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Nr. 447 4S«5ahrgaag

1. Seilage öes vorwärts

Aeastag, 22« September 1425

�Was muß man von Serlin wissend

Juterefsantes aus Charlottenburg .

Die Thorlottenburger Lezirksversammlung beschäftigte sich mit einem demokratischen Antrag, der verlangt, die Wohnungssuchenden, die auf der Dringlichkeitsliste stehen, in eine Wohnungsbaugenossen- fchaft zu vereinigen. Der Antrag wurde abgelehnt, weil der empfoh- lene Weg nicht zum Ziel sührt. Von der sozialdemokratischen Fraktion wurde aber nachdrücklichst gefordert, daß die dringendste Aufgabe der Stadt jetzt die sein muß, das Wohnungselend zu beseitigen. Bürgermeister A u g u st i n teilte mit. daß die vtadt sobald wie irgend möglich die Aufschließung eines Geländes südlich der Iungfernheide und in Nord-Westend in Angriff nehmen will. Mit größter Eile soll die Anlegung von Straßen und Wegen auf diesem Gelände betrieben werden, damit die Bebauung recht bald erfolgen kann. Es ist auf die Dauer unerträglich, daß täglich tlöOOO Arbeiter angewiesen auf miserable Derkehrsmöglichkeiten weite Wege zurücklegen müffen nach den großen industriellen An- lagen in Siemensstadt , während in nächster Röhe der Werk« un- bebauter Grund und Boden liegt, auf dem fast die doppelte Anzahl Wohnungen errichtet werden könnte. Interessant ist, daß nach den Berechnungen des Bezirksamtes der Bau für»in« Wohnung, be- stehend aus 2 Zimmern. Kammer und Küche, unter Berücksichtigung aller Aorteile der Hauszinssteuer, für jeden Mieter«ine dauernde jährliche Belastung von 800 bis 900 Mark mit sich bringt. Dann wurden zwei wichtig« Anfragen der sozial- demokratischen Fraktion behandell. Di« erst« lautet: Aus dem Erwesterungsbau des Elektrizitätswerkes am Spreebord haben sich wiederholt schwere Unglücksfälle ereignet. Es sind eine Reihe schwerer Verletzungen durch Einsturz eines Gerüstes und durch schlechtes Abdecken der Rüstungen vorge- kommen. Ist das Bezirksamt bereit, durch schärfft« Ausübung der baupolizeilichen Kontrolle die Wiederholung solcher schweren Un- glücksfälle so weit wie irgend möglich zu verhindern? Vom 1. Mai bis 1. Juli d. I. haben sich auf dieser Baustell« 420 Unfälle er- eignet, darunter 50 schwere, von denen 3 tödlich verliefen. Das fluchwürdige Antreiber- und Prämiensystem, dos auf dieser Arbeits- statte