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Nr. 435 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 222

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Dienstag, den 15. September 1925

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Der Sachsenstreit vor dem Parteitag.

Bethge vertritt die Fraktionsmehrheit, Lipinski die Landesorganisation.

Heidelberg , 14. September. ( Eigener Drahtbericht.) Am ersten Verhandlungsiage des Parteitages füllten die Berichte des Parteivorstandes über seine politische Tätigkeit, über die Kaffenverhältnisse und über die Bildungs- und Kulturarbeit der Partei die ganze Vormittagssigung. Am Nachmittag be­gann die Sachsendebatte, einer der wenigen unerquid­lichen Gegenstände dieses Parteitages. Der Vorsitzende der sächsischen Landesinstanzen, Genosse Lipinski, beschwerte fich. zwar über den ,, Borwärts", weil dieser den ganzen Kon­flift als Ausfluß einer partikularistischen Krähwinkelei charakterisiert hat, aber die starke Zustimmung, die die Berlefung der betreffenden Stelle aus dem Vorwärts" bei einem erheblichen Teil der Delegierten fand, dürfte ihm zeigen, daß nicht alle Welt begreifen kann, warum eine solche Summe von Energie aufgebracht wird, um zwei Strömungen in Sachsen immer wieder auseinanderzubringen, von denen jede für sich in Anspruch nimmt, das Beste für die Partei und die Arbeiterklasse zu wollen.

Nach einem Beschluß des Parteitages, der auf einmütigen Borschlag von Parteivorstand, Kontrollkommission und Partei ausschuß erfolgte, sollte jede der beiden Richtungen ihre Haltung durch einen Redner vor dem Plenum darlegen und dann die ganze Angelegenheit einer dreizehnglied rigen Kommission überwiesen werden.

Breslau , Klupsch- Dortmund , Steinmeyer- Stuttgart und Bugdahn­Altona. In der Diskussion über den Vorstandsbericht erhält zunächst als Bertreter der sächsischen Fraktionsmehrheit das Wort Bethge- Dresden :

Wir hätten es lieber gesehen, wenn der Teil zuerst gehurt worden wäre, der in Artikeln und Anträgen Vorwürfe gegen die Fraktionsmehrheit erhoben hat, damit wir diese Vorwürfe zurüd­weisen konnten.( Sehr richtig!) Aber die 23 haben sich niemals im fächsischen Streit als schuldig gefühlt. Sie sind stets der Auffassung gewesen, daß das, was sie getan, haben, im Einklang mit dem Gesamtinteresse der Partei stand. Wir haben uns auf den Parteitag gefreut, wo mir endlich einmal vor der Partei das jagen konnen,

was uns bisher in der Parteipresse und in Versammlungen ver wehrt worden ist. Seit gut einem Jahre sind wir aus dem Ver­fammlungsleben ausgeschlossen. Wir durften unsere Meinung auch nicht sagen, als wir noch Mitglieder waren. Obwohl ich Bezirks sekretär des Barteivorstandes war, wurde mir in einer Versammlung, wo auch der Abgeordnete des Bezirks sprechen wollte, das Wort Dermeigert, weil gegen uns ein Antrag auf Ausschluß megen Disziplinbruchs bestand.( Sört, hört!) und als ich den Vorsitzenden aufforderte, doch das Statut zu wahren, sagte er lächelnd: Mehr heitswille ist Mehrheitswille!" Seit zwei Jahren hat man uns auch von Referaten in den Versammlungen ausgeschlossen. Selbst preß­gefeßliche Berichtigungen würden uns versagt. Mehrfach hieß es, die Briefe feien verloren gegangen.( Hört, hört!) Wir haben darauf verzichtet, das vor Gericht auszutragen, haben die Zähne zusammen gebissen und gewartet, bis wir uns hier vor dem Parteitag ver­teidigen konnten. Wenn man das ganze Jahr ausgeschlossen war. als Lump und Verräter, als Mandatjäger in der sächsischen Preise hingestellt wurde, so ist es fein Wunder, wenn nicht genügend informierte Redakteure der Parteipresse ebenfalls gegen uns Stellung nahmen.

