich seien, und daß sie daher ihre Handlungsfreiheit voll und ganz behielten. Nur einmal im Juli, als die Reichsregierung auf die französische Antwortnote erwidern mußte, fonnten die Deutschnationalen nicht umhin, ihr Bertrauen zu den außenpolitischen Spritten des Kabinetts in öffentlicher Reichstagsabstimmung auszusprechen. Sie mußten das um so mehr tun, als ja das Schicksal der Regierung Luther , also der Broiwucher, davon abhing.
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Seitdem sind die Baltverhandlungen erheblich weitergegangen: in London hat soeben eine Konferenz der juristifchen Sachverständigen stattgefunden, und in Genf ist die Einladung an Deutschland zu einer Ministerkonferenz beschlossen worden, die bereits in den nächsten Wochen zusammentreten soll. Dennoch ist die Frage, wie sich die Deutschnationalen eigentlich zu dem geplanten Sicherheitspakt stellen, dessen Modalitäten in einzelnen Detailfragen von mehr oder. minder großer Bedeutung noch Gegenstand der mündlichen Berhandlungen sein sollen, dessen entscheidender Inhalt nämlich der Verzicht auf jeden Revanchetrieg durch Deutschland seit nahezu drei Bierteljahren feststeht, ungeflärter denn je. Es wurde erst vor wenigen Tagen auf die Wanzentaftit hingewiesen, die von allen maßgebenden deutschnationalen Blättern gegenüber diesem wichtigsten außenpolitischen Problem der Gegenwart geübt wird. Inzwischen hat sich an dieser Taktik nichts geändert. Nimmt man die führenden Rechtsblätter der Reichshauptstadt zur Hand, dann möchte man meinen, daß sie der Sicherheitspaft weniger angeht als die spanische Landung an der Küste des Rifs. Nur die Deutsche Zeitung", diefes enfant terrible der deutschnationalen Bresse, seht ihre Opposition gegen den Batt und gegen alles, was damit zusammenhängt, unter heftigen Angriffen auf Stresemann fort. Durch sie erfährt man, daß am Donnerstag der erweiterte Borstand des Landesverbandes Potsdam I der DNBP. in einer einstimmig angenomme= nen Resolution die Parteileitung auffordert,
„ feinen Zweifel darüber zu laffen, daß eine, wenn auch noch fo verschleierte Preisgabe von deutschem Land durch deutschnationale Bertreter von der Deutschnationalen Bolkspartei nicht hingenommen werden wird.“
Diese Resolution, die doch nicht anders aufgefaßt werden fann, als eine Kampfansage an die eigene Reichsregierung, ist um so bemerkenswerter, als sie von dem Wahlkreis angenommen wurde, dessen deutschnationaler Listenführer kein anderer ist als Graf Westarp. Und doch wird man vergebens in dem Leiborgan desselben Grafen Westarp, in der Kreuz- Zeitung ", diese Resolution suchen. Sie ist dort ebenso unterschlagen worden wie in der Deutschen Tageszeitung", im Lokal- Anzeiger", im Lag" usw. Ihre Veröffentlichung ist wohl von den Redaktionen als eine Durchtreuzung der Wangentaktit empfunden. worden.
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