herrscht, und die ungenügend ausgeführte Baukontrolle ist schuld daran, daß es zu einer so unerhörten Häufung von Unglücks- fällen kommen konnte. Die Baupolizei hat sonderbarerweise von den vielen Verletzungen, mit Ausnahnie der schweren Unfälle, nichts gewußt. Bürgermeister A u g u st i n ist als Thef der Baupolizei in Charlottenburg unserer Meinung nach für diese bedauerlichen Zu- stände mitverantwortlich. Er teill mit, daß die Baupolizei gegen die Art, in der die Baugelküste ausgeführt wurden, keine Ein- Wendungen erhoben hat, und daß ihm bisher nur zwei Unfälle ge- meldet wurden. Gegen den Versuch von bürgerlicher Seite das jetzt auf der Baustelle übliche Hasten und Treiben auf den Bauarbeiter- streik zurückzuführen, wurde von uns energisch Einspruch erhoben. Wie tief einige Mitglieder der Rechten von den tragischen Vor- kommnissen berührt wurden, geht daraus hervor, daß der deutsch - nationale Bezirksverordnete Decker auf die Ausführungen unseres Redners über den mangelhaften Zustand der Rüstungen mit dem ZurufQuatsch' onwortete. Die zweite Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion beschäftigte sich mit dem deutschnationalen Stadt- und Bezirksverordneten Herrn Fedler Fm Februar 1924 wurde gegen Herrn Fedler als Mitglied der Chor- lottenburger Wohnungszuweiiungskommiffion der schwere Vorwurf erhoben, daß er in mehreren Fällen seine ehrenamtliche Tätigkeit dazu mißbraucht hat, für sich geschäftliche Vorteile zu erringen. Herr Fedler hat sich für berechtigt und verpflichtet gehalten, seinen Parteigenoffen bei Wohnungsbeschaffungen besonders eifrig behilflich zu fein und ihre Angelegenheiten so vorzubereiten, daß die Beamten des Wohnungsamtes in allen Fällen im Sinne seiner Klienten entscheiden mußten. ErhatfürseineParteigenossen sogar ofsizielle Sprechstunden in Wahnungsangelegenheiten abgehalten und es ist Tatfache, daß in Charlottenburg versucht wurde, ehrenamtlich« Beziehungen im Interesse deutschnationaler Wohnungssuchender aus- zunutzen. In der Bezirksversammlung vom 26. März 1924 wurde nach eingehender Untersuchung durch das Bezirksamt der größte Teil der gegen Herrn Fedler erhobenen Vorwürfe bestätigi. Herr Scholz, der damals noch Bürgermeister von Charlottenburg war und Stadt- rat Hirsch erklärten, das Verhalten Fedler» fei geeig- net gewesen, Korruption in die Beamtenschaft