Es handelt sich hier nicht um Mandate. Jeder der 23 hat sich damit abgefunden, daß wir als einfache Soldaten wieder in die Reihen der Partei zurückkehren. Wären wir Mandatsjäger, so hätten wir in jener Situation, wo der Hunger die Köpfe verrückt machte, dieser Stimmung Rechnung getragen. Wir wußten, als mir gegen den Willen der Massen handelten, daß wir will von der politischen Brinzip zu vertreten. Der Kern des Streites ist die große Frage: Tribüne abtreten müssen; aber mir fagten uns, es gilt hier ein Staatsbejahung oder Staatsverneinung!

Für die angeschuldigte Mehrheit der sächsischen Landtags­fraktion, deren Ausschluß gefordert wird, sprach Genoffe Carl Bethke Dresden . Bon vornherein erklärte er, daß es sich bei allen Differenzen nicht, wie man vielfach ver­breitet habe, um die Frage der Mandate handse, vielmehr stehe im Mittelpunkt des Streites die Frage, welche Stellung zum Staat einzunehmen sei: ob im Sinne des von Wels bei der Eröffnung des Parteitages ausgesprochenen marmen Bekenntnisses zu diesem Staat, der von der Sozialdemokratie geschaffen und aufgebaut ist, oder im Sinne der Berneinung gegenüber jedem Staat, in dem noch der Kapitalismus als Wirtschaftsform besteht. Mit lebhafter Empörung mies er für die 23 Mitglieder der Landtagsfraktion den Gedanken zurüd, als ob sie an ihren Mandaten klebten. Sie hätten sich damit abzufinden, als einfache Soldaten in die Reihen der Genossen zurückzutreten. Aber sie wehrten sich dagegen, daß sie für ihre Handlungen, die zum guten Teil auf Anraten und unter Zustimmung des Gesamtvorstandes der Partei erfolgten, als Berräter aus der Partei herausgeworfen werden. Die von lebhafter innerer Bewegung durchgluteten Dar­legungen Bethtes machten offensichtlich großen Eindrud auf den Parteitag. Genosse Lipinski, der noch einmal zu Worte fam, begann mit einer Bolemit gegen den ,, Borwärts". Er bemühte sich um den Nachweis, daß die fachlichen Mit- Auffaſſung teilungen Bethkes über die Entwicklung des Streites in mancher Beziehung nicht stimmen, in anderer, von unrichtigen Voraussetzungen ausgehend, zu falschen Schlüssen führen fönnen. Ueberrascht erklärte sich Lipinski durch das Zu geständnis Stellings im Bericht des Parteivorstandes, daß der Eintritt der Fraktionsmehrheit in die Regierung der Großen Koalition auf Anraten des Parteivorstandes erfolgt jei. Bis dahin hätte der Parteivorstand eine solche Erklärung vermieden, obschon sie die Beurteilung der Dinge in ihren Anfängen stark beeinflußt hätte. Er ist der Meinung, daß die 23 Mehrheitler der sächsischen Landtagsfraktion dauernd die notwendige Disziplin gebrochen und sich deshalb außer halb der Partei gestellt hätten. Das offen auszusprechen, sei die Pflicht des Parteitages.

Die stenographische Wiedergabe der beiden Reden, die unsere Leser im Bericht finden, gibt zwar einen ungefähren Ueberblid, aber ein absolut richtiges Urteil über die Konflikt­gegenstände tönnen sie nicht vermitteln. Die Dreizehner­fommission, die verurteilt ist, alle die Argumente Für und Gegen mehr als einmal anzuführen, zu würdigen und schließ­lid) noch die Berge von Aften des Parteivorstandes, die allein über diesen Gegenstand entstanden sind, nachzuprüfen, wird hoffentlich unter die ganze Rechnung einen dicken Strich ziehen. Als Saldo darf nur übrig bleiben der Wille, die Partei aus dem Hader herauszuführen zu neuer Stärke und Kraft.