hineinzutragen. Trotzdem hat die deutschnational« Fraktion Herrn Fedler nicht zur Niederlegung seines Mandats gezwung« n. Sie brachte zwar in einer langen Erklärung zum Ausdruck, daß Herr Fedler taktlos gehandelt habe, es erkläre sich das jedoch aus der Eigenart feinesWesens und könne die Fraktion nicht veranlassen, Fedler aus ihren Reihen zu entfernen. Die Sozialdemokraten sahen in dem Verhalten dieses deutfchnotio- nalen Herrn eine schwere Schädigung des Ansehens der Bezirksversammlung und ersuchten das Bezirks- a m t, vom Berliner Magistrat zu verlangen, Herrn Fedler aus dem Ausschuß für Wohnungswesen zu entfernen. SiebzehnMonate sind seitdem vergangen und erst unsere Anfrage führte da- zu, da» Bezirksamt zu einem Bericht über den Stand der Angelegen- heit zu bringen. Der Vertreter des Bezirksamts, Genosse Hirsch, teilte mit, daß man sich sehr eifrig mit der ganzen Sache beschäftigt hat, insbesondere ist untersucht worden, ob«in Vorgehen gegen Herrn Fedler auf dem Wege des Disziplinarverfahrens möglich ist. Da» ist leider nicht der Fall. So ist denn Herr Fedler, vom disziplinar-recht- lichen Standpunkt aus betrachtet, vom Scheitel bis zur Sohle ein Ehrenniann. Getreu den Traditionen der Fraktion Halb und Halb gehören 50 Proz. seines aktiven Wesens der Ausübung seiner ehren- amtlichen Tätigkeit, die andere Hälft« der Wahrnehmung seiner ge- schäftlichen Interessen. Herr Fedler hat kürzlich vor den deutsch - nationalen Wählern über das ThemaW a s muß man von Be r l i n wissen' gesprochen. Wenn er vergessen haben sollte, sein segensreiches Wirken im Berliner Ausschuß für Wohnungswesen zu behandeln, so sind wir bereit, die von Herrn Fedler gelassene Lücke gründlich auszufüllen. Zreilust-Päöagogit in Potsdam . In Potsdam trifft man fest längerer Zeit auffällig viel auf einem Ausflug begriffene Schulkinder. Diese Schulklaflen, und zwar nicht wenig Dolksschulklassen, wandern fast ausnahmslos nach einem ganz bestinnnten Programm, das sich also abspielt: Man fährt bis Wildpark, geht an dem Neuen Palais vorbei und sodann spornstreichs zu dem unweit des Palais gelegenen Rund- tempel, durch dessen Gitterpforte man die Kmder in das Innere spähen läßt, wo Boden und Wände mit schwarzweihroten Schleifen bedeckt sind. In der Gruft ruht die verstorbene Frau Wilhelms II. Von hier au» geht man mit den Kindern zu dem Schloß des Mannes, den man auch heute in Deutschland noch immer mit einem fremden lateinischen Namen, mit Fridericu» Rex bezeichnet, und der selbst die deutsche Sprache so wenig liebtg. daß er am liebsten nur fran- zösisch sprach und seinem Lieblingsschloß einen französischen Namen gab: Sanssouci . Er hätte auch gut deutsch sagen können: .Ohnesorge' oder.Meine Ruh". Er tat es ober nicht. Wenn dann die Kinder weniger das Schloß als die Stelle bewundert haben, wo Fritzen» Windhund« ruhen, dann geht es voller Andacht in die Stadt hinunter, wo man still das Glockenspiellied.Heb' immer Treu und Redlichkeit!' vor der Garnisonkirche anhört. Dort läßt man mich die lieben Kinder von einem mit schwarzweißroter Fahne stehenden Postkartenmann Bilder vom.ollen Fritzen' und vom .holländischen Willi' kaufen, erklärt ihnen, daß die Hohenzollern Preußen groß gemacht haben und gibt sich eben als guter Pädagoge auf diese und andere zweckmäßige Weise olle Mühe, die Kinder zum neuen republikanischen Staat zu erziehen. Man hat über diese prachtvollen Pädagogen seine herzinnig« Freude, denn man weiß bei ihnen immer gleich, wie und wo, aber mit dem Ausdruck dieser .Freude' hält man als wohlerzogener Mensch zurück. Manche dieser herrlichen Dolkserzieher tragen auch allerlei geheimnisvolle Ab- zeichen auf den Rockauffchlägen. Eine kleine Königstrone scheint als republikanisches Abzeichen ganz besonders beliebt zu sein. Davon abgesehen steht Potsdam aber augenblicklich in.gutem Geruch', es findet nämlich in der Orangerie ein« Osthavelländische Gartenbauausstellung statt, die in geschmackvollen Arrangements sehr viel schönes Obst für jene, die zahlen können, aufweist. Mit Betrübnis stellt der Freund guten Obstes wieder fest, daß die Obst-

preis« in diesem Jahr eine Höhe haben, die es dem Minderbemittel- ten unmöglich machen, gutes Obst zu erwerben. Einen recht erfreulichen Eindruck bekommt man aber auch, wenn man in Potsdam ankommt. Nicht allein, daß fast zu jedem an- kommenden Zug die drei vorhandenen städtischen Straßendahn- linien bereitstehen, es stehen auch zu vielen Zügen nicht weniger als vier oerschieden« Postautobusie bereit, ein angenehmer Anblick, den man in der Tat sonst nirgends in ganz Berlin hat. Mit diesen Postautos kann Geltow und Baumgartenbrück, Bckrnstedt und Bor- nim, Nedlitz und sogar Templin , Caputh und der Schwielowsee er- reicht werden. Der akaüemifthe Kommunist. Eia Vorkämpfer dcutschnaftonoler.Belange". Daß die Kommunisten nur bestrebt sind, gegen die Sozialdemo. traten zu Hetzen, um der Hetze willen, beweist der Artikel des Zahn- arztes Dr. Ewald Fabian in der.Roten Fahne' vom 16. Sep- tember 1925, der wohl zur Wahlprvpaganda unter den Aerzten und Zahnärzten bestimmt ist. Herr Fabian wendet sich besonders gegen seinen Berufskollegen, den Zahnarzt Genossen Dr. Drucker, der an der Spitze einer Vereinigung von Zahnärzten steht, die bestrebt ist, reibungslos mit den Kassen im Interesse der Versicherten zusammenzuarbeiten. Er beklagt in seinem Artikel, daß die Zahnärzte vielsried- fertiger' sein müßten, als die Aerzte, da sie nicht fo lebenswichtig sind. Seine wahr« Gesinnung enthüllt aber dieser Ealonkonununist. indem er mit echt akademischem Dünkel aus den Zeilen sein Be- dauern durchblicken läßt daß die Zahntechniker zur Behau» lung bei den Kasien zugelasien sind und daß sie ihre Honorarsorde- rungen dem Einkommen ihrer Patienten anpasien. In der Theorie faselt der Verfasser von der.Gewerkschaft der Sanität s» arbeite r' und in der Praxis denunziert er die Zahntech. niker. Gerade er. der in einer hochfeudalen Gegend, in der Uhland- straße, praktiziert, spielt sich dem Genossen Drucker gegenüber, der immer m Proletariervierteln behandelt hat. als.volksfreund' auf. Warum Hot sich ober Genosse Dr. Drucker den besonderen Haß der kommunistisch- deutschnational- völkischen Zahnärzte zugezogen? Weil er während seiner fünfföhrigen Tätigkeit als Referent i« Wohlfahrtsministerium für ein friedliches Zusammen- arbeite n mit den Krankenkassen eintrat, weil er sich de» Zahntechnikern gegenüber objektiv verhielt und sich nicht den Wünschen der standestreuen Zahnärztefchaft beugte, die die Den- tisten natürlich aus rein ethischen Gründen aus der- Kasienpraxis ausschließen wollen. Ferner erreichte Genosse Drucker durch ein Gesetz, daß die Zahntechniker, die bei den Kasien zu arbeiten gewillt sind, ihre genügenden Kenntnisse durch eine Prüfung nachweisen müssen. Dann hat Genosse Drucker bei der Schaffung des Gesetzes zur Errichtung von Zahnärztekammern durchaesqst, daß den Zahn» ärztekammern keine Ehrengerichtsbarkeit zusteht. Das sind natür- lich in den Augen eines Kommunisten alle» Berbrechen, um derent- willen ein Herr Dr. Fabian den Genossen Drucker in der.Roten Fahne' angreifen muß, denn es wäre für einen kommunistischen Zahnarzt doch zu schön, wenn auch er einer Ehrengerichtsbarkeit unterworfen wäre und diese Ehrengerichte würden doch, wa» genau so schön wäre, wie die ärztlichen Ehrengerichte im Höfle-Skandal. versagen. Herr Dr. Fabian verschweigt aber in edler Bescheiden- heit bei, seinen Angriffen gegen den Kossenzahnarzt Dr. Drucker, daß auch er, wie noch viele andere Zahnärzte,«inen fünfjährige» Ver­trag mit der Allgemeinen Ortskrankenkasie der Stadt Berlin abge- schlosie» hat. Wie so häufig, macht sich also auch hier wieder ein Kommunist und noch dazu ein Akademiker, trotz de» Briefes des Ekki und der Reuorientierung der KPD. zum Vorkämpfer deutsch . nationaler Belange: dos ist aber um so besier zu oerstehen, als auf der Versammlung der deutschen Zahnärzte in Hannover «in großer Teil diesernur gezwungen friedfertigen' Mitbürger mit Stahlhelmabzeichen und Hakenkreuzen herumlief und diese Tagung unter den schönen Farben schwarz-weiß-rot erfolgt«.