*

Ueber den Rest der Bormittagssigung des Parteitags berichten wir auf der Beilage. Am Nachmittag wird zunächst nach Berlesung eines Begrüßungstelegramms der Sozialdemokratie Schwedens

die Kommiffion zur Behandlung des fächsischen Konflikts gewählt. Außer einem Bertreter des Barteivorstandes find in die Rommission delegiert: Roß- Hamburg, Marum- Karlsruhe, Siering Broßmiz- Frankfurt, Berten- Niederrhein , Bogel Nürnberg. Linte- Deffau, Liebtte- Berlin, Rosenfeld - Berlin , Jamotta.

| uns still toaliert, aber es zeigte sich in Sachsen vald, was wir jetzt alle wissen, daß die Kommunisten in das Parlament nur zogen, um den Parlamentarismus zu diskreditieren. Kurz vor dem Abschluß wirklich wertvoller Geseze wurden toir durch sie in Krisen vermickelt und mußten unsere wertvollsten Regierungen opfern. Männer wie Bud und Lipinski mußten ihren Abschied nehmen. Wertvollste Zeit wurde monatelang mit Krisen vergeudet. Endlich erkannten die Landesinstanzen, daß mit diesen Kommunisten praktische Arbeit nicht zu leisten war; sie emp­fahlen noigedrungen die Koalition mit den Demokraten, um die Staatsmaschine wieder in Gang zu bringen. Jetzt geschah das Ungeheuerliche: Eine in jahrelanger Parteiarbeit geschulte Partei­leitung wurde abgefeßt, die Landtagsfraktion ausgeschaltet und die Diktatur einer Siebener Kommission aufgerichtet. Hätte der Parteivorstand damals durchgegriffen er hatte freilich damals im Reiche alle Hände voll zu tun- dann gäbe es hcute feinen sächsischen Parteifonflikt.( Sächsische Zuruje: Demokratische Disziplin!) Wo war, denn Demokratie und Disziplin, als man die Diktatur der Siebener- Kommission aufrichtete? Da wurden

heimliche Abmachungen mit den kommunisten geschlossen, ta wurden Hundertschaften gebildet ufw.( Zuruf: Du warst ja dabei!) Gewiß, ich habe mich mit Widerstreben an die Spige gestellt, weil meine ganze Tätigkeit feit Jahren darin bestand, Gure Dummheiten abzubiegen. Die Gewerkschaften haben sich damals mit Händen und Füßen gegen die drohende Berschlagung gesträubt und über den Zustand, in den Ihr die Partei gebracht habt, tonnte der damals führende sächsische Kommunist Böttcher schreiben: Die stolze Feste der Sozialdemokratie bietet heute ein Bild des Jammers und Erbarmens. Führer und Massen sind völlig durcheinander gewirbelt; das haben wir erreicht!" Das Endergebnis diejer Situation war das Ministerium Zeigner. Die Regierung dieses mantelmütigen, entschlußunfähigen Pathologen. mußte natürlich zum Zusammenbruch führen. Die Kommunisten stellten zwei Minister. Brandler jolte als Ministerial­direktor die Herrschaft über die Politik bekommen. Die Kommu nisten ganz Deutschlands wurden nach Chennig zusammengerufen, um den Auftaff zum Bürgerkrieg zu vollziehen, und die russischen Antreiber waren mit ihren Photographen zur Stelle, um den historischen Moment der Ausrufung des Generalstreifs für regierung fand dadurch einen billigen Vorwand, in das rote Sachfen ganz Deutschland aufzunehmen. Es gelang nicht, aber die Reichs­einzumarschieren, und rein militärisch war es flar: Selbst wenn man ernsthaft gegen Bayern hätte marschieren wollen, hätte man im Rücken den kommunistischen Feind nicht dulden dürfen.( Un Entfernung der kommunistischen Minister. Wenn damals die fächfifche Parteileitung elmas politischen Verstand gehabt hätte, hätte sie einlenten müffen, wie übrigens 3eigner wollte. Aber Fleißner, Liebmann und Arzt hatten nur die revolutionäre Geste. Obwohl Sachsen nicht voltreicher ist als Berlin , legten sie, einen Machtwillen" an den Tag, der in seiner Naivität erbarmungs­würdig war. Sie sprachen das revolutionäre Nein die Reichs­

( Sehr richtig!) Bir Schöpfer der Republik wollen sie nicht in den Händen jener lajsen, die sie benutzen, um sie zu zertrampeln. Aufruhe.) Es kam das berühmte Ultimatum der Reichsregierung auf der anderen Seite wird gesagt: Jedes Baftioren mit dem Bürgertum zwecks Erhaltung der Republif ist eine Todsünde am flasjentämpfe rischen Geist und führt zur Versumpfung. In Sachsen hatten wir eine proletarische Mehrheit bereits vor dem Siege. Ein Teil der Dereinigten Partei war vor der Bereinigung gegen jede Koalition selbst mit Erzialdemokraten, und als man sich vereinigte, war diese Auffaffung nicht tot und fand lebendigen Widerhall. Da haben wir

Heute Ueberreichung der Einladung.

Durch de Margerie an Stresemann .

Ständigen Internationalen Schiedsgerichtshofes eingeholt werden. um Schluß brachte Apponyi zu dem Antrag des Spaniers Quinonos de Leon einen Abänderungsantrag ein, der den Bölkerbundsrat

Der französische Botschafter de Margerie hat seinen Befuch zur| Minderheiten betreffenden Rechtsfragen soll ein Rechtsgutachten Ses Ueberreichung der Einladung Deutschlands zur Konferenz der Außenminister für heute Dienstag mittag um 12 Uhr im Aus­wärtigen 2mt angemeldet. Die Einladung enthält nach einer Reuter­meldung noch nichts über den Ort und sonstige Einzelheiten.

Der englische Premierminister Baldwin ist am Montag mittag anläßlich eines Effens mit Painlevé, Briand und anderen polifischen Führern zusammengekommen. Die Unterredung foll sich in erfter Linie auf die Pakiverhandlungen und die Bölkerbundsfrage bezogen

haben.

Völkerbund und Minderheiten.

Genf , 14. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die allgemeine Aussprache über den Tätigkeitsbericht des Völkerbundsrates wurde auch am Montag fortgesetzt. Die bemerkenswerteste Rede war die des ungarischen Delegierten Graf Apponyi . Im Mittelpunkt feiner Ausführungen stand das minoritäten problem. Apponyi hob hervor, daß der Völkerbund und seine Minoritäte: politit neue Wege einschlagen müffe. Die folgenden drei Forde rungen des Weltverbandes der Völkerbundsligen fönnten dabei als Richtlinien dienen: 1. Die von genügend bevollmächtigt erscheinenden Organisationen der Minderheiten vorgebrachten Klagen sollen dem Bölferbundsrat se fort, ohne die bisher langwierige Nah­Prüfung der Eingabe bcrewligung, unterbreitet werden. 2. Die Bertreter der sich bekämpfenden Minderheiten sollen fünftig Gelegenheit erhalten, vor dem Bölferbundsrat persönlich ihren Standpunkt zu vertreten. 3. Bei allen vor den Rat tommenden, die

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ersucht, schon jest mit der Borbereitung einer allgemeinen Ab rüstungsfonferenz zu beginnen.

Der litauische Bertreter Galvanaustas beantragte Ein­fetzung einer Kommiffion, die ein für alle Völkerbundsmitglieder gültiges, einheitliches Minderheitsrecht entwerfen soll. Auch Kalfoff Bulgarien sprach sich für die Erweiterung der Bustnädigkeit des Rates bei der Behandlung der Minderheitsfragen aus. Man hofft, Dienstag mit dieser Aussprache zu Ende zu tommen.

Am 15. Oktober tritt in Genf ein internationaler Kongreß der Minderheiten in sämtlichen europäischen Staaten zusammen. Es werden rund 30 Gruppen vertreten sein, darunter auch Vertreter der nationalen Minderheiten in Deutschland "( Polen , Wenden und Tschechan). In erster Linie soll der Kongreß der Schaffung einer internationalen Organisation zur Zusammenarbeit bei der Wahrung der Minderheitenrechte gewidmet sein.

Die Mißhandlung rechtloser Minderheiten, denen das neue Völkerrecht feierlich Schuß zugesagt hat, ist eine Schändlichkeit. Größeren Eindrud werden gewiß die Minderheiten mit ihren Klagen erzielen, deren Böller dort, wo sie herrschen, ehrlich demokratisch genug find, ihre Minderheiten nicht zu unterbrüden