Selbstmord au » Furcht vor Operallon. Ja dem Hause Preußen« ring 19 in Neu-Tempelhof erschoß sich am Sonntag der bSjährige Kunsthändler Fritz B. Ein sofort herbeigerufener Srzt der dortigen Rettungsstelle konnte nur noch den Tod feststellen. Wie aus hinterlassen«» Papieren hervorgeht, ist 8. aus Furcht vor einer unumgänglichen Magenoperatiou freiwillig aus dem Leben geschieden.

Das unbegreifliche Ich. 40s GeschichteeinerIugend. i Roman von Tom krisieasen. (Berechtigte llebersetzung aus dem Dänischeu von F. E , Vogel.) Sie war ganz weihe, damenhafte Touristin in ihren Be- wcgungen geworden. Deshalb also hatte sie einen Führer gewünscht! Waldemar fing an zu lachen, und dieses Gelächter trieb den heißen, phantastischen Gedanken in die Flucht.

Ich ging zum Einsegnungsunterricht, und hier erlebte ich zum erstenmal den Unterschied zwischen Oberklasse und Unterklasse.... Er lag nicht nur in den Kleidern, sondern auch in der Sprache und in der Art, zu lachen. Die Jungen aus dem Bredgadequartier waren größer und gerader gewachsen als wir anderen. Sie konnten niemals ihre Gesangbuchverse auswendig, aber wußten sich trotzdem zu helfen, und wenn Stellen aus der Bibel erklärt werden sollten, redeten sie sich schließlich stets irgendwie beraus. Wir anderen waren schwerfällig. Hatten wir nicht ge- lernt, blieben wir stecken...... Der Prediger war am freundllchsten gegen die Dredgade- jungen Von uns anderen genoß nur ein Milchjunge seine Protektion. Er schlief immer ein und wurde nur geweckt. wenn er an zu schnarchen fing.Armer Junge, murmelte k" Eines�Taaes. als wir keine Schule hatten, und ich im Geschäft half, trat eine breite Gestatt in kurzem Regenmantel ?«--wÄch-»®u. m.w«OT»; fr.«!« ich und»1. die Hände auf den Ladentisch , wie ich es so oft von Sa- muelsen gesehen hatte: doch im selben Augenblick erkannte ,ch den Prediger und wurde rot.. Guten Tag. Waldemar Rasmussen, treffe ich deinen Water oder deine Mutter an?'. Nein, aber �errn Samuelen, ich ifyn rufen, j)crr Pastor?' Samuessen, der das Gespräch gehört hatte, steckte den Kops aus dem Hinterzimmer heraus. Zu dienen. Herr Pastor, bitte schön, treten Sie naher. Hier ist nicht viel Platz. Ader eng ist der Pfad zur Tugend, Vicht wahr, haha.'!

Sind Sie der Vormund des Knaben, wenn ich fragen darf?' Ija Vormund oder nicht Vormund. Die Mutter dieses Burschen ist totkrank und der Dater ist gestorben." Sind Sie sein Onkel" .Las kann man nicht sagen. Rein, Vormund ist der richtige Ausdruck. Das paßt am besten. Aber kommen Sie doch herein. Im Laden kann man nicht so frei von der Leber weg sprechen, nicht wahr. Herr Pastor? Der Prediger ging herein.<> Ich blieb draußen im Laden und unkersuchte die Ziga- retten: ich war ein einfriger Raucher geworden. Ein gefährliches Viertel, Herr Samuelfen. Viele schlechte Elemente! hörte ich den Pastor sagen. Samuelsen brummte. Wie stehen Sie zur Refigion?" fragte der Prediger,ich entsinne mich nicht, Sie in meiner Kirche gesehen zu haben. Lich bin aber mal dagewesen," sagte Samuelsen. Da? ist merkwürdig. Ich erinnere mich durchaus nicht an Ihr Gesicht, und ich pflege doch sonst ein recht gutes Ge- dächtnis zu haben."..., Samuelsen brummte wieder. Ach so," sagte der Prediger lauk.meinen Sie, Man hätte so wenig von einer Predigt? Das wäre doch traurig. Wir wollen einander helfen, nicht? Ich tue mein Bestes, und es könnte doch vorkommen, daß gerade bei Ihnen ein paar Worte auf den rechten Boden fielen." Samuelsen brummte immer nur. Sind Sie denn nicht gläubig, mew guker Mann?" Ich folge Jesus und seinen Lehren, und das will ich dem Jungen auch beibringen, das kann ich Ihnen versprechen," antwortete Samuelsen. Einige Stuhlbeine schrabten. und der Prediger kam in den Laden. Also dann leben Sie wohl?" Gott , solch ein Schafskopf!" grinste Samuelsen, als er gegangen war. Weshalb haben Sie gelogen?" fragte ich. Gelogen? Verdammt noch mal, ich habe nicht gelogen. Daß alle Menschen früher oder später, nach zehn, nach zwanzig Daseinsformen, vielleicht nach noch mehreren, Gottmenschen werden, wie Jesus und Buddha es waren, das ahnt der Tropf, Gott soll mich strafen, nicht, und dabei ist er vom Staate an- gestellt und hat Examen gemacht. I du Gerechter! Rein, ich habe nicht gelogen; aber»oes halb sollte ich Perleo vor die

Säue werfen, weshalb sollte ich dem eingebildeten Aas bei- bringen, wie das Ganze zusammenhängt? Er hat noch Zeit genug, achtzig Leben lang. Laß ihn sich nur in der Volts- tirche herumtreiben, das iftseine Sache, sage ich!" Samuelsen zog seine Weste straff und fühlle sich, wie er da oben aus der Treppe zum Hinterzimmer sprach, wie ein Standbild. Ein Kunde kam in den Laden. Guten Tag. guten Tag, ist das aber ein Wetter heute. solche Kälte, nicht?" damit stürzte er sich ohne jeden Uebergcmg auf ihn los. Samuelsens tägliche Ausfälle gegen die Volkskirche machten den Prediger und die Kirche in meinen Augen lächer- lich, und ich war noch so jung, daß alles, was lächerlich wurde, seinen Wert für mich verlor. Ich wollte dann nichts mehr davon wissen. Wenn ich nach der Kirche kam, musterte ich sie überlegen. Das rote Gebäude war hübsch und imposant: doch in meiner Respektlosigkeit übersah ich das. Ich vergnügte mich damit, Zigarettenstummel zwischen die Stuhlreihen zu werfen. Das wurde jedoch von dem Prediger entdeckt und er hielt mir eine donnernde Strafrede. Es wurde auch ein Sport von mir, Bibesstellen fo gvt auswendig zu lernen, daß ich sie herunterleiern konnte, und wenn der Prediger mich in meinem Redefluß anfhiett, empfand ich das wie einen Sieg. Aber manchmal schwankt« ich und wurde fromm; und der Prediger konnte mich überrascht und mißtrauisch ansehen. wenn ich so voller Eifer die Psalmen und Bibelsprüche erklärte. Du mußt auf dich achtgeben, Waldemar Rasmussen,' sagte er, denn mein verschiedenartiges Benehmen berührte ihn unangenehm,du hast einen gefährlichen Charakter!' Ich nahm feine Warnung mit überlegener Ruhe entgegen Er wußte ja nichts von dem geheimen Kampf, den ich mtt Gott führte. Er konnte nicht wissen, daß Gott fein« besondere Art hatte, mich zu strafen, und daß ich die entdeckt hatte. Einmal hatte ich drei Zigarettenstummel mitgenommen und hatte sie zwischen die Bänke geworfen, aber als ich dann später zum Krankenhaus ging, hatte Mutter so hohes Fieber gehabt, daß ich nicht hereingelassen wurde. Ich begriff sofort den Zusammenhang und bereute die folgenden Tage mit frommem Eifer meine Sünde, und im Laufe der Woche ging es Mutter auch etwas besser: doch dann wurde ich wieder verrucht und begann aufs ne« niit Ziga- rettenfiummedl z» werfe».(Fortsetzung folgt